You are on page 1of 352

WERKSTOFFE 6 – Dr.

Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


2

6. WÄRMEBEHANDLUNG DER STÄHLE

6.1. EINFÜHRUNG

6.2. THERMISCHE AKTIVIERTE VORGÄNGE

6.3. GLÜHBEHANDLUNGEN

6.4. HÄRTEN

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


3

6.5. ANLASSEN

6.6. VERGÜTEN

6.7. OBERFLÄCHENHÄRTEN

6.8. ANLAGEN ZUR WÄRMEBEHANDLUNG

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


4

Empfehlenswerte Zusatzliteratur:
LÄPPLE, VOLKER (2010): „Wärmebehandlung des Stahls“. 10., akt. u. erw. Aufl.
Europa-Lehrmittel: Haan. ISBN 978-3-8085-1310-1, € 27,30.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


5

LIEDTKE, DIETER (2005): „Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen,


Vergüten, Bainitisieren“. Merkblatt 450. Stahl-Informations-Zentrum: Düssel-
dorf. ISSN 0175-2006.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


6

LIEDTKE, DIETER (2005): „Wärmebehandlung von Stahl – Nitrieren und Nitro-


carburieren“. Merkblatt 447. Stahl-Informations-Zentrum: Düsseldorf. ISSN
0175-2006.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


7

LIEDTKE, DIETER (2009): „Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten“.


Merkblatt 236. Stahl-Informations-Zentrum: Düsseldorf. ISSN 0175-2006.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


8

LIEDTKE, DIETER (2008): „Wärmebehandlung von Stahl – Einsatzhärten“. Merk-


blatt 452. Stahl-Informations-Zentrum: Düsseldorf. ISSN 0175-2006.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


9

Einführung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


10

Begriffe &
Definitionen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


11

EN 10052: Begriffe der Wärmebehandlung von Eisen-Werkstoffen1

„Die Wärmebehandlung von Stählen ist eine

Folge von Wärmebehandlungsschritten,

in deren Verlauf ein Werkstück ganz oder teilweise

Zeit-Temperatur-Folgen

unterworfen wird…

1 Darüber hinaus wird in DIN 17014 die Wärmebehandlung anderer Metalle geregelt.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


12

…um eine
Änderung seiner Eigenschaften

und/oder
seines Gefüges

herbeizuführen. Gegebenenfalls kann während der Be-


handlung die chemische Zusammensetzung des Werk-
stoffes geändert werden.“

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


13

Begriffe &
Wärmebehandlung engl.: heat treatment Definitionen

Wärmebehandlungsverfahren gehören nach 8580 zur Hauptgruppe 6


der Fertigungsverfahren:

Stoffeigen- Fertigen durch Eigenschaftsänderungen von Werk-


stoffen, z.B. mittels Erzeugung und Bewegung von Ver-
schaften ändern
setzungen im Kristallgitter, Diffusion von Atomen oder
chemische Reaktionen mit Wirkmedien; neben Wär-
mebehandeln zählen u.a. Verfestigen durch Umfor-
men oder thermomechanisches Behandeln dazu.

Glühen Kaltwalzen Formhärten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


14

Ziele der Begriffe &


Definitionen
Wärmebehandlung

Begleit-
elemente
ungünstige
Gefügezustände
Verun-
reinigungen
Gefüge-
Abkühl- ausbildung
bedingungen

Warm-/Kalt-
umformung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


15

Ziele der Begriffe &


Definitionen
Wärmebehandlung

Beseitigung
ungünstiger
Gefügezustände
Variation/optimale
Einstellung von Eigen-
Wärmebehandlung schaften – entsprechend
Weiterverarbeitung und
Anwendung
Einstellung von (geforder- gezielte Einstellung
ten) technologischen Eigen- besonders günstiger
schaften bei erhöhter Gefügezustände
Temperatur

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


16

Ziele der Begriffe &


Definitionen
Wärmebehandlung

Verbesserung der Verbesserung von Festigkeit, Zähigkeit, Härte


Gebrauchseigenschaften Normalglühen, Härten, Vergüten, Bainitisieren

Schaffung optimaler Festigkeit : verbesserte Umformung/Zerspanung


Bearbeitungsmöglichkeiten Weichglühen, Grobkornglühen

Verhinderung von Formänderungen, Riß, Bruch


Abbau innerer Spannungen Spannungsarmglühen
Ziele einer
Wärmebehandlung
Beseitigung von Verbesserung der Zähigkeit
Kaltverfestigung Normalglühen, Rekristallisationsglühen

Beseitigung von Konzentrationsunterschieden


Beseitigung von Seigerungen Diffusionsglühen

Erzeugung neuer Phasen Ausscheidung neuer Phasen: Härte 


im Gefüge Aushärten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


17

Verfahren der Begriffe &


Definitionen
Wärmebehandlung

WÄRMEBEHANDLUNG

thermochemisches
Behandeln

Vergüten

Aushärten
Glühen

Härten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


18

Grundlagen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


19

Verfahren der Grundlagen


Wärmebehandlung

Unterscheidung nach Vollständigkeit der Wärmebehandlung:

durchgreifende Randschicht-
Wärmebehandlung behandlungen

gezielte Veränderung
Veränderung
des Gefüges im ge-
oberflächennaher
samten Querschnitt
Schichten
eines Bauteils

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


20

Verfahren der Grundlagen


Wärmebehandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


21

Verfahren der Grundlagen


Wärmebehandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


22

Prinzip der Grundlagen


Wärmebehandlung

Ausnutzung bestimmter werkstoffphysikalischer Prinzipien:


 Diffusion in Metallen
 Rekristallisation (Kornneubildung)
 Kornwachstum
 Temperaturabhängigkeit bestimmter Werkstoffkennwerte
 Lösungsverhalten für Fremdatome
 Gitterumwandlungen ( unterschiedliche Löslichkeit für Fremdatome)

Haltetemperatur < TS  nur Umwandlungen im festen Zustand


Anwendung mehrerer Wärmebehandlungsverfahren nacheinander üblich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


23

Prinzip der Grundlagen


Wärmebehandlung

Temperaturführung bei einer Wärmebehandlung:

Temperatur T

Haltetemperatur
 Anwärmen
Rand
 Durchwärmen
Kern

 Halten

     Abkühlen
Zeit t

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


24

Prinzip der Grundlagen


Wärmebehandlung

 Anwärmen Temperatur T

Wärmeübergang durch Strahlung, Konvektion,


Haltetemperatur
Direkterzeugung

Rand
 Durchwärmen Kern

T-Unterschied Rand/Kern bei Erwärmen/Ab-


kühlen – Wärmeleitung ist abhängig von T und
   
chemischer Zusammensetzung Zeit t

 Halten  Abkühlen
Haltedauer und –temperatur abhängig von Zie- Aufheiz-/Abkühlgeschwindigkeit abhängig von
len der Wärmebehandlung Form, Wärmeleitfähigkeit und Sprödigkeit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


25

Thermisch
aktivierte
Vorgänge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


26

Einführung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


27

Begriffe & Definitionen Einführung

thermisch aktivierte Vorgänge

thermisch aktivierte Vorgänge sind Vorgänge, bei denen Atome durch thermische
Schwingungen ihre Gitterplätze wechseln

Cave: Alle Zustandsänderungen erfordern Platzwechsel der beteiligten Ato-


me (Ausnahme: martensitische Phasenumwandlung  Härten)

Platzwechsel kein kontinuierlicher Vorgang, sondern stufenweiser Prozeß

Bedingung: Abnahme der freien Energie des Systems

Erwärmung  Überschreiten einer bestimmten Aktivierungsenergie zum


Platzwechsel/„Wanderung“ von Leerstellen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


28

Begriffe & Definitionen Einführung

thermisch aktivierte Vorgänge

Aktivierungsenergie zum Platzwechsel:


 Betrag von Kristallgittertyp und Atomgröße abhängig
EA

Metallatome „Sprung“ über


(Austauschmischkristalle) Leerstellen

WW von Einlagerungsatomen und Zwischengitterplätzen, Leerstellen


usw. miteinander Voraussetzung für Platzwechsel.

Nichtmetallatome „Sprung“ über


(Einlagerungsmischkristalle) Lücken

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


29

Begriffe & Definitionen Einführung

thermisch aktivierte Vorgänge

praktische Bedeutung der Platzwechselvorgänge in der Werkstofftechnik:

Diffusion Ausgleich von Konzentrationsunterschieden

Erholung &
Beseitigung der Folgen von Kaltverformung
Rekristallisation

Kriechvorgänge Zeitfestigkeiten bei höheren Temperaturen

… …

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


30

Diffusion

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


31

Begriffe & Definitionen Diffusion

Definition

Diffusion ist ein thermisch aktivierter Platzwechsel von Atomen unter Einfluß eines
Konzentrationsgradienten

Triebkraft Entropiestreben: Zustand mit geringerer Ordnung des Systems

statistischer Vorgang

maßgeblich für den Massentransport in Festkörpern

Ausgleich von Konzentrationsunterschieden  Grundlage für zahlreiche


Verfahren der Wärmebehandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


32

Begriffe & Definitionen Diffusion

Unterscheidung

Selbstdiffusion

Platzwechsel gitter-
eigener Atome mit
Leerstellen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


33

Begriffe & Definitionen Diffusion

Unterscheidung

Fremddiffusion
Platzwechsel gitter-
fremder Atome (Aus-
gleich von Konzentra-
tionsunterschieden)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


34

Begriffe & Definitionen Diffusion

mathematische Beschreibung der Diffusionsvorgänge:


 Platzwechsel der Teilchen  Teilchenstrom J

 1. FICKsches Gesetz: J = -D · dcA/dx bzw.


dmA = -D · dcA/dx · Sdt

 Diffusionsgeschwindigkeit ist abhängig


von D und dcA/dx (Konzentrationsgra-
dient)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


35

Begriffe & Definitionen Diffusion

Diffusionskoeffizient D:
 Berücksichtigung der „Widerstände“ des Teilchenstroms:
 Größe des wandernden Atoms
 Bindungen im Metallgitter (Packungsdichte)
 Diffusionswege: Leerstellen, Zwischengitterplätze, Versetzungen, Korn-
grenzen, …

 Temperaturabhängigkeit nach ARRHENIUS:


D = D0 · exp(-EA/RT)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


36

Begriffe & Definitionen Diffusion

Temperaturabhängigkeit der Diffusion:


 D  für T 

 Gase besitzen deutlich höhere


Diffusionskoeffizienten als Le-
gierungselemente

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


37

Begriffe & Definitionen Diffusion

Diffusionsverhalten ist abhängig vom Ort der Diffusion:


 Oberflächendiffusion
 Korngrenzendiffusion
 Volumendiffusion

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


38

Platzwechselmechanismen Diffusion

Übersicht

Leerstellen-
mechanismus

Zwischengitter-
mechanismus

Austausch-
mechanismus
direkter Platzwechsel aus energetischen
Gründen unwahrscheinlich; nicht erforder-
lich wegen hoher Fehlstellendichte

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


39

Platzwechselmechanismen Diffusion

Leerstellen- Zwischengitter-
mechanismus mechanismus

EA D EA D

Beispiel Beispiel
Cr in α-Fe: C in α-Fe:
EA = 247 kJ/mol EA = 88 kJ/mol
D = 1,3 · 10-13 m2/s (bei 800 °C) D = 1,6 · 10-5 m2/s (bei 800 °C)
 langsame Diffusion  schnelle Diffusion

für arteigene Atome nur bei hohen Temperaturen wahrscheinlich;


bedeutsam für Einlagerungsatome, deren Durchmesser kleiner als
der der Wirtsatome ist
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
40

Platzwechselmechanismen Diffusion

Triebkräfte für Vorzugsrichtung der Diffusion:


 Konzentrationsunterschied
 Bsp.: Aufkohlung beim Einsatzhärten

 Temperaturunterschied
 Bsp.: gerichtete Erstarrung beim Gießen

 Umwandlungsbestreben instabiler Phasen


 Bsp.: Phasenumwandlung γ–/α-Eisen

 Verringerung der Oberflächenenergie


 Bsp.: Einformung von lamellarem Zementit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


41

Anwendungen Diffusion

zeitliche und örtliche Konzentrationsänderung: 2. FICKsches Gesetz


 Beschreibung von dynamischen und nicht-stationären Vorgängen
∂c/∂t = D · ∂2c/∂x2
 Bestimmung der Randbedingungen  Lösung der Differentialgleichung
Bedeutung:
 thermochemische Behandlungen von Stahl
 Eindringtiefe beim Aufkohlen: x = √(D · t)

 Ermittlung des Schichtdickenwachstums bei chemischer Kor-


rosion

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


42

KIRKENDALL-Effekt (Interdiffusion) Diffusion

KIRKENDALL-Experiment (1942):
 Messingkern (CuZn70) mit Cu-
Mantel

 Mo-Drähte als Marker in Grenz-


schicht

 Diffusionsvorgänge bei 780 °C:


 Zn: Kern  Mantel
 Cu: Mantel  Kern

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


43

KIRKENDALL-Effekt (Interdiffusion) Diffusion

 Mo-Drähte rücken im Laufe der Zeit näher zusam-


men
 asymmetrische Diffusion: vZn > vCu

 Beweis für Leerstellendiffusion


 Zwischengitterdiffusion: keine Volumenände-
rung der Materialien

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


44

KIRKENDALL-Effekt (Interdiffusion) Diffusion

Folgen der Interdiffusion:


 Bildung charakteristischer Löcher („KIRKENDALL-Löcher“) in der
Phase, deren Volumen abnimmt

 Einfluß auf die Stabilität von Metallverbindungsstellen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


45

Exkurs:
Seigerungen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


46
Entstehung

Diffusion
Exkurs: Seigerungen engl.: segregation

Erstarrung eines Metalls besitzt keine unendlich langsame Abkühlgeschwin-


digkeit (dT/dt > 0)  Konzentrationsunterschiede innerhalb der Kristalle
(gleichgewichtsferne/„technische“ Erstarrung)

Ergebnis: schichtförmig aufgebaute Körner mit einem sich vom Kern zum
Rand hin kontinuierlich verändernden Gehalt an der Komponente B
 Kristallseigerung/Mikroseigerung  Zonenmischkristall

Kristallseigerung ist umso ausgeprägter


 je höher die Abkühlgeschwindigkeit
 je kleiner die Diffusionsgeschwindigkeit der beteiligten Elemente
 je ausgedehnter das Erstarrungsintervall der Legierung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


47

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Entstehung

Vorgänge im Phasendiagramm:
 Abkühlung von L: bei T1 Bildung
von Kristallkeimen mit c1

 weitere Abkühlung: bei T2 Zu-


sammensetzung c2 – nach Aus-
tausch von A und B bei T > T2

 Konzentrationsausgleich bei
technischer Abkühlung unvoll-
ständig (dT/dt > 0)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


48

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Entstehung

 Veränderung der Zusammenset-


zung entlang A-E

 Abschluß Erstarrung bei T4: c1*

 Zusammensetzung der Gesamt-


heit aller Mischkristalle folgt
der Linie A-F

 Verschiebung der Soliduslinie,


bei T2 erstarrende Kristalle ha-
ben c2‘ (→ c2*)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


49

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Entstehung

 bei sehr langsamer Abkühlung:


Erstarrung bei T3 (B) abgeschlos-
sen
 bei technischer Abkühlung: bei
T3 noch Restschmelze, die wie-
ter abkühlen kann

 Erstarrung abgeschlossen bei T4:


Linie A-F erreicht Ausgangszu-
sammensetzung

 ausgeschiedene Mischkristalle bei T4: c4‘ (B-reicher als die Schmelze)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


50

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Effekte

Kristallseigerungen führen nach einer Warmumformung meist zu einem zei-


ligen Sekundärgefüge mit unerwünschten Eigenschaften, sowohl im Mikro-
als auch im Makrobereich

Mikrobereich:
 Beeinflußung des Kornwachstums
 Veränderung der Umwandlungstemperatur bei einer Wärmebehandlung
 Beeinflußung des Aufschmelzverhaltens
 Verschlechterung des Korrosionsverhaltens

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


51

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Effekte

Makrobereich:
 Verschlechterung des Umformverhaltens (Seigerungsrisse)
 Verschlechterung der statischen Festigkeit und Schwingfestigkeit
 unterschiedliche Verformbarkeit bzw. Zähigkeit des Werkstoffs in Quer- und
Längsrichtung
 Veränderung von
 thermischem Ausdehnungsverhalten
 Zerspanungseigenschaften
 magnetischen Eigenschaften

Beseitigung der Konzentrationsunter-


schiede  Isotropiegrad 
Diffusionsglühung an X38CrMoV5-1
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
52

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Effekte

Block- oder Makroseigerungen:


 Entmischungen, die sich über ein Korn hinaus erstrecken  Konzentrations-
unterschiede zwischen unterschiedlichen Bereichen eines Gußstückes

 zu Kristallseigerungen analoge Entstehung, aber in deutlich größerem Maß-


stab

 Erstarrung der Schmelze am Rand der Form  Kristallite wachsen stengel-


förmig in das Innere und schieben eine sich mit Verunreinigungen und be-
stimmten zur Blockseigerung affinen Elementen anreichernden Restschmel-
ze vor sich her

Elemente, die zu Blockseigerungen neigen: S > P > C > O > Mn

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


53

Diffusion
Exkurs: Seigerungen Effekte

besonders ausgeprägt bei unberuhigtem Vergie-


ßen des Stahls: aufsteigende Gasblasen ziehen
dünnflüssige, mit Verunreinigungen angereicher-
te Schmelze mit nach oben

unberuhigtes Vergießen nur bei unlegierten Stäh-


len mit C < 0,25%
primär erstarrende Kristalle mit geringerer Dichte
als die Restschmelze  Aufsteigen und Anreichern unberuhigt vergossener Block

dieser Kristalle im oberen Bereich der Schmelze


(z.B. Sb-Kristalle in PbSb-Leg.): Schwerkraftseigerung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


54

Erholung & Re-


kristallisation

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


55

Kristallerholung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


56

Erholung & Re-


Kristallerholung engl.: recovery kristallisation

Unter Kristallerholung versteht man die Beseitigung der Folgen einer


plastischen Verformung (z.B. Kaltverformung) ohne Neubildung des Gefüges
( Rekristallisation) oder Verschiebung der Korngrenzen.

Verformung erfolgt bei relativ niedrigen Temperaturen  verformter Zustand


bleibt erhalten (stabile Struktur): mechanisches Kräftegleichgewicht, aber
thermodynamische Instabilität

Cave: Bei Kristallerholung findet keine Gefügeneubildung statt!!!

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


57

Erholung & Re-


Kristallerholung engl.: recovery kristallisation

 Annihilation von Stufenversetzungen


(„Ausheilen“)  Kaltverfestigung 
hinreichende Aktivierung (unter-  Polygonisation & Subkornbildung
halb Rekristallisationstemperatur) (thermodynamische Stabilität )

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


58

Erholung & Re-


Kristallerholung kristallisation

Rückbildung von Eigenschaften


auf Werte vor der Verformung
(unter Erhalt der Verfestigung)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


59

Rekristallisation

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


60

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Recrystallization is the formation of a new grain structure in a deformed


material by the formation and migration of high angle boundaries driven by
the stored energy of deformation. (DOHERTY et al. 1997)

Voraussetzung für Rekristallisation: Überschreiten einer bestimmten Mindest-


temperatur (Rekristallisationstemperatur TRekrist.)

TRekrist. ist diejenige Temperatur, die bei einem Abhängigkeiten


Höhe der vorangegangenen
kaltverformten Gefüge mit vorgegebenem Um- Kaltverformung

formgrad in einem begrenzten Zeitraum (1 h)


Schmelztemperatur des Werkstoffes
zu einer vollständigen Rekristallisation führt.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


61

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Verformungsgrad

mit steigendem Umformgrad φ sinkt TRekrist.


 Zahl der Kristallfehler 
 Gitterverspannungen 
 Verformungsenergie  (im Gitter gespei-
chert)  äußere Aktivierung (erhöhte Tem-
peratur) zur Rekristallisation notwendig

Cave: Zur Einleitung der Rekristallisation ist


ein Mindestumformgrad φkrit. erforderlich!

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


62

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Schmelztemperatur

TRekrist. nimmt mit steigender Schmelztem-


peratur des Metalls zu
 TS : Zusammenhalt zwischen Atomen 
 Rekristallisation (Platzwechsel der Me-
tallatome!) ist erschwert

empirischer Zusammenhang (TRekrist./TS in


°C):
TRekrist. ≈ 0,4  TS – 164 °C

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


63

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Überblick

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


64

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Kornwachstum

Rekristallisation  Kornwachstum
 grobes Korn führt zu deutlicher Verminderung von Festigkeit und Zähigkeit

Korngröße nach der Rekristallisation ist abhängig von


 Rekristallisations- oder Glühtemperatur
 Umformgrad der Kaltverformung
 Dauer der Wärmebehandlung

Darstellung im Rekristallisationsdiagramm

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


65

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Kornwachstum

Rekristallisationsdiagramm

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


66

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Korngröße &
Umformgrad

bei gegebener Temperatur kann erst nach


t = const
Überschreiten eines Mindestumformungs-
grades φR1 eine Rekristallisation des Gefü-
ges erwartet werden

T : Rekristallisation beginnt bei einem


geringeren Umformungsgrad

knappe Überschreitung des Mindestum-


formgrades  relativ grobes Korn

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


67

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Korngröße &
Umformgrad

Umformgrade, die deutlich über dem


t = const
Schwellenwert liegen, führen zu einem re-
lativ feinen Korn (stark verformte Berei-
che als Kristallisationskeime)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


68

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Korngröße & Grobkorn/Feinkorn in


Umformgrad Abhängigkeit vom Umformgrad

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


69

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Korngröße & Grobkorn/Feinkorn in


Umformgrad Abhängigkeit vom Umformgrad

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


70

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Korngröße &
Temperatur

gegebener Umformgrad: Überschreiten einer be- t = const


stimmten Temperatur ϑR1  Rekristallisation

φ : Rekristallisation beginnt bei niedrigeren


Temperaturen

Korngröße des rekristallisierten Gefüges steigt mit


zunehmender Überschreitung der Mindestrekristal-
lisationstemperatur ϑR

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


71

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Zusammenfassung

Rekristallisation erst nach Erreichen eines


ausreichend hohen Umformgrades

Rekristallisationstemperatur für diesen


Umformgrad darf nicht unterschritten
werden

Wärmebehandlung möglichst kurz (Korn-


Glühtemperatur ϑ = konstant

vergrößerung/sekundäre Rekristallisation)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


72

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

sekundäre
Rekristallisation

Unter sekundärer Rekristallisation versteht man Anwachsen einiger Körner


auf ein Vielfaches. In der Folge bildet sich ein unregelmäßiges Gefüge mit
einigen sehr großen Körnern.

Ursachen sind sehr hohe Glühtemperaturen und/


oder sehr lange Haltezeiten.

T > TRekrist.  (primäre) Rekristallisation


 Kornvergrößerung (einzelne Körner wer-
den von Nachbarkörnern „aufgezehrt“)
 grobkörniges, aber regelmäßiges Gefüge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


73

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Erholung vs.
Rekristallisation

Härtemessungen als Indikator des Über-


gangs von Kristallerholung zur Rekristal-
lisation  Bereiche I bis IV:

 Bereich I: mit steigender Temperatur än-


dert sich die Härte nur wenig

 Bereich II: oberhalb einer bestimmten


Temperatur ϑE: Verminderung der Härte

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


74

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Erholung vs.
Rekristallisation

 Bereich III: deutlicher Härteabfall inner-


halb eines schmalen Temperaturinter-
valls

 Bereich IV: oberhalb von ϑR nur noch ge-


ringfügige Härteabnahme

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


75

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Kalt- und
Warmverformung

Verformung (z.B. Schmieden, Walzen) unterhalb TRekrist.


begrenzte Verformbarkeit: Zähigkeit und Plastizität  für φ  (Kaltverfesti-
gung  Riß-/Bruchgefahr ohne Zwischenglühen)

Verformung oberhalb TRekrist.


Rekristallisation bereits während bzw. unmittelbar
nach der Verformung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


76

Erholung & Re-


Rekristallisation kristallisation

Kalt- und
Warmverformung

beliebig starke Verformung möglich (ohne Riß oder Bruch)


 verformungssimultane Rekristallisa-
tion bei ausreichend hoher Umform-
temperatur

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


77

Glüh-
behandlungen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


78

Glühen engl.: annealing

Wärmebehandlung, bestehend aus


 langsamem Erwärmen,
 Halten auf Glühtemperatur und
 nachfolgendem langsamem Abkühlen

Änderung der Werkstoffeigenschaften abhängig von


 Glühtemperatur,
 Glühdauer und
 Abkühlungsart

weitere Unterteilung der Phasen bei qualitativ sehr hochwertigen Werkstof-


fen möglich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


79

Glühen

Thermodynamics of annealing – a closer look

 Annealing occurs by diffusion of atoms in solid materials


 material progresses towards its equilibrium state.

 Heat is needed to increase rate of diffusion by providing the energy


needed to break bonds.
 Movement of atoms has the effect of redistributing and destroying the
dislocations  alteration in dislocations allows metals to deform more
easily, so increases their ductility.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


80

Glühen

 The amount of process-initiating GIBBS free energy ∆G in a deformed


metal is also reduced by the annealing process (“stress relief”).

 The relief of internal stresses is a thermodynamically spontaneous


process, but very slow at room temperature  high temperatures
accelerate this process.
 The return of the cold-worked metal to its stress-free state has many
reaction pathways, mostly involving elimination of lattice vacancy
gradients within crystal.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


81

Glühen

 Mechanical properties (eg. hardness and ductility) change as disloca-


tions are eliminated and the metal's crystal lattice is altered.

 Heating and cooling brings the atoms at the right lattice site
 new grain growth can improve the mechanical properties.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


82

Glühen

THERMODYNAMIK

 Erreichen eines  Erreichen eines


gleichgewichtsnahen gleichgewichtsfernen
Zustands Zustands

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


83

Grobkornglühen Glühen
(Hochglühen)

Glühen 1. Art
Spannungsarm- werkstoffunabhängig

glühen

Diffusionsglühen

Rekristallisations-
glühen
GLÜHVERFAHREN

Normalglühen

Weichglühen (Glühen
auf kugelige Carbide)
Glühen 2. Art
werkstoffabhängig

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


84

Grobkorn-
glühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


85

Grobkorn-
glühen

Grobkornglühen Ziel
engl.: coarse-grain annealing

Das Grobkornglühen ist ein Glühverfahren, das vorzugsweise der Einstellung


einer zerspanungstechnisch günstigen Gefügestruktur dient.

Sinn & Zweck

Zerspanung weicher, zäher Metalle  Probleme:


 Bildung langer Fließspäne ( Gefährdung/Behinde-
rung bei Maschinenbedienung, Probleme bei Spanent-
sorgung; mögliche Beschädigung von Werkzeug und
Werkstück)
Fließspäne

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


86

Grobkorn-
glühen

Sinn & Zweck Ziel

 Zusetzen der Spanräume/Bildung von Aufbauschneiden ( Verminderung


der Schnittleistung/Verschlechterung der Oberflächengüte)

grobkörnige Metalle besitzen geringe Festigkeit & Zähigkeit  einfachere


und wirtschaftlichere Zerspanung
 Reißspan beschädigt Werkzeug und Werkstück in geringerem Umfang

 vereinfachte Spanentsorgung & Vermeidung des Schmierens weicher Metalle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


87

Grobkorn-
glühen

Ziel

Anwendung

bei un- und niedriglegierten Stählen mit C < 0,5% (Bau-/Einsatzstähle)

prinzipiell aber auf alle Metalle und Legierungen anwendbar

Einsatz von grobkorngeglühten Stählen nicht nur für Zerspanung, sondern


auch als weichmagnetische Werkstoffe (z.B. Dynamoblech) in der E-Technik

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


88

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
Verfahren innere Vorgänge

Glühtemperaturen: 950 – 1150 °C (ca. 150 °C über Ac3)


Haltedauer: 1 – 4 h

vollständige Austenitisierung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


89

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
Abkühlung innere Vorgänge

langsame Ofenabkühlung
 Ausbildung grober Zementitlamellen im Perlit (Methode für Stähle mit höhe-
rem Perlitanteil)
 Dauer begünstigt zeilige Gefügeausbildung (Oberflächengüte  wegen stark
unterschiedlicher Festigkeit der Ferrit-Perlit-Zeilen)
schnelle Abkühlung auf 620 – 670 °C mit isothermem Halten in Perlitstufe
 Vermeidung der Bildung von voreutektoidem Ferrit auf den Korngrenzen
(Methode für C-ärmere/perlitärmere Stahlsorten - Zerspanung führt zu kurz-
brüchigem Reißspan; Schmierneigung )
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
90

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

Korngröße  für Glühtemperatur , Glühdauer  & Abkühlgeschwindigkeit 

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


91

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
Effekt innere Vorgänge

normalkörnig grobkörnig (1200 °C, 2h) C15

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


92

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
Grobkorn innere Vorgänge

grobkörniges Gefüge ist energieärmer als feinkörniges Gefüge (Schaffung


von Oberflächen erfordert Energie)

treibende Kraft für Kornwachstum: Abnahme der Oberflächenenergie

thermisch aktivierter Vorgang: Erwärmung auf ausreichend hohe Tempera-


tur notwendig, da Kornwachstum an Platzwechselvorgänge der Metallatome
gebunden ist

Kornwachstum ist bei vielen anderen Wärmebehandlungen unerwünscht!

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


93

Grobkorn-
glühen

Verfahren &
Grobkorn innere Vorgänge

Vermeidung von Grobkorn:


 Wachstumshemmung durch thermisch beständige Phasen im Austenit (Carbi-
de/Nitride), da diese Phasen Hindernisse für die Bewegung der Korngrenzen
darstellen

 mikrolegierte Stähle (Al, Ti, V, Nb) mit feinkörnigem Gefüge: Legierungsele-


mente bilden feinverteilte Carbide/Nitride im Gefüge  Hemmung des Au-
stenitkornwachstums ( WS 7 - Einfluß der Legierungselemente)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


94

Grobkorn-
glühen

Nachteile Sonstiges

kostenintensiv aufgrund der hohen Glühtemperatur

relativ seltene Anwendung wegen geringerer Festigkeit/Zähigkeit &


schlechterer Härtbarkeit

bei höheren Anforderungen hinsichtlich Festigkeit und Zähigkeit: Normalglü-


hen nach spanender Bearbeitung (nur bei un-/niedriglegierten Stählen mög-
lich)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


95

Spannungs-
armglühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


96

Spannungs-
armglühen

Spannungsarmglühen Ziel
engl.: stress relief annealing

Das Spannungsarmglühen ist ein Glühen bei einer Temperatur unterhalb


Ac1 mit anschließender langsamer Abkühlung zum Abbau innerer Span-
nungen (Eigenspannungen), wobei die übrigen Werkstoffeigenschaften
möglichst unverändert bleiben sollen.

Sinn & Zweck

Abbau/Milderung von Eigenspannungen


Vorteile:
 Erhöhung der Beanspruchbarkeit
 Reduzierung der Herstellungskosten (keine Nacharbeit verformter WS)
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
97

Spannungs-
armglühen

Anwendung Ziel

bei allen metallischen Werkstoffen, insbesondere Schmiede- und Gußteile


vor einer spanenden Weiterverarbeitung
 keine unerwünschte Verformung der Werkstücke

Entspannung der Schweißnahtzonen von Schweißkonstruktionen (z.B. Druck-


behälter)
 Schweißeigenspannungen begünstigen die Sprödbruchneigung bei höherer
Beanspruchung und tiefen Betriebstemperaturen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


98

Exkurs: Eigenspannungen

Eigenspannungen sind Spannungen, die ohne das Vorhandensein von äu-


ßeren Kräften im Inneren eines Werkstücks auftreten.

typisches Merkmal: stets im Gleichgewicht  Zug- und Druckeigenspannun-


gen treten deshalb immer gemeinsam auf
Unterteilung:
Eigenspannungen 1. Art Eigenspannungen 2. Art Eigenspannungen 3. Art

Makroeigenspannungen erstrek- Ausdehnung über kleine Werk- Ausdehnung über kleinste Werk-
ken sich über große Werkstoff- stoffbereiche (wenige Körner); stoffbereiche (einige Atomab-
bereiche und befinden sich im Eingriffe in das innere Gleichge- stände); Eingriffe in das innere
inneren Gleichgewicht; Eingriffe wicht können Maß- und Formän- Gleichgewicht rufen keine Maß-
in dieses Gleichgewicht führen derungen hervorrufen. und Formänderungen hervor.
zu Maß- und Formänderungen.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


99

Exkurs: Eigenspannungen Eigenspannungen 1. & 2. Art

Entstehung

ungleichmäßiges Abkühlen in Verbindung mit gehinderter Schrumpfung nach


Schweißen, durch Löten oder Abkühlen von Gußstücken (feste Schwindung)
 Erwärmung  Ausdehnung, Abkühlung  Schrumpfung: Behinderung dieses
Bestrebens kann zu erheblichen Spannungen im Werkstück führen

Kaltverformung: Biegen, Hämmern, …


spanende Behandlung: Fräsen, Hobeln, Drehen, …
Gefügeumwandlungen in Teilen eines Werkstücks, z.B. Oberflächenhärten
Eigenspannungen 3. Art: Gitterinhomogenitäten als Ursache

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


100

Exkurs: Eigenspannungen

Auswirkungen

Eigenspannungen 1. und 2. Art sind in der Regel unerwünscht, da sie nega-


tive Folgen haben:
 Erreichen von Höhe der Streck- bzw. Dehngrenze erreichen  Überlagerung
der Betriebskräfte, so daß bei verhältnismäßig niedrigen zusätzlichen äuße-
ren Belastungen Risse oder Brüche auftreten können

 Verminderung der plastischen Verformungs„reserven“ eines Werkstücks

 unerwünschten Maß- und Formänderungen bei der spanenden Bearbeitung


führen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


101

Exkurs: Eigenspannungen

Auswirkungen

selten: gezielte Einbringung von Eigenspannungen z.B. in Druckbehältern


( Druckprobe)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


102

Exkurs: Eigenspannungen

Wirkung von Eigenspannungen 1. Art an einem


Rundstab aus unlegiertem Stahl
 Erwärmung auf 700 °C, anschließend zügige Ab-
kühlung  ungenügender Temperaturausgleich
zwischen Oberfläche und Kern: Oberfläche erkal-
tet schneller als Kern

 schnelle Schrumpfung kann im heißen, weichen Kern noch keine nennens-


werten Spannungen erzeugen

 Abkühlung des Kerns  Schrumpfung – feste Oberflächenbereiche können


aber nicht mehr folgen  Behinderung der Kernschrumpfung
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
103

Exkurs: Eigenspannungen

 im Inneren entstehen erhebliche Zug-, an der Oberfläche Druckeigenspan-


nungen, aber: inneres Gleichgewicht

 Einbringung einer Nut auf einer Seite des Rundstabs  Störung des inneren
Gleichgewichts der Eigenspannungen

 Einstellung eines neuen Gleichgewichtszustands  Verformung des Werk-


stücks

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


104

Spannungs-
armglühen

Verfahren &
Verfahren innere Vorgänge

Glühtemperaturen: 450 – 650 °C

Haltedauer: 1 – 2 h

wichtig: niedrige Wärm- und Ab-


kühlgeschwindigkeiten (1-5 K/min
bzw. um 1 K/min), um die Entste-
hung neuer Eigenspannungen zu
vermeiden

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


105

Spannungs-
armglühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

beim Spannungsarmglühen finden keine Gefügeänderungen und damit auch


keine wesentlichen Änderungen von Werkstoffeigenschaften statt

Glühbehandlung erhöht lediglich die Beweglichkeit der Atome

hohe Spannungen im Werkstückinneren werden mit Erreichen der Glühtem-


peratur durch plastische Verformungen abgebaut  Entspannung des Werk-
stücks, aber:

Eine völlige Beseitigung der Eigenspannungen ist nicht möglich;


die Bezeichnung „Spannungsfreiglühen“ ist daher nicht korrekt!

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


106

Spannungs-
armglühen

Sonstiges
Auswirkungen

Eigenspannungen 1. Art können maximal bis zur


Höhe der Streck- bzw. Dehngrenze bei der jeweili-
gen Glühtemperatur abgebaut werden

Bsp.: zwei Stahlplatten, die mittels Schweißnaht


miteinander verbunden sind:
 Schrumpfung der heißen Schweißnahtzone wird
durch die kühlen seitlichen Bereiche behindert
 Nahtzone mit Zugeigenspannungen, seitliche Bereiche mit Druckeigenspan-
nungen
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
107

Spannungs-
armglühen

Sonstiges
Auswirkungen

 Glühen bei 600 °C senkt die Warmdehngrenze; es bleiben Spannungen


bestehen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


108

Diffusions-
glühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


109

Diffusions-
glühen

Diffusionsglühen Ziel
engl.: homogenizing (anneal)

Das Diffusionsglühen ist ein Glühen bei sehr hohen Temperaturen mit ausrei-
chend langem Halten, um örtliche Unterschiede der chemischen Zusam-
mensetzung auszugleichen, lösliche, versprödend wirkende Phasen von der
Korngrenze in das Korninnere zu transportieren und unlösliche Verbindun-
gen in eine weniger schädliche, globulare Form zu überführen.

Sinn & Zweck

Beseitigung von löslichen Phasen an den Korngrenzen ( Versprödung des


Werkstoffs)  optimierte Voraussetzungen für weitere WB

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


110

Diffusions-
glühen

Sinn & Zweck Ziel

Veränderung der Geometrie unlöslicher Gefügebestandteile (Carbide,


Nitride usw.), die die WS-Eigenschaften negativ beeinflußen

Ausgleich örtlicher Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung


(Kristallseigerungen  Exkurs Seigerungen)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


111

Diffusions-
glühen

Anwendung Ziel

abgegossene/warmgeformte Stahlblöcke, keine fertigen Bauteile


 Beseitigung der negativen Begleiterscheinungen des Diffusionsglühens (Ver-
zunderung, Entkohlung, Grobkornbildung) durch nachfolgende Bearbeitungs-
schritte möglich

Knetwerkstoffe: Glühbehandlung am warmgeformten Material, da beim gro-


ben Primärkorn des Gußblockes die Diffusionswege zu lang sein können
 nach Umformung: Gefüge mit gewisser Streckung  kürzere Diffusionswege
 kürzere Glühdauer (bei konstanter Glühtemperatur)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


112

Diffusions-
glühen

Anwendung Ziel

keine Beseitigung von Blockseigerungen oder Schwerkraftseigerungen (zu


große Diffusionswege)

Anwendung nur bei hochwertigen Bauteilen/Werkstoffen (hohe Kosten)


 Bsp.: hochbeanspruchte legierte Stahlgußteile zur Verbesserung der Zähig-
keit oder schwer zu homogenisierende, hochlegierte Werkzeugstähle)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


113

Diffusions-
glühen

Verfahren &
Verfahren innere Vorgänge

Glühtemperaturen: 1050 - 1300 °C


Haltedauer: bis zu 50 h (!)

vollständige Austenitisierung

langsame Abkühlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


114

Diffusions-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge

Glühdauer: Abhängigkeit von


 Seigerungsgrad

 tolerierbarer Restseigerungsgrad nach dem Glühen

 Diffusionsgeschwindigkeit der beteiligten Elemente (diffusionsträge Elemen-


te, z.B. Phosphor)

 Diffusionsweg (Verformungsgrad des Gefüges)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


115

Diffusions-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

vollständige Austenitisierung: Austenit (kfz-Gitter) kann Fremdatome besser


aufnehmen & Diffusion ist erleichtert  Konzentrationsausgleich

unlösliche Gefügebestandteile
werden in globulare Form
überführt (Koagulation)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


116

Diffusions-
glühen

Nachteile Sonstiges

sehr kostenintensiv (Glühtemperatur & -dauer!)

Schutzgasatmosphäre notwendig, sonst Verzunderung und Entkohlung der


Werkstückoberfläche

nach dem Glühen: grobkörniges Gefüge mit nachteiligen mechanischen Ei-


genschaften (verminderte Zähigkeit)  mehrfaches Normalglühen (Rückfüh-
rung in ein feinkörniges Gefüge) bei umwandlungsfähigen Werkstoffen (un-
/niedriglegierte Stähle) anschließen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


117

Rekristallisa-
tionsglühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


118

Rekristallisa-
tionsglühen

Rekristallisationsglühen Ziel
engl.: recrystallization anneal

Das Rekristallisationsglühen ist ein Glühen bei Temperaturen oberhalb der


Rekristallisationstemperatur des betreffenden Werkstoffes, um die mit einer
Kaltverformung einhergehende Kaltverfestigung zu beseitigen und damit
die plastische Verformbarkeit wieder herzustellen.

Sinn & Zweck

Kaltverformung eines metallischen Werkstoffes führt in der Regel zu Kalt-


verfestigung durch Erhöhung von Kristallfehlern (Versetzungen, Leerstellen
usw.) und in der Veränderung der Kristallform

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


119

Rekristallisa-
tionsglühen

Sinn & Zweck Ziel

Kaltverformung:
 Festigkeit & Härte 
 Zähigkeit & Verformbar-
keit 
Glühbehandlung: Beseitigung
der Veränderungen durch Bil-
dung eines völlig neuen Gefü-
ges mit vergleichbaren Eigen-
schaften
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
120

Rekristallisa-
tionsglühen

Anwendung Ziel

nicht nur auf Stähle begrenzt, sondern auf eine Vielzahl von Metallen und
Legierungen anwendbar

Rekristallisationsglühen besonders in folgenden Fällen:


 Halbzeuge mit kleinen Querschnitten und engen Toleranzen, z.B. Feinblech,
Draht usw., die durch Kaltverformung hergestellt werden, um Risse/Brüche
bei starker Umformung zu vermeiden (Verformung → Glühen → Verformung)

 Fertigteile, die durch Tiefziehen oder Massivumformung hergestellt werden


(Wiedergewinnung der plastischen Verformbarkeit)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


121

Rekristallisa-
tionsglühen

Verfahren &
Verfahren innere Vorgänge

Erwärmung auf Mindestrekristallisationstemperatur TRekrist.


 (abhängig vom Verformungs-
grad) – bei Stählen 550 – 700 °C

Haltezeit: abhängig von der Glüh-


temperatur; wenige Minuten bis
einige Stunden

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


122

Rekristallisa-
tionsglühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

bei hinreichend starker Kaltverformung findet mit Erreichen der Glühtem-


peratur eine völlige Gefügeneubildung, eine primäre Rekristallisation, statt

Keimbildung:

 Kristallisationskeime: am stärksten verformten Bereiche des Kristallgitters

 treibende Kraft für Kornneubildung: die in den stark verformten Gitterbe-


reichen gespeicherte potentielle Energie

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


123

Rekristallisa-
tionsglühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

 Kornwachstum: alte, verformte Körner werden nach und nach „aufgezehrt“,


bis schließlich ein vollkommen neues, ungestörtes Kristallgitter entstanden
ist  Werkstoff erhält seine ursprüngliche Zähigkeit und Verformbarkeit
zurück

beim Rekristallisationsglühen findet keine Gefügeumwandlung statt

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


124

Rekristallisa-
tionsglühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

Zusammenfassung der Vorgänge:

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


125

Rekristallisa-
tionsglühen

Vor-/Nachteile Sonstiges

statt Rekristallisationsglühen auch Normalglühen möglich

Vorteile:
 geringere Gefahr des Verzunderns der Oberfläche (niedrige Temperaturen!)
 geringere Gefahr des Verzugs
 Gefügeneubildung kann auch bei umwandlungsfreien Stählen (z.B. hochle-
gierte austenitische oder ferritische Stähle)

Nachteil:
 gröberes Korn (verglichen mit dem Ausgangsgefüge)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


126

Normal-
glühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


127

Normal-
glühen

Normalglühen Ziel
engl.: normalizing

Das Normalglühen hat die Bildung eines von der Vorbehandlung unabhän-
gigen, gleichmäßigen und möglichst feinkörnigen Gefüges mit globularem
Korn zum Ziel. Dieses Gefüge hat – zumindest bei unlegierten Stählen – die
beste Kombination von Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften. Dieser
Normalzustand läßt sich durch das Normalglühen immer wieder herstellen.

Anwendung

Stähle mit Ferrit-Austenit-Umwandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


128

Normal-
glühen

Anwendung Ziel

typische Anwendungsbereiche für das Normalglühen:


 Beseitigung eines kaltverformten Gefüges mit richtungsabhängigen mecha-
nischen Eigenschaften (Walzstruktur mit deutlich schlechterer Zähigkeit und
plastischer Verformbarkeit)

 Beseitigung von grobkörnigem Gefüge durch vorausgegangene Wärmeein-


flüsse (z.B. Schweißen, Grobkornglühen) oder Kornwachstum eines kaltver-
formten Gefüges nach Rekristallisationsglühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


129

Normal-
glühen

Anwendung Ziel

 Beseitigung von WIDMANNSTÄTTENschem Gefüge (mit schlechter Zähigkeit; im


Stahlguß mit 0,15-0,35% C und hohen Abkühlgeschwindigkeiten nach dem
Gießen)

 Verbesserung von Festigkeit und Zähigkeit bei Baustählen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


130

Normal-
glühen

Anwendung Ziel

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


131

Normal-
glühen

Verfahren &
Verfahren untereutektoide Stähle (C < 0,8%) innere Vorgänge

 unlegierte Stähle: Glühtemperatur 30 – 50 °C oberhalb Ac3 (Linie G-S)


 vollständige Austenitisierung

 legierte Stähle: Glühtemperatur 50 – 100 °C oberhalb Ac3  mit Erreichen


von Ac1 Umwandlung Perlit → Austenit

 Abkühlung mit Hilfe von Druckluft, an ruhender Luft oder im Ofen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


132

Normal-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge untereutektoide Stähle (C < 0,8%) innere Vorgänge

Korngrenzen zwischen einzelnen Kristallplatten


des Perlits als Kristallisationskeime

Umwandlung an vielen Stellen gleichzeitig  fein-


körniger Austenit

Glühtemperatur (> Ac3): Ferrit → feinkörniger Au-


stenit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


133

Normal-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge untereutektoide Stähle (C < 0,8%) innere Vorgänge

langsame Abkühlung: nach Unterschreiten von Ar3


Bildung eines feinmaschigen Ferritnetzes auf den
Korngrenzen

Temperatur < Ar1: Austenit → feinkörniges, ferri-


tisch-perlitisches Gefüge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


134

Normal-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge übereutektoide Stähle (C > 0,8%) innere Vorgänge

keine vollständige Austenitisierung (Grobkorn-


wachstum!), nur bis 30 – 60 °C über Ac1 (Linie
S-K)

Glühtemperatur (> Ac1): Perlit → feinkörniger Auste-


nit; Zementitausscheidungen bleiben erhalten

langsame Abkühlung: feinkörniges perlitisches Ge-


füge mit eingeformten Zementiteinschlüssen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


135

Normal-
glühen

Verfahren &
Übersicht innere Vorgänge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


136

Weich-
glühen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


137

Weich-
glühen

Weichglühen Ziel
engl.: soft annealing

Durch das Weichglühen soll der Stahl eine möglichst geringe Festigkeit und
eine geringe Härte bei gleichzeitig hoher Verformbarkeit erhalten. Weich-
geglühte Stähle lassen sich einfacher und wirtschaftlicher zerspanen und
umformen. Darüber hinaus läßt sich eine bessere Oberflächenqualität bei
der Zerspanung erreichen.

Sinn & Zweck

Formänderung des plattenförmig in den Perlitkörnern vorliegenden Zemen-


tit bzw. der Carbide

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


138

Weich-
glühen

Anwendung Ziel

bei allen Stählen in folgenden Fällen:


 Herstellung eines günstigen Ausgangszustands für eine spanlose Weiterver-
arbeitung (Umformung)
 geringere Festigkeit und Härte & erhöhte Verformbarkeit

 Herstellung eines optimalen Gefügezustands für nachfolgendes Härten (bei


Werkzeugstählen)
 feine Verteilung des Zementits/der Carbide, die sich bei Erreichen der
Härtetemperatur aufgrund der großen Oberflächen schneller auflösen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


139

Weich-
glühen

Anwendung Ziel

spanende Weiterverarbeitung: Weichglühen nur für C > 0,5% (sonst zu weich


nach dem Glühen  Schmieren bei Zerspanung)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


140

Weich-
glühen

Verfahren &
Verfahren innere Vorgänge

untereutektoide Stähle: Erwär-


mung auf Temperaturen dicht un-
terhalb von Ac1 (Linie P-S)

übereutektoide Stähle: Erwär-


mung auf Temperaturen knapp
oberhalb von Ac1 (Linie S-K) oder
„pendelnd“ um Ac1

Haltezeit: etwa 100 Stunden (!)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


141

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

keine signifikante Gefügeveränderung

Effekt des Weichglühens: im Perlit enthaltene Zementit- bzw. Carbidplatten


bzw. bei übereutektoiden Stählen zusätzlich die Ausscheidungen zeigen Nei-
gung zeigen, sich an den Korngrenzen in kugelige Form umzuwandeln (ener-
getisch günstiger!)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


142

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


143

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

Einformung der Zementitkristalle/Carbide:


 Teile der Platten im Ferritkristall gehen in Lösung
(Vorstufe der Zementit- bzw. Carbidauflösung bei
Ac1)

 Folge: Zerteilung größerer, zusammenhängender


Platten in kleinere Abschnitte, die sich unter dem
Einfluß der Oberflächenspannung kugelig umwan-
deln

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


144

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

 zunehmende Einformung  Festigkeit/Härte , plastische Verformbarkeit


WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


145

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

Pendeln um Ac1:
 übereutektoide Stähle: schnelle Einformung

 Glühdauer , da nicht vollständig aufge-


löste Zementit-/Carbidreste als Keime einer
direkten Bildung von körnigem Zementit/kör-
nigen Carbiden bei Abkühlung unter Ar1 wirken

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


146

Weich-
glühen

Verfahren &
innere Vorgänge innere Vorgänge

 untereutektoide Stähle: Verzicht auf Pendeln und Glühen dicht unterhalb


von Ac1

 Vermeidung der Anlagerung von Zementit/Carbiden an Ferritkorngrenzen


( Zähigkeit )

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


147

Glühtemperaturen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


148

Härten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


149

Einführung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


150

Einführung

Unter Härten versteht man nach EN 10052 das Erwärmen auf Härte-
temperatur (auch als Austenitisieren bezeichnet) und nachfolgendem Ab-
äkühlen mit solcher Geschwindigkeit, daß oberflächlich oder durchgrei-
fend eine erhebliche Härtesteigerung durch Martensitbildung eintritt.

Sinn & Zweck

Erhöhung der Härte und Verschleißbeständigkeit (Härten in Verbindung mit


nachfolgendem Wiedererwärmen, dem sogenannten Anlassen)

Erhöhung der Zähigkeit bei vorgegebener Festigkeit bzw. der Einstellung


eines vorgegebenen Verhältnisses von Zähigkeit und Festigkeit (Härten plus
Anlassen auf höhere Temperaturen, das sogenannte Vergüten)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


151

Einführung
Prinzip

verfahrenstechnische Schritte:

Erwärmen kurzes Halten Abschrecken

Erwärmen

Anwärmen: Zeitspanne bis zum Erreichen der Härte-


temperatur an der Werkstoffoberfläche

Durchwärmen: Zeitspanne vom Erreichen der Härte-


temperatur an der Oberfläche bis zum Erreichen der
Härtetemperatur im Kern des Werkstücks

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


152

Einführung
Prinzip

kurzes Halten

Dauer: wenige Minuten bis etwa eine Stunde; Abschätzung der Haltedauer
mit Hilfe von ZTA-Diagrammen
Ziel: homogene C-Verteilung im Austenit

Abschrecken

Abschrecken: Abkühlvorgang mit höherer Abkühlge-


schwindigkeit als an ruhender Luft
Abschrecken kann kontinuierlich oder (zur Verminde-
rung innerer Spannungen) stufenweise erfolgen
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
153

Einführung
Härtetemperatur

Härtetemperatur hängt von der chemischen Zusammensetzung des Stahls


ab:
 C-Gehalt & Art/Menge eventuell vorhandender Legierungselemente

 unlegierte, untereutektoide Stähle (C < 0,8%): Erwärmen auf Temperaturen


30 – 60 °C oberhalb Ac3 (Linie GS) mit vollständiger Austenitisierung
 Härtetemperaturen entsprechen etwa den Glühtemperaturen beim Nor-
malglühen

 unlegierte, übereutektoide Stähle (C > 0,8%): Erwärmen auf 780 – 820 °C

 legierte Stähle: Erwärmung auf deutlich höhere Temperaturen (abhängig


von Art & Menge der LE), um vollständige Carbidauflösung sicherzustellen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


154

Einführung
Härtetemperatur

Härtetemperaturen gelten für langsame Erwärmung (z.B. im Ofen)


 hohe Erwärmungsgeschwin-
digkeit (ind. Erwärmung):
Umwandlungslinien bei hö-
heren Temperaturen  Här-
tetemperaturen 50 – 100 °C
höher
Refresher

unlegierte Stähle
legierte Stähle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


155

Gefüge-
ausbildung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


156

Abkühlgeschwindigkeit & Gefüge-


ausbildung
Gefügeausbildung

Härten & Vergüten: Umwandlung kfz → krz bedeutend


(unlegierte) Stähle: homogenes austenitisches Gefüge oberhalb GSE
 T : gesamter Kohlenstoff ist auf Zwischengitterplätzen in das kfz-Gitter
des γ–Eisens eingelagert
 T  (unterhalb PSK): krz-Gitter des Ferrits mit sehr geringer C-Löslichkeit
 nahezu gesamter Kohlenstoff liegt als Zementit im Gefüge vor

Abkühlung eines (unlegierten) Stahls aus dem Austenitgebiet  Gitterum-


wandlung kfz → krz
 Möglichkeit der Umwandlung (d.h. Diffusion der Fe- und C-Atome) hängt
sehr stark von der Abkühlgeschwindigkeit ab

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


157

Abkühlgeschwindigkeit & Gefüge-


ausbildung
Gefügeausbildung

zunehmende Abkühlgeschwindigkeit:

 Diffusionszeit   zunehmende Unterkühlung des Austenitkristalls

 Umwandlung findet bei tieferen Temperaturen unter zunehmend erschwer-


ten Diffusionsbedingungen statt (Temperaturabhängigkeit der Diffusionsge-
schwindigkeit!)

 Umwandlungsmechanismus & entstehende Gefügeformen ändern sich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


158

Abkühlgeschwindigkeit & Gefüge-


ausbildung
Gefügeausbildung

Unterscheidung nach Art der Unterkühlung (Unterkühlungsstufen):

langsame Abkühlung

Umwandlungen in der
Perlitstufe
C-Diffusion möglich mittlere Abkühlung
Fe-Diffusion möglich
Umwandlungen in der
Bainitstufe
C-Diffusion erschwert schnelle Abkühlung
Fe-Diffusion unmöglich
Umwandlungen in der
Martensitstufe
C-Diffusion unmöglich
Fe-Diffusion unmöglich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


159

Gefüge-
ausbildung

Umwandlungen in der

Perlitstufe

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


160

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

langsame Abkühlung (< 1 K/s): Bildung von Gefügeformen nach dem EKD

Diffusion von Fe- und C-Atomen ausreichend hoch


C50
sehr langsame („unendliche langsame“) Abküh-
lung: Bildung von Perlit

 T oberhalb GS: austenitisches Gefüge, d.h.


der gesamte Kohlenstoff ist im Kristall gelöst

 Phasengrenze GS: Diffusion von C-Atomen an


den Austenitkorngrenzen in benachbarte Git-
terbereiche

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


161

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

 C-arme Zonen: Austenit → „voreutektoider“


Ferrit, mit weiterer Anreicherung von C im
C50
Austenit (bis 0,8% bei 723 °C)

 T unterhalb PS: eutektoider Zerfall des Au-


stenits in Ferrit und Zementit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


162

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

Perlitbildung durch Austenitzerfall:

 Beginn an der Korngrenzen oder an Versetzungen (mit


höheren C-Konzentrationen aus energetischen
Gründen)  Bildung von Zementitkeimen, die der
Umgebung C entziehen, d.h. Austenitbereiche
verarmen an C

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


163

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

 Keimbildung für Ferrit günstiger als Wachstumsbedin-


gungen für Zementit  Wachstum des Ferritkeims führt
(wegen geringer C-Löslichkeit) zu einem Zurückdrängen
des Kohlenstoffs in das benachbarte Austenitgitter

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


164

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

 Anreicherung des Kohlenstoffs im Austenitgitter bis


zum Grenzwert  erneute Bildung und Wachstum von
Zementit

 im Verlauf des Austenitzerfalls schieben sich abwech-


selnd Zementit- und Ferritplatten in den Austenit vor

 Bereich gleicher Lamellenausrichtung im Perlit: Kolonie

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


165

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

 Perlitbildung durch eutektoide Umwandlung des Auste-


nits endet, sobald Austenit „aufgebraucht“ ist

 Abstand der Zementitlamellen: ca. 1 µm

 Perlitbildung ist an die Notwendigkeit der C-Diffusion


und aufgrund der Zementitbildung an die Fe-Diffusion
gebunden

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


166

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

beschleunigte Abkühlung in der Perlitstufe:

 erhöhte Abkühlgeschwindigkeit (zunehmende Entfernung vom Gleichge-


wicht)  Verschiebung der Umwandlungen zu tieferen Temperaturen
 Zeit reicht nicht mehr zum Ablauf aller notwendigen Diffusionsvorgänge
aus

 Folge: beträchtliche Änderungen im Ablauf der Umwandlungen sowie in der


Art, Menge und Verteilung der sich bildenden Gefügebestandteile bzw.
Gefügearten  EKD verliert zunehmend seine Aussagekraft

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


167

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

Verschiebung der Umwandlungstemperaturen mit beschleunigter Abkühlung:

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


168

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

Änderungen bei beschleunigter Abkühlung:


 Ar3-Temperatur (Linie GS) bei der sich erstmals voreutektoider Ferrit an den
Austenitkorngrenzen ausscheidet (und in untergeordnetem Maße auch Ar1,
Linie PS, der Perlitbildung) sinkt mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit
 zunehmende Unterkühlung des Austenits
 Ar3 sinkt stärker ab als Ar1  Aufspaltung des eutektoiden Punktes
 für Stähle mit C < 0,2%: keine voreutektoide Ferritausscheidung mehr

 Perlitanteil : diffusionsgesteuertes Ferritwachstum  im Temperaturbe-


reich zwischen Ar3 und Ar1 (zunehmend weniger Zeit)
 Keimbildungsgeschwindigkeit   Anzahl der Kristallisationskeime der
Perlitbildung 

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


169

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

 Lamellenbreite des Perlits : Diffusionsgeschwindigkeit/Diffusionsweg 


für steigende Abkühlgeschwindigkeit, aber Keimbildungsgeschwindigkeit/An-
zahl der Kristallisationskeim der Perlitbildung 

 (veraltete) Bezeichnungen für unterschiedliche Perlit-


ausbildungen:
 Sorbit – feinlamellares perlitisches Gefüge
 Troostit – feinstlamellares, meist rosettenförmiges
Gefüge
 Sorbit & Troostit stellen keine eigenen Gefügebe-
standteile dar, sondern sind besondere Perlitformen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


170

Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe ausbildung

Zusammenfassung
Die Perlitstufe liegt im oberen Temperaturbereich der Umwandlung des Au-
stenits (450 – 720 °C) und ist aufgrund der hinreichend hohen Temperatur
durch die Möglichkeit der Diffusion von C- und Fe-Atomen sowie gegebe-
nenfalls von Legierungselementen gekennzeichnet. Zu den Umwandlun-
gen in der Perlitstufe zählt man nicht nur die Perlitbildung einschließlich
Sorbit und Troostit, sondern auch alle gleichgewichtsnahen Umwandlun-
gen entsprechend dem EKD ( Werkstoffe 5).

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


171

Gefüge-
ausbildung

Umwandlungen in der

Bainitstufe

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


172

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

Abkühlgeschwindigkeit : Umwandlungstemperatur   C-Diffusion 


 Diffusion der größeren Fe-Atome praktisch nicht mehr möglich

eingeschränkte Diffusionsmöglichkeiten  Verlust der platten- bzw. lamel-


laren Anordnung der Ferrit- bzw. Zementitkristalle

 Umwandlungsmechanismus des Austenits über Keimbildung & Wachstum ist


nicht mehr möglich (der Perlitbildung vergleichbar)

Umwandlung des deutlich unterkühlten Austenits in Bainit


(sogenanntes „Zwischenstufengefüge“)

Bainit in 100Cr6
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
173

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

Zwischenstufengefüge: Bainitbildung weist entsprechend ihrer Stellung


 Merkmale der Perlitbildung (beschränkte Diffusion von C-Atomen)
 Merkmale der Martensitbildung („Umklappen“ des Austenitgitters)
auf

Unterscheidung nach Bildungsmechanismus:

oberer unterer
Bainit Bainit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


174

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

oberer
Bainit

Bildung im oberen Teil der Bainitstufe (350 – 570 °C)

Gefüge: Ähnlichkeiten in der Erscheinung mit Perlit, je-


doch weniger regelmäßige Anordnung

 bündelweise nebeneinander angeordnete, längliche


Platten aus bainitischem Ferrit
 krz-Gitter mit wenigen C-Atomen auf Zwischengitterplätzen und höherer
Versetzungsdichte als untereutektoider Ferrit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


175

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

oberer
Bainit

Charakteristikum: ausgeschiedene stäbchenförmige Zementitkristalle zwi-


schen Ferritplatten

 bei der Bildung von oberem Bainit wachsen lanzett- oder plattenförmige
Bereiche aus Ferritkristallen nach und nach in den Austenitkristall hinein

 Bildung der krz-Ferritplatten aus kfz-Austenit: diffusionslose, gekoppelte,


koordinierte Bewegung ganzer Gruppen von Fe-Atomen im Austenitgitter
(„Umklappen“  Martensitstufe)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


176

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

oberer
Bainit

 Bildung der Ferritplatten geht C-Diffusion im Austenit voraus: Entstehung


C-armer Bereiche, bis die zum Umklappen notwendige Konzentration unter-
schritten wird
 Diffusionsbedingungen:
 noch verhältnismäßig gut (zumindest für C)
 paralleles Wachstum mehrerer Ferritplatten
 C-Diffusion von der Phasengrenze Ferrit-Austenit in die Ferritbereiche
 Anreicherung bis zur Übersättigung
 Ausscheidung von Zementitkristallen zwischen den Ferritplatten
 Produkt: quasi perlitnahes Gefüge
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
177

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

unterer
Bainit

Bildung im unteren Teil der Bainitstufe (zwischen der


Martensit-Starttemperatur MS und etwa 350 °C)
Gefüge: große Ähnlichkeit mit Martensit
 Ferritplatten, die überwiegend in Form verzweigter
Gruppen unter bestimmten Winkeln angeordnet sind
Charakteristikum: stäbchenförmige Zementitkristalle,
 Ausscheidung innerhalb der Ferritplatten unter einem Winkel 50-60° zur
Hauptachse der Ferritnadeln
 Bildung von unterem Bainit geht „Umklappen“ des Austenitgitters voran
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
178

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

unterer
Bainit

 Diffusionsbedingungen:
 schlecht für C-Atome: kein rechtzeitiges Verlassen aus den sich umwan-
delnden Bereiche  „Zwangslösung“ in den Ferritkristallen
 Ferritgitter bietet bessere Diffusionsmöglichkeiten für C-Atome
 Erleichterung der C-Diffusion in den Ferritplatten nach dem Umklappen
des Austenitgitters
 C-Atome „entkommen“ aus ihrer „Zwangslösung“ im Kristallgitter der
Ferritplatten
 Ausscheidung in feinverteilter Form innerhalb der Ferritmatrix  Bil-
dung der stäbchenförmigen Zementitkristalle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


179

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

unterer
Bainit

 Produkt: quasi martensitnahes Gefüge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


180

Umwandlungen in der Gefüge-


Bainitstufe ausbildung

unterer
Bainit

Eigenschaften:
 hohe Festigkeit bei gleichzeitig ausgezeichneter Zähigkeit

 Überlegenheit in mechanischen Eigenschaften gegenüber Vergütungsgefügen

 gezielte Erzeugung bainitischer Gefüge: Bainitisieren

 sehr häufig als Gefügebestandteil im Kernbereich von gehärteten Werkstük-


ken mit größerem Durchmesser
 kritische Abkühlgeschwindigkeit – zur vollständigen Martensitbildung
notwendig – wird nicht mehr überschritten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


181

Gefüge-
ausbildung

Umwandlungen in der

Martensitstufe

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


182

Umwandlungen in der Gefüge-


Martensitstufe ausbildung

Bildung im untersten Bereich der Austenitumwandlung


 weder C- noch Fe-Diffusion möglich
 verbliebener & stark unterkühlter Austenit (nicht in Perlit/Bainit umgewan-
delt): Umwandlung in Martensit unterhalb der Martensit-Starttemperatur MS

Eigenschaften:
 sehr hohe Härte und Festigkeit
 sehr geringe Zähigkeit und plastische Verformbarkeit

martensitische Gefüge: gezielte Erzeugung beim Här-


ten geeigneter Stähle

Martensit in C35
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
183

Umwandlungen in der Gefüge-


Martensitstufe ausbildung

Entstehung:
 Umwandlung des kfz-Austenitgitters durch diffusionslose, gekoppelte, koor-
dinierte Bewegung ganzer Atomgruppen in eine raumzentrierte Struktur

 Unterschied zur Bainitbildung: C-Atome können Kristallgitter nicht mehr


rechtzeitig verlassen („Zwangslösung“)  starke Übersättigung des raum-
zentrierten Kristallgitters

 zwangsgelöste C-Atome verursachen große tetragonale Verzerrung des ur-


sprünglich kubischen Kristallgitters
 stark eingeschränkte Möglichkeit von Versetzungsbewegungen  hohe
Härte/Festigkeit & Sprödigkeit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


184

Umwandlungen in der Gefüge-


Martensitstufe ausbildung

 Unterscheidung nach C-Gehalt des Stahls:


 Massivmartensit (Lanzett- oder Lattenmartensit)
 Plattenmartensit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


185

Umwandlungen in der Gefüge-


Martensitstufe ausbildung

 untere kritische Abkühlgeschwindigkeit vuk: diejenige Abkühlgeschwindig-


keit, bei der zum ersten Mal der für die Härtesteigerung verantwortliche
Martensit auftritt
 abhängig von der Zusammensetzung des Stahls & Abkühlgeschwindigkeit
tritt neben Martensit & Bainit mitunter auch Perlit und ggf. Ferrit im
Gefüge auf
 sehr hohe Abkühlgeschwindigkeiten (Abschrecken mit Eiswasser/flüssiger
Luft): rein martensitisches Gefüge – Umwandlung des Austenits findet
ausschließlich in der Martensitstufe statt

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


186

Umwandlungen in der Gefüge-


Martensitstufe ausbildung

 obere kritische Abkühlgeschwindigkeit vok: diejenige Abkühlgeschwindig-


keit, bei der das Gefüge ausschließlich aus dem äußerst harten aber sprö-
den Martensit besteht

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


187

Umwandlungen in der Umwandlungen in der Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe Bainitstufe Martensitstufe ausbildung

Zusammenfassung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


188

Umwandlungen in der Umwandlungen in der Umwandlungen in der Gefüge-


Perlitstufe Bainitstufe Martensitstufe ausbildung

Zusammenfassung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


189

Gefüge-
ausbildung

Martensit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


190

Gefüge-
Martensit ausbildung

Grundlagen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


191

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Härtesteigerung geeigneter Stähle beim Härten beruht auf der Entstehung


des Gefügebestandteils Martensit
 Anwesenheit von Martensit macht technisch sinnvolle Nutzung einer Vielzahl
von Stählen (z.B. unlegierte Werkzeugstähle) überhaupt erst möglich

Grundlagen der Martensitbildung:


 Erreichen der Härtetemperatur:
 Gefüge untereutektoider Stähle: Austenit; gesamter Kohlenstoff ist im
Austenitgitter gelöst (kfz-Gitter besitzt gute C-Löslichkeit)
 Gefüge übereutektoider Stähle: Austenit mit Zementitausscheidungen an
den Korngrenzen; C (Ausnahme: Zementit) ist im Austenitgitter gelöst
 Ferrit: sehr geringe C-Löslichkeit (0,02% bei 723 °C bzw. < 10-5% bei RT)
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
192

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

 Abkühlungsvorgänge:
 langsame Abkühlung: Umwandlung kfz (Austenit) → krz (Ferrit) mit vor-
ausgehender C-Diffusion aus den sich umwandelnden Bereichen; ausge-
schiedene C-Atome bilden zweite Phase, Zementit  Perlit
 zusätzliche Bedingung für Zementitbildung: Diffusionsmöglichkeit für
Fe-Atome, d.h. Diffusionszeit muß ausreichend lang und Temperatur
ausreichend hoch sein (Bedingungen nur in der Perlitstufe erfüllt)
 Abkühlgeschwindigkeit : Diffusionszeit für C-/Fe-Atome , Diffusions-
bedingungen  für T   unmögliche Diffusion bei Überschreiten der
kritischen Abkühlgeschwindigkeit
 Unterkühlung   Triebkraft zur Auslösung der Umwandlung trotz Hem-
mung (gelöste C-Atome im Austenitgitter) wird größer

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


193

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

 Erreichen einer ausreichend niedrigen Temperatur (d.h. große Unterküh-


lung des Austenits)  Einsetzen eines diffusionslosen „Umklappvorgang“
(ohne Rücksicht auf die noch gelösten C-Atome im Gitter)
 Martensit-Starttemperatur MS: Temperatur, bei der diese „Zwangsreak-
tion“ einsetzt (treibende Kraft der Austenitumwandlung > Hemmung der
Gitterumwandlung durch C-Atome)
 MS liegt wesentlich tiefer als entsprechende Umwandlungstemperaturen
in der Perlit- oder Bainitstufe
 Folge: Zwangslösung der C-Atome im viel zu engen, „umgeklappten“
krz-Gitter
 Zwangszustand  tetragonale Verzerrung des krz-Gitters  tetragonal-
raumzentrierte EZ des Martensits

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


194

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

treibende & hemmende Kräfte beim „Um-


klappen“ des Austenitkristalls:

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


195

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

 Vorgänge führen zu erheblichen Gitterverspannungen & hoher Gitterfehler-


dichte
 Beweglichkeit von Versetzungen (als Grundlage für plastische Verform-
barkeit) wird stark vermindert bzw. Versetzungen selbst werden nahezu
vollständig blockiert

 Folge: hohe Härte & Festigkeit, außerordentlich geringe Zähigkeit &


schlechte Verformbarkeit des Martensits

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


196

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung

1. Wird ein Stahl aus der Härtetemperatur schnell abgekühlt (abge-

schreckt), dann können die im Austenitkristall gelösten C-Atome das


Kristallgitter vor dessen Gitterumwandlung nicht mehr rechtzeitig ver-
lassen, da für die Diffusion des Kohlenstoff keine Zeit mehr zur Ver-
fügung steht bzw. die Temperatur für die Diffusion zu niedrig ist.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


197

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung

2. Mit abnehmender Temperatur (zunehmender Unterkühlung des Auste-

nits) wird die treibende Kraft für die Umwandlung des kfz-Austenitkri-
stalls in die krz-Gitterstruktur trotz anfänglicher Hemmung durch die im
Austenitgitter gelösten C-Atome so groß, daß schließlich ein diffusions-
loses „Umklappen“ des Austenitkristalls ohne Rücksicht auf die darin
gelösten C-Atome einsetzt.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


198

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung

3. Die Vielzahl der nunmehr im eigentlich viel zu engen krz-Gitter auf

Zwischengitterplätzen zwangsgelösten C-Atome führen zu einer Ver-


spannung und tetragonalen Aufweitung des ursprünglich kubischen
Gitters. Diese neue Gitterstruktur mit tetragonal-raumzentrierter Ele-
mentarzelle wird als Martensit bezeichnet.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


199

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung

4. Aufgrund der enormen Gitterverspannungen und hohen Gitterfehler-


dichte sind Versetzungsbewegungen im Kristallgitter des Martensits
stark gehemmt. Daher weist dieses Gefüge eine hohe Härte und hohe
Festigkeit auf (erwünschte Veränderungen), hat demgegenüber aber
auch eine außerordentlich geringe Zähigkeit und eine schlechte pla-
stische Verformbarkeit (unerwünschte Veränderungen).

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


200

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung Ausgangsgefüge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


201

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung langsame Abkühlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


202

Gefüge-
Martensit Grundlagen ausbildung

Zusammenfassung schnelle Abkühlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


203

Gefüge-
Martensit ausbildung

Erscheinungsformen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


204

Gefüge-
Martensit Erscheinungsformen ausbildung

Unterscheidung nach morphologischer Er-


scheinung: Massivmartensit & Platten-
martensit

 Massivmartensit:
 Vorkommen in C-armen Stählen
 Bündel parallel angeordneter latten-
förmiger Martensitkristalle
 Dimensionen einer einzelnen Latte:
einige µm lang, bis 0,5 µm dick
 innerhalb eines Austenitkorns können
sich mehrere Martensit-Bündel ausbilden

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


205

Gefüge-
Martensit Erscheinungsformen ausbildung

 Plattenmartensit:
 zunehmender C-Gehalt (> 1%)  Veränderung des Martensits
 Entstehung: Bildung einiger größerer Martensitplatten mit einer Länge,
die der Größe des Austenitkorns entspricht  Aufteilung des Austenit-
korns in zwei kleinere Teilbereiche
 Teilbereiche: Entstehung weiterer Martensitplatten, bis gesamter Auste-
nit in Martensit umgewandelt ist
 Martensitplatten von unterschiedlicher Größe schließen innerhalb des
Austenitkorns, in dem sie entstanden sind, häufig Winkel von 60° und
120 ° zueinander ein
 Übergänge zwischen Massiv- und Plattenmartensit fließend (0,5-1% C)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


206

Gefüge-
Martensit Erscheinungsformen ausbildung

 übereutektoide Stähle: bei Abschreckung auf RT tritt mit zunehmendem


C-Gehalt der Austenitkörner zunehmender Anteil an Austenit auf, der
nicht in Martensit umgewandelt wird („Restaustenit“)
 Restaustenit ist sehr weich und daher im Härtegefüge unerwünscht

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


207

Gefüge-
Martensit ausbildung

Kristallographie

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


208

Gefüge-
Martensit Kristallographie ausbildung

OSMOND (1895): Martensit ist die äußerst harte und spröde Phase, die sich in
Fe-C-Legierungen bei hinreichend hohem C-Gehalt und hinreichend hoher
Abkühlgeschwindigkeit bildet
 martensitische Umwandlungen treten nicht nur in Stählen, sondern in einer
Vielzahl weiterer Eisenbasislegierungen (z.B. Fe-Co, Fe-Cr, Fe-Mn…) sowie
NE-Metallbasislegierungen (z.B. Cu-Al, Cu-Sn, Au-Cd…)

 Martensite: alle durch martensitische Umwandlungen entstandenen


Tieftemperaturphasen, unabhängig vom speziellen Legierungssystem

„Umklappen“ des Austenitgitters: nur ansatzweise Beschreibung der bis


heute nicht in allen Einzelheiten verstandenen martensitischen Umwand-
lung (hier nur Plattenmartensit) WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
209

Gefüge-
Martensit Kristallographie ausbildung

„Umklappen“ des Austenitgitters: nur ansatzweise Beschreibung der bis


heute nicht in allen Einzelheiten verstandenen martensitischen Umwand-
lung (hier nur Plattenmartensit)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


210

Gefüge-
Martensit Kristallographie ausbildung

Betrachtungen für den Plattenmartensit:


 Beschreibung der martensitischen Um-
wandlung in verschiedene Teilschritte

 BAIN (1924): Austenit-EZ beinhalten „vir-


tuelle“ Martenisit-EZ (tetragonal-raum-
zentrierte EZ) – Unterschiede in Gitter-
parametern

 Umwandlung: Stauchung in z-Richtung (20%) & Dehnung in x- und y-Richtung


(12%, sog. BAIN-Deformation)  kleine Verformungen notwendig, Fe-Atome
müssen nur sehr kurze Wege zurücklegen
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
211

Gefüge-
Martensit Kristallographie ausbildung

Elementarzelle des Martensits:


 Gitterparameter aM und cM sind abhängig vom C-Gehalt: cM  bzw. aM  für
%C ; cM/aM ~ %C

 keine genauen Vorstellungen über die Tetragonalität des Martensits

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


212

Gefüge-
Martensit Kristallographie ausbildung

Position der C-Atome im tetragonalen Gitter:


 diffusionslose Umwandlung der Oktaederlücken (C!)  C-Atome besetzen
„automatisch“ die c-Achse der raumzentrierten Martensitkristalls ( tetra-
gonale Verzerrung)

 Bsp.: unlegierter
Stahl mit 1% C: Be-
setzung von einer c-
Achse je 50 EZ

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


213

Gefüge-
Martensit ausbildung

kritische
Abkühlgeschwindigkeit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


214

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

untere kritische
erstmaliges Auftreten von Martensit im Gefüge
Abkühlgeschwindigkeit vuk

vuk/vok abhängig
 von C-Gehalt
Martensit-
Anteil

 Art & Konzentration eventuell vor-


handener Legierungselemente

obere kritische
Gefüge besteht vollständig aus Martensit
Abkühlgeschwindigkeit vok

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


215

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

unlegierte Stähle
 für C : v  - C-Atome behindern sich
in ihrer Diffusionsfähigkeit

 C < 0,2%: kritische Abkühlgeschwindig-


keit kann nicht mehr/nur noch mit gro-
ßem Aufwand realisiert werden
 hohe Abkühlgeschwindigkeiten kön-
nen bei unsymmetrischen Werkstük-
ken zu Verzug/Rissen führen (unge-
nügender Temperaturausgleich)
 härtbare Stähle: C > 0,2%

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


216

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

legierte Stähle
 Legierungselemente (Cr, Mo, W, Mn): kritische Abkühlgeschwindigkeit 
(Verminderung der Diffusionsfähigkeit für C-Atome)
 Luft als Abschreckmittel  vollkommene Durchhärtung möglich (Legie-
rungselemente in entsprechenden Konzentrationen)

 ZTU-Diagramm:
 LE  Umwandlungslinien zu längeren
Zeiten und tieferen Temperaturen
 kritische Abkühlgeschwindigkeit  länge-
re Zeiten (Abkühlgeschwindigkeit zur
vollständigen Martensitbildung )

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


217

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

Verwendung legierter Stähle: Vorteile hinsichtlich härtbaren Querschnitts


und erforderlicher Abkühlgeschwindigkeit
unlegierte Stähle (vk hoch)
 schroffe Abkühlmedien
(Wasser)
 Gefahr: Verzug/Rißbil-
dung
 vollständige Martensitbil-
dung nur oberflächennah

legierte Stähle (vk )


 mildere Abkühlmedien
(Öl/Luft))
 Martensitbildung im kom-
pletten Querschnitt mög-
lich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


218

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

Zusammenfassung

Bedingungen für Martensitbildung

1. Der Stahl muß einen C-Gehalt von mindestens 0,2% aufweisen. Für C-
ärmere Stähle kann die zur Martensitbildung notwendige Abschreckge-
schwindigkeit praktisch nicht mehr realisiert werden bzw. birgt die Ge-
fahr des Verzugs oder der Rißbildung. Diese Stähle sind daher praktisch
nicht härtbar bzw. müssen vor dem Härten aufgekohlt werden. Zudem
wäre die Härtesteigerung aufgrund des niedrigen C-Gehaltes zu gering.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


219

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

Zusammenfassung

2. Der Stahl muß austenitisiert, d.h. auf eine Temperatur erwärmt werden,
bei der alle bzw. ein Teil der C-Atome im Kristallgitter des Austenits ge-
löst sind.

3. Das Abschreckmittel muß die Wärme aus dem Stahl so schnell abfüh-
ren, daß im Werkstück in der Regel die obere kritische Abkühlge-
schwindigkeit überschritten wird. Erst dann bildet sich das erwünschte,
harte martensitische Gefüge.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


220

kritische Gefüge-
Martensit Abkühlgeschwindigkeit ausbildung

Zusammenfassung

3. Bei Überschreitung der unteren kritischen Abkühlgeschwindigkeit be-


steht das Gefüge nur teilweise, bei Überschreitung der oberen Abkühl-
geschwindigkeit dagegen vollständig aus Martensit. Die kritischen Ab-
kühlgeschwindigkeiten haben keine festen Werte, sondern hängen in
erster Linie vom C-Gehalt des Stahls sowie von der Art und Konzentra-
tion der eventuell vorhandenen Legierungselemente ab.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


221

Gefüge-
Martensit ausbildung

C-Löslichkeit Austenit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


222

Gefüge-
Martensit C-Löslichkeit Austenit ausbildung

übereutektoide Stähle (C > 0,8%): C-Gehalt Stahl ≠ C-Gehalt Austenit

Abkühlung eines übereutektoiden Stahls aus dem Austenitgebiet:


 bei Acm (Linie SE): Ausscheidung von Zementitkristallen an den Austenit-
korngrenzen (keine weitere C-Löslichkeit)

 weitere Abkühlung: C-Gehalt ändert sich längs der Phasengrenze SE


 SE  maximale C-Löslichkeit des Austenits bei gegebener Temperatur
 C-Gehalt geringer als im Stahl  Differenz: Sekundärzementit im Gefüge

Erkenntnis: in den Austenitkörnern übereutektoider Stähle bei Temperatu-


ren zwischen A1 und Acm gelöster Kohlenstoff ist nur von der Temperatur
und nicht vom C-Gehalts des Stahls abhängig

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


223

Gefüge-
Martensit C-Löslichkeit Austenit ausbildung

Beispiel: Stahl mit 1,55% Kohlenstoff


 1000 °C: homogene Lösung des
C im Austenit

 900 °C: 1,25% C im Austenit


 0,3% C im Sekundärzementit

 760 °C: 0,9% C im Austenit


 0,65% C im Sekundärzementit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


224

Gefüge-
Martensit ausbildung

Temperaturbereich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


225

Gefüge-
Martensit Temperaturbereich ausbildung

Temperaturbereich

Austenit Umwandlung Martensit

Martensit- Martensit-
Starttemperatur Ms Endtemperatur Mf

Temperaturbereich statt scharf abgegrenzter Temperatur wegen unter-


schiedlicher Stabilität der einzelnen Austenitkörner

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


226

Gefüge-
Martensit Temperaturbereich ausbildung

unlegierte Stähle:
 höhere C-Gehalte (> 0,5%): keine voll-
ständige Umwandlung ( Restaustenit)

 Ms  für C-Gehalt 
 größere Gitterverzerrungen durch zu-
nehmenden C-Gehalt  erschwerte
Umwandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


227

Gefüge-
Martensit Temperaturbereich ausbildung

Unterschreiten von Ms: spontanes Wachstum der Martensitkristalle


 bei weiterer Abkühlung: kaskadenartige
(diskontinierliche) Umwandlung in Se-
kundenbruchteilen
 Ausbildung einzelner Martensitplat-
ten innerhalb 10-7 Sekunden

 umwandlungsfreie Zeitabschnitte wech-


seln sich mit Abschnitten schneller Um-
wandlung ab

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


228

Gefüge-
Martensit Temperaturbereich ausbildung

Ms/Mf-Temperatur hängen ab von


 C-Gehalt des Austenits
 Art & Konzentration eventuell vorhandener Legierungselemente

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


229

Gefüge-
Martensit ausbildung

Restaustenit & Tiefkühlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


230

Gefüge-
Martensit Restaustenit & Tiefkühlung ausbildung

C-Gehalt > 0,6% in Austenitkörnern vor Abschrecken  Martensitbildung ist


mit Erreichen von Raumtemperatur nicht abgeschlossen
 Mf wird nicht unterschritten  Stählen enthalten Anteile an nicht umge-
wandeltem Austenit: Restaustenit

Restaustenit ist sehr weich ( geringere Härte des Gesamtgefüges) und


kann sich unter bestimmten Bedingungen in Martensit umwandeln; infolge
der unterschiedlichen Volumina von Restaustenit und Martensit führt er zu
unerwünschten Spannungen sowie Verzug.

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


231

Gefüge-
Martensit Restaustenit & Tiefkühlung ausbildung

erforderliche Beseitigung des Restaustenits in folgenden Fällen:


 Forderung höchster Härtewerte durch restaustenitfreies Gefüge
 Forderung höchster Maßstabilität der gehärteten Werkstücke

Vorgehensweise:
 kurzzeitige Abkühlung auf Temperaturen unterhalb Mf (Tiefkühlung auf -60
bis -140 °C)

 Tiefkühlung unmittelbar nach Abschrecken (sonst Stabilisierung des Restau-


stenits)

 keine vollständige Umwandlung möglich bei sehr hohen C-Gehalten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


232

Gefüge-
Martensit ausbildung

Abschreckhärte

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


233

Gefüge-
Martensit Abschreckhärte ausbildung

Martensit hat im Vergleich zu allen anderen Gefügebestandteilen die weit-


aus höchsten Härtewerte
 maßgebend für die Härte ist die Menge des in seinem Kristallgitter in
Zwangslösung befindlichen Kohlenstoffs (wegen zunehmender Verzerrung)

 übrige LE (auf regulä- Gefüge (C = 0,45%) VICKERS-Härte HV


ren Gitterplätzen) ha- groblamellar 200
Perlit feinlamellar (Sorbit) 250
ben praktisch keinen feinstlamellar (Troostit) 350
oberer Bainit 350 – 450
Einfluß auf die Marten- Bainit
unterer Bainit 450 – 550
sithärte (relativ kleine Martensit > 550

Gitterverspannungen)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


234

Gefüge-
Martensit Abschreckhärte ausbildung

Härte durch Martensitbildung (100% Mar-


tensit) in Abhängigkeit vom C-Gehalt eines
unlegierten Stahls
 Härte  für C-Gehalt  (infolge zuneh-
mender tetragonaler Verzerrung des Mar-
tensits)

 drei mögliche Härteverläufe: 1, 2 & 3

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


235

Gefüge-
Martensit Abschreckhärte ausbildung

Kurve 1

Abschrecken aus T > Acm auf RT:


Härte  für C-Gehalt 
1. Gesamter C ist in Austenitkörnern ge-
löst (hohe T!); Abschrecken auf RT 
Anteil Restaustenit 
2. Bildung groben Korns (hohes T!)  Bil-
dung von Restaustenit begünstigt

Kurve 2

Abschrecken aus T > A1 auf RT:


Härte unabhängig von C-Gehalt
Wachstum von Austenitkörnern wird durch
Zementitausscheidungen behindert

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


236

Gefüge-
Martensit Abschreckhärte ausbildung

Kurve 3

Abschrecken aus T > Acm, anschließend Tief-


kühlen auf T < Mf:
Härte  für C-Gehalt 
1. Gesamter C ist in Austenitkörnern ge-
löst (hohe T!)
2. Vollständige Austenitumwandlung
(T < Mf) – kein Restaustenit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


237

Gefüge-
Martensit ausbildung

Härtespannungen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


238

Gefüge-
Martensit Härtespannungen ausbildung

Härtevorgang: sehr hohe mechanische Belastung


 Möglichkeit von Härteverzug (Maß-/Formänderungen)
und/oder Härterissen (innere Spannungen größer als
Kohäsionsfestigkeit)
Ursachen:
 Wärmespannungen: unterschiedliche Abkühlungsge-
schwindigkeit von Rand und Kern beim Abschrecken
 Umwandlungsspannungen durch die Austenit-Marten-
sit-Umwandlung

Nacharbeit erfordert hohe Kosten  verzugsarmes Här-


ten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


239

Gefüge-
Martensit ausbildung

verzugsarmes Härten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


240

Gefüge-
Martensit verzugsarmes Härten ausbildung

Verwendung von legierten Stählen und dementsprechend milden Abschreck-


mitteln
richtige Haltung des Werkstücks & Bewegung in der Abschreckflüssigkeit
 schnelle Ablösung von Dampfblasen (sonst ungleichmäßige Abkühlung)

 stabförmige Bauteile längs eintauchen

 Werkstücke mit größtem Querschnitt voraus eintauchen

 WS mit Grundbohrungen mit der Öffnung nach oben eintauchen (Dampfbla-


sen!)
 flächige Werkstücke mit der schmalen Seite voraus eintauchen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


241

Gefüge-
Martensit verzugsarmes Härten ausbildung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


242

Gefüge-
Martensit verzugsarmes Härten ausbildung

Wahl eines geeigneten Härteverfahrens:


 normales Härten (konventionelles Härten)
 kontinuierliche Abkühlung
 Wärmespannungen durch unvollständigen Temperaturausgleich zwischen
Rand und Kern möglich (Anwendung nur bei geometrisch einfachen WS)

 gebrochenes Härten
 schroffes Abschrecken (z.B. in Wasser)
 weitere Abkühlung langsam (z.B. in Öl); geringe Verzugs-/Rißneigung

 Warmbadhärten (isothermes Härten)


 Abschreckung im Warmbad (T geringfügig über MS) & Halten
 Abkühlung auf RT an ruhender Luft/in Öl; nur WS mit kleinem ø

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


243

Gefüge-
Martensit verzugsarmes Härten ausbildung

Besonderheiten bzw. Vor- und Nachteile der verschiedenen Härteverfahren:

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


244

Gefüge-
Martensit ausbildung

Abschrecken

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


245

Gefüge-
Martensit Abschrecken ausbildung

Definition nach DIN EN 10052: Abkühlung schneller als an ruhender Luft (ca.
1 K/s)
Grundlagen des Abschreckvorgangs:
 Entzug der Wärme durch Abschreckmit-
tel häufig nicht gleichmäßig, Untertei-
lung in drei Phasen

 Phase 1 – Dampfhautphase: Bildung ei-


nes wärmeisolierenden Dampfmantels
auf der Werkstückoberfläche (LEIDEN-
FROST-Phänomen)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


246

Gefüge-
Martensit Abschrecken ausbildung

 Phase 2 – Kochphase: Zusammenbruch


des Dampfmantels bei tieferen Tempera-
turen  direkter Kontakt von Abschreck-
mittel und Werkstück ( starke Ver-
dampfung des Abschreckmittels)

 Phase 3 – Konvektionsphase: WS-Tempe-


ratur sinkt  Wärmeabfuhr durch Kon-
vektion

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


247

Gefüge-
Martensit Abschrecken ausbildung

typischer Temp.-Zeit-Verlauf beim Temp.-Zeit-Verlauf unterschied-


Abschrecken in flüssigen Abschreck- licher Abschreckmittel (genormter
mitteln: Prüfkörper):

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


248

Gefüge-
Martensit Kenngrößen ausbildung

Kühlwirkung: wichtigstes wärmebehandlungstechnisches Merkmal der Ab-


schreckmittel
quantitative Beschreibung abhängig von mehreren Faktoren:
 Härtbarkeit des Stahls
 Abschreckwirkung des Abschreckmittels
 Temperatur des Härteguts vor dem Abschrecken
 Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs
 Oberflächenbeschaffenheit des Werkstücks
 geometrische Randbedingungen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


249

Gefüge-
Martensit Kenngrößen ausbildung

 Verweildauer im Abschreckmittel
 …
 Entwicklung verschiedener Prüfverfahren und -geräte

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


250

Gefüge-
Martensit Abschreckmittel ausbildung

Abschreckmittel:
 Auswahl erfolgt nach der Werkstoffsorte
und den Abmessungen des WS

 Abschreckmittel sind gasförmig oder flüs-


sig
Wasser:
 sehr hohe Abkühlgeschwindigkeiten

 Zusätze:
 Verschiebung des Maximums
 Erweiterung der Abschreckwirkung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


251

Gefüge-
Martensit Abschreckmittel ausbildung

 Salzzusätze:
 Verdampfungswirkung 
 Maximum der Abkühlgeschwindigkeit zu höheren Temperaturen verscho-
ben (größte Abschreckwirkung liegt im Perlitbereich)

 Arbeitstemperatur: ohne Zusätze bei 25 °C, mit Zusätzen bis etwa 70 °C

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


252

Gefüge-
Martensit Abschreckmittel ausbildung

wäßrige Polymerlösungen:
 Bsp.: Einsatz von Polyethylenglykol-Lösung (PEG) in industriellen Wärmebe-
handlungsanlagen als Ersatz für Wasser bzw. Härteöle

 Vorteile:
 keine Brandgefahr, keine Entwicklung von Rauch oder Ölnebel im Ver-
gleich zu Härteölen
 größere Abschreckintensität im Vergleich zu Härteölen  Verwendung
von Stählen mit geringerem Legierungsgehalt
 geringere Abschreckintensität im Vergleich zu Wasser  Riß- und Ver-
zugsgefahr geringer
 kein Entfetten erforderlich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


253

Gefüge-
Martensit Abschreckmittel ausbildung

Härteöle:
 Abschreckwirkung ist aufgrund ihrer verminderten Wärmeleitfähigkeit deut-
lich geringer als im Vergleich zu Wasser

 Maximum der Abkühlgeschwindigkeit: 400 – 500 °C

 Zusätze: Korrosionsinhibitoren

 Anwendung: legierte Stähle

 Unterscheidung nach Typ und Viskosität sowie Art und Menge von Zusätzen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


254

Gefüge-
Martensit Abschreckmittel ausbildung

weitere Möglichkeiten:
 Salz- oder Metallschmelzen

 Wirbelbetten

 Gase

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


255

ZTU-/ZTA-
Diagramme

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


256

ZTU-/ZTA-
Diagramme

ZTU-
Diagramme

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


257

ZTU- ZTU-/ZTA-
Diagramme
Diagramme

Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramme
 Bsp.: Einsatz

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


258

ZTU- ZTU-/ZTA-
Diagramme
Diagramme

Zusammenfassung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


259

ZTU-/ZTA-
Diagramme

ZTA-
Diagramme

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


260

ZTA- ZTU-/ZTA-
Diagramme
Diagramme

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


261

Anlassen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


262

Einführung Ziel

Anlassen (engl.: tempering) ist das Erwärmen eines (in der Regel) marten-
sitisch gehärteten Werkstücks auf eine Temperatur unterhalb Ac1, das Hal-
ten bei dieser Temperatur sowie das nachfolgende zweckentsprechende
Abkühlen.

Anlassen ist kein eigenständiges Wärmebehandlungsverfahren (trotz Erwärmen,


Halten & Abkühlen), sondern wird im Anschluß an das Härten durchgeführt.

Sinn & Zweck

Härten  relativ hohe Sprödigkeit auf (betrieblicher Einsatz nicht möglich)

Anlassen: Beseitigung der Sprödigkeit & Veränderung der Eigenschaften (An-


passung an jeweilige betriebliche Anforderungen)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


263

Anlaßtemperatur Ziel

Anlaßfarbe: Einwirkung des Sau-


erstoffs bei Anlassen an Luft
 Bildung einer Oxidschicht, de-
ren Dicke eine für die jeweilige
Temperatur typische Farbe er-
gibt

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


264

Anlaßtemperatur Ziel

Anlassen auf niedrige


Temperaturen (100 - 250 °C)

Ziele:
 Verminderung der Sprödigkeit
 Abbau innerer Spannungen (Vermeidung von Rißbildung)

Stähle:
 gehärtete unlegierte und legierte Kaltarbeitsstähle
 gehärtete niedriglegierte Warmarbeitsstähle
 Wälzlagerstähle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


265

Anlaßtemperatur Ziel

Anlassen auf höhere


Vergüten
Temperaturen (500 - 680 °C)

Ausbildung eines Gefügezustands mit hoher Zähigkeit und erhöhter Festig-


keit (z.T. Beseitigung von Restaustenit)

Ziele:
 Verbesserung der Zähigkeit
 Einstellung des gewünschten Verhältnisses zwischen Festigkeit & Zähigkeit

Stähle:
 Bau- und Konstruktionsstähle
 Wälzlagerstähle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


266

Anlaßtemperatur Ziel

Anlassen auf höhere


Temperaturen (500 - 650 °C)

Ziele:
 Verbesserung der Warmhärte/-festigkeit (Sekundärhärtung)
 Verbesserung der Verschleißbeständigkeit

Stähle:
 hochlegierte Warmarbeitsstähle
 Schnellarbeitsstähle
 Wälzlagerstähle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


267

Anlaßtemperatur: Übersicht Ziel

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


268

Temperaturführung Ziel

vereinfacht

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


269

Verfahren &
Einführung innere Vorgänge

Härten  martensitisches Gefüge (mit Restaustenit)

Anlassen: Ungleichgewichtsgefüge Martensit  gleichgewichtsnäherer, sta-


bilerer Zustand

Vorgänge sind abhängig von Anlaßtemperatur (Dauer von untergeordneter


Bedeutung)
 Beweglichkeit C-Atome (zunächst noch Temperaturbereich unter 100 °C
zwangsgelöst)/Fe-Atome  1. Anlaßstufe (100 - 200 °C)

2. Anlaßstufe (200 - 320 °C)


Anlaßstufen
3. Anlaßstufe (320 - 400 °C)

4. Anlaßstufe (400 °C – Ac1)


WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
270

Verfahren &
Temperaturbereich unter 100 °C innere Vorgänge

kein eigentliches Anlassen

kohlenstoffarme Stähle:

 Anreicherung der C-Atome an Gitterfehlern (energieärmere Aufenthaltsorte)

 Prozeß tritt aufgrund der hohen MS-Temperatur bereits während des Ab-
schreckens ein

kohlenstoffreiche Stähle (weniger Gitterfehlstellen):

 Anreicherung der C-Atome an Fehlstellen (in geringerem Umfang)

 Clusterbildung: Bildung einphasiger Entmischungszonen  Verzerrungsener-


gie des Kristallgitters 

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


271

Verfahren &
1. Anlaßstufe (100 - 200 °C) innere Vorgänge

C > 0,2%: Entweichung einzelner C-Atome aus der


Zwangslösung im Martensit  starke Verspannung
des Martensitgitters geht zurück (Entspannung)

Umwandlung: tetragonaler Martensit  kubischer


Martensit

Eigenschaften des kubischen Martensits:


 weniger stark verzerrt  Volumenabnahme
( Verzug!)

 tetragonaler Martensit im LM hell („weißer Mar-


tensit“)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


272

Verfahren &
1. Anlaßstufe (100 - 200 °C) innere Vorgänge

 kubischer Martensit im LM dunkel  „schwarzer Martensit“


 Anätzung von eingelagerten Carbiden (Bildung aus ausgeschiedenen C-
Atomen, ε-Carbid [Fe2,4C], η-Carbid [Fe2C] und χ–Carbid [Fe5C2])

C < 0,2%: keine Bildung von ε–Carbid (kaum Verzerrung im Martensit)

Folgen

spröder Stahl erhält Teil seiner ursprünglichen Zähigkeit und Verformbar-


keit zurück

Härte bleibt weitgehend erhalten, Rißgefahr erheblich vermindert

Verbesserung der Gebrauchseigenschaften (wichtig für Kaltarbeitsstähle,


niedriglegierte Warmarbeitsstähle, Wälzlagerstähle)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


273

Verfahren &
2. Anlaßstufe (200 - 320 °C) innere Vorgänge

T > 200 °C: Beweglichkeit der zwangsgelösten C-Atome   Carbidbildung 

T > 250 °C: Umwandlung ε-Carbid (sowie η– und χ–Carbid)  Zementit

Kohlenstoffausscheidung/-agglomeration  Zugfestigkeit , Härte , Verfor-


mungskennwerte  - Streckgrenze konstant (feine Carbide behindern Ver-
setzungsbewegungen)

C > 0,5%: Zerfall des Restaustenits in un-/niedriglegierten Stähle  Aus-


scheidung von Carbiden
 MS-Temperatur : Umwandlung des Restaustenits in kubischen Martensit
( Volumenvergrößerung)
 unerwünschter Effekt: 300 °C-Versprödung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


274

Verfahren &
3. Anlaßstufe (320 - 400 °C) innere Vorgänge

Entweichen aller C-Atome aus der Zwangslösung  kubischer Martensit ver-


armt an C: Bildung von Ferrit, ε-Carbid  Zementit

Zusammensetzung des Stahls: Ferrit mit feinsten eingelagerten Zementit-


körnchen (im LM sichtbar)

Volumenkontraktion (aFerrit = 0,2867 nm, cM = 0,2910 nm)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


275

Verfahren &
4. Anlaßstufe (400 °C – Ac1) innere Vorgänge

unlegierte Stähle: keine signifikanten Gefügeänderungen

 Agglomeration der fein verteilten Zementitausscheidungen zu größeren


Körnchen (Entformung des Zementits)  Festigkeit , Zähigkeit  Verform-
barkeit  (Gefüge nähert sich dem weichgeglühten Zustand an)

 Ausheilen von Defekten (Kristallerholung)

 T > 550 °C: Rekristallisation – Auflösung der nadelförmigen Martensitstruk-


tur und Rückbildung der ursprünglichen Form der Ferritkristalle

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


276

Verfahren &
4. Anlaßstufe (400 °C – Ac1) innere Vorgänge

legierte Stähle: Anlaßverhalten abhängig von Art der Legierungselemente

 nicht-carbidbildend (Si, Ni, Mn): verzögerter Härteabfall

 carbidbildend (Cr, Mo, V, Ti, W): Wiederanstieg der Härte (Sekundärhärtung)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


277

Verfahren &
Zusammenfassung innere Vorgänge

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


278

Verfahren &
Gefügevergleich innere Vorgänge

T = 550 °C T = 700 °C

vor dem
T = 400 °C
Anlassen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


279

Verfahren &
Anlassen unlegierter Stähle innere Vorgänge

Anlaßtemperatur

Anlaßtemperatur   Härte 

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


280

Verfahren &
Anlassen unlegierter Stähle innere Vorgänge

Anlaßdauer

Anlaßdauer   Härte 
 größter Abfall in den ersten Mi-
nuten

t = 2 min

Stahl mit 1% C

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


281

Verfahren &
Anlassen unlegierter Stähle innere Vorgänge

Anlaßtemperatur

Anlaßdauer

Einfluß der Anlaßtemperatur auf den charakteristischen Härteabfall ist deut-


lich größer als der Einfluß der Anlaßdauer (typisch für diffusionsgesteuerte
Vorgänge)

Wahl der Anlaßtemperatur erfolgt nach angestrebter Härte, Festlegung der


Anlaßdauer nach Werkstückquerschnitt

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


282

Verfahren &
Anlassen legierter Stähle innere Vorgänge

Carbidbildner

Verschiebung des Festigkeitsab-


falls zu höheren Temperaturen/ Stahl mit 0,35% C
größeren Anlaßdauern

400-600 °C: Sekundärhärtung

Ursache: fein verteilte Ausscheidungen von thermisch stabilen Sondercarbi-


den (notwendig: LE in höherer Konzentration – Mn > 5%, Cr > 10%)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


283

Verfahren &
Anlassen legierter Stähle innere Vorgänge

Carbidbildner

Veränderung der mechanischen


Eigenschaften (Härte, Festigkeit, Stahl mit 0,35% C

Zähigkeit) im Sekundärhärtema-
ximums beruht auf Veränderung
der ausgeschiedenen Carbide
Cr3C
Cr3C Cr23C6
Cr7C3

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


284

Verfahren &
Anlassen legierter Stähle innere Vorgänge

Carbidbildner

schematische Entstehung des


Sekundärhärtungseffektes

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


285

Verfahren &
Anlassen legierter Stähle innere Vorgänge

Nichtcarbidbildner

Verzögerung des Härteabfalls mit


zunehmender Anlaßtemperatur

Härte der ferritischen Grundmas-


se 

Stahl mit 0,5% C

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


286

Verfahren &
Anlassen legierter Stähle innere Vorgänge

Legierungselemente bewirken unterschiedliches Anlaßverhalten:


 Verschiebung der Anlaßstufen (Temperatur)
 Verzögerung des Härteabfalls
 Bildung von Sondercarbiden ( Sekundärhärtung)
 Bildung erst bei höheren Temperaturen wegen ausreichender Diffusions-
fähigkeit der Legierungselemente
 Bildung benötigt Zeit, da Legierungselemente nur langsam diffundieren
und die Beweglichkeit der C-Atome herabsetzen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


287

Verfahren &
Temperaturführung innere Vorgänge

Zeit-Temperatur-Folge für Werkzeuge aus unlegierten Werkzeugstählen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


288

Verfahren &
Temperaturführung innere Vorgänge

Zeit-Temperatur-Folge für Werkzeuge aus legierten Kalt-/Warmarbeitsstählen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


289

Verfahren &
Temperaturführung innere Vorgänge

Zeit-Temperatur-Folge für Werkzeuge aus Schnellarbeitsstählen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


290

Versprödungserscheinungen Sonstiges

Anlassen

Versprödungs-
erscheinungen

500 °C-Versprödung/
300 °C-Versprödung
Anlaßversrpödung
(500 °F-embrittlement)
(temper embrittlement)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


291

Versprödungserscheinungen Sonstiges

300 °C-Versprödung

Auftreten in der oberen 2./3. An-


laßstufe (250 – 400 °C)

Folgen:
 Zähigkeit 
 Verschiebung der Übergangs-
temp. von K zu höheren Werten
40NiCrMo6

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


292

Versprödungserscheinungen Sonstiges

Zugversuchskennwerte (Re, Rm usw.) zeigen kei-


300 °C-Versprödung
ne Unstetigkeiten in der Abhängigkeit von der
Anlaßtemperatur

Ursachen:
 Auflösung des ε-Carbids
 starke C-Anreicherung  starke Gitterverspannungen in der Matrix
 Zementitkeimbildung in den übersättigten Zonen an Versetzungen
Folge: Blockierung der Versetzungsbewegung  Versprödung
 starke Anreicherung versprödend wirkender Verunreinigungen an den Korn-
grenzen (P, As, Sb, Sn)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


293

Versprödungserscheinungen Sonstiges

300 °C-Versprödung

Ursachen:
 legierte CrMn-Stähle
 Nitridausscheidungen (Cr-/Mn-Nitride) als Versprödungsursache
 Zugabe von 0,04 - 0,1% Aluminium  weitgehende/vollständige Beseiti-
gung der Versprödung (Bildung von Aluminiumnitrid)

Temperaturbereich der 2. und 3. Anlaßstufe wird in der Praxis gemieden

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


294

Versprödungserscheinungen Sonstiges

500 °C-Versprödung

auch Anlaßversprödung genannt

Auftreten in der oberen 3./unteren 4. Anlaßstufe (370 – 500/570 °C)

Gefährdung für bestimmte anlaßempfindliche Stähle


 Cr-, Mn-, CrMn-, CrNi-Stähle

deutliche Verringerung der Zähigkeit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


295

Versprödungserscheinungen Sonstiges

500 °C-Versprödung
24CrNi9

Verschiebung der Übergangstem-


peratur der Kerbschlagarbeit zu
höheren Temperaturen

keine Unstetigkeiten bei Zugfe-


stigkeit, Dehngrenze, Bruchdeh-
nung & Brucheinschnürung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


296

Versprödungserscheinungen Sonstiges

500 °C-Versprödung

Ursachen:
 Diffusion von P zu den Korngrenzen  Anreicherung an den Korngrenzen oh-
ne Bildung einer neuen Phase (Effekt bei < 0,01% P)

 ähnliche Wirkung: S, Sb, As, Sn


 Herabsetzung der Kohäsionskräfte an den Korngrenzen  Begünstigung
der Bildung von spröden, interkristallinen Brüchen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


297

Versprödungserscheinungen Sonstiges

500 °C-Versprödung

Minderung/Vermeidung der Anlaßversprödung:


 Erhöhung des Reinheitsgrads (P, S, Sb, As, Sn  - aber Kosten )
 Legieren mit Mo  Bindung von P (Verhinderung der Diffusion zu den KG)
 Abschrecken nach dem Anlassen (Öl/Wasser)  Unterdrückung der Diffusion
(aber: Verzug möglich/Ausbildung gefährlicher Spannungszustände)
 Kornverfeinerung  Vergrößerung der Oberfläche (Verminderung der Anrei-
cherung)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


298

Volumenänderungen Sonstiges

Anlassen  Volumenzunahme/
Volumenkontraktion

1. Anlaßstufe
Umwandlung tetragonaler Martensit
 kubischer Martensit Stahl mit 1,3% C

2. Anlaßstufe
Umwandlung Restaustenit
 kubischer Martensit/unterer Bainit

3. Anlaßstufe 4. Anlaßstufe

Verarmung des kubischen Martensit an C lineare Volumenzunahme


 Bildung von Ferrit gemäß Wärmeausdehnung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


299

Anlaßschaubilder Sonstiges

Härte-Anlaßtemperatur-Diagramme

unlegierte Stähle:
 kontinuierlicher Härteabfall

legierte Stähle:
 Sekundärhärtung (bei Carbidbildnern)
 anlaßbeständig
 für Herstellung von Werkzeugen zur spa-
nenden/spanlosen Bearbeitung bei Ar-
beitstemperatur bis zu 600 °C geeignet

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


300

Zusammenfassung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


301

Vergüten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


302

Einführung Ziel

Vergüten (engl. quenching & tempering) ist ein kombiniertes Wärmebe-


handlungsverfahren aus Härten und Anlassen bei höherer Temperatur (et-
wa 450 – 650 °C für ca. 1 – 3 h) mit dem Ziel, dem Stahl eine möglichst ho-
he Zähigkeit bei vorgegebener Festigkeit zu verleihen bzw. ein vorgege-
benes Verhältnis von Festigkeit und Zähigkeit einzustellen.

Verfahrensunterscheidung: (Anlaß)Vergüten, Bainitisieren, Patentieren

Sinn & Zweck

Unterschied zum Härten: deutlich höhere Anlaßtemperaturen  abweichen-


der Gefügezustand mit anderen Eigenschaften

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


303

Motivation Ziel

Gründe für das Vergüten:


 Zähigkeit  (im Vergleich zum normalge-
glühten Zustand)  Erhöhung der Sicher-
heit gegen
 Sprödbruch (insbesondere bei tiefen
Temperaturen)
 schlagartige Beanspruchung
 ausgeprägte Kerbwirkung

 verbesserte Zähigkeit & Abwesenheit von


Ferrit  Verbesserung der Schwingfestig-
keit
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
304

Motivation Ziel

 Erhöhung von Festigkeit & Dehngrenze

 Variation von Festigkeits-, Verformbar-


keits- und Zähigkeitswerten in weiten
Grenzen ( Anpassung an jeweilige be-
triebliche Anforderungen)

 Ausgleich/Homogenisierung der Werk-


stoffeigenschaften zwischen Rand & Kern
des Werkstücks

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


305

Verfahren &
Temperaturführung innere Vorgänge

Wasser-, Öl- oder


Luftvergütung

Vermeidung von Anlaßversprödung durch rasche Abkühlung /Gefahr der Bildung


innerer Spannungen bei großen Bauteilen (Einsatz Mo-legierter Stahlsorten)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


306

Verfahren &
Gefügeentstehung innere Vorgänge

Härten  martensitisches Gefüge (ggf. mit Rest-


austenit)
 C in Zwangslösung
 Anlassen: 4. Anlaßstufe
 Entweichen der C-Atome aus Zwangslösung
 Bildung feindisperser Zementitausschei-
dungen (einschl. Agglomeration)
 Umwandlung: tetragonaler Martensit
 Ferrit
 Produkt: fein verteilte Fe3C-Ausscheidun-
gen in Ferritmatrix

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


307

Verfahren &
Gefügeentstehung innere Vorgänge

normalgeglühter Zustand
weniger homogenes Gefüge aus weichem, verfor-
mungsfähigem Ferrit mit harten, wenig verformba-
ren Perlitkörnern

mechanische Belastung
Fließen der weichen Ferritkörner  plastische
Verformung des gesamten Bauteils

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


308

Verfahren &
Gefügeentstehung innere Vorgänge

vergüteter Zustand
homogenes Gefüge mit fein verteilten Zementitaus-
scheidungen in ferritischer Matrix

mechanische Belastung
Behinderung der plastischen Verformung durch fein
verteilte Carbide (Störung der notwendigen Verset-
zungsbewegungen)

höhere Festigkeit & höhere Streck- bzw. Dehngrenze als im normalgeglühten Zustand

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


309

Verfahren &
Vergütungstiefe innere Vorgänge

Vergütungstiefe: Tiefe des vergütbaren Querschnitts

 größer als vollmartensitische Werkstoffschicht unmittelbar nach dem Härten


 Vergütungsgefüge benötigt kein vollmartensitisches Ausgangsgefüge

 Anlassen von bainitischem Gefüge (in tieferen Werkstoffschichten)  ferri-


tisches Gefüge mit fein verteilten Zementitausscheidungen

 Gewährleistung der mechanischen Eigenschaften bis ø 100 mm (unlegierte


Stähle, Durchhärtung bis 10 mm) bzw. ø 250 mm (legierte Stähle,
Durchhärtung bis 50 mm)

 höchste Zähigkeiten (bei gleicher Festigkeit) bei angelassenem Martensit

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


310

Verfahren &
Vergütungstiefe innere Vorgänge

Anlassen von Bainit (Sorbit, Troostit) be-


nötigt höhere Temperaturen
 Erzielung relativ niedriger Vergütungs-
festigkeiten

hohe Festigkeit (z.B. hoch belastete Fe-


dern)  legierte Stähle (martensitische
Härtung im gesamten Querschnitt)
 niedrige Anlaßtemperaturen (ca. 450 °C) unlegierter Stahl (Anlaßdauer etwa 1 h)

 hohe Festigkeiten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


311

Verfahren &
Gefügeänderungen innere Vorgänge

gehärteter, nicht angelassener, unlegierter Stahl


 vollmartensitische Randschicht: 5 – 7 mm

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


312

Verfahren &
Gefügeänderungen innere Vorgänge

gehärteter, niedrig angelassener, unlegierter Stahl


 Martensit & unterer Bainit  Vergütungsgefüge (Ferrit mit Zementitaus-
scheidungen)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


313

Verfahren &
Gefügeänderungen innere Vorgänge

gehärteter, hoch angelassener, unlegierter Stahl


 gesamtes bainitisches Gefüge & Einformung des Zementit aus Sorbit/Troostit
 Vergütungsgefüge (Kern: keine Veränderungen, Ferrit & Perlit)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


314

Verfahren &
Vergütungsschaubilder innere Vorgänge

Anlaßtemperatur :
 Zähigkeit 
 Verformbarkeit  (A , Z )
 Festigkeit  (Rm /Rp0,2 )

sicherer Gebrauch vergüteter Werkstoffe:


 Betriebstemperatur unterhalb Anlaßtem-
peratur, sonst Festigkeitsabfall

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


315

Legierungselemente Sonstiges

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


316

Bainitisieren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


317

Sonderverfahren: Bainitisieren isothermes Vergüten

Gefüge des unteren Bainits besitzt große Ähnlichkeit


mit Vergütungsgefüge
 feine Carbidausscheidungen in ferritischer Matrix
 hervorragende Zähigkeit bei guter Festigkeit

Ziel: Ausbildung eines rein bainitischen Gefüges


 geringe Mengen an Ferrit, Perlit oder Martensit
 deutliche Verschlechterung der Zähigkeitseigenschaften
 notwendig: isotherme Temperaturführung

Einsatz bei der Herstellung von Federn

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


318

Sonderverfahren: Bainitisieren

Vorgehen:
 Abschrecken von austenitischen Stählen im Salz-/Metallbad auf Bainitisie-
rungstemperatur TB
 Abkühlgeschwindigkeit auf TB hoch  Vermeidung der Umwandlung von
Austenit (auch im Inneren des Werkstücks)

 Halten bis zur vollständigen Umwandlung


 Abkühlen an Luft

 für Bauteildicke : langsame Abkühlung im Kern (vor Erreichen von TB


 teilweise Umwandlung in der Perlitstufe)
 Bainitisieren nur für kleinere/dünnwandige Bauteile anwendbar

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


319

Sonderverfahren: Bainitisieren kontinuierliches ZTU-Diagramm

 optimaler Tempera-
tur-Zeit-Verlauf: kein
Umwandlung des Auste-
nits vor Erreichen von
TB

 möglicher Tempera-
tur-Zeit-Verlauf im In-
neren eines dickwandi-
gen Bauteils: Austenit
 Ferrit/Perlit vor Er-
reichen von TB

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


320

Sonderverfahren: Bainitisieren isothermes ZTU-Diagramm

optimale Bainitisie-
rungstemperatur & not-
wendige Haltedauer
der Umwandlung des
unterkühlten Austenits

Festigkeits-/Zähigkeits-
eigenschaften eines bai-
nitisierten Stahls ent-
sprechen denen eines
niedrig angelassenen
Martensits (TB : Festig-
keit , Zähigkeit )

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


321

Sonderverfahren: Bainitisieren

milderes Abschrecken
 geringere Spannungen im Werkstoff (leichter Abbau thermischer
Spannungen im gut verformbaren Austenit, wenig Umwand-
lungsspannungen wegen diffusionkontrollierter Umwandlung)
 Gefahr von Verzug/Härterißbildung 

keine Anlaßversprödung
hohe dynamische Belastbarkeit bainitischer Stähle
 Herstellung technischer Federn

einfache Durchführung hinsichtlich Temperatur


höhere Zähigkeit bei gleicher Zugfestigkeit in Einzelfällen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


322

Sonderverfahren: Bainitisieren

Einsatz nur bei kleineren Werkstücken


 Umwandlung von Austenit in Ferrit/Perlit: Zähigkeit 

Dehngrenze bainitischer Stähle niedriger als bei vergüteten


Stählen (bei gleicher Zugfestigkeit)

engere Grenzen bei möglichen Eigenschaftskombinationen Fe-


stigkeit/Zähigkeit

mögliche Unwirtschaftlichkeit wegen isothermer Haltdauer

hohe Temperaturgenauigkeit erforderlich

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


323

Patentieren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


324

Sonderverfahren: Patentieren

Ziel: Erzeugung eines sehr feinstreifigen perlitischen Gefüges (Sorbit/Troos-


tit)
 gute Kaltverformbarkeit ( Drahtherstellung: Zugfestigkeiten bis 3000 MPa)

Vorgehen:
 Abschrecken auf Temperatur im Bereich der Perlitbildung (450 – 600 °C) in
Salz-/Metallschmelzen

 Halten bis zum vollständigen Ablauf der isothermen Umwandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


325

Sonderverfahren: Patentieren Temperaturführung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


326

Oberflächen-
härten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


327

thermochemisches
Behandeln

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


328

Borieren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


329

engl.: boriding/
Borieren boronizing Borieren

Definition EN 10052
thermochemisches Behandeln zum Anreichern der Randschicht mit Bor, mit
dem Ziel eine extrem harte und verschleißbeständige Oberfläche zu erzeu-
gen

Anwendung bei sehr hohen Anforderungen an die Randschicht (statt Nitrie-


ren/Nitrocarburieren)

Vorgehen

Erwärmung von Werkstücken auf 800-1050 °C in Gegenwart von Borierungs-


mitteln
 Haltezeit: 1-12 h  langsame Abkühlung (Ofen/ruhende Luft)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


330

Borieren

Definition

bei höheren Belastungen: Vergüten nach Borieren


 umgekehrte Reihenfolge nicht sinnvoll, da hohe Temperaturen zu Weichglü-
hen führt  Verlust des Vergütungseffekts

Boridschichten

Aufbau abhängig von Temperatur, Haltezeit, Zusammensetzung von


Boriermittel und Werkstück

Boridschichten ähneln Nitridschichten:


äußere Verbindungsschicht

innere Diffusionszone

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


331

Borieren

Boridschichten

Typen von Boridschichten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


332

Borieren

Boridschichten

äußere Verbindungsschicht

Diffusion des Bors in die Oberfläche:


 Bildung von intermetallischen Phasen (FeB/Fe2B)
 gute Verzahnung zwischen Grundwerkstoff und Boridschicht wichtig

innere Diffusionszone

Lokalisierung unterhalb der Verbindungsschicht

Anreicherung von Legierungselementen (C, Si) mit Unlöslichkeit in der Ver-


bindungsschicht in der Diffusionsschicht

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


333

Borieren

Boridschichten

Schichtdicke einige hundert µm (deutlich dicker als Nitridschichten!)


Schichtdicke  für Behandlungstempera-
tur 

Schichtdicke  für Legierungs-


elemente  (Diffusionshemmung
der B-Atome durch LE)

dicke Schichten (300-400 µm) bei abrasivem Verschleiß (z.B. Preßwerkzeu-


ge der keramischen Industrie)

dünne Schichten (20-100 µm) bei adhäsivem Verschleiß (z.B. Werkzeuge zur
spanlosen Umformung)
WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014
334

Borieren

Härtewerte

Eisenboride verursachen extreme Härte (bis 2000 HV 0,1)

Möglichkeit des Vergütens nach dem Borieren


 Verbesserung der Kerneigenschaften (Härte/Festigkeit)
 homogener Übergang zwischen hartem Rand und weichem Kern

Vergleich mit Nitrieren/Einsatzhärten:

Härteverlaufskurven

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


335

Borieren

Borierverfahren

feste Boriermittel
 Verfahren der Wahl
 Einbettung der Werkstücke in Boriermittel (B4C +
Aktivator KBF4)
 Vermeidung von Verzunderung: Abdeckung mit SiC
 Temp.: 800-1050 °C, Dauer: 1-12 h, Ofenabküh-
lung oder ruhende Luft
 Vorteile:
 geringer apparativer Aufwand (einfach & wirtschaftlich)
 Steuerung der Borierwirkung: Variation der Pulverzusammensetzung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


336

Borieren

Borierverfahren

flüssige Boriermittel
 boridhaltige Salzschmelzen
 große Nachteile ( kaum Anwendung):
 inhomogene Temperaturverteilung im Bad
 ungleichmäßige Schichtdicken

gasförmige Boriermittel (Gasborieren)


 keine industriell verwertbare Technologie (vergleichbar mit Aufkohlen/Ni-
trieren) zur Verfügung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


337

Borieren

Vor-/Nachteile

extrem harte & verschleißfähige Oberfläche

Vergüten nach Borieren möglich

deutliche Verschlechterung von Zähigkeit & Verformbarkeit des


Stahls

Anrisse unter der Oberfläche durch einzelne Borid-Kristalle


 Dauerfestigkeit 

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


338

Borieren

Hinweise

Borierung prinzipiell bei allen Eisenwerkstoffen möglich

boriergerechte Gestaltung
  Konstruktion: Möglichkeit der vollständigen
Reinigung der zu borierenden Oberfläche
  Fertigung:
 Berücksichtigung von Untermaß (10-20%)
 Vermeidung scharfer Kanten (Abplatzen
der Boridschicht)

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


339

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


340

Metall-
Diffusions-
verfahren

Aufkohlen Aluminieren
Diffusion von Nichtmetallatomen

in oberflächennahe Schichten
Carbonitrieren Chromieren
Nichtmetall-
Diffusionsverfahren
Nitrieren Sheradisieren

Nitrocarburieren Silicieren

Borieren Metall-Diffusionsverfahren Titanieren

Bildung von Mischkristallen/sehr harten intermetallischen Phasen


 sehr widerstandsfähige Schichten

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


341

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


342

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


343

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


344

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


345

Metall-
Diffusions-
verfahren

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


346

Anlagen zur
Wärmebehandlung

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


347

Einteilung der Industrieöfen:

Weiter

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


348

Standöfen:

Haubenofen Schachtofen

Hubherdofen

Mehrzweckkammerofen Zurück

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


349

Durchlauföfen:

Förderbandofen Drehherdofen

Durchstoßofen

Zurück
Trommelofen

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


350

Erläuterung an einem Beispiel:

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


351

Werkstücke werden als Stückgut oder lageorientiert auf das Förderband auf-
gelegt

Durchlauf der verschiedenen Heizzonen in der gasdichten Muffel

abschließende Behandlung in Abschreckeinrichtung

 Austragung mit kontinuierlicher Becherkette

 Austragung mit Kippbehälter für kleine und sehr kleine Teile:


 Werkstücke fallen innerhalb des Abschreckmediums in ein S-förmiges Rohr
 hohe Strömung befördert die Teile in einen kippbaren Korb

 kräftige Strömung garantiert sehr hohe Härtegleichmäßigkeit

Zurück

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014


352

Vielen Dank für Ihre


Aufmerksamkeit!

WERKSTOFFE 6 – Dr. Bernd Stange-Grüneberg, April 2014

You might also like