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HAUTES ETUDES

histoire de l’art/storia dell’arte


L’idée du style
dans l’historiographie
artistique
Variantes nationales et transmissions
sous la direction de
Sabine Frommel et Antonio Brucculeri

Campisano
HAUTES ETUDES
histoire de l’art/storia dell’arte

L’idée du style dans


l’historiographie artistique

Variantes nationales
et transmissions

sous la direction de
Sabine Frommel
Antonio Brucculeri

Campisano Editore
Il convegno – di cui questo libro raccoglie
gli atti – è stato realizzato grazie al sostegno di

École Pratique des Hautes Études

En couverture :
Richard Samuel, Portraits sous
l’apparence des Muses dans le Temple
d’Apollon, huile sur toile, 1779,
Primary Collection NPG 4905.
© National Portrait Gallery, London

HAUTES ETUDES
histoire de l’art/storia dell’arte

comité scientifique
Sabine Frommel
François Queyrel
Jean-Michel Leniaud

Reproduction, même partielle,


interdite sans autorisation de l’éditeur.

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può essere riprodotta o trasmessa
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Tel (39) 06 4066614 - Fax (39) 06 4063251
campisanoeditore@tiscali.it
ISBN 978-88-88168-98-2
Table des matières

pag. 5 Introduction
Sabine Frommel, Antonio Brucculeri

PREMIÈRE PARTIE
ORIENTATIONS EN MILIEU GERMANIQUE :
TRAJECTOIRES DÉTERMINANTES

21 Stil/stylus: Rumohrs Versuch einer Neuprägung des Stilbegriffs


und die Flucht in die Kulturgeschichte
Alexander Auf der Heyde
35 Stil und Epoche. Karl Schnaases dialektisches Modell der Kunstgeschichte
Henrik Karge
49 Winckelmann-Rezeption zwischen Schinkel und Burckhardt
Wolf-Dieter Heilmeyer
65 Die Auffassungen des Genies und das Bild des antiken Künstlers
bei Johann Joachim Winckelmann und Jacob Burckhardt
Mathias René Hofter
81 Schwingungen. Oder: Stil aus Energie
Zu Jacob Burckhardts gleichsam seismischem Fortwirken
Josef Imorde
91 Burckhardt, Narrative and Objectivity
Ian Verstegen
105 Burckhardt, “die wahre Skulptur”, and the Issue of Color
in Renaissance Sculpture
Bruce Boucher
117 Der Cicerone et Die Baukunst der Renaissance in Italien: considérations
de Jacob Burckhardt sur l’architecture du Quattrocento et du Cinquecento
Sabine Frommel
137 Architecture, Objects and Ornament:
Heinrich Wölfflin and the Problem of Stilwandlung
Alina Payne
151 Was bedeutete Renaissance-Architektur für Burckhardt und Wölfflin?
Christoph Luitpold Frommel
165 „Ein Volk, eine Zeit, eine Kunst“.
Heinrich Wölfflin über das nationale Formgefühl
Wilhelm Schlink
177 Burckhardt und Riegl
Artur Rosenauer
187 Stile e problemi di stile: Alois Riegl
Emanuele Pellegrini
199 Die „Bruchstücke“ Aby Warburgs und die Frage des Stils
Susanne Müller, Giovanna Targia
SECONDE PARTIE
VARIANTES NATIONALES ET TRANSFERTS
217 Winckelmann et Longin. La rhétorique du sublime et les styles de l’art grec
Lorenzo Lattanzi
231 Caylus, de l’antiquaire à l’archéologue : une méthode différente de celle de
Winckelmann
François Queyrel
241 Portrait de Jacob Burckhardt en voyageur : ses expériences comparées de Paris,
Londres et Vienne
Marie-Jeanne Heger-Étienvre
255 Burckhardt und Séroux d’Agincourt
Bruno Klein
263 La fortuna italiana degli scritti di Burckhardt sull’architettura del Rinascimento
Francesco Paolo Fiore
273 Arte italiana e arte tedesca nell’opera di Henry Thode
Michela Passini
285 Julius von Schlosser tra Riegl e Croce:
appunti su storia dello stile e storia del linguaggio
Donata Levi
299 Anticiviltà del Rinascimento. Riflessioni su metodi e posizioni
della storiografia francese di fine Ottocento
Flaminia Bardati
313 De Heinrich Wölfflin à Charles Garnier.
Quelques propositions sur l’invention du néo-baroque
Jean-Michel Leniaud
321 Classico e barocco, categorie oltre gli stili: Eugenio d’Ors e Louis Hautecœur,
interpretazioni a confronto nel contesto francese
Antonio Brucculeri

ILLUSTRATIONS
337 Index des noms
345 Les auteurs
Die „Bruchstücke“ Aby Warburgs und die Frage des Stils
Susanne Müller, Giovanna Targia

Am 2. Februar 1923 schrieb Aby Warburg aus Kreuzlingen an Ernst Cassi-


rer: „Ich bin hier in dieser Abgeschiedenheit leider nicht im Stande fortzuset-
zen, was ich begonnen. Könnte ich nur wenigstens die ‚Psychologischen
Bruchstücke‘ verwertet sehen, die in Hamburg liegen: Sie dürfen sie sich von
meiner lieben Frau oder von Saxl geben lassen und verwerten“ 1. Zwei Monate
vor seinem Tode vertraute er Edgar Wind den Text zur Lektüre an, und be-
merkte: „es eröffnen sich ungeahnte Perspektiven der Gemeinsamkeit der
‚Methode‘ zwischen meinem Gestammel vor 40-30 Jahren und der heutigen
Erkenntnistheorie“ 2. Trotz des mokierenden Tones der letzten Aussage lassen
die beiden Briefe auf die Bedeutung schließen, die Warburg den „Grundle-
genden Bruchstücken zu einer pragmatischen Ausdruckskunde“, einem un-
vollendet gebliebenen Text, beimaß.
Bei den „Grundlegenden Bruchstücken“ handelt es sich um eine bislang
unpublizierte Auseinandersetzung über die Kunst und deren theoretisch-wis-
senschaftliche Grundlagen, die sich mit zeitweiligen Unterbrechungen und
dann wieder intensiveren Arbeitsphasen über die Jahre zwischen 1888 und 1903
erstreckte, wobei die handschriftlichen Anmerkungen zeigen, dass der Autor
sich bis 1912 mit den Fragmenten beschäftigte. Der Text, bestehend aus rund
400 Aphorismen, ist in zwei Fassungen überliefert 3: die erste, festgehalten auf
Karteikarten und in einer Schublade abgelegt, ist vollständig von der Hand
Warburgs; die zweite ist eine zum Teil von einer „Schreiberin“ vorgenommene
Abschrift der Karteikarten in zwei Heften 4. Von Bedeutung für die Interpreta-
tion ist vor allem der offene, unvollendete Charakter des Textes, von dem wir
nicht wissen, wie Warburg sich seine endgültige Form vorstellte. Ob er den
Aphorismus als definitive Ausdrucksform gewählt, oder ursprünglich beab-
sichtigt hatte, das Ganze zu einem zusammenhängenden Text zu verarbeiten,
wird sich nie mit letzter Sicherheit sagen lassen. Es hängt letztlich von jedem
einzelnen Leser und dessen Verständnis für das immanente hermeneutische
Problem ab 5, ob er das dem Text vorangestellte Motto, „Einen Gedanken
finden ist Spiel, ihn ausdenken Arbeit“ 6, in diesem oder jenem Sinne deutet.
Sicher kann man aber festhalten, dass die Form der „Bruchstücke“ und ihr
Sprachduktus von dem Willen des Autors zur Klarheit und zur Systema-
tisierung zeugen.
Das Interpretationsproblem, das sich für die Aphorismen-Sammlung stellt,
200 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

spiegelt und verdichtet die Frage, der sich jeder Leser von Warburgs Schriften
stellt. Vereinfacht gesagt, steht man vor der Alternative, entweder auf eine ein-
heitliche Hypothese 7 zu verzichten oder nach einem roten Faden zu suchen,
der sich auch durch das gesamte Schaffen des Autors zieht. In seiner War-
burg-Biographie spricht Gombrich dem Text jeglichen inneren Zusammen-
hang und jede autonome Bedeutung ab. Wir möchten hier hingegen das syste-
matische Bestreben grob umreißen, das die Fragmente zusammenhält. Im Fol-
genden soll versucht werden, deren Begriffsstruktur zu erhellen, indem wir
uns auf eine philologische Lesart stützen, die dem problematischen Charakter
des Textes Rechnung trägt. Ziel der Untersuchung ist es, den theoretischen
Ort zu benennen, an dem Warburg später in einer schärferen Fokussierung
die Idee des Stiles einordnete.
Wenn man von der gattungsspezifischen Aufschrift „Aphorisma chronolog.
geordnet“ absieht, mit der die Schublade bezeichnet ist, gab Warburg den
Karteikarten keinen Titel. Als er aber 1896 mit dem Übertragen der Gedanken
in ein Heft begann, stellte er den Aphorismen die programmatische Über-
schrift „Grundlegende Bruchstücke zu einer monistischen Kunstpsychologie“
voran. Als Prinzip, das er seinen Betrachtungen zu Grunde legte, darf man
wohl zu Recht die Subjekt-Objekt-Beziehung annehmen, dies um so mehr, als
er die ersten Thesen dem Leitgedanken „Du lebst und thust mir nichts“ 8 wid-
mete, der auf das durch die Kunst dargestellte Leben anspielt. Tatsächlich er-
laubt die „Abbildung“ einen objektivierten, distanzierten Zugang zur Erschein-
ungswelt. Einige Jahre später, 1901, formulierte Warburg den Titel in „Grund-
legende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde“ um, und aus
dem Eintrag in das „Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek War-
burg“ geht hervor, dass der Autor die Fragmente nochmals umbenennen woll-
te, als er die Hefte 1929 Edgar Wind zur Lektüre überließ. Bei dieser Gelegen-
heit bezeichnete er die Aphorismen „Denkraumschöpfung als Kulturfunktion.
Versuch einer Psychologie der menschlichen Orientierung auf universell
bildgeschichtlicher Grundlage“ 9. In emblematischer Weise unterstreichen die
verschiedenen Titel die stetige Entwicklung und Ausdehnung des theoreti-
schen Gesichtspunktes bei einem immer gleichbleibenden Thema, dem Men-
schen, und einer unermüdlichen Suche nach den Gesetzen, die das Leben und
die Entwicklung der Kunst beherrschen. Die Kunst als ein Mittel zur Objek-
tivierung der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, zur Distanzschaffung,
ist die Grundidee, die Warburg bei seiner Untersuchung zur künstlerischen
Tätigkeit, zum Künstler als Schöpfer eines Werks und zur Erfahrung des Be-
trachters leitet. Dabei wird die „Kunstproduktion nur als eine besondere
Stufe in diesem Ordnungsversuch den Erscheinungen der Außenwelt gegen-
über“dargestellt, die zwischen Religion und Wissenschaft steht 10. Während
das Subjekt sich vom religiösen Standpunkt aus den anthropomorphisierten
Erscheinungen unterordnet, setzt es sich ihnen in der Kunst gleich, und der
wissenschaftliche Zugriff stellt schließlich das Subjekt über das Objekt.
Das bewusste Schaffen einer Distanz zwischen sich und der Außenwelt darf man
wohl als grundlegenden Akt menschlicher Zivilisation bezeichnen; wird dieser Zwi-
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 201

schenraum das Substrat künstlicher Gestaltung, so sind die Vorbedingungen erfüllt,


dass dieses Distanzbewusstsein zu einer sozialen Dauerfunktion werden kann, deren
Zulänglichkeit oder Versagen als orientierendes geistiges Instrument eben das Schick-
sal der menschlichen Kultur bedeutet 11.
Das künstlerische Schaffen erweist sich mithin als eines der Mittel zur Be-
stimmung und Objektivierung der Ursachen der Erscheinungswelt; Warburg
gebraucht den Terminus „Ursachensetzung“ und häufig den zweideutigeren,
der Logik entlehnten Begriff „Umfangsbestimmung“, womit er den Prozess
der Symbolisierung meint. Gleichzeitig bezeichnet er damit die Abstufungen
des Erfassens, der Beschreibung und der Erklärung der Welt durch das Sub-
jekt, ebenso wie die Stufen des fortschreitenden und niemals endgültigen Er-
werbs der sophrosyne, die sich in einem ständig prekären Gleichgewicht zu
den Nebeln des phobos befindet 12. Die Kunst wird als eine dieser Stufen fort-
schreitender Bewusstheit verstanden, dem Grad des Denkens untergeordnet,
wie es das Ideal der Abstraktion gegenüber ist, obwohl beide vom menschli-
chen Wunsch und Bedürfnis nach Ordnung der Erscheinungsformen geleitet
werden 13. Die „biologische“ Notwendigkeit der Bilder entsteht also aus dem
Bedürfnis, die Welt zu ordnen und zu verstehen. So erklärt Warburg in sei-
nem Aufsatz zum Gedächtnis von Franz Boll, dass die bildhafte Beschreibung
des Himmelsgewölbes bedingt sei durch den historisch dokumentierten
Drang, dem Schrecken des Unendlichen zu begegnen: „ein festes Gewölbe
über uns gibt es nicht“ 14.
Die Untersuchung zum Ursprung des künstlerischen Schaffens kann also in
zwei grundlegende Aspekte aufgeteilt werden: auf der einen Seite die bewuss-
te Distanzschöpfung, um auf den Schrecken und das Pathos zu reagieren, auf
der anderen die Suche nach einer Ausdrucksmöglichkeit. Beiden Richtungen
zufolge kann die Kunst interpretiert werden als Teil eines Ganzen und als des-
sen Erläuterung; sie ist eine der möglichen Symbolisierungen, die sich dem
Denken gegenüber so verhält wie der figurative Ausdruck der Wissenschaft
gegenüber 15.
„Für die Physik des Denkens ist die Lehre von der Symbolik bezw. v. d.
Kunst das was für die Kosmologie die Lehre von d. Schwerkraft ist“ 16. Diese
Definition von Kunst als Prozess der Symbolisierung fasst eines der Konzepte
der Grundlegenden Bruchstücke zusammen. Setzt man diese Auslegung als
Schlüssel für die Aphorismen ein, lassen sich verschiedene Aspekte von War-
burgs intellektueller Entwicklung klären, und es ist auch möglich, die Rolle
der Grundlegenden Bruchstücke in seinem Gesamtwerk zu bewerten. Nach
dem Muster dieser Verhältnisgleichung erscheinen die Überlegungen zur
Kunst als wesentliches und konstantes Element des Textes, der sich jedoch
nicht in einer Ansammlung von Thesen über die Kunst oder in einer unaus-
gereiften Ästhetik-Theorie erschöpft, sondern ein umfassenderes Ziel
anstrebt: das einer „pragmatischen Ausdruckskunde“, die als wesentlicher Be-
standteil einer „Physik des Denkens“ betrachtet werden kann. Ebenso wie die
Kosmologie den Horizont eines Gelehrten bildet, der Form und Gesetz des
Universums als geordnetes System erforscht, macht diese den Fluchtpunkt
202 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

von Warburgs theoretischem Bestreben aus.


Es ist augenfällig, dass eine solche Aufgabe nicht nur mit den Werkzeugen
des Kunsthistorikers zu lösen ist, und es ist ebenso klar, dass der Autor keine
Bedenken hegte, in die Methoden und die Beobachtungen seiner Zunft an-
dere, scheinbar weit entlegene und divergierende Quellen einzubeziehen.
Diese Heterogenität der Quellen macht die Ernsthaftigkeit noch deutlicher,
mit der Warburg an verschiedenen Stellen seines Werkes die Sperrigkeit der
„Grenzwächter“ 17 ironisierte. Das Ziel, das er in seiner ganzen Forschung ver-
folgte, überschritt die konventionellen fachwissenschaftlichen Grenzen, und
die Koexistenz von Wahrnehmungspsychologie und Ästhetik, Biologie und
Linguistik, Kunstgeschichte und Anthropologie fand ihre logische Erklärung
in dem historisch-theoretischen Problem, das Warburgs Forschung um die
Jahrhundertwende zu Grunde lag. Seit seinen Studienjahren, während seiner
Reise nach Amerika und während seines Aufenthalts in Florenz befasste er
sich im wesentlichen mit zwei Themen: zum einen mit scheinbar eingegrenz-
ten Forschungen, die aber in Wirklichkeit um das weitgefasste historische
Problem des Stilwandels zwischen Mittelalter und Renaissance kreisten 18; zum
andern mit dem Versuch einer organischen Systematisierung für eine Aus-
druckstheorie, in der seine dokumentarischen Forschungen als Beweismaterial
Anwendung fanden.
Was dieses Verhältnis betrifft, findet sich auf einer Tagebuchseite aus dem
Jahr 1907 eine hellsichtige, wenn auch selbstironische Anmerkung über die
Schwierigkeit, die theoretischen Grundlagen mit empirischen Daten zu über-
prüfen und zu verbinden:
Es ist, als ob die Assoziationsfasern der allgemeinen Ideen und die ihnen zu
Grunde liegenden visuellen Eindrücke sich bis zu meinem vierzigsten Jahr gesträubt
hätten, in ihrer natürlichen Verwebung über die Schwelle des Bewusstseins zu treten.
Und von diesen von mir so hochgeschätzten allgemeinen Ideen wird man vielleicht
später sagen oder denken: diese irrtümlichen Formalideen haben wenigstens das Gute
gehabt, ihn zum Herausbuddeln der bisher unbekannten Einzeltatsachen aufzuregen.
(Aufregung sagt Goethe statt Anregung). Trüffelschweindienste 19.
Es scheint also, dass der Autor nach einem Mittelglied forscht zwischen den
dokumentarischen Nachweisen einerseits und der historischen Psychologie,
die zu allgemeinen, gesetzmäßigen Aussagen neigt, andererseits 20; d. h. nach
einem Verbindungsglied, das man vielleicht in der Sprache und in der Darstel-
lungsform finden könnte, die dem Gegenstand, seinen logischen Zusammen-
hängen und den Bedeutungsschichtungen angemessen ist. Die Sprache, die
Warburg in den Grundlegenden Bruchstücken zu konstruieren versucht, ist for-
malisiert, häufig als mathematische Gleichung oder als Funktionsgesetz
gebildet, zuweilen als Diagramm oder als vergleichende Tabellen dargestellt.
Insgesamt könnte man den Text als den Versuch verstehen, sich mit Theore-
men, Korollaren und Propositionen einem kohärenten formalen System
anzunähern, das die jeweilige Übersetzung von sachlichen Gegebenheiten er-
laubt. Dabei ist hervorzuheben, dass angesichts des offenen Charakters dieser
Aufzeichnungen der Versuch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann.
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 203

Das Problem des Ausdrucks – ein metalinguistisches oder Darstellungsprob-


lem, in dem sich die theoretische Fragestellung des gesamten Textes wider-
spiegelt – bleibt ungelöst, auch wenn der Hamburger Gelehrte hier einen Weg
einschlägt, der sich als gangbar erweisen und den er bis zu seinem letzten Pro-
jekt nicht mehr verlassen wird 21.
Wenn man den Text aus der Perspektive des linguistischen Problems betrach-
tet, offenbart er sich als prägnantester Vertreter von Warburgs gesamter Pro-
duktion. Nicht nur, weil sich darin das Bestreben des Autors nach einer Er-
weiterung der Ausdrucksform konzentriert 22, sondern weil die verschiedenen
Aspekte des Problems die Komplexität seiner Forschung aufzeigen. Zum
Einen wird die Sprache (ihrerseits Forschungsgegenstand) als struktureller
Bezug für die anderen Ausdrucksformen, ganz besonders für die Kunst, einge-
setzt 23. Zum Anderen aber verweist die Sprache, hier als Sprache der Kunst
verstanden und als solche in ihrer Morphologie und Grammatik analysiert,
wieder auf das Problem der Beziehung zwischen Wort und Bild sowie auf
einen Aspekt des Stils. In diesem Ausdrucksproblem liegt das eigentliche Zen-
trum von Warburgs Forschung. Wenn also hier von Sprache die Rede ist, im-
pliziert dies nicht nur einen Bezug auf kodifizierte und historisch deter-
minierte Sprachen, sondern allgemein auf die menschlichen Ausdrucksmittel
ohne hierarchische Unterschiede.
In engem Zusammenhang mit diesem Problem ist auch das Bemühen des
Kunsthistorikers zu sehen, der versucht, die verschiedenen Register, nach de-
nen ein Kunstwerk zu lesen ist, zu definieren. Das Kriterium der Lesbarkeit
stellt nicht einfach eine erklärende Metapher dar, die auf das ekphrastische
Problem anspielt, mit dem die kunsthistorische Prosa sich ständig konfron-
tiert sieht. Vielmehr bildet es eine feste Dimension des künstlerischen Gegen-
standes, in seiner Eigenschaft und Funktion als Vermittler zwischen Subjekt
und Welt, mit seinem ontologischen Statut und einem Eigenleben, das aktiv
mit den Mechanismen der Beobachtung interagiert. Dass diese zuletzt genan-
nte Aktivität nicht neutral oder rein passiv ist, unterstreicht der Autor selbst
mit besonderer Eindrücklichkeit gerade an den Stellen, an denen seine theo-
retischen Bestrebungen an Intensität gewinnen: sowohl in den Aphorismen
der Grundlegenden Bruchstücke, als auch in den Aufzeichnungen über die
Reise zu den Hopi-Indianern und in der unveröffentlichten Abhandlung
„Symbolismus als Umfangsbestimmung“. In diesen Texten tritt die konzep-
tionelle und funktionale Struktur noch besser zu Tage, weil sie die visuellen
Eindrücke in eine systematische Beziehung stellt, deren tragende Elemente
bestimmt werden können.
Zunächst einmal gibt es ein „biologisches“ Thema, das sich durch War-
burgs gesamten Gedankenverlauf hindurch zieht und das sich häufig in seiner
Wortwahl widerspiegelt. Dieses basiert auf der Annahme des „Lebens“ des
Kunstwerks, welche es ermöglicht, das evolutionistische Prinzip auf die Kunst
anzuwenden 24. Auf dieses konstante Thema 25 verweist der immer
wiederkehrende Aspekt der Mimik, die Darstellung des „bewegten Lebens“
samt den verschiedenen Mitteln der Wiedergabe und der Rezeption, wie zum
204 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

Beispiel die Aufmerksamkeit, die seit der Dissertation über Botticelli den De-
tails („bewegtes Beiwerk“) geschenkt wird, die als eigentliche Bruchstellen in
der stilistischen und semantischen Analyse Warburgs gelten 26.
Die zentrale Bedeutung dieses Themas, das mit Termini aus dem physi-
schen und psychologischen Bereich erforscht wird, ist mit der Relevanz des
Begriffes „Einfühlung“ verbunden, den der Hamburger Gelehrte schon 1893
gebraucht 27. Es ist hier nicht der Ort, um eine historisch-konzeptionelle
Analyse dieses Begriffes sowie Warburgs Auseinandersetzung damit
durchzuführen. Es soll lediglich auf die Rolle der physiologischen Psychologie
um die Jahrhundertwende hingewiesen werden und auf den Einfluss, den die
entsprechende Literatur auf Warburg ausgeübt hat, wie es die Namen bele-
gen, die als explizite Quellen in den Grundlegenden Bruchstücken er-
scheinen 28. In diesem Zusammenhang ist der lange anhaltende Einfluss Au-
gust Schmarsows zu erwähnen, die Lektüren von Hermann Siebeck und
Heinrich von Stein, das Interesse für die Gedächtnistheorien im Hinblick auf
das künstlerische Schaffen, sowie der Gebrauch des Begriffes „Erinnerungs-
bild“ 29 in Bezug auf den poietischen Aspekt. Der Gedanke hallt in der Ein-
leitung des Bilderatlas Mnemosyne wider, wenn auf das künstlerische Schaffen
als Distanzbewusstsein angespielt wird, das in der Lage ist, eine soziale Dauer-
funktion zu werden 30.
Allerdings gibt es auch eine ästhetische Komponente in Warburgs Über-
legungen. Man könnte sie einen der Züge nennen, die seine Physiognomie
ausmachen, da sie direkt mit der intellektuellen Entwicklung des Autors ver-
knüpft ist. Obschon es sich aber um einen entscheidenden Aspekt handelt,
der in jeder seiner Schriften wahrzunehmen ist, lässt sich nirgends in seinem
Werk explizit ein Vergleich mit den Thesen der klassischen Ästhetik finden.
Hingegen sind die am Lehrstuhl von Reinhard Kekulé von Stradonitz gehalte-
nen archäologischen Seminare und das Seminar über Ghiberti 31 im Mai 1889
deutliche Spuren einer Bewusstheit, die sich in einer weniger offenen Form in
den Grundlegenden Bruchstücken sowie überall dort niederschlägt, wo der
Vergleich mit den Positionen Nietzsches und Burckhardts erkennbar ist,
wobei die Rolle des Letzteren nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Man kann also auch von einer Art Übergangsbereich zwischen dem psycho-
physiologischen und dem ästhetischen Reflexionsstrang sprechen, ein Bereich,
den man mit dem Blick identifizieren könnte, den Warburg selbst als „psycho-
historisch“ bezeichnete. Seine Eigenheiten sind in erster Linie die verschiede-
nen Ausformulierungen der Idee vom Einfluss der Antike. Diese Idee stellt
nicht nur ein formales oder ein Überlieferungsproblem dar, sondern birgt in
ihrer historischen Frage die Ausprägungen der linguistischen, psychologi-
schen, semantischen historischen und funktionalen Analyse in sich. Warburgs
Bezug zur Antike ist immer in diesem vielfältigen Sinne aufzufassen, der eine
Verbindung zu den Methoden Hermann Useners, einem seiner ersten Lehrer,
darstellt.
Die in Florenz in den ersten Monaten des Jahres 1889 „unter dem Eindruck
der Frührenaissancekunst Realismus u. Manierismus“ 32 entstandenen Frag-
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 205

mente 33, die sowohl dem Carl Justi vorgelegten Dissertationskonzept wie der
später in Straßburg geschriebenen Dissertation über Botticelli zu Grunde
liegen, setzen sich mit den „bewegten Gewandmotiven“ auseinander. Diese
der Antike verpflichteten Formen dienen, so Warburgs These, dem Künstler
dazu, „dem künstlerischen Gebilde [...] Lebendigkeit zu verleihen“, obschon
sie „in keinem organischen Verhältnis zum Träger“ stehen; zudem galten sie
im Quattrocento, wie der Autor dann vor allem in seiner Schrift über Botticelli
belegt, als Kennzeichen für den in der Antike nachgewiesenen Hang zu
Darstellungen des gesteigerten Lebens. In den Aphorismen unterscheidet
Warburg bei der italienischen Kunst des 15. Jahrhunderts zwei Phasen im Ge-
brauch dieses „bewegten Beiwerkes“, je nachdem, ob sich nur das Gewand
bei regungslosem Körper bewegt oder ob die Bewegung des Stoffes aus einer
Körperveränderung ableitbar ist. Im ersten Fall definiert er die bewegten
Gewänder als ein „psychologisch erweiterndes Characteristikum“, vergleich-
bar mit den Spruchbändern, die in der früheren Kunst den Figuren zu ihrer
Benennung und zur allgemeinen Charakterisierung hinzugefügt wurden. Aber
im Gegensatz zu diesen bezeichnenden Attributen kennzeichnen die „Zusatz-
formen“ das Objekt durch „die im Augenblick sich äußernde Bewegung“, und
dank der Darstellung eines bestimmten Momentes wird durch die Phantasie
des Betrachters das Objekt mit einem Lebensgefühl unterlegt. Durch das
Zufügen eines fremdkörperlichen Elementes wird das Typische hervorge-
hoben, das, was das Objekt von seiner Umgebung unterscheidet. Weil jedoch
die menschliche Wahrnehmung der Außenwelt normalerweise von der
Kausallogik bestimmt ist und weil einer rein „äußerlichen Nachahmung“ die
Zweckmäßigkeit als Prinzip der Vollkommenheit fehlt, werden diese ohne in-
nere Motivierung, ohne gleichzeitige Körperbewegung verwendeten Formen
rasch als Ornamentik oder als Merkmale eines ästhetischen „Verfalls“ emp-
funden. In der zweiten Hälfte des Quattrocento überwiegt dann der zweite
Fall, bei dem die Stoffe durch die Körperbewegung ins Schwingen kommen
(vgl. die „Nymphe“ bei Ghirlandaio). Der Bewegung liegt also eine natürliche
Veranlassung zu Grunde, sodass Umfangsbestimmung und Richtungsbestim-
mung des Objektes zur Deckung kommen.
Die Wiederaufnahme von antiken Formen wird in den Grundlegenden
Bruchstücken zum einen durch den psychologischen Vorgang des „Einfüh-
lens“ begründet, weil die Künstler in der Antike ein Modell für die Darstel-
lung von bewegten Körpern erkannt hätten und sie die Motive „mit Rücksicht
auf die Gefühle des Zuschauers“ 34 dort anwendeten, wo der auf den welt-
lichen Genuss gerichtete individuelle Egoismus befriedigt werden müsse. Zum
andern objektiviere („bezwingt“) die Wiederholung eines Motivs die Außen-
welt, weil jede Darstellungsform eine Entfremdung und somit eine „Distanz-
nahme“ einschließe, und vom Standpunkt des menschlichen Energiehaus-
haltes aus deutet Warburg das Zurückgreifen auf eine bestehende „Formen-
welt“ als eine ökonomische Handlung. Mit dem Begriff der Form werden in
den frühen Bruchstücken die Gestaltungselemente deskriptiv erfasst und in
ihren Veränderungen nachgewiesen, zudem wird die Antike bereits als das
206 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

historische Material für die Sprache des künstlerischen Ausdrucks erkannt.


Diese Auffassung der Antike als Erbgut verbindet Warburg einige Jahre
später mit der von Hermann Osthoff nachgewiesenen Rolle der Suppletive 35.
Analog dazu wird dann die Funktion der aus der Antike entlehnten Formen
als Ergänzung der Ausdrucksgrammatik der Renaissance interpretiert.
Ende 1896 entkräftet der Hamburger Gelehrte die „Einfühlung“ als Er-
klärung für den Gebrauch von antikisierenden Formen, weil sie den Einfluss
der Antike auf eine hedonistische Grundlage stelle und damit „der Möglich-
keit organischer Function [der Zusatzformen] im Manierismus“ 36 noch keine
Rechnung trage. Tatsächlich versteht er spätestens ab Ende 1891 die bildende
Kunst als eine organische Funktion des Menschen und interpretiert die künst-
lerischen Gestaltungsweisen in diesem Sinne als eine zwangsläufige, durch ei-
nen Reiz ausgelöste Reaktion des Künstlers, in der das Handeln nicht nur
durch einen eigennützigen Beweggrund wie das Streben nach Genuss veran-
lasst wird. Einen Monat nach dem Rigorosum hält er dementsprechend fest:
Der künstlerische Manierismus u. Idealismus ist nur ein besonderer Fall des auto-
matischen Reflexes des organisirten Körpers, mithin darstellend: unsere psychische
Function [oder] Vibrationsfähigkeit in statu decrescendi unter dem Gesetze der
Schwerkraft 37.
Die künstlerische Gestaltgebung und deren Wandel ist Ausdruck einer psy-
chischen Funktion, die mit der Reaktion eines Individuums auf die durch die
Umwelt verursachten Eindrücke zusammenhängt: „Die Kunst ist eine beson-
dere Art wie man gegen die eingedrückten Bilder reagirt“ 38. Die Vorstellung
der künstlerischen Tätigkeit als einer Entgegnung auf die physische Welt stellt
eine von Warburgs Grundideen dar, die seit den frühesten Fragmenten, wo
die Abbildung eines Gegenstandes als „das Werk der Reaction im kampflusti-
gen (thatendurstigen) Menschen gegen die Unerreichbarkeit des ihm Sichtba-
ren“ 39 ausgelegt wird, seine Forschung kennzeichnet. So aufgefasst, ist Kunst
im weitesten Sinne die Lebensäußerung des tätigen Menschen und bedeutet
„ein besonderes Stadium in dem ordnenden Verhalten des Geistes: I Isolie-
rung einer Qualität unter |_II_| der Voraussetzg. der Homogenität v. augen-
blicklichem Ausdruck u. Willen d. Trägers“ 40. Analog zur Wissenschaft, wenn
auch auf einer anderen Stufe, stellt Kunst also den Versuch dar, die äußeren
Phänomene und Gegebenheiten zu erschließen und zu systematisieren, nur
dass sich die beiden Ordnungsversuche durch unterschiedlich gepolte Ener-
gien oder „die allgemeine Willensrichtung“ 41 unterscheiden: Während das
Individuum im künstlerischen Ideal das Einzelne oder Verschiedene festhält,
verbindet es in der wissenschaftlichen Abstraktion „die Einzelnen zur un-
behülflichen Masse“ 42, konzentriert es sich auf das Gleiche.
Bei den „nervösen“ Kräften handelt es sich um psychische und zielorientier-
te Energien, die sowohl das Individuum als auch die menschliche Gemein-
schaft einer Epoche beherrschen und die entsprechend vom Autor als indivi-
duelle Willensrichtung oder als sekundäre Willensrichtung bezeichnet wer-
den, wobei die beiden Energieströme Gegenpole bilden und auf das Kunst-
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 207

schaffen eine antagonistische Wirkung ausüben. Das aus der Gegenüberstel-


lung resultierende Kräfteverhältnis bestimmt die Sprache des Künstlers: Über-
wiegt die primäre Willensrichtung, schafft er realistisch, siegt der Wille der
Allgemeinheit, verändert der Kunstschaffende den Sinneseindruck in ein idea-
listisches Kunstwerk 43. In jedem Falle münden die Energien in ein Objekt, wo
sie gespeichert und hypostasiert werden; der Stoff oder das Gegenständliche
dienen zur Kundmachung der Anwesenheit eines Geistigen. Warburg begreift
die Darstellungsweise des einzelnen Künstlers als eine unter bestimmten ener-
getischen Bedingungen mögliche Form, die weder unveränderlich noch zwin-
gend ist, sondern jeweils aus dem Kräfteverhältnis zwischen der individuellen
und der allgemeinen Willensrichtung resultiert 44.
Auch wenn es im 19. Jahrhundert durchaus geläufig war, geistige Erzeugnis-
se wie Kunst und Literatur mit der Physiologie in Verbindung zu setzen,
scheint der wichtigste Einfluss auf Warburgs Idee, die Kunst psychologisch
und physiologisch zu unterlegen, wenn man von den Seminaren bei Karl Lam-
precht und Hermann Usener absieht, auf das Werk des Evolutionstheoretikers
Tito Vignoli zurückzugehen, während seine Deutung des räumlichen Gebildes
als Ergebnis verschiedener Kräfte durch die Lektüre von Autoren wie Johan-
nes I. Volkelt und Gottfried Semper beeinflusst zu sein scheint.
Wie bereits gesagt, ist jeder Einzelmensch durch den „Kampf“ oder das Zu-
sammenwirken von Gesamt- und Spezialwillen geprägt, da er ja in jedem Au-
genblick eine Verbindung aus Ruhendem und Bewegtem bildet. Doch ist es
laut Warburg erst die künstlerische Darstellung dieses Zusammenspiels der
„nervösen“ Kräfte, die den Stil einer Epoche charakterisiert. Unter dem Ge-
sichtspunkt des dynamisch-energetischen Kriteriums betrachtet er erneut das
Problem der Kunst des frühen 15. Jahrhunderts und bezeichnet nun als deren
Hauptschwierigkeit die Wiedergabe des „augenblicklichen Ausdruck[s] als
adaequates Zeichen für den ganzen Willen der dahintersteckt“ 45. Hier liegt
seiner Meinung nach der Hauptunterschied zwischen Früh- und Hochrenais-
sance: Während letztere sich in der Personendarstellung dadurch auszeichne,
dass der Gesamtwille mit dem momentanen Ausdruck übereinstimme – diese
Einheitlichkeit wird dem von Leon Battista Alberti unter dem Begriff „concin-
nitas“ zusammengefassten Schönheitsideal gleichgesetzt –, sei der Künstler
der Frührenaissance unfähig, den Gesamtwillen gleichzeitig mit dem Spezial-
willen zu erfassen. Er verstärke deshalb Letzteren, indem er zu einem objekt-
fremden Element greife, das „die augenblickliche Bewegung (den Spezialwil-
len)“ evoziere, eben zu den „flatternden leblosen Theilen“, zum „bewegten
Beiwerk“ 46. Im Barock hingegen wird die Gemütslage der abgebildeten Per-
son durch den inneren Konflikt der verschiedenen momentanen Willensfor-
men erzeugt, und dessen „Erhabenheit“ 47 ist das Ergebnis einer uneinheitli-
chen Tätigkeit, eines disparaten Ausdrucks und seines Bewusstseins.
Im Bereich der Dichtung führt nach Warburg der „Kampf“ der entgegen-
gesetzten Energien zu verschiedenen Gattungen des künstlerischen Aus-
drucks. Tragödie und Lustspiel unterscheiden sich nicht allein in ihrer Hand-
lung, sondern vor allem durch die dieser innewohnenden Kräfte, indem zu
208 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

großer Kraftaufwand gegen einen schwächeren Gegner zur Komik, äußerste


Kraftaufwendung gegen einen stärkeren Gegner zur Tragik führt 48.
Ein entscheidender Schritt in der Suche nach den Voraussetzungen des
Kunstschaffens gelingt Warburg während seiner Amerikareise 49, als er in den
Ritualen der Indianer vom Stamme der Hopi das Grundprinzip jeder mensch-
lichen Bezugnahme zur Erscheinungswelt bestätigt findet: Das Subjekt mache
sich in unterschiedlichen Abstufungen den sinnlichen Eindruck „zu eigen“.
Auf Grund einer analogisierenden Objektbeziehung unterliege das, was der
Mensch geistig und sinnlich auffasst, einer symbolischen Umformung, die es
ermögliche, die bedrohliche Außenwelt zu beherrschen.
Bei den religiösen Handlungen der Pueblo-Indianer zeigt sich der wesentliche Act
im causalen Verhalten des «primitiven» (d. h. zur subjectiven Differenzirung unfähi-
gen) Menschen zur Außenwelt: Die «Verleibung» des sinnlichen Eindrucks.
II Hinein |_Um_| verleibung (Thiertanz) «Nachahmung»
III Anverleibung (Gerätsymbolik)
I Einverleibung (Medizinischer Zauber)
IV Zu-verleibung (ornamentale Töpferei)
(eigentlich zu III) 50.
Die „Einfühlung“ des ersten Erklärungsversuches wird zur „Hineinverlei-
bung“ oder „Umverleibung“, und damit weicht die psychologische einer an-
thropomorphistischen Argumentation: Anstatt dass der Mensch das Objekt
als ein Entferntes wahrnimmt, wird es „anverleibt irgendwie verleibt“ 51, und
in der daraus resultierenden „Nachahmung“ besteht ein direkter Zusammen-
hang zwischen dem Dargestellten und dem sich daran Anknüpfenden. Der
Körper selbst bildet eine Metapher. „Nicht ein Bild oder eine Begleiterschei-
nung wird uns als Vehikel angeboten, der Gegenstand selber kommt zu unge-
minderter Wirkung“ 52. Unter dem anthropomorphistischen Gesichtspunkt
werden die künstlerischen Erzeugnisse als ein Ganzes erfasst, in der Form und
Inhalt oder „Eigenschaft und Lebewesen“ in einem wechselseitigen Zusam-
menhang stehen und somit „das Praedikat gleichzeitig mit dem Subjekt in die
Erscheinung tritt“ 53. Die Anthropomorphisierung des Gefühls und dessen un-
mittelbarer körperlicher und „künstlerischer“ Ausdruck erlaubt es Warburg,
einen Bogen zu schlagen von den evolutionistischen Theorien Charles Dar-
wins hin zu Theodor Piderit, der die mimischen Muskelbewegungen aus dem
Wechselverhältnis von Seelenleben und Sinnestätigkeit herleitet 54, und August
Schmarsow 55, seinem Florentiner Vortrag von 1888 über Masaccio, bis hin zu
der kulturhistorischen Schlussfolgerung, die er nach seiner Rückkehr aus
Amerika zieht: „Der Erwerb des Distanzgefühles zwischen Subj. u. Obj. die
Aufgabe der sogenannten Bildung und das Kriterium des Fortschrittes des
Menschengeschlechts“ 56.
Gleichzeitig verdeutlichen die von den Hopi verzierten Gebrauchsgegen-
stände, dass die künstlerische Tätigkeit einem inneren menschlichen Bedürf-
nis oder einer Notwendigkeit entspricht, und dass jedes Individuum oder jede
Kultur seine inneren Werte und Regeln auf die Kunst überträgt. Die künst-
lerische Darstellungsweise wird nun nicht mehr nur als eine rein energetische
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 209

Reaktion interpretiert, sondern als eine psycho-physiologische Verknüpfung


von Lebenskräften: „concepire i dinamismi che si rispecchiano nell’opera
d’arte come processi interiori umanamente necessari“ 57.
Ist aber die künstlerische Ausdrucksweise das Ergebnis von notwendigen
inneren Prozessen, bedeutet dies, dass bei einer Stiländerung die jeweiligen
Energien durch weitere Faktoren beeinflusst werden, welche ein neues Span-
nungsverhältnis schaffen. Wie die Studien nach der Rückkehr aus Amerika
zeigen 58, veranlasste diese Erkenntnis Warburg dazu, das Ausdrucksproblem
mit den Faktoren des täglichen Lebens zu verbinden, und fortan konzentrierte
er sich darauf, „die soziologischen Bedingungen zu untersuchen, die gleich-
mäßigen gegebenen Hemmungen, mit denen sich das heroische Individuum
auseinanderzusetzen hat“ 59, wie er es einige Jahre später in einem Brief an
Adolf Goldschmidt formuliert. Im Aphorismus mit dem Titel „(Kampfdarst.)
antikis. / festlich (Trionfi) real beweglich“ aus dem Jahre 1902 erreicht das Be-
streben nach einer Definition des Stils, die alle das Kunstschaffen bedingen-
den Kräfte mit einbezieht, einen vorläufigen Abschluss:
Die weltlich modische verzierende Lebenskunst setzt sich in allgemein antikisirend
schwungvolle Mimik um. B. Baldini.
volkstümlich flandrische Energetik
(Mimik und Physiognomik) Physiognomik
höfisch Burgundische Ornamentik 60.
Warburg begreift die Kunst als das Ergebnis eines polaren Bildungsprozes-
ses, der sich zwischen Mimik und Physiognomik einpendelt 61. Auf der einen
Seite steht die Mimik als die Verkörperung von Geistigem, als die Darstellung
von kulturellen Werten und „nervösen“ Energien, auf der anderen Seite die
Physiognomik als die Kristallisierung eines Ausdrucks. In dem zitierten Frag-
ment verwandelt sich die physiognomische, durch flandrische und burgundi-
sche Elemente hervorgerufene Darstellungsweise „alla franzese“ in eine „anti-
kisirende Mimik“; dabei wird das „bewegte Beiwerk“, das hier den stilisti-
schen Bruch erzeugt, neu interpretiert und provoziert zugleich eine Verände-
rung der vorgefundenen Formen. Mit dieser Entwicklung ist zusätzlich eine
historische, man könnte vielleicht sagen, eine diachrone Komponente ver-
knüpft, die von dem kulturellen Erbgut gebildet wird.
In dieser Einsicht tritt über die Schwelle des Bewußtseins der f. mich wichtigste
Zusammenschluß von
Flandern – Antike
als historisches Material zu einer Stilgeschichte des kunstbildlichen Ausdrucks 62.
Trotz des Bewusstseins, dass das komplexe Problem des Ausdrucks immer
nur annähernd und unzureichend beschrieben werden kann, setzt Warburg
diese Definition wenig später „praktisch“ um:
Leider gibt es noch keinen Manometer, um Gleichgewichtszustände zwischen alten
und neuen Kulturtendenzen oder gar die Energie ihrer Umformung zu messen; deshalb
bleibt schließlich jeder Erklärungsversuch eine unzulängliche anthropomorphe Hypo-
210 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

these; so auch der unsrige; denn nur auf Grund subjektiver Gleichgewichtsempfin-
dung kann man die Energie des neuen antiken Idealstils „all’antica“ gewissermaßen als
Reaktionsenergie gegen den übermächtig entgegenwirkenden ornamentalen Stoffsinn
„alla franzese“ erklären wollen 63.
Alle diese kurz angesprochenen Ideen finden sich in den Grundlegenden
Bruchstücken in unregelmäßiger Abfolge wieder. Sie zeichnen eine Vielzahl
von Schwerpunkten in Warburgs Überlegungen auf, welche die Gründung
einer neuen Disziplin vorbereiten, die man als nicht kodifizierten „Raum“
zwischen verschiedenen historisch bestimmten Bereichen definieren könnte.
Durch seinen fragmentarischen Charakter unterscheidet sich dieses Werk von
einer systematischen und kohärenten Ästhetik, die auf einer einheitlichen
Vorstellung vom Bewusstsein beruht. Doch kann man auf Grund der eingangs
zitierten Analogie aus dem Fragment von 1892 folgende Schlüsse ziehen:
1. Die „Physik des Denkens“ ist als eine Kosmologie zu verstehen, die be-
schreibende und erklärende Ansätze umfasst. Daher gilt es, sich zwei Über-
legungsebenen vor Augen zu halten, eine Klasse und ihre Unterklasse: auf der
einen Seite eine Auffassung des Menschen (der anthropologische Aspekt, wie
er in den Aufzeichnungen über die Hopi und in den erwähnten Themen der
Erkenntnistheorie erscheint), auf der anderen eine Auffassung der Kunst
und/oder der Symbolik. Parallel dazu gibt es im Denken eine Pluralität physi-
scher Kräfte – Vernunft, Affekt, Pathos –, die Warburgs Ausdruckskunde, mit
besonderem Bezug zur Kunst, untersuchen soll.
2. Es ist möglich, das Verhältnis zwischen Symbolik und „Physik des Den-
kens“ zu analysieren: der Bereich der Kunst und/oder der Symbolik über-
nimmt die Rolle eines grundlegenden Erklärungsgesetzes oder eines funktio-
nalen Modells für den Kosmos des Denkens.
3. Das Verhältnis zwischen Symbolik und Kunst lässt sich durch das gesamte
Werk hindurch verfolgen, indem man die Linien beobachtet, die in der psy-
cho-physiologischen Erklärung der künstlerischen Tätigkeit und des Stils zu-
sammentreffen.
4. Was das Problem der sprachlichen Darstellung anbetrifft, so offenbaren
Warburgs Formulierungen dessen Bestreben nach Genauigkeit und semantis-
cher Dichte. Zugleich bekundet sich dieses Bemühen im Ringen um bündige
Gesetze sowie in der sorgfältigen Suche nach dem passenden Wort oder nach
metaphorischen und logischen Verbindungen.
Wie wir hier zu zeigen versucht haben, ist das theoretische Anliegen, das
die Grundlegenden Bruchstücke strukturiert, in allen Texten des Hamburger
Gelehrten zu spüren. Dennoch ist eine ganz besonders intensive Ausprägung
dieses Bestrebens am Ende der zwanziger Jahre und vor allem in seinem letz-
ten Projekt zu erkennen, dem Bilderatlas. Durch die Ähnlichkeit in der Be-
handlung des Ausdrucksproblems, das der Autor am Ende seines Lebens den-
noch in besonderer Weise gelöst hat, bildet der Bilderatlas MNEMOSYNE
zusammen mit den Bruchstücken das charakteristischste und inspirierendste
Vermächtnis Warburgs.
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 211

ANMERKUNGEN
1
London, Warburg Institute (im Folgenden: WIA), 26. 8. 9, in: A. Warburg/E. Cassirer, Il mondo
di ieri. Lettere, hrsg. von M. Ghelardi, Turin, 2003, S. 43.
2
A. Warburg, Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, mit Einträgen von
G. Bing und F. Saxl, hrsg. von K. Michels und Ch. Schoell-Glass, Berlin, 2001, S. 547.
3
London, WIA, Ae Aphorisma chronolog. geordnet (im Folgenden: Grundlegende Bruchstücke),
und WIA III, 43. 1. 1./2 (im Folgenden: Heft1 und Heft 2).
4
Für die den Text betreffenden philologischen Erörterungen verweisen wir auf das editorische
Nachwort der kritischen Ausgabe: Frammenti sull’espressione, Grundlegende Bruchstücke zu einer
pragmatischen Ausdruckskunde, hrsg. von S. Müller, mit einer italienischen Übersetzung von
M. Ghelardi und G. Targia, Pisa, 2011.
5
Vgl. dazu E. Panofsky, „Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der
bildenden Kunst“, in: Deutschsprachige Aufsätze, Bd. 2, hrsg. von K. Michels und M. Warnke, Berlin,
1998, S. 1072. Vgl. auch M. Ghelardi, „La violence de l’interprète“, in: Relire Panofsky, Paris, 2008,
S. 89-104.
6
Zitiert nach H. Usener, Religionsgeschichtliche Untersuchungen. 1. Teil: Das Weihnachtsfest, Bonn
1889, S. XI.
7
Vgl. die Biographie von E. H. Gombrich, Aby Warburg. An intellectual Biography, London,
1970, wo Warburg als ein brillanter und eklektischer Forscher beschrieben wird, dessen intellektuelle
Entwicklung von mehreren Brüchen gezeichnet ist, worunter interessanterweise neben der Reise zu
den Hopi-Indianern auch die Arbeit an den Grundlegenden Bruchstücken gezählt wird.
8
Grundlegende Bruchstücke, unpaginiertes Blatt („Dienstag und Rosenmontag [18]88“).
9
Warburg, Tagebuch, 2001 (wie Anm. 2), S. 547.
10
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 112 (15. 12. 1890). Nur nebenbei soll hier auf die wich-
tige Rolle hingewiesen werden, die der Hamburger Gelehrte in den Fußstapfen Jacob Burckhardts
dem Festwesen, einer besonderen Art der dramatischen Kunst, als weitere menschliche Bezugnahme
zur Wirklichkeit beimaß.
11
A. Warburg, Der Bilderatlas MNEMOSYNE, hrsg. von M. Warnke, Berlin, 2000, S. 3. Vgl. auch
den Kommentar zur Tafel I, Primitive Völker, in: A. Warburg, Bildersammlung zur Geschichte von
Sternglaube und Sternkunde im Hamburger Planetarium, hrsg. von U. Fleckner u. a., Hamburg, 1993,
S. 202.
12
Vgl. Warburgs Notizen zur Vorlesung Hermann Useners, Mythologie (Bonn, 1888): WIA 31. 1. 1.
13
Vgl. Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 48 (7. 2. 1890).
14
A. Warburg, Die Einwirkung der Sphaera barbarica auf die kosmischen Orientierungsversuche des
Abendlandes. Franz Boll zum Gedächtnis, in: Opere II, hrsg. von M. Ghelardi, Turin, 2007, S. 297-
396, hier S. 301.
15
Vgl. Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 48 (7. 2. 1890).
16
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 249a (27. 2. 1892).
17
Vgl. z. B. A. Warburg, Giordano Bruno, hrsg. von M. Ghelardi, Cassirer Studies, 1 (2008), S. 50;
des Weiteren erinnern wir an das Echo in Cassirers Brief an Warburg vom 29. 12. 1928, ebd., S. 73-74.
18
Vgl. A. Warburg, Sandro Botticellis ‚Geburt der Venus‘ und ‚Frühling‘. Eine Untersuchung über
die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance, in: Gesammelte Schriften, Bd. 1.
1, hrsg. von H. Bredekamp, Berlin, 1998, S. 3-59 (ital. A. Warburg, Opere I, hrsg. von M. Ghelardi,
Turin, 2004, S. 79-161; ders., I costumi teatrali per gli ‚Intermezzi‘ del 1589. I disegni di Bernardo
Buontalenti e il ‚Libro di conti‘ di Emilio de’ Cavalieri, in: ebd., S. 165-226) und ders., Austausch
künstlerischer Kultur zwischen Norden und Süden im 15. Jahrhundert, in: Warburg, Gesammelte
Schriften, 1998 (wie Anm. 18), S. 179-184 (ital. Warburg, Opere I (wie Anm. 18), 2004, S. 389-401).
19
WIA III. 10. 3 Tagebuch 1. 1. 1903-VIII. 1914, 8. April 1907, zitiert bei Gombrich, Aby War-
burg, 1970 (wie Anm.7), S. 140.
20
„Ich glaube ich habe den Ausdruck für mein psychologisches Gesetz endlich gefunden; seit
1888 gesucht“, Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 299 (27. 1. 1896).
21
Die Arbeitsmethode mit Tabellen und Schemata, die Suche nach der präzisen Formulierung un-
ter Zuhilfenahme von unzähligen Varianten bleibt bis 1929 unverändert.
22
Laut Gombrich, Aby Warburg, 1970 (wie Anm. 7), S. 4, beabsichtigte Gertrud Bing, das Werk
Warburgs unter dem Aspekt der Sprache und des Stiles zu untersuchen.
23
Vgl. dazu Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 107 (1. 11. 1890): Subjekt und Praedikat. In
späteren Jahren wandte Warburg das von Hermann Osthoff entwickelte Modell der Suppletivformen
(siehe unten) auf die Frührenaissance an.
212 SUSANNE MÜLLER, GIOVANNA TARGIA

24
Der Einfluss der Lektüre Darwins (bekanntlich las Warburg die italienische Übersetzung:
C. Darwin, L’espressione nell’uomo e negli animali, hrsg. von G. Canestrini, Turin, 1892) macht sich
immer wieder bemerkbar, in besonderem Maße im Seminar von 1889 über Masaccio (A. Warburg,
Die Typen der Brancacci-Capelle, in: Warburg, Opere I, 2004 (wie Anm. 18), S. 19-48), und im Kom-
mentar vom 2. 9. 1896 (Heft 1, S. 6) zu Aphorismus 18 (3. 12. 1888).
25
Vgl. z. B. den Aufsatz über Manet, wo die aufschlussreiche Aussage zu lesen ist : „L’illogica ab-
bondanza della creazione artistica italiana ha prodotto e conservato un’opera d’arte che, per lo stu-
dioso d’arte di tipo evoluzionistico, adempie, in quanto oggetto, agli stessi postulati di un osso inter-
mascellare” (A. Warburg, Manet’s ‚Déjeuner sur l’herbe‘. Die vorprägende Funktion heidnischer Ele-
mentargottheiten für die Entwicklung modernen Naturgefühls, in: Warburg, Opere II, 2007 (wie Anm.
14), S. 793).
26
In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, dass Warburg nach mehr als zwanzig Jahren in ei-
nem Brief an Ernst Cassirer vom 15. 4. 1924 diese Definition wieder aufnimmt, indem er andeutet, ei-
ne „allgemeine Kulturwissenschaft als Lehre vom bewegten Menschen“ gründen zu wollen, in:
A. Warburg/E. Cassirer, „Correspondence“, hrsg. von M. Ghelardi, Cassirer Studies, 1 (2008), S. 43.
27
Warburg, Geburt der Venus, 1998 (wie Anm. 18), S. 5.
28
Diesbezüglich erinnern wir daran, dass Warburg im Sommersemester 1892 in Berlin Psychologie
studierte und bei Hermann Ebbinghaus ein Seminar über Optische Täuschungen (WIA 37. 2.) hielt.
29
Vgl. z. B. Grundlegende Bruchstücke, Aphorismen 53 (12. 3. 1890), 85 (14. 9. 1890), 258 (30. 3.
1892).
30
Siehe Anm. 11.
31
A. Warburg, Ghiberti und Lessings Laokoon, hrsg. von M. Ghelardi, in: Opere e giorni – Werke
und Tage, hrsg. von K. Bergdolt und G. Bonsanti, Venedig, 2001, S. 744-748.
32
Heft 1, S. 61.
33
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismen 30ff.
34
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 25 (16. 2.1889).
35
H. Osthoff, Vom Suppletivwesen der indogermanischen Sprachen, Heidelberg, 1899.
36
Heft 1, S. 69.
37
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 275 (25. 4. 1892). Später wurden die Thesen mit kleinen
stilistischen Änderungen in ein Faszikel zu Botticelli aufgenommen, vgl. dazu den Kommentar in
Warburg, Opere I, 2004 (wie Anm. 18), S. 152.
38
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 48 (7. 2. 1890). Vgl. dazu A. Schmarsow, „Kunstwissen-
schaft und Völkerpsychologie. Ein Versuch zur Verständigung“, Zeitschrift für Ästhetik, 2 (1907),
S. 310, der die Kunst als „eine schöpferische Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt, in die
er gestellt ist“ begreift.
39
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 12 (22. 9. 1888).
40
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 97 (29. 9. 1890).
41
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismen 47a, 47b (15. 1. 1890).
42
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 48 (7. 2. 1890).
43
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismen 47a-47b (15. 1. 1890). Die Idee von „Gesamtwille“ und
„Einzelwille“ findet sich beispielsweise in den Notizen von 1929 zu Manet’s „Déjeuner sur l’herbe“,
in: Warburg, Opere II, 2007 (wie Anm. 14), S. 785-815, besonders S. 785.
44
In diesem Sinne ist auch ein Kommentar Warburgs zu interpretieren, den er 1896 neben die
Fragmente notierte, die seinen Entwurf für das Dissertationskonzept darstellen: “Der vergebliche
Versuch das ganze Material unterzukriegen geht auf die irrige Voraussetzung zurück daß der Manie-
rismus zu einem bestimmten Zeitpunkt angefangen haben müßte.“ (Heft 1, S. 73)
45
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 83 (14. 9. 1890).
46
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 134 (19. 2. 1891).
47
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 75 (o. d.).
48
Vgl. Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 21 (22. 12. 1888).
49
Vgl. den in Anm. 20 zitierten Kommentar Warburgs.
50
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 299 (27. 1. 1896). Vgl. die Wortschöpfungen Warburgs
mit Robert Vischers Begriffen wie „Zufühlung“, „Nachfühlung“ usw. in: A. Warburg, Ueber das op-
tische Formgefühl. Ein Beitrag zur Aesthetik, Leipzig, 1873, passim.
51
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 314 (24. 6. 1896).
52
K. H. von Stein, Vorlesungen über Aesthetik, Stuttgart , 1897, S. 21.
53
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 107 (11. 11. 90).
54
Vgl. Anm. 24; T. Piderit, Mimik und Physiognomik, Detmold, 18862.
55
„Ist doch jede Körperbewegung bei praktischer Tätigkeit zugleich unwillkürliche Ausdrucksbe-
wegung.“, Schmarsow, Kunstwissenschaft, 1907 (wie Anm. 38), S. 319.
DIE „BRUCHSTÜCKE“ ABY WARBURGS UND DIE FRAGE DES STILS 213
56
Grundlegende Bruchstücke, Aphorismus 332 (28.VIII.96). Vgl. dazu die Aussage Hubert Janit-
scheks „der Herrschaft der Besonnenheit geht zur Seite das stete Wachsthum formenbildender
Kraft“, in: Die Gesellschaft der Renaissance, Stuttgart, 1879, S. 31.
57
A. Warburg, “Vom Arsenal zum Laboratorium”, in: Warburg, Opere I, 2004 (wie Anm. 18), S. 9.
58
Vgl. A. Warburg, I costumi teatrali per gli intermezzi del 1589, in: Warburg, Opere I, 2004 (wie
Anm. 18), S. 163-226, und ders., Austausch künstlerischer Kultur zwischen Norden und Süden, in:
ebd., S. 387-401.
59
Brief an Adolf Goldschmidt, zit. bei Gombrich, Aby Warburg, 1970 (wie Anm. 7), S. 141-144,
besonders S. 143.
60
Heft 2, S. 89-90.
61
Eine seiner Thesen stellt die Mimik und Physik in dasselbe Verhältnis, in dem Aberglaube und
zweckmäßige Handlung zueinander stehen, vgl. Grundlegende Bruchstücke, Aphorsimus 347 (20. 3.
1897).
62
Zusatz zu Aphorismus 433 (28.VIII.905) in: Heft 2, S. 90.
63
WIA III.75. 3. 2., fol. 45. Die kritische Edition der Vorträge des Wintersemesters 1908/9 „Ein-
führung in die Kultur der florentinischen (in die italienische) Frührenaissance“, WIA 75. 1-7., wird
von Giovanna Targia vorbereitet.

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