Professional Documents
Culture Documents
1 Einleitung
Wolfgang Schluchter unterscheidet drei wichtige Fragestellungen, die an das Phänomen „Elite”
gerichtet werden können: zunächst die Frage der Estimation, nach der internen und externen
Einschätzung von Eliten und der Rechtfertigung ihrer herausgehobenen Stellung, dann die Frage
der Selektion, nach der Elitenrekrutierung, und schließlich die Frage der Effektivität, nach der
Wirkung von Eliten, nach ihrem Besitz von gruppenspezifisch legitimierter Macht.2
Letzterer Aspekt steht im Zentrum dieser Untersuchung der geistlichen Eliten Polen-Litauens im 16.
Jahrhundert. Wie waren diese klerikalen Eliten in das politische System Polen-Litauens
eingebunden und wie partizipierten sie an der politischen Macht? Inwiefern waren sie Teil der
„Machtelite”3? Unser Augenmerk liegt dabei auf der Institution der Provinzialsynoden: Wie trugen
diese dazu bei, die geistlichen Eliten in das politische System einzubinden?
Klargestellt sei, dass dieser Aufsatz sich ausschließlich mit den katholischen geistlichen Eliten
Polen-Litauens auseinandersetzt. Der protestantische Klerus gewann als solcher in Polen-Litauen
nie ernstzunehmenden politischen Einfluss.
1 Diesem Aufsatz liegt die Materialsammlung für die Dissertation der Autorin zugrunde, welche voraussichtlich 2013
abgeschlossen und 2014 veröffentlicht wird. Sie stützt sich auf einen Ansatz von Thomas Wünsch, der in seinem
2010 erschienen Aufsatz spätmittelalterliche Partikularsynoden als Instrumente poltischer Willensbildung
untersuchte: Wünsch, Thomas: Ritual und Politik. Partikularsynoden als Instrumente der politischen Willensbildung
in der polnisch-litauischen Adelsrepublik, in: Fałkowski, Wojciech et al. (Hrsg.): Ritualisierung politischer
Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2010, S.
243-258. Die Dissertation überträgt die Fragestellung auf die frühneuzeitlichen Provinzialsynoden .
2 Vgl. Schluchter, Wolfgang, Der Elitebegriff als soziologische Kategorie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie, 15. Jahrgang, 1963, 233-256, hier 252.
3 Der Begriff der „Machtelite” wird hier verwendet in Anlehnung an Mills, C. Wright: Die Machtstruktur in der
amerikanischen Gesellschaft, in: Röhrich, Wilfried (Hrsg.): ‛Demokratische’ Elitenherrschaft. Tradtionsbestände
eines sozialwissenschaftlichen Problems, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 267-286.
4 Vgl. Schmitz, Heribert: Stichwort „Provinzialkonzil”, in: Höfer, Josef / Rahner, Karl (Hrsg.): Lexikon für Theologie
und Kirche, Bd. 8: Palermo bis Roloff, Freiburg: Verlag Herder, 1963, Sp. 840.
5 Das Konzil von Basel sah in seiner 15. Sessio vor, dass Diözesansynoden jährlich und Provinzialsynoden alle drei
Jahre statt finden sollten. Vgl. Wohlmuth, Josef (Hrsg.): Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des
Mittelalters. Vom Ersten Laterankonzil (1123) bis zum Fünften Laterankonzil (1512-1517), Paderborn et al.:
Ferdinand Schöningh, 2000, S. 473-474. Das Fünfte Laterankonzil bestätigte in seiner zehnten Sessio den
Jahrhunderts beinahe, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.6
Eingebettet in ein liturgisches Zeremoniell dienten die Provinzialsynoden unter anderem der
Verbreitung des allgemeinen Kirchenrechts, setzen eigenes Recht, verhandelten Fälle von
disziplinären Verstößen, regelten Liturgie und Verwaltung. Aber darauf beschränkte sich ihre
Funktion nicht. Gerade in Polen-Litauen befassten sie sich auch mit Landespolitik und fügten sich
in das politische System ein.
12 Einen ersten Überblick über die Adelsprivilegien im Hinblick auf das parlamentarische System bietet bspw. Dücker,
Julia: Reichsversammlungen im Spätmittelalter. Politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland,
Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2011, S. 26-27 und S. 34-35.
13 Älteren Darstellungen geben für Polen zumeist einen Anteil von 8 % des Adels an der Gesamtbevölkerung an: Vgl.
bspw. Mikliss, Peter: Deutscher und polnischer Adel im Vergleich. Adel und Adelsbeziehungen in der deutschen und
polnischen verfassungsgeschichtlichen Entwicklung sowie die rechtliche Problematik polnischer
Adelsbezeichnungen n ach deutschem Recht, Berlin: Duncker & Humblot, 1981, S. 12. Neuere Darstellungen
schlüsseln die Zahlen stärker nach Regionen auf und korrigieren sie für Polen-Litauen zusammengenommen etwas
nach unten. Robert I. Frost geht aufgrund lokaler Studien von einem Prozentsatz von 6 bis 7,5 für Polen-Litauen
insgesamt aus: Frost, Robert I: The Nobility of Poland-Lithuania 1569-1795, in: Scott, Hamish M.: The European
Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2: Northern, Central and Eastern Europe, Basingstoke /
New York: Palgrave Macmillan, S. 266-310, hier S. 275. Igor Kąkolewski geht von 4 bis 6 % in Groß-und
Kleinpolen, aber über 23 % in Masowien und damit von 10 % für das Gebiet der Krone insgesamt aus, dafür von
nur 2 bis 3 % in Ruthenien und knapp einem Prozent in Litauen: Kąkolewski, Igor: Sozialverfassung und adelige
Privilegiensicherung, in: Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in
vier Bänden, Bd. 2: Frühe Neuzeit, Stuttgart: Anton Hiersemann, 2011, S. 61-90, hier S. 69.
14 Vgl. Mikliss, Deutscher und polnischer Adel, S. 64, 75-87, 99-109 sowie Kąkolewski, Sozialverfassung und adelige
Privilegiensicherung, S. 71.
15 Vgl. Hoensch, Jörg K., Sozialverfassung und politische Reform. Polen im vorrevolutionären Zeitalter, Köln / Wien:
Böhlau Verlag, 1973, S. 116-117.
16 Vgl. Hoensch, Sozialverfassung, S. 119 sowie Radzimiński, Andrzej: Königliche Herrschaft und kirchliche
Gemeinschaften im spätmittelalterlichen Polen, in: Fałkowski, Wojciech et al. (Hrsg.): Ritualisierung politischer
Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2010, S.
211-224, hier S. 217-218.
17 Vgl. Kąkolewski, Sozialverfassung und adelige Privilegiensicherung, S. 78.
18 Vgl. Lutyński, Konrad: Kapituła katedralna w Poznaniu w XVI wieku. Organizacja i majątek [Das Domkapitel in
Posen im 16. Jahrhundet. Organisation und Vermögen], Poznań: Uniwersytet im. A. Mickiewicza Wydział
Teologiczny, 2000, S. 58-66.
19 Vgl. Radzimiński, Königliche Herrschaft, S. 218-219.
20 Laut Andrzej Radzimński gehörte der Kapitularklerus in Polen wie auch im restlichen Europa schon seit dem
Spätmittelalter zu den „Berufsgruppen” mit den höchsten Anteil an universitär Gebildeten. Radzimiński, Andrzej:
Duchowieństwo kapituł katedralnych w Polsce XIV i XV w. na tle porównawczym. Studium nad rekrutacją i
drogami awansu [Die Geistlichkeit der Domkapitel im Polen des 14. Und 15. Jh. aus vergleichender Perspektive.
Studie zu Rekrutierung und Karrierewegen], Toruń: Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, 1995, S. 145.
21 Vgl. Radzimiński, Duchowieństwo kapituł katedralnych, S. 152.
königlichen Kanzlei zu 76 % dem geistlichen Stand an22 und auch später noch waren viele Stellen
in der Verwaltung Geistlichen vorbehalten.23
Dies sollte aber nicht über ein klerikales Standesbewusstsein hinwegtäuschen: Gerade die
Kapitulargeistlichen, besonders das Krakauer Domkapitel, erwiesen sich auch innerhalb der Kirche
häufig als einflussreich und vor allem innovativ, setzten Themen auf die Agenda und standen –
gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Protestantismus – hinter Reformbestrebungen.24
Gegenüber dem niederen Klerus als „Muttergruppe“25 der klerikalen Eliten traten sie immer wieder
in einer Mittlerposition auf, leiteten beispielsweise deren Beschwerden gesammelt an den König
weiter.26
Vor allem auf den Provinzialsynoden tritt dieses Standesbewusstein immer wieder zu Tage. Sie sind
das Forum, welches dem Klerus erlaubt, sich als politische Kraft zu formen und aufzutreten.
22 Vgl. Kąkolewski, Igor: Kampf um die politische Macht: Die Verfassungsreform zwischen Königtum, Magnaten und
Szlachta, in: Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in vier Bänden,
Bd. 2: Frühe Neuzeit, Stuttgart: Anton Hiersemann, 2011, 91 ff., S. 96.
23 Vgl. Hoensch, Sozialverfassung, S. 123.
24 Vgl. Schramm, Der polnische Adel, S. 207-209.
25 Der Begriff der "Muttergruppe" wird hier verwendet in Anlehnung an Stammer, Otto: Das Elitenproblem in der
Demokratie, in: Stammer, Otto: Politische Soziologie und Demokratieforschung. Ausgewählte Reden und Aufsätze
zur Soziologie und Politik. Aus Anlaß seines 65. Geburtstags herausgegeben von Mitarbeitern und Schülern, Berlin:
Duncher & Humblot, 1965, S. 63-90, hier S. 82.
26
27 Als Beispiel seien die beiden folgenden Überblickswerke genannt: Subera, Ignacy: Synody prowincjonalne
arcybiskupów gnieźnieńskich. Wybór tekstów ze zbioru Jana Wężyka z r. 1716 [Die Provinzialsynoden der
Gnesener Erzbischöfe. Auswahl von Texten aus der Statutensammlung Jan Wężyks aus dem Jahren 1716],
Warszawa: Akademia Teologii Katolickiej, 1981 sowie Góralski, Wojciech: Wprowadzenie do historii
ustawodawstwa synodalnego w Polsce [Einführung in die Geschichte der Synodalgesetzgebung in Polen], Lublin:
Norbertinum, 1991.
28 Vgl. Schmidt, Hans-Joachim, Kirche, Staat, Nation. Raumgliederung der Kirche im mittelalterlichen Europa,
Weimar: Böhlau, 1999, S. 77-79.
29 Seit 1417 hatte jeder Gnesener Erzbischof zugleich auch die Würde eines Primas von Polen inne und war damit dem
Lemberger Erzbischof vorgeordnet. Vgl. Korytkowski, Jan: Arcybiskupi gnieźnieńscy prymasowie i metropolici
polscy od roku 1000 aż do roku 1821 czyli do połączenia arcybiskupstwa gnieźnieńskiego z biskupstem poznańskim
według źródł archiwalnych [Die Gnesener Erzbischöfe, polnische Primaten und Metropoliten, vom Jahr 1000 bis
zum Jahr 1821 also bis zur Zusammenlegung des Gnesener Erzbistums mit dem Posener Bistum nach
Archivquellen], Bd. 2, Poznań: Drukarnia Kuryera Poznańskiego, 1888, S. 45-49.
Bereits 1485 ist eine Teilnahme von Vertretern des Lemberger Erzbischofs und seiner Suffragane auf der Gnesener
Provinzialsynode nachzuweisen. Vgl. Karnkowski, Stanislaus: Constitvtiones Synodorum, Metropolitanae Ecclesiae
Gnesnensis, Prouincialium, tam vetustorum quam recentiorum, usquad Annum Domini, M. D. LXX VIII,
Cracoviae: Andreas Petricouius, 1579, S. 62. Außerdem betonte der Gnesener Erzbischof in den Akten dieser
Synode, dass die Statuten seiner Vorgänger mit Primatialgewalt erlassen hätte. Vgl. ebd., S. 62v.
Einige Beschlüsse der Provinzialsynode, darunter jene zur Kontribution, richten sich auch explizit an die Lemberger
Provinz. Vgl. Wisłocki, Władysław (Hrsg.): Andrzeja na Więcborku Zebrzydowskiego Biskupa włocławskiego i
krakowskiego korespondencyja z lat 1546-1553 z przydaniem Synodów r. 1547 i 1551, jako też innych dokumentów
współczesnych [Korrespondenz von Andreas auf Więcbork Zebrzydowski, Bischof von Włocławek und Krakau, aus
den Jahren 1546-1553 ergänzt um die Synoden der Jahre 1547 und 1551 sowie anderer zeitgenössischer
Diese politischen Funktionen sind den klassischen Parlamentsfunktionen durchaus vergleichbar,30
auch wenn wir hier natürlich – wie auch im Falle des gesamten politischen Systems- von Formen
eines vormodernen Parlamentarismus sprechen. In jedem Fall qualifizieren sie die
Provinzialsynoden aber als Standesversammlungen des Klerus.
2.1 Steuerbewilligung
Die wichtigste Steuerabgabe war das subsidium charitativum, das der Klerus mehr oder minder
freiwillig dem König gewährte. Im Untersuchungszeitraum leistete der Klerus kaum ordentliche,
also regelmäßige Steuern.31 Verglichen mit den anderen außerordentlichen Steuern wurden
Synodalkontributionen deutlich häufiger beschlossen und erhoben.32
Schon 1458 forderte das Gnesener Kapitel, dass der Erzbischof eine Provinzialsynode abhalten
müsse, bevor er dem Klerus eine Kontribution auferlege.33 Nicht zufällig erscheint hier die Parallele
zu den Privilegien von Nieszawa für den großpolnischen Adel, die 1454 unter anderem
festschrieben, dass ohne vorherige Abhaltung eines Landtags keine Gesetze erlassen und da
allgemeine militärische Aufgebot nicht einberufen werden dürfe.34
Seit den 1460ern spielen die Provinzialsynoden für die Steuerbewilligung zwar eine zunehmend
größere Rolle. Sie sind aber noch weit davon entfernt, für diese das einzige legitime Forum zu sein.
Tatsächlich dienen die Provinzialsynoden zwar fast immer als Forum der Willensbildung des Klerus
hinsichtlich der Kontributionen. Beschlossen werden diese aber oft erst nachträglich, wobei
zwischen Provinzialsynode und letztlichem Beschluss die Domkapitel häufig durch Korrespondenz
und Boten untereinander kommunizieren und sich koordinieren.35 Das ändert sich bis zum 16.
Jahrhundert zugunsten einer Beschlussfassung auf Provinzialsynoden.
Ihre Haltung zu einer Kontribution schrieben die Domkapitel häufig bereits in den Instruktionen für
ihre Gesandten fest: Zustimmung, Ablehnung oder Orientierung an dem Verhalten anderer
Dokumente], Kraków: Akademia Umiejętności w Krakowie, 1878, S. 513 und 523. Nach dieser Synode wird die
Teilnahme von Mitgliedern des Lemberger Episkopats und die explizite Erwähnung der Gültigkeit auch für die
Lemberger Proivinz immer üblicher. Dies verwundert nicht, ist doch für die Lemberger Provinz eine eigene
Provinzialsynode (1564) sicher belegt, die Abhaltung einer weiteren (1532) wird vermutet. Vgl. Morwaski,
Seweryn (Hrsg.): Akta synodu prowincyonalnego Lwowskiego w roku 1564 odbytego. Z aktów Konsystorza
Metropolitalnego Lwowskiego [Die Akten der Lemberger Provinzialsynode im Jahre 1564. Aus den Akten des
Lemberger Metropolitankonsistoriums], Lwów: W. Maniecki, 1860, S. 7-8.
30 Die hier verwendete Aufteilung der Parlamentsfunktionen orientiert sich an der zusammenfassenden Darstellung
bei Göler, Daniel: Endlich ein echtes Parlament? Die Rahmenbedingungen des Vertrages von Lissabon und das
Europäische Parlament, in: Mittag, Jürgen (Hrsg.): 30 Jahre Direktwahlen zum Europäischen Parlament (1979-
2009). Europawahlen und EP in der Analyse, Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft, 2011, S. 289-311, hier 292-
308.
31 Zu den ordentlichen Steuern, die der polnische Klerus leistete vgl. Karbownik, Henryk: Ciężary stanu duchownego
w Polsce na rzecz państwa od roku 1381 do połowy XVII wieku [Steuern des geistlichen Standes in Polen
zugunsten des Staates vom Jahr 1381 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], Lublin: Towarzystwo Naukowe
Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego, 1980, S. 43-104.
32 Zur außerordentlichen Besteuerung des polnischen Klerus vgl. Karbownik, Ciężary stanu duchownego, S.105- 160.
33 Vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530),
Kraków: Akademia Umiejętności, 1894, S. 430.
34 Zu den Privilegien von Nieszawa vgl. zuletzt Dücker, Reichsversammlungen, S. 34.
35 Nach der Provinzialsynode von 17. bis 21. Juni 1459 traf sich das Gnesener Metropolitankapitel im Oktober erneut
mit Vertretern der Klöster sowie des Posener und Włocławeker Domkapitels und beschloss dabei endgültig die
Kontribution. Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 435.
1462 stimmten auf der Provinzialsynode nur die Gnesener Erzdiözese und die Krakauer Diözese einer Kontribution
zu, die allerdings zumindest im Krakauer Bistum endgültig erst später bewilligt wurde. Vgl. Dlugossius, Joannes:
Annales seu Cronicae Incliti Regni Poloniae Liber Duodecimus 1462-1480, Cracoviae: Polska Akademia
Umiejętności Wydawnictwo Naukowe PWN, 2005, S. 46-47 sowie Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Capitulorum
Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), in: ArchiwumKomisyi Historycznej, 6. Jahrgang, 1891,
S. 1-295, hier S. 21-22. Hier weiter!
Kapitel.36 Mit ihrer Ablehnung setzten die Kapitel sich durchaus mehrfach durch.37
Obwohl der Adel stets bemüht war, dem Klerus auf Reichstagen Steuern auferlegen zu können,
akzeptierte er in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts weitgehend die Steuerbewilligungskompetenz
der Provinzialsynode, was sich darin ausdrückt, dass Reichstage die Abhaltung von
Provinzialsynoden verlangten oder sogar geradezu beschlossen.38
36
37 Vgl. die Aufstellung der Synodalkontributionen bei Karbownik, Ciężary stanu duchownego, S. 131-137.
38
39
40
41
42
43
44 Vgl. hierzu grundlegend Schramm, Gottfried: Der polnische Adel und die Reformation 1548-1607, Wiesbaden:
Franz Steiner Verlag GmbH, 1965.
45
46
47
48
49 Vgl. Schramm, Der polnische Adel, 204.
50 Ebd., 206.
51 Ebd., 206.
erheblichen Anpassungdruck aus.52
Dieser Punkt überschneidet sich mit einer weiteren Funktion der Provinzialsynoden, der Kontrolle
der Bischöfe.
2.3 Kontrolle
Obwohl Provinzialsynoden keinerlei Wahl- oder Kreationsfunktion für den Episkopat hatten,
versuchten sie dennoch, Kontrolle über diesen auszuüben – gerade auch über sein Auftreten
gegenüber anderen politischen Akteuren und ab dem 16. Jahrhundert vor allem auch auf
Reichstagen.
Bereits im 15. Jahrhundert versuchte beispielsweise eine Provinzialsynode Ende der 1480er-Jahre,
den Krakauer Bischof dazu zu bewegen, den König Kasimir IV. davon zu überzeugen, dass die
Belastungen des Klerus zu hoch seien, um eine Kontribution leisten zu können.53 Die Krakauer
Bischöfe standen dem König traditionell sehr nahe – schon wegen ihrer räumlichen Nähe zum Hof.
Als im 16. Jahrhundert der nun voll ausgeformte Reichstag eine immer größere Rolle spielte, übten
die Provinzialsynode verstärkt auch Kritik am Verhalten der Bischöfe. auf den Reichstagen und
versuchten gleichzeitig, ihnen Versprechen für ihr Verhaltensregeln auf künftigen Reichstagen
abzuringen. Die Provinzialsynode von 1539 kritisierte beispielsweise ein zu großes
Entgegenkommen der Bischöfe gegenüber dem Adel, insbesondere dass sie auf Wunsch der
Reichstage zu leichtfertig Provinzialsynoden zur Steuerbewiligung einberufen und sich nicht
angemessen gegen Einschränkung der kirchlichen Freiheiten zur Wehr setzen würden.54 Auf dem
Reichstag im Jahr zuvor (1538) war das Abtamt Adeligen vorbehalten worden.55 In der Instruktion
für seine Gesandten zur Provinzialsynode des Jahres 1551 übte das Krakauer Kapitel gar eine
regelrechte „Manöverkritik“ am Verhalten der Bischöfe auf dem letzten Reichstag.56
52 Das auffälligste Beispiel hierfür ist die Provinzialsynode des Jahres 1551. Bereits in ihrem Vorfeld äußerte das
Krakauer Domkapitel gegenüber dem Episkopat im Allgemeinen und gegenüber einigen Bischöfen (Andrzej
Zebrzydowski, Jan Drohojowski, Jakub Uchański) im Speziellen den Verdacht, insgesheim dem Protestantismus
nahezustehen: Wisłocki, Andrzeja na S. 477-478, 480-481, 483-484
Von der Synode selbst ist ein ausfährliches Protokoll darüber erhalten, was die einzelnen Bischöfe unter Eid auf
einen Fragenkatalog zu ihren Glaubensüberzeugungen aussagten: Wisłocki, Andrzeja na Więcborku
Zebrzydowskiego, S. 499-512.
53 Vgl. Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie, Handschriftenabteilung Nr. 1962 (Ms. unveröff.), 198-198v
sowie Archiwum Diecezjalne we Włocławku, Akta posiedzeń kapituły Nr. 1a (Ms. unveröff.), 110-111.
54 Vgl. Sawicki, Jakub (Hrsg.): Analecta z rękopisów bibliotek Warszawskich [Analecta aus Handschriften von
Warschauer Bibliotheken], in: Prawo kanoniczne, 3. Jahrgang, 1960, S. 307-363, hier S. 348-349.
55 Vgl. Volumina Legum. Przedruk zbioru praw staraniem XX. Pijarow w Warszawie, od roku 1732 do roku 1782
wydanego, Bd. 1: Ab anno 1347 ad annum 1547, Petersburg: Jozafat Ohryzsko, 1859, S. 257.
56 Vgl. Wisłocki, Andrzeja na Więcborku Zebrzydowskiego, 489-490.
57 Vgl. Pawiński, Adolf: Sejmiki ziemskie. Początek ich i rozwój aż do ustalenia się udziału posłów ziemskich w
ustawodawstwie sejmu walnego 1374- 1505 [Landtage. Ihr Anfang und ihre Entwicklung bis zur Etablierung der
Beteiligung von Landboten an der Gesetzgebung des allgemeinen Reichstags], Warszawa: Eigenverlag, 1895, S. ???
Entwicklung Mitte des 15. Jahrhunderts mit den Privilegien von Nieszawa für den großpolnischen
Adel, die unter anderem besagten, dass der König keine neuen Gesetze und kein allgemeines
militärisches Aufgebot erlassen könne, ohne vorher einen Landtag abzuhalten.58 Wacław Uruszczak
sieht das entscheidende Ereignis darin, dass sich 1493 nach dem Tod Kasimirs IV. der Zwei-
Kammern-Reichstag vollständig ausbildete.59 Dazwischen liegt der Bedeutungszuwachs der
Landtage und seine hierarchische Unterordnung unter den Reichstag im Sinne einer
Delegationsbeziehung.60
58 Vgl. Bardach, Juliusz et al.: Historia Ustroju i Prawa polskiego [Geschichte der polnischen Verfassung und des
polnischen Rechts], Warszawa: Wydawnictwo Prawnicze LexisNexis, 2003, S. 14, 92 sowie 128-129.
59 Vgl. Uruszczak, Respublica bene constituta, S. 132.
60 Vgl. ebd., S. 145-146 sowie Dücker, Reichsversammlungen, S. 29.
61 Vgl. Górski, Karol: Rządy wewnętrzne Kazimierza Jagiellończyka w Koronie [Die Innenpolitik Kasimirs des
Jagiellonen in der Krone], in: Biskup, Marian / Górski, Karol (Hrsg.): Kazimierz Jagiellończyk. Zbiór studiów o
Polsce drugiej połowy XV wieku [Kasimir der Jagiellone. Sammlung von Studien über Polen in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts], Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe, 1987, S. 82-127, hier S. 122-125.
62 Vgl. Bogucka, Maria: Kazimierz Jagiellończyk i jego czasy [Kasimir der Jagiellone und seine Zeit], Warszawa:
Państwowe Instytut Wydawniczy, 1981, S. 246.
63 Vgl. Bardach, Juliusz: O stawianiu się sejmu polskiego we współczesnej historiografii [Die Entstehung des
polnischen Reichstags in der gegenwärtigen Historiografie], in: Bardach, Juliusz (Hrsg.):Parlamentaryzm w Polsce
we współczesnej historiografii [Der Parlamentarismus in Polen in der gegenwärtigen Historiografie], Warszawa:
Wydawnictwo Sejmowe, 1995, S. 29-54, hier S. 32-34.
64 Zur Provinzialsynode 1469 vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Iudiciorum Ecclesiasticorum Dioecesum
Gneznensis et Poznaniensis (1403-1530), Kraków: Wydawnictwo Komisyi Historycznej Akademii Umiętnosści w
Krakowie, 1902, S. 261. Zur Provinzialsynode 1474 vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et
Vladislaviensis (1408-1530), S. 482-483. Zur Provinzialsynode 1480 vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum
Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), S. 61.
65 Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 489.
66 Vgl. Sawicki, Jakub: Statuty synodalne krakowskie biskupa Jana Konarskiego z 1509 r. [Die Krakauer
Synodalstatuten des Bischofs Jan Konarski aus dem Jahre 1509], Lublin: Towarzystwo Naukowe Katolickiego
Uniwersytetu Lubelskiego, 1961, S. 25-26.
67 Vgl. bspw. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 492;
Ulanowski, Acta Capitulorum Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), S. 59-60 sowie 115;
Korytkowski, Jan: Arcybiskupi Gnieźnieńscy Prymasowie i Metropolici Polscy od roku 1000 aż do roku 1821 czyli
do połączenia arcybiskupstwa gnieźnieńskiego z biskupstwem poznańskiem według źródeł archiwalnych [Die
Gnesener Erzbischöfe, polnische Primaten und Metropoliten vom Jahr 1000 bis ins Jahr 1821 gemäß
Bei solchen Konflikten mit dem Adel wandte sich der Klerus mit Beschwerden an den König,
suchte also die indirekte Konfliktaustragung.68 Ansonsten taucht der Adel nur noch als
Vergleichsobjekt hinsichtlich der Steuerbewilligung auf: Der Klerus machte eine eigene
Kontribution davon abhängig, ob auch der Adel eine Steuer gewährte.69
Hinsichtlich der Reichstag lässt sich der grobe Trend feststellen, dass sich die Frequenz der
Provinzialsynoden jener der weltlichen Tage allmählich anglich. Allerdings setzte sich dieser Trend
nicht geradlinig durch, sondern erlebte einige Rückschläge. Eine weitere Tendenz geht dahin, dass
Provinzialsynoden knapp nach dem allgemeinen Tag zusammentreten.
Archivquellen], Poznań: Kuryer Poznański, 1888, 474, Anm. 1; Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie,
Handschriftenabteilung Nr. 1962, Ms. (unveröff.), 198-198v.
68 Vgl. Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie, Handschriftenabteilung Nr. 1962, Ms. (unveröff.), S. 198v-202
bzw.Archiwum Diecezjalne we Włocławku, Akta posiedzeń kapituły Nr. 1a, Ms. (unveröff.), S. 110-116.
69 Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 492.
70
71 Vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Materiały do historyi ustawodawstwa synodalnego w Polsce w w. XVI
[Materialien zur Geschichte der Synodalgesetzgebung in Polen im 16. Jahrhundert], in: Archiwum Komisyi
Prawniczej, 1. Jahrgang, 1895, S. 325-556, hier S. 365-378.
72 Vgl.
73 Vgl. Ulanowski, Materiały, S. 368.
74
75 Vgl. Wisłocki, Andrzeja na Więborku Zebrzydowskiego, S. 485 und 489.
76 Vgl. Ulanowski, Materiały, S. 449.
der Magnatenoligarchie herrschten die Großen ebenfalls, indem sie sich eine große Klientel an
Wählern gewogen hielten und mit anderen Magnaten kooperierten.
Die Steuerbewilligung tritt im Vergleich zu anderen politischen Funktionen im 16. Jahrhundert
zurück: Zunehmend mussten die geistigen Eliten sich mit dem selbstbewussten Auftreten des Adel
gegenüber dem Klerus auseinandersetzen. Dieser stand zum Teil auch mit dem Aufkommen des
Protestantismus in Zusammenhang, der in Polen stark mit Adelsinteresssen verquickt war,
wenngleich der Protestantismus nicht auf materielle und politische Ziele des Adels reduziert werden
kann.77 Entsprechend widmeten sich die Provinzialsynoden vermehrt der Auseinandersetzung mit
den konkurrierenden Konfessionen. Vor allem aber versuchte er seinen Besitz, seine Einkünfte,
seinen Einfluss gegen Übergriffe des Adels zu verteidigen. Ein Beispiel hierfür ist die
Auseinandersetzung um die geistliche Gerichtsbarkeit.78
3.3 Das Ende des Konzils von Trient und der Einbruch der
Synodaltätigkeit in der Gnesener Provinz (1564-1600)
Nach dem Ende des Konzil von Trient im Jahr 1564 kam lange keine Provinzialsynoden in der
Gnesener Provinz zusammen. Erst 1577 trat wieder eine zusammen. Auch nach dieser
Provinzialsynode dauert es wieder lange bis zur nächsten im Jahr 1589. Der Grund für diese langen
Pausen waren Befürchtungen der Romtreuen im höheren Klerus, dass die protestanten-freundlichen
Kräfte eine Provinzialsynode zu einem Nationalkonzil unter Beteiligung der Protestanten
umgestalten könnten und dort eine von Rom getrennte Nationalkirche entstünde. Denn nach dem
Konzil von Trient war absehbar geworden, dass auf gesamtkirchlicher Ebene keine
Wiedervereinigung mit den Protestanten stattfinden werde. Provinzialsynoden waren also nur noch
in Zeiten mit einer für die Romtreuen günstigen Konstellation möglich.79
Nimmt man die politischen Funktionen der Provinzialsynode ernst, stellt sich die Frage, wie die
Lücke gefüllt wurde. Möglicherweise verlagerten sie sich zu neuartigen Klerusversammlungen am
Rande der Reichstage, an denen neben den Bischöfen auch Gesandte der Kapitel teilnahmen.
Vertreter von Domkapitel waren zwar von jeher an weltlichen Versammlungen anwesend. In den
frühsten Tagen sind sie häufig die einzig namentlich bekannten Teilnehmer, weil Domkapitel als
erste über entsprechende Akten verfügten. Ihre Funktion beschränkte sich aber auf die Beobachtung
der Verhandlungen oder das Vorbringen von Petitionen.80 Die Versammlungen in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts hatten eine andere Qualität. Dies zeigt sich schon darin, dass das Krakauer Kapitel
seine Gesandten mit einer ausführlichen Instruktionen ausstattete, wie sie sonst für
Provinzialsynoden üblich waren. In einer dieser Instruktionen, jener von 1570, protestierte das
Krakauer Kapitel scharf gegen die Aufforderung, solche Gesandten zu schicken: Diese seit neuartig,
denn bisher hätten die Kapitel nur Gesandte zu Provinzialsynoden, nicht aber zum Reichstag
ernannt. Es befürchtete davon – nicht zu Unrecht - eine Übertragung der
Steuerbewilligungskompetenz auf den Reichstagen.81 Tatsächlich gelang es dem Adel, dem Klerus
auf dem Reichstag 1562 eine einmalige Zehentsteuer aufzuerlegen und auf dem nächsten Reichstag
4 Schlußfolgerungen
Berücksichtigt man die Provinzialsynoden in ihrer politischen Dimension erscheinen die geistlichen
Eliten Polen-Litauens recht weitgehend in das politische System Polen-Litauens eingebunden.