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Elke Faber

Provinzialsynoden als Mittel zur Einbindung geistlicher Eliten in das politische


System der polnischen Adelsrepublik im langen 16. Jahrhundert (1448-1643)1

1 Einleitung
Wolfgang Schluchter unterscheidet drei wichtige Fragestellungen, die an das Phänomen „Elite”
gerichtet werden können: zunächst die Frage der Estimation, nach der internen und externen
Einschätzung von Eliten und der Rechtfertigung ihrer herausgehobenen Stellung, dann die Frage
der Selektion, nach der Elitenrekrutierung, und schließlich die Frage der Effektivität, nach der
Wirkung von Eliten, nach ihrem Besitz von gruppenspezifisch legitimierter Macht.2
Letzterer Aspekt steht im Zentrum dieser Untersuchung der geistlichen Eliten Polen-Litauens im 16.
Jahrhundert. Wie waren diese klerikalen Eliten in das politische System Polen-Litauens
eingebunden und wie partizipierten sie an der politischen Macht? Inwiefern waren sie Teil der
„Machtelite”3? Unser Augenmerk liegt dabei auf der Institution der Provinzialsynoden: Wie trugen
diese dazu bei, die geistlichen Eliten in das politische System einzubinden?
Klargestellt sei, dass dieser Aufsatz sich ausschließlich mit den katholischen geistlichen Eliten
Polen-Litauens auseinandersetzt. Der protestantische Klerus gewann als solcher in Polen-Litauen
nie ernstzunehmenden politischen Einfluss.

1.1 Was sind Provinzialsynoden?


Provinzialsynoden – gelegentlich auch Provinzialkonzilien genannt – sind Versammlungen des
höheren Klerus einer Kirchenprovinz, also einer Einheit aus mehreren Bistümern unter der Leitung
eines Erzbischofs (Metropoliten). Der Erzbischof der jeweiligen Provinz beruft die
Provinzialsynoden ein und leitet sie auch. Außer ihm nehmen die ihm unterstellten Bischöfe
(Suffragane), Delegierte der Domkapitel der einzelnen Bistümer sowie die Äbte und Pröpste der auf
dem Territorium der Kirchenprovinz befindlichen Klöster und sonstigen Ordenseinrichtungen teil –
die Bischöfe mit Stimmrecht, alle anderen Teilnehmer offiziell in beratender Funktion. 4
Im damals gültigen allgemeinen Kirchenrecht war für Provinzalsynoden ein dreijähriger Turnus
vorgesehen.5 Diese Frequenz erreichte die Gnesener Provinz in der zweiten Hälfte des 15.

1 Diesem Aufsatz liegt die Materialsammlung für die Dissertation der Autorin zugrunde, welche voraussichtlich 2013
abgeschlossen und 2014 veröffentlicht wird. Sie stützt sich auf einen Ansatz von Thomas Wünsch, der in seinem
2010 erschienen Aufsatz spätmittelalterliche Partikularsynoden als Instrumente poltischer Willensbildung
untersuchte: Wünsch, Thomas: Ritual und Politik. Partikularsynoden als Instrumente der politischen Willensbildung
in der polnisch-litauischen Adelsrepublik, in: Fałkowski, Wojciech et al. (Hrsg.): Ritualisierung politischer
Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2010, S.
243-258. Die Dissertation überträgt die Fragestellung auf die frühneuzeitlichen Provinzialsynoden .
2 Vgl. Schluchter, Wolfgang, Der Elitebegriff als soziologische Kategorie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie, 15. Jahrgang, 1963, 233-256, hier 252.
3 Der Begriff der „Machtelite” wird hier verwendet in Anlehnung an Mills, C. Wright: Die Machtstruktur in der
amerikanischen Gesellschaft, in: Röhrich, Wilfried (Hrsg.): ‛Demokratische’ Elitenherrschaft. Tradtionsbestände
eines sozialwissenschaftlichen Problems, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 267-286.
4 Vgl. Schmitz, Heribert: Stichwort „Provinzialkonzil”, in: Höfer, Josef / Rahner, Karl (Hrsg.): Lexikon für Theologie
und Kirche, Bd. 8: Palermo bis Roloff, Freiburg: Verlag Herder, 1963, Sp. 840.
5 Das Konzil von Basel sah in seiner 15. Sessio vor, dass Diözesansynoden jährlich und Provinzialsynoden alle drei
Jahre statt finden sollten. Vgl. Wohlmuth, Josef (Hrsg.): Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des
Mittelalters. Vom Ersten Laterankonzil (1123) bis zum Fünften Laterankonzil (1512-1517), Paderborn et al.:
Ferdinand Schöningh, 2000, S. 473-474. Das Fünfte Laterankonzil bestätigte in seiner zehnten Sessio den
Jahrhunderts beinahe, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.6
Eingebettet in ein liturgisches Zeremoniell dienten die Provinzialsynoden unter anderem der
Verbreitung des allgemeinen Kirchenrechts, setzen eigenes Recht, verhandelten Fälle von
disziplinären Verstößen, regelten Liturgie und Verwaltung. Aber darauf beschränkte sich ihre
Funktion nicht. Gerade in Polen-Litauen befassten sie sich auch mit Landespolitik und fügten sich
in das politische System ein.

1.2 Das politische System der polnischen Adelsrepublik und seine


geistlichen Eliten
Seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich die Staatsform Polens in eine andere Richtung als die
meisten Staaten Europas:7 Während diese sich allmählich in Richtung Absolutismus ausformten,
wurde die Macht des Königtums in Polen zusehends eingeschränkt durch Landtage und einen
Reichstag, der seit Ende des 15. Jahrhunderts s aus zwei Kammern zusammensetzte.8 Die erste
Kammer, der Senat, war aus dem Königlichen Rat hervorgegangen und umfasste Bischöfe und
weltliche Würdenträger.9 Die zweite Kammer hatte sich während der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts ausgebildet und umfasste Delegierte der (adeligen) Landtage (poln. sejmiki).10
Wir haben es hier mit Formen eines vormodernen Parlamentarismus zu tun, der selbstverständlich
noch nicht demokratisch war, sondern vom Adel dominiert, wie schon die populäre, wenn auch
wissenschaftlich nicht unumstrittene Bezeichnung "Adelsrepublik"11 suggeriert. Die starke Position

dreijährigen Turnus für Provinzialsynoden: Vgl. ebd., S. 631-632.


6 Vgl. die Auflistungen der polnischen Provinzialsynoden des Mittelalters und der Reformationszeit auf der
Internetseite der Bearbeiter für die polnischen und böhmischen Synoden im Lexikon-Projekt „Konzilienlexikon”:
http://wwws.phil.uni-passau.de/geschichte_osteuropa/Konzilienlexikon/kl_polen_MA.html sowie
http://wwws.phil.uni-passau.de/geschichte_osteuropa/Konzilienlexikon/kl_polen_Ref.html (Stand: 12.06.2013).
7 Vgl. Bardach, Juliusz: O genezie sejmu polskiego [Über die Genese des polnischen Reichstags], in: Pamiętnik VIII
powszechnego zjazdu historków polskich w Krakowie 14-17 września 1958r.[Erinnerungsbuch der 8. allgemeinen
Zusammenkunft polnischer Historiker in Krakau von 14. - 17. September 1558], Bd. 1: Referaty [Referate], Teil 2,
Warszawa: Polskie Towarzystwo Historyczne, 1958, S. 521-544, hier S. 521.
8 Zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Königtum und sich entwickelden Repräsentativorganen im 15.
Jahrhundert vgl. Fałkowski, Wojciech: Regimen Politicum et Regale. The Principle of Government in 15th-century
Poland, in: Quaestiones medii aevi novae, 1. Jahrgang, 1996, S. 115-126.
9 Vgl. Sucheni-Grabowska, Anna: Kształtowanie się koncepcji Senatu w XVI wieku, in: Matwijowski, Krystyn /
Pietrzak, Jerzy (Hrsg.): Senat w Polsce. Dzieje i teraźniejszość. Sesja Naukowa. Kraków 25 i 26 maja 1993 [Der
Senat in Polen. Geschichte und Gegenwart. Wissenschaftliche Sitzung Krakau 25. und 26. Mai 1993], Warszawa:
Kancelaria Senatu RP Biuro Informacyjne, 1993, S. 35-53, hier S. 35.
10 Vgl. Uruszczak, Wacław: Poselstwo sejmowe w dawnej Polsce. Posłaniec, madatariusz, poseł narodu, in:
Czasopismo prawno-historyczne, 61. Jahrgang, 2009, S. 48-63, hier S. 52-56.
11 Der Republik-Begriff (poln. rzeczpospolita)ist zeitgenössisch; seit dem 18. Jahrhundert verbreitete sich auch der
Terminus „république des nobles”. Allerdings ist der Begriff „Adelsrepublik” in der Forschung nicht unumstritten,
weil er die dennoch stets vorhandenen monarchischen Strukturen zu sehr in den Hintergrund spielt. Vgl. Bömelburg,
Hans-Jürgen: Forschungstendenzen und Quelleneditionen, in: Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Polen in der
europäischen Geschichte. Ein Handbuch in vier Bänden, Bd. 2: Frühe Neuzeit, Stuttgart: Anton Hiersemann, 2011,
S. 1-31, hier 8. Laut Wacław Uruszczak bezeichnete der zeitgenössische Republik-Begriff nicht die Staatsform,
sondern meinte lediglich die „gemeinsame Sache”, die „gemeinsame Angelegenheit”, das „Gemeinwohl”.Vgl.
Uruszczak, Wacław: In Polonia lex est rex. Niektóre cechy ustroju Rzeczypospolitej XVI-XVII w. [Einige
Kennzeichen der Staatsform der Republik des 16. - 17. Jh.], in: Brodacki, Jakub (Hrsg.): Polska na tle Europy XVI-
XVII wieku. Konferencja Muzeum Historii Polski Warszawa 23-24 października 2006 [Polen vor dem Hintergrund
Europas des 16. - 17. Jahrhunderts. Konferenz des Museums der Geschichte Polen Warschau 23.-24. Oktober 2006],
Warszawa: Muzeum Historii Polski w Warszawie, 2007, S. 14-26, hier S. 25. Er bevorzugt deshalb - in Anlehnung
an Anna Sucheni-Grabowska - den Terminus „adelige parlamentarische Monarchie” (poln. szlachecka monarchia
parlamentarna): Uruszczak, Waclaw: Respublica bene constituta. Ustrojowy kształt polskiej monarchii Jagiellonów
[Die strukturelle Ausgestaltung der polnischen Monarchie der Jagiellonen], in: Smołucha, Janusz et al. (Hrsg.):
Historia vero testis temporum. Księga jubileuszowa poświęcona Profesorowi Krzysztofowi Baczkowskiemu w 70.
rocznicę urodzin [Jubiläumsbuch gewidmet Professor Krzysztof Baczkowski zum 70. Geburtstag], Kraków:
Wydawnictwo Towarzystwa Naukowego Societas Vistulana, 2008, S. 131-153, hier S. 132.
des Adels verwundert nicht, war der polnische Adel doch sowohl mit umfangreichen Privilegien
ausgestattet12 als auch außergewöhnlich zahlreich. Je nach Einschätzung machte er in Polen
zwischen 8 und 10 Prozent der Bevölkerung aus, im gesamten Polen-Litauen zwischen 6 und 7,5
Prozent.13 Innerhalb des Adels galt der Gleichheitsgrundsatz: Alle Adeligen vom besitzlosen
Adeligen bis hin zum fürstenähnlichen Magnaten waren vor dem Gesetz gleich und verfügten auf
dem Reichstag jeweils über eine, gleichwertige Stimme. Adelstitel waren in Polen-Litauen nicht
gebräuchlich.14
Der Klerus erscheint auf den ersten Blick in diesem System unterrepräsentiert. Abgesehen von den
Bischöfen ist die geistliche Elite in das parlamentarische System kaum eingebunden. Manche
Forscher nutzen dieses Faktum als ein Argument, dem polnischen Klerus seinen Charakter als Stand
abzusprechen, zumal der Großteil der geistlichen Eliten – vor allem Bischöfe und Kapitularklerus –
adeliger Herkunft war.15 Um die die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert wollte der Adel sich
sogar den exklusiven Zugang zu den wichtigsten Domkapiteln sichern, später auch zu den
Abtwürden.16 Allerdings fanden diese Gesetze nicht immer Beachtung, insbesondere außerhalb der
fünf zentralen Bistümer.17 Außerdem waren sie sogenannte Doktorenpfründe für akademisch
gebildete Nicht-Adelige aufgeweicht.18 So blieb der gemischter, adelig-bürgerlicher Charkter der
Domkapitel erhalten – wenn auch mit deutlichem Übergewicht des Adels.19
Der Kapitularklerus war überdurchschnittlich gebildet, verfügte bereits im Mittelalter relativ häufig
über ein Universitätsstudium.20 Viele Prälaten und Domherren waren in der Verwaltung tätig, vor
allem in der königlichen Kanzlei, weil Domherrenpfründe häufig eine Rolle bei der Versorgung von
Mitgliedern des Staatsapparats spielten.21 Unter König Sigismund I. gehörten die Mitglieder der

12 Einen ersten Überblick über die Adelsprivilegien im Hinblick auf das parlamentarische System bietet bspw. Dücker,
Julia: Reichsversammlungen im Spätmittelalter. Politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland,
Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2011, S. 26-27 und S. 34-35.
13 Älteren Darstellungen geben für Polen zumeist einen Anteil von 8 % des Adels an der Gesamtbevölkerung an: Vgl.
bspw. Mikliss, Peter: Deutscher und polnischer Adel im Vergleich. Adel und Adelsbeziehungen in der deutschen und
polnischen verfassungsgeschichtlichen Entwicklung sowie die rechtliche Problematik polnischer
Adelsbezeichnungen n ach deutschem Recht, Berlin: Duncker & Humblot, 1981, S. 12. Neuere Darstellungen
schlüsseln die Zahlen stärker nach Regionen auf und korrigieren sie für Polen-Litauen zusammengenommen etwas
nach unten. Robert I. Frost geht aufgrund lokaler Studien von einem Prozentsatz von 6 bis 7,5 für Polen-Litauen
insgesamt aus: Frost, Robert I: The Nobility of Poland-Lithuania 1569-1795, in: Scott, Hamish M.: The European
Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2: Northern, Central and Eastern Europe, Basingstoke /
New York: Palgrave Macmillan, S. 266-310, hier S. 275. Igor Kąkolewski geht von 4 bis 6 % in Groß-und
Kleinpolen, aber über 23 % in Masowien und damit von 10 % für das Gebiet der Krone insgesamt aus, dafür von
nur 2 bis 3 % in Ruthenien und knapp einem Prozent in Litauen: Kąkolewski, Igor: Sozialverfassung und adelige
Privilegiensicherung, in: Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in
vier Bänden, Bd. 2: Frühe Neuzeit, Stuttgart: Anton Hiersemann, 2011, S. 61-90, hier S. 69.
14 Vgl. Mikliss, Deutscher und polnischer Adel, S. 64, 75-87, 99-109 sowie Kąkolewski, Sozialverfassung und adelige
Privilegiensicherung, S. 71.
15 Vgl. Hoensch, Jörg K., Sozialverfassung und politische Reform. Polen im vorrevolutionären Zeitalter, Köln / Wien:
Böhlau Verlag, 1973, S. 116-117.
16 Vgl. Hoensch, Sozialverfassung, S. 119 sowie Radzimiński, Andrzej: Königliche Herrschaft und kirchliche
Gemeinschaften im spätmittelalterlichen Polen, in: Fałkowski, Wojciech et al. (Hrsg.): Ritualisierung politischer
Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2010, S.
211-224, hier S. 217-218.
17 Vgl. Kąkolewski, Sozialverfassung und adelige Privilegiensicherung, S. 78.
18 Vgl. Lutyński, Konrad: Kapituła katedralna w Poznaniu w XVI wieku. Organizacja i majątek [Das Domkapitel in
Posen im 16. Jahrhundet. Organisation und Vermögen], Poznań: Uniwersytet im. A. Mickiewicza Wydział
Teologiczny, 2000, S. 58-66.
19 Vgl. Radzimiński, Königliche Herrschaft, S. 218-219.
20 Laut Andrzej Radzimński gehörte der Kapitularklerus in Polen wie auch im restlichen Europa schon seit dem
Spätmittelalter zu den „Berufsgruppen” mit den höchsten Anteil an universitär Gebildeten. Radzimiński, Andrzej:
Duchowieństwo kapituł katedralnych w Polsce XIV i XV w. na tle porównawczym. Studium nad rekrutacją i
drogami awansu [Die Geistlichkeit der Domkapitel im Polen des 14. Und 15. Jh. aus vergleichender Perspektive.
Studie zu Rekrutierung und Karrierewegen], Toruń: Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, 1995, S. 145.
21 Vgl. Radzimiński, Duchowieństwo kapituł katedralnych, S. 152.
königlichen Kanzlei zu 76 % dem geistlichen Stand an22 und auch später noch waren viele Stellen
in der Verwaltung Geistlichen vorbehalten.23
Dies sollte aber nicht über ein klerikales Standesbewusstsein hinwegtäuschen: Gerade die
Kapitulargeistlichen, besonders das Krakauer Domkapitel, erwiesen sich auch innerhalb der Kirche
häufig als einflussreich und vor allem innovativ, setzten Themen auf die Agenda und standen –
gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Protestantismus – hinter Reformbestrebungen.24
Gegenüber dem niederen Klerus als „Muttergruppe“25 der klerikalen Eliten traten sie immer wieder
in einer Mittlerposition auf, leiteten beispielsweise deren Beschwerden gesammelt an den König
weiter.26
Vor allem auf den Provinzialsynoden tritt dieses Standesbewusstein immer wieder zu Tage. Sie sind
das Forum, welches dem Klerus erlaubt, sich als politische Kraft zu formen und aufzutreten.

2 Die politischen Funktionen der Provinzialsynoden in der


polnischen Adelsrepublik
Bei vielen Untersuchungen der Provinzialsynoden stehen kircheninterne Funktionen im
Vordergrund.27 Trotzdem erfüllten die Synoden während des gesamten Untersuchungszeitraums
auch politische Funktionen im Kontext Polen-Litauens.28 Dies wurde dadurch begünstigt, dass sich
das Herrschaftsgebiet des Gnesner Erzbischof weitgehend mit dem des polnischen Königs deckte.
Nur in Ruthenien exisiterte ein weiteres Erzbistum, welches sich allerdings wahrscheinlich
weitgehend an den Beschlüssen der Gnesener Provinzialsynoden orientierte.29

22 Vgl. Kąkolewski, Igor: Kampf um die politische Macht: Die Verfassungsreform zwischen Königtum, Magnaten und
Szlachta, in: Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in vier Bänden,
Bd. 2: Frühe Neuzeit, Stuttgart: Anton Hiersemann, 2011, 91 ff., S. 96.
23 Vgl. Hoensch, Sozialverfassung, S. 123.
24 Vgl. Schramm, Der polnische Adel, S. 207-209.
25 Der Begriff der "Muttergruppe" wird hier verwendet in Anlehnung an Stammer, Otto: Das Elitenproblem in der
Demokratie, in: Stammer, Otto: Politische Soziologie und Demokratieforschung. Ausgewählte Reden und Aufsätze
zur Soziologie und Politik. Aus Anlaß seines 65. Geburtstags herausgegeben von Mitarbeitern und Schülern, Berlin:
Duncher & Humblot, 1965, S. 63-90, hier S. 82.
26
27 Als Beispiel seien die beiden folgenden Überblickswerke genannt: Subera, Ignacy: Synody prowincjonalne
arcybiskupów gnieźnieńskich. Wybór tekstów ze zbioru Jana Wężyka z r. 1716 [Die Provinzialsynoden der
Gnesener Erzbischöfe. Auswahl von Texten aus der Statutensammlung Jan Wężyks aus dem Jahren 1716],
Warszawa: Akademia Teologii Katolickiej, 1981 sowie Góralski, Wojciech: Wprowadzenie do historii
ustawodawstwa synodalnego w Polsce [Einführung in die Geschichte der Synodalgesetzgebung in Polen], Lublin:
Norbertinum, 1991.
28 Vgl. Schmidt, Hans-Joachim, Kirche, Staat, Nation. Raumgliederung der Kirche im mittelalterlichen Europa,
Weimar: Böhlau, 1999, S. 77-79.
29 Seit 1417 hatte jeder Gnesener Erzbischof zugleich auch die Würde eines Primas von Polen inne und war damit dem
Lemberger Erzbischof vorgeordnet. Vgl. Korytkowski, Jan: Arcybiskupi gnieźnieńscy prymasowie i metropolici
polscy od roku 1000 aż do roku 1821 czyli do połączenia arcybiskupstwa gnieźnieńskiego z biskupstem poznańskim
według źródł archiwalnych [Die Gnesener Erzbischöfe, polnische Primaten und Metropoliten, vom Jahr 1000 bis
zum Jahr 1821 also bis zur Zusammenlegung des Gnesener Erzbistums mit dem Posener Bistum nach
Archivquellen], Bd. 2, Poznań: Drukarnia Kuryera Poznańskiego, 1888, S. 45-49.
Bereits 1485 ist eine Teilnahme von Vertretern des Lemberger Erzbischofs und seiner Suffragane auf der Gnesener
Provinzialsynode nachzuweisen. Vgl. Karnkowski, Stanislaus: Constitvtiones Synodorum, Metropolitanae Ecclesiae
Gnesnensis, Prouincialium, tam vetustorum quam recentiorum, usquad Annum Domini, M. D. LXX VIII,
Cracoviae: Andreas Petricouius, 1579, S. 62. Außerdem betonte der Gnesener Erzbischof in den Akten dieser
Synode, dass die Statuten seiner Vorgänger mit Primatialgewalt erlassen hätte. Vgl. ebd., S. 62v.
Einige Beschlüsse der Provinzialsynode, darunter jene zur Kontribution, richten sich auch explizit an die Lemberger
Provinz. Vgl. Wisłocki, Władysław (Hrsg.): Andrzeja na Więcborku Zebrzydowskiego Biskupa włocławskiego i
krakowskiego korespondencyja z lat 1546-1553 z przydaniem Synodów r. 1547 i 1551, jako też innych dokumentów
współczesnych [Korrespondenz von Andreas auf Więcbork Zebrzydowski, Bischof von Włocławek und Krakau, aus
den Jahren 1546-1553 ergänzt um die Synoden der Jahre 1547 und 1551 sowie anderer zeitgenössischer
Diese politischen Funktionen sind den klassischen Parlamentsfunktionen durchaus vergleichbar,30
auch wenn wir hier natürlich – wie auch im Falle des gesamten politischen Systems- von Formen
eines vormodernen Parlamentarismus sprechen. In jedem Fall qualifizieren sie die
Provinzialsynoden aber als Standesversammlungen des Klerus.

2.1 Steuerbewilligung
Die wichtigste Steuerabgabe war das subsidium charitativum, das der Klerus mehr oder minder
freiwillig dem König gewährte. Im Untersuchungszeitraum leistete der Klerus kaum ordentliche,
also regelmäßige Steuern.31 Verglichen mit den anderen außerordentlichen Steuern wurden
Synodalkontributionen deutlich häufiger beschlossen und erhoben.32
Schon 1458 forderte das Gnesener Kapitel, dass der Erzbischof eine Provinzialsynode abhalten
müsse, bevor er dem Klerus eine Kontribution auferlege.33 Nicht zufällig erscheint hier die Parallele
zu den Privilegien von Nieszawa für den großpolnischen Adel, die 1454 unter anderem
festschrieben, dass ohne vorherige Abhaltung eines Landtags keine Gesetze erlassen und da
allgemeine militärische Aufgebot nicht einberufen werden dürfe.34
Seit den 1460ern spielen die Provinzialsynoden für die Steuerbewilligung zwar eine zunehmend
größere Rolle. Sie sind aber noch weit davon entfernt, für diese das einzige legitime Forum zu sein.
Tatsächlich dienen die Provinzialsynoden zwar fast immer als Forum der Willensbildung des Klerus
hinsichtlich der Kontributionen. Beschlossen werden diese aber oft erst nachträglich, wobei
zwischen Provinzialsynode und letztlichem Beschluss die Domkapitel häufig durch Korrespondenz
und Boten untereinander kommunizieren und sich koordinieren.35 Das ändert sich bis zum 16.
Jahrhundert zugunsten einer Beschlussfassung auf Provinzialsynoden.
Ihre Haltung zu einer Kontribution schrieben die Domkapitel häufig bereits in den Instruktionen für
ihre Gesandten fest: Zustimmung, Ablehnung oder Orientierung an dem Verhalten anderer

Dokumente], Kraków: Akademia Umiejętności w Krakowie, 1878, S. 513 und 523. Nach dieser Synode wird die
Teilnahme von Mitgliedern des Lemberger Episkopats und die explizite Erwähnung der Gültigkeit auch für die
Lemberger Proivinz immer üblicher. Dies verwundert nicht, ist doch für die Lemberger Provinz eine eigene
Provinzialsynode (1564) sicher belegt, die Abhaltung einer weiteren (1532) wird vermutet. Vgl. Morwaski,
Seweryn (Hrsg.): Akta synodu prowincyonalnego Lwowskiego w roku 1564 odbytego. Z aktów Konsystorza
Metropolitalnego Lwowskiego [Die Akten der Lemberger Provinzialsynode im Jahre 1564. Aus den Akten des
Lemberger Metropolitankonsistoriums], Lwów: W. Maniecki, 1860, S. 7-8.
30 Die hier verwendete Aufteilung der Parlamentsfunktionen orientiert sich an der zusammenfassenden Darstellung
bei Göler, Daniel: Endlich ein echtes Parlament? Die Rahmenbedingungen des Vertrages von Lissabon und das
Europäische Parlament, in: Mittag, Jürgen (Hrsg.): 30 Jahre Direktwahlen zum Europäischen Parlament (1979-
2009). Europawahlen und EP in der Analyse, Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft, 2011, S. 289-311, hier 292-
308.
31 Zu den ordentlichen Steuern, die der polnische Klerus leistete vgl. Karbownik, Henryk: Ciężary stanu duchownego
w Polsce na rzecz państwa od roku 1381 do połowy XVII wieku [Steuern des geistlichen Standes in Polen
zugunsten des Staates vom Jahr 1381 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], Lublin: Towarzystwo Naukowe
Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego, 1980, S. 43-104.
32 Zur außerordentlichen Besteuerung des polnischen Klerus vgl. Karbownik, Ciężary stanu duchownego, S.105- 160.
33 Vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530),
Kraków: Akademia Umiejętności, 1894, S. 430.
34 Zu den Privilegien von Nieszawa vgl. zuletzt Dücker, Reichsversammlungen, S. 34.
35 Nach der Provinzialsynode von 17. bis 21. Juni 1459 traf sich das Gnesener Metropolitankapitel im Oktober erneut
mit Vertretern der Klöster sowie des Posener und Włocławeker Domkapitels und beschloss dabei endgültig die
Kontribution. Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 435.
1462 stimmten auf der Provinzialsynode nur die Gnesener Erzdiözese und die Krakauer Diözese einer Kontribution
zu, die allerdings zumindest im Krakauer Bistum endgültig erst später bewilligt wurde. Vgl. Dlugossius, Joannes:
Annales seu Cronicae Incliti Regni Poloniae Liber Duodecimus 1462-1480, Cracoviae: Polska Akademia
Umiejętności Wydawnictwo Naukowe PWN, 2005, S. 46-47 sowie Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Capitulorum
Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), in: ArchiwumKomisyi Historycznej, 6. Jahrgang, 1891,
S. 1-295, hier S. 21-22. Hier weiter!
Kapitel.36 Mit ihrer Ablehnung setzten die Kapitel sich durchaus mehrfach durch.37
Obwohl der Adel stets bemüht war, dem Klerus auf Reichstagen Steuern auferlegen zu können,
akzeptierte er in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts weitgehend die Steuerbewilligungskompetenz
der Provinzialsynode, was sich darin ausdrückt, dass Reichstage die Abhaltung von
Provinzialsynoden verlangten oder sogar geradezu beschlossen.38

2.2 Politische Willensbildung


Weit über die Steuerbewilligung hinaus boten die Provinzialsynoden dem höheren Klerus das wohl
wichtigste Forum zur politischen Willensbildung, zur Artikulation und Koordination seiner
Interessen.
Den Provinzialsynoden ging außerdem zumeist eine Phase intensiver Kommunikation durch Briefe
oder Boten voraus – zwischen Domkapitel, aber auch zwischen Einzelpersonen.39 Den
Einberufungsschreiben lag für gewöhnlich eine Tagesordnung bei, damit die Teilnehmer sich auf
die Diskussionen vorbereiten konnten.40 Die Kapitelvertreter wurden von den Domkapiteln mit
teilweise sehr ausführlichen Instruktionen ausgestattet, in denen sie ihre Meinung zu den
anstehenden Themen darlegten.41 Provinzialsynoden waren nicht nur ein Forum der direkten
Kommunikation, auf ihnen tauschten die Teilnehmer auch Bücher und adere Texte untereinander
aus.42
Auf Provinzialsynoden besprachen die geistlichen Eliten, wie sie kirchlichen Besitz, Einkünfte und
Privilegien gegen Angriffe des Adels verteidigen konnten. Beispielhaft war hier der Kampf um die
geistliche Gerichtsbarkeit43. Nach Aufkommen des Protestantismus, der in Polen-Litauen stark mit
den ständischen Interessen des Adels verquickt war,44 befassten sie sich damit, wie dessen
Vordringen gestoppt werden konnte: nicht nur mittels Inquisition mit Unterstützung durch den
weltlichen Arm,45 sondern auch durch das Schließen der eigenen Reihen, Klärung der eigenen
Position46 und Verbesserung des eigenen Angebots.47 Aus Beschlüssen zur Reform des Klerus
spricht oft ganz eindeutig die Absicht, das eigene „Image” zu verbessern.48
Gottfried Schramm führt als größte Stärke der polnischen katholischen Kirche während der
Reformation die Seltenheit an, mit welcher höhere Geistliche – also die geistlichen Eliten – vom
römischen Glauben abfielen.49 Als Gründe für die Romtreue nennt er „die Widerstandskraft einer
reichen, in Staat und Gesellschaft tief verankerten Institution”50 sowie „die besonders antiklerikale
Komponente der reformatorischen Bewegung in Polen, die den Zusammenhalt [...] gefestigt haben
wird”51. Die Rolle der Provinzialsynoden für diesen Zusammenhalt sollten wir aber ebenfalls nicht
unterschätzen: Diese übten auf die Teilnehmer – gerade auch die bischöflichen! - einen zum Teil

36
37 Vgl. die Aufstellung der Synodalkontributionen bei Karbownik, Ciężary stanu duchownego, S. 131-137.
38
39
40
41
42
43
44 Vgl. hierzu grundlegend Schramm, Gottfried: Der polnische Adel und die Reformation 1548-1607, Wiesbaden:
Franz Steiner Verlag GmbH, 1965.
45
46
47
48
49 Vgl. Schramm, Der polnische Adel, 204.
50 Ebd., 206.
51 Ebd., 206.
erheblichen Anpassungdruck aus.52
Dieser Punkt überschneidet sich mit einer weiteren Funktion der Provinzialsynoden, der Kontrolle
der Bischöfe.

2.3 Kontrolle
Obwohl Provinzialsynoden keinerlei Wahl- oder Kreationsfunktion für den Episkopat hatten,
versuchten sie dennoch, Kontrolle über diesen auszuüben – gerade auch über sein Auftreten
gegenüber anderen politischen Akteuren und ab dem 16. Jahrhundert vor allem auch auf
Reichstagen.
Bereits im 15. Jahrhundert versuchte beispielsweise eine Provinzialsynode Ende der 1480er-Jahre,
den Krakauer Bischof dazu zu bewegen, den König Kasimir IV. davon zu überzeugen, dass die
Belastungen des Klerus zu hoch seien, um eine Kontribution leisten zu können.53 Die Krakauer
Bischöfe standen dem König traditionell sehr nahe – schon wegen ihrer räumlichen Nähe zum Hof.
Als im 16. Jahrhundert der nun voll ausgeformte Reichstag eine immer größere Rolle spielte, übten
die Provinzialsynode verstärkt auch Kritik am Verhalten der Bischöfe. auf den Reichstagen und
versuchten gleichzeitig, ihnen Versprechen für ihr Verhaltensregeln auf künftigen Reichstagen
abzuringen. Die Provinzialsynode von 1539 kritisierte beispielsweise ein zu großes
Entgegenkommen der Bischöfe gegenüber dem Adel, insbesondere dass sie auf Wunsch der
Reichstage zu leichtfertig Provinzialsynoden zur Steuerbewiligung einberufen und sich nicht
angemessen gegen Einschränkung der kirchlichen Freiheiten zur Wehr setzen würden.54 Auf dem
Reichstag im Jahr zuvor (1538) war das Abtamt Adeligen vorbehalten worden.55 In der Instruktion
für seine Gesandten zur Provinzialsynode des Jahres 1551 übte das Krakauer Kapitel gar eine
regelrechte „Manöverkritik“ am Verhalten der Bischöfe auf dem letzten Reichstag.56

3 Der Wandel der Provinzialsynoden im Kontext der


Transformationen des politischen Systems der
Adelsrepublik
Transformationen erlebten politische Systeme nicht erst seit der ersten Demokratisierungswelle.
Das politische System Polen-Litauens war vom 15. bis zum mindestens zum 17. Jahrhundert in
dauernder Entwicklung begriffen – allerdings einer eher langsamen, evolutionären, die in erster
Linie sich zunächst in einer sukzessiven Ausweitung adeliger Privilegien und aus einer
Ausgestaltung des Parlamentarismus bemerkbar machte.
Juliusz Bardach sieht in Anlehnung an Adolf Pawiński57 die entscheidende Zäsur in dieser

52 Das auffälligste Beispiel hierfür ist die Provinzialsynode des Jahres 1551. Bereits in ihrem Vorfeld äußerte das
Krakauer Domkapitel gegenüber dem Episkopat im Allgemeinen und gegenüber einigen Bischöfen (Andrzej
Zebrzydowski, Jan Drohojowski, Jakub Uchański) im Speziellen den Verdacht, insgesheim dem Protestantismus
nahezustehen: Wisłocki, Andrzeja na S. 477-478, 480-481, 483-484
Von der Synode selbst ist ein ausfährliches Protokoll darüber erhalten, was die einzelnen Bischöfe unter Eid auf
einen Fragenkatalog zu ihren Glaubensüberzeugungen aussagten: Wisłocki, Andrzeja na Więcborku
Zebrzydowskiego, S. 499-512.
53 Vgl. Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie, Handschriftenabteilung Nr. 1962 (Ms. unveröff.), 198-198v
sowie Archiwum Diecezjalne we Włocławku, Akta posiedzeń kapituły Nr. 1a (Ms. unveröff.), 110-111.
54 Vgl. Sawicki, Jakub (Hrsg.): Analecta z rękopisów bibliotek Warszawskich [Analecta aus Handschriften von
Warschauer Bibliotheken], in: Prawo kanoniczne, 3. Jahrgang, 1960, S. 307-363, hier S. 348-349.
55 Vgl. Volumina Legum. Przedruk zbioru praw staraniem XX. Pijarow w Warszawie, od roku 1732 do roku 1782
wydanego, Bd. 1: Ab anno 1347 ad annum 1547, Petersburg: Jozafat Ohryzsko, 1859, S. 257.
56 Vgl. Wisłocki, Andrzeja na Więcborku Zebrzydowskiego, 489-490.
57 Vgl. Pawiński, Adolf: Sejmiki ziemskie. Początek ich i rozwój aż do ustalenia się udziału posłów ziemskich w
ustawodawstwie sejmu walnego 1374- 1505 [Landtage. Ihr Anfang und ihre Entwicklung bis zur Etablierung der
Beteiligung von Landboten an der Gesetzgebung des allgemeinen Reichstags], Warszawa: Eigenverlag, 1895, S. ???
Entwicklung Mitte des 15. Jahrhunderts mit den Privilegien von Nieszawa für den großpolnischen
Adel, die unter anderem besagten, dass der König keine neuen Gesetze und kein allgemeines
militärisches Aufgebot erlassen könne, ohne vorher einen Landtag abzuhalten.58 Wacław Uruszczak
sieht das entscheidende Ereignis darin, dass sich 1493 nach dem Tod Kasimirs IV. der Zwei-
Kammern-Reichstag vollständig ausbildete.59 Dazwischen liegt der Bedeutungszuwachs der
Landtage und seine hierarchische Unterordnung unter den Reichstag im Sinne einer
Delegationsbeziehung.60

3.1 Die Provinzialsynoden unter Kasimir IV. (1448-1492)


Dieses wichtige halbe Jahrhundert war zugleich auch die Regierungszeit eines sehr profilierten
Königs, Kasimir IV., dessen Herrschaft Karol Górski gar als protoabsolutistisch charakterisierte.61
Maria Bogucka setzt seinen Absolutismus hingegen in Anführungszeichen: Wenn man überhaupt
von einem solchen sprechen könne, so habe er auf psychologischen Mechanismen beruht, nicht auf
einer realen sozial-ökonomischen Basis.62 Juliusz Bardach erklärt einen Absolutismus im Polen der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hingegen für nicht existent. Dieser sei mit der belegbaren
Entwicklung der Standesversammlungen unvereinbar.63
Wenig überraschend orientierten die Provinzialsynoden sich in dieser Phase stark am König. Er tritt
mehrfach als Initiator derselben auf, indem er Boten zu den Bischöfen sandte. Hintergrund war in
diesen Fällen der Wunsch nach einer Kontribution.64 Blieb dieser unerfüllt, griff Kasimir auch zu
Drohungen (1474/75).65
Generell dominierte die Steuerbewilligung unter den Funktionen der Provinzialsynoden. Die
Einschätzung Jakub Sawickis, dass die Provinzialsynoden ausschließlich zu diesem Zweck
einberufen wurden, geht zwar zu weit.66 Die Steuerbewilligung spielte aber eine so herausragende
Rolle, sodass andere Funktionen auf den ersten Blick kaum sichtbar sind. Bei genauerem Hinsehen
fällt jedoch auf, dass die Synoden auch die Privilegien, Einkünfte und Besitzungen und Teils auch
das körperliche Wohlergehen des Klerus verteidigten – zumeist gegen Adelige.67

58 Vgl. Bardach, Juliusz et al.: Historia Ustroju i Prawa polskiego [Geschichte der polnischen Verfassung und des
polnischen Rechts], Warszawa: Wydawnictwo Prawnicze LexisNexis, 2003, S. 14, 92 sowie 128-129.
59 Vgl. Uruszczak, Respublica bene constituta, S. 132.
60 Vgl. ebd., S. 145-146 sowie Dücker, Reichsversammlungen, S. 29.
61 Vgl. Górski, Karol: Rządy wewnętrzne Kazimierza Jagiellończyka w Koronie [Die Innenpolitik Kasimirs des
Jagiellonen in der Krone], in: Biskup, Marian / Górski, Karol (Hrsg.): Kazimierz Jagiellończyk. Zbiór studiów o
Polsce drugiej połowy XV wieku [Kasimir der Jagiellone. Sammlung von Studien über Polen in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts], Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe, 1987, S. 82-127, hier S. 122-125.
62 Vgl. Bogucka, Maria: Kazimierz Jagiellończyk i jego czasy [Kasimir der Jagiellone und seine Zeit], Warszawa:
Państwowe Instytut Wydawniczy, 1981, S. 246.
63 Vgl. Bardach, Juliusz: O stawianiu się sejmu polskiego we współczesnej historiografii [Die Entstehung des
polnischen Reichstags in der gegenwärtigen Historiografie], in: Bardach, Juliusz (Hrsg.):Parlamentaryzm w Polsce
we współczesnej historiografii [Der Parlamentarismus in Polen in der gegenwärtigen Historiografie], Warszawa:
Wydawnictwo Sejmowe, 1995, S. 29-54, hier S. 32-34.
64 Zur Provinzialsynode 1469 vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Acta Iudiciorum Ecclesiasticorum Dioecesum
Gneznensis et Poznaniensis (1403-1530), Kraków: Wydawnictwo Komisyi Historycznej Akademii Umiętnosści w
Krakowie, 1902, S. 261. Zur Provinzialsynode 1474 vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et
Vladislaviensis (1408-1530), S. 482-483. Zur Provinzialsynode 1480 vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum
Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), S. 61.
65 Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 489.
66 Vgl. Sawicki, Jakub: Statuty synodalne krakowskie biskupa Jana Konarskiego z 1509 r. [Die Krakauer
Synodalstatuten des Bischofs Jan Konarski aus dem Jahre 1509], Lublin: Towarzystwo Naukowe Katolickiego
Uniwersytetu Lubelskiego, 1961, S. 25-26.
67 Vgl. bspw. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 492;
Ulanowski, Acta Capitulorum Cracoviensis et Plocensis selecta (1438-1523; 1438-1525), S. 59-60 sowie 115;
Korytkowski, Jan: Arcybiskupi Gnieźnieńscy Prymasowie i Metropolici Polscy od roku 1000 aż do roku 1821 czyli
do połączenia arcybiskupstwa gnieźnieńskiego z biskupstwem poznańskiem według źródeł archiwalnych [Die
Gnesener Erzbischöfe, polnische Primaten und Metropoliten vom Jahr 1000 bis ins Jahr 1821 gemäß
Bei solchen Konflikten mit dem Adel wandte sich der Klerus mit Beschwerden an den König,
suchte also die indirekte Konfliktaustragung.68 Ansonsten taucht der Adel nur noch als
Vergleichsobjekt hinsichtlich der Steuerbewilligung auf: Der Klerus machte eine eigene
Kontribution davon abhängig, ob auch der Adel eine Steuer gewährte.69
Hinsichtlich der Reichstag lässt sich der grobe Trend feststellen, dass sich die Frequenz der
Provinzialsynoden jener der weltlichen Tage allmählich anglich. Allerdings setzte sich dieser Trend
nicht geradlinig durch, sondern erlebte einige Rückschläge. Eine weitere Tendenz geht dahin, dass
Provinzialsynoden knapp nach dem allgemeinen Tag zusammentreten.

3.2 Die Provinzialsynoden in der Adelsrepublik vor dem Ende des


Konzils von Trient (1493-1563)
Nachdem der Zwei-Kammern-Reichstag voll ausgebildet war, blieb der König weiterhin als
Initiator von Provinzialsynoden aktiv.70 Auch sein Status als wichtiger Verhandlungspartner der
Provinzialsynoden blieb erhalten. Noch die Provinzialsynode von 1527 widmete rund zwei Fünftel
der Punkte in ihren Statuten der Delegation zum König.71 Allerdings musste er sich diese Rollen
zunehmend mit dem Reichstag teilen, an dem sich die Provinzialsynoden im 16. Jahrhundert immer
stärker orientierten.
Die Nähe zwischen Reichstagen und Provinzialsynoden drückt sich bereits darin aus, dass im Laufe
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Provinzialsynoden zunehmend in Piotrków tagten, dem
Tagungsort der Reichstage. Ab 1530 fanden von den insgesamt 19 Provinzialsynoden 14 in
Piotrków statt, nur fünf an verschiedenen anderen Orten.72
Die Beschlüsse und Diskussionen der Reichstage beinflussten massiv die Tagesordnung,
Diskussionen und Beschlüsse der Provinzialsynoden.
Umgekehrt versuchten auch die Provinzialsynoden gelgentlich mittels ihrer Beschlüsse, Einfluss
auf Themen oder sogar Tagesordnung der Reichstage zu nehmen. 1527 wollte die Provinzialsynode
mit Hilfe des Königs Beratungen zu Zeiten verbieten, an denen Messen stattfanden.73
Doch der König blieb nicht der einzige Verbündete der geistlichen Eliten: Ab Mitte des
Jahrhunderts wichen die Provinzialsynoden allmählich von ihrem Konfrontationskurs gegenüber
dem Adel ab. Immer häufig nahmen sie auf adelige Interessen Rücksicht.74 Außerdem versuchten
sie, Magnaten und Adelige für eine kirchliche Partei oder Klientel zu gewinnen: Schon 1551
forderte das Krakauer Kapitel in der Instruktion für seien Gesandten zur Provinzialsynode dieses
Jahres, dass die Bischöfe ihre Beziehungen als Adelige zugunsten der Kirche nutzen und ihre
Freunde und Angehörigen zu Reichstagen und Synoden mitbringen sollten.75 Die Beschlüsse der
Provinzials 1557 fordern die Bischöfe auf, sich Adeligen gegenüber großzügig zu verhalten und
sich populäre Magnaten für künftige Reichstage gewogen zu halten Auf den Landstagen sollten für
die Wahl gut katholischer Landboten sorgen.76 Diese Strategie war durchaus zukunftsweisend: In

Archivquellen], Poznań: Kuryer Poznański, 1888, 474, Anm. 1; Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie,
Handschriftenabteilung Nr. 1962, Ms. (unveröff.), 198-198v.
68 Vgl. Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie, Handschriftenabteilung Nr. 1962, Ms. (unveröff.), S. 198v-202
bzw.Archiwum Diecezjalne we Włocławku, Akta posiedzeń kapituły Nr. 1a, Ms. (unveröff.), S. 110-116.
69 Vgl. Ulanowski, Acta Capitulorum Gnesnensis, Poznaniensis et Vladislaviensis (1408-1530), S. 492.
70
71 Vgl. Ulanowski, Bolesław (Hrsg.): Materiały do historyi ustawodawstwa synodalnego w Polsce w w. XVI
[Materialien zur Geschichte der Synodalgesetzgebung in Polen im 16. Jahrhundert], in: Archiwum Komisyi
Prawniczej, 1. Jahrgang, 1895, S. 325-556, hier S. 365-378.
72 Vgl.
73 Vgl. Ulanowski, Materiały, S. 368.
74
75 Vgl. Wisłocki, Andrzeja na Więborku Zebrzydowskiego, S. 485 und 489.
76 Vgl. Ulanowski, Materiały, S. 449.
der Magnatenoligarchie herrschten die Großen ebenfalls, indem sie sich eine große Klientel an
Wählern gewogen hielten und mit anderen Magnaten kooperierten.
Die Steuerbewilligung tritt im Vergleich zu anderen politischen Funktionen im 16. Jahrhundert
zurück: Zunehmend mussten die geistigen Eliten sich mit dem selbstbewussten Auftreten des Adel
gegenüber dem Klerus auseinandersetzen. Dieser stand zum Teil auch mit dem Aufkommen des
Protestantismus in Zusammenhang, der in Polen stark mit Adelsinteresssen verquickt war,
wenngleich der Protestantismus nicht auf materielle und politische Ziele des Adels reduziert werden
kann.77 Entsprechend widmeten sich die Provinzialsynoden vermehrt der Auseinandersetzung mit
den konkurrierenden Konfessionen. Vor allem aber versuchte er seinen Besitz, seine Einkünfte,
seinen Einfluss gegen Übergriffe des Adels zu verteidigen. Ein Beispiel hierfür ist die
Auseinandersetzung um die geistliche Gerichtsbarkeit.78

3.3 Das Ende des Konzils von Trient und der Einbruch der
Synodaltätigkeit in der Gnesener Provinz (1564-1600)
Nach dem Ende des Konzil von Trient im Jahr 1564 kam lange keine Provinzialsynoden in der
Gnesener Provinz zusammen. Erst 1577 trat wieder eine zusammen. Auch nach dieser
Provinzialsynode dauert es wieder lange bis zur nächsten im Jahr 1589. Der Grund für diese langen
Pausen waren Befürchtungen der Romtreuen im höheren Klerus, dass die protestanten-freundlichen
Kräfte eine Provinzialsynode zu einem Nationalkonzil unter Beteiligung der Protestanten
umgestalten könnten und dort eine von Rom getrennte Nationalkirche entstünde. Denn nach dem
Konzil von Trient war absehbar geworden, dass auf gesamtkirchlicher Ebene keine
Wiedervereinigung mit den Protestanten stattfinden werde. Provinzialsynoden waren also nur noch
in Zeiten mit einer für die Romtreuen günstigen Konstellation möglich.79
Nimmt man die politischen Funktionen der Provinzialsynode ernst, stellt sich die Frage, wie die
Lücke gefüllt wurde. Möglicherweise verlagerten sie sich zu neuartigen Klerusversammlungen am
Rande der Reichstage, an denen neben den Bischöfen auch Gesandte der Kapitel teilnahmen.
Vertreter von Domkapitel waren zwar von jeher an weltlichen Versammlungen anwesend. In den
frühsten Tagen sind sie häufig die einzig namentlich bekannten Teilnehmer, weil Domkapitel als
erste über entsprechende Akten verfügten. Ihre Funktion beschränkte sich aber auf die Beobachtung
der Verhandlungen oder das Vorbringen von Petitionen.80 Die Versammlungen in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts hatten eine andere Qualität. Dies zeigt sich schon darin, dass das Krakauer Kapitel
seine Gesandten mit einer ausführlichen Instruktionen ausstattete, wie sie sonst für
Provinzialsynoden üblich waren. In einer dieser Instruktionen, jener von 1570, protestierte das
Krakauer Kapitel scharf gegen die Aufforderung, solche Gesandten zu schicken: Diese seit neuartig,
denn bisher hätten die Kapitel nur Gesandte zu Provinzialsynoden, nicht aber zum Reichstag
ernannt. Es befürchtete davon – nicht zu Unrecht - eine Übertragung der
Steuerbewilligungskompetenz auf den Reichstagen.81 Tatsächlich gelang es dem Adel, dem Klerus
auf dem Reichstag 1562 eine einmalige Zehentsteuer aufzuerlegen und auf dem nächsten Reichstag

77 Vgl. Schramm, Der polnische Adel, S. 180-181 sowie 188-204.


78 Schramm?
79 Eine Darstellung dieser Vorgänge findet sich bereits bei Pawiński, Adolf: Synod Piotrkowski w roku 1577 [Die
Piotrkower Synode im Jahr 1577], in: Pawiński, Adolf: Początki panowania w Polsce Stefana Batorego 1575-1577 r.
Listy, uniwersały, instrukcye [Die Anfänge der Herrschaft Stefan Batorys in Polen 1575-1577. Briefe, Universale,
Instruktionen], Warszawa: Skład Główny w Księgarni Gebethnera i Wolffa, 1877, S. I -XXVII, hier S. V -XVI. Vgl.
auch die neuere Darstellungen bei Nasiorowski, Sławomir: „List pasterski“ kard. Bernarda Maciejowskiego [Der
„Hirtenbrief“ des Kardinal Bernhard Maciejowski], Lublin: Redakcja Wydawnictw Katolickiego Uniwersytetu
Lubelskiego, 1992, 22-23; Subera, Synody prowincjonalne, S. 107; Gręźlikowski, Janusz: Recepcja reformy
trydenckiej w diecezji włocławskiej w świetle ustawodawstwa synodalnego, Włocławek: Włocławskie Wydaw.
Diecezjalne, 2000, S. 77 und 81.
80 Vgl. Dücker, Reichsversammlungen, 29.
81 Vgl. Biblioteka Czartoryskich w Krakowie, Sign. Nr. 2095, Ms. unveröff., S. 193 – 206.
1563/64 diesen Beschluss aufrecht zu erhalten.82 Danach immer häufiger, dem Klerus auf den
Reichstagen eine Besteuerung des Zehnten aufzuoktroyieren. Das Krakauer Kapitel protestierte
auch in späteren Instruktionen weiterhin, schwächte den Protest bis 1575 aber sukzessive ab.83

3.4 Das kurze Wiederaufflammen der Synodaltätigkeit in der ersten


Hälfte des 17. Jahrhunderts (1600-1643)
Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert machen Juliusz Bardach und die ihm folgende Schule
erneut eine deutliche Zäsur in der Entwicklung des politischen Systems Polen-Litauens aus. Für ihn
geht die „Adelsdemokratie" in die „Magnatenoligarchie" über.84 Ab dieser Zeit zeichnet sich das
politische System Polen-Litauens durch ein Klientelwesen aus, welches einerseits das politische
System stärker prägte als alle anderen Faktoren,85 andererseits stärker ausgeprägt war als in allen
anderen europäischen Länder dieser Zeit.86 Mithilfe ihrer Klientele nahmen die Magnaten Einfluss
auf die Beratungen und Beschlüsse der Reichstage.
Diese Zeit erlebte ein kurzes Aufleben der Provinzialsynoden, bevor sie 1643 völlig verschwanden:
Immerhin fünf Provinzialsynoden fanden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts statt (1607, .
Wie schon die Synoden des 16. Jahrhunderts befassten sich diese Provinzialsynoden sowohl mit
kirchlichen als auch mit landespolitischen Themen. Gleich die erste im jaher 1607 nahm deutlich
Bezug zu den Geschehnissen in Polen-Litauen, nämlich den Zebrzydowski-Rokosz, eine Art
Aufstand eines Teils des Adels gegen absolutistische Tendenzen und gegenreformatorische
Bestrebungen des Königs. Er wurde letztendlich niedergeschlagen. Diese Niederlage zog dennoch
nicht den Absolutismus nach sich, wohl aber eine Verstärkung der Magnatenherrschaft. Wohl schon
das Einberufungsschreiben oder zumindest eine beiliegende Tagesordnung zur Provinzialsynode
1607 stand im Zeichen dieses Rokosz.87 Die Provinzialsynode korrespondierte sogar mit den
Aufständischen.88
Die Provinzialsynode von 1621 bemühte sich darum die Besteuerung des Zehnten durch die
Reichstage, die dem Klerus im 17. Jahrhundert immer häufiger und höher auferlegt wurde –
allerdings erfolglos.89

3.5 Das Ende der Provinzialsynoden 1643


Um die Mitte des 17. Jahrhundert begannen die Auswüchse der Magnatenoligarchie bereits
allmählich, das parlamentarische System zu lähmen.90 Reichstag und Adel entfielen damit
allmählich als ernstzunehmende Gegnenspieler des Klerus, der unter den gegenreformatorischen
sächsischen Königen ohnehin an Einfluss gewann.91

82 Vgl. Karbownik, Ciężary stanu duchownego, S. 126.


83 Vgl. die Instruktion für die Gesandten des Krakauer Kapitels zum Reichstag 1572 in Archiwum Krakowskiej
Kapituły Katedralnej, Libri Archivi 8, Ms. unveröff., S. 117-120 sowie die Instruktion für die Gesandten zur
Versammlung in Stężyca 1575 in: Archiwum Krakowskiej Kapituły Katedralnej, Libri Archivi 7, Ms. unveröff., S.
111-116.
84 Vgl. Bardach et al., Historia Ustroju i Prawa polskiego, S. 14 sowie 177-181. Die deutsche Übersetzung der Begriffe
nach Wünsch, Ritual und Politik, 245.
85 Vgl. Mączak, Antoni: Klientela. Nieformalne systemy władzy w Polsce i Europie XVI-XVIII w. [Das Klientel.
Informelle Systeme der Herrschaft im Polen und Europa des 16. - 18. Jh.], Warszawa: Semper, 1994, S. 5.
86 Vgl. Schramm, Gottfried: Patronage im Staat, Patronage an der Stelle des Staates, in: Mączak, Antoni (Hrsg.):
Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, München: Oldenbourg, 1988, 153-158, hier S. 155.
87 Dies lässt sich aus einer Instruktion des Włocławeker Domkapitels für seine Gesandten zu dieser Synode schließen,
welche auf eine solche Tagesordnung Bezug nimmt: Archiwum Diecezjalne we Włocławku, Akta posiedzeń kapituły
Nr. 6 (1596-1613), Ms. (unveröff.), 197r-199v, hier 197v-198r.
88 Vgl. Biblioteka Czartoryskich w Krakowie, Sign. Nr. 1623, Ms. (unveröff.), S. 1473-1487.
89 Vgl. Karbownik, Ciężary stanu duchownego, 127-128.
90
91
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde das Steuersystem Polen-Litauens umgestaltet: Der
Klerus wurde durch die Erhebung der Quatiersteuer für die Armee namens Hiberna von nun an zu
einer nennenswerten regelmäßigen Abgabe verpflichtet.92 Karbownik ordnet die Tatsache, dass
1643 das letzte Mal eine Synodalkontribution beschlossen wurde, in den Kontext dieser
Änderungen des Steuersystems ein.93 Damit entfiel auch die Steuerbewilligungsfunktion der
Provinzialsynoden und machte sie für die Politik noch weiter überflüssiger.

4 Schlußfolgerungen
Berücksichtigt man die Provinzialsynoden in ihrer politischen Dimension erscheinen die geistlichen
Eliten Polen-Litauens recht weitgehend in das politische System Polen-Litauens eingebunden.

92 Vgl. Hoensch, Sozialverfassung, 125.


93 Vgl. Karbownik, Ciężary stanu duchownego, 19.

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