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Interne Vertreibung in Kolumbien

Eine Analyse der Lage der intern Vertriebenen und der Arbeit des Verfassungsgerichts
zum Schutz ihrer Grundrechte

Schriftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Bachelor of Arts“ an der
Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Eberhard-Karls Universität Tübingen

Vorgelegt bei:
Prof. Dr. Andreas Boeckh
Tübingen, den 11 Januar 2010

1
Inhaltsverzeichnis

Einleitung................................................................................................................................. 4

Erster Teil
1. Staat und Staatlichkeit in Kolumbien......................................................................7
1.1. Der Zerfall von Staaten und der Zustand des kolumbianischen Staates...................... 7
1.2. Der Ansatz Fragile Staatlichkeit: Kolumbien als versagende Staatlichkeit..….…... 10

2. Sicherheit und Rechtsstaat in Kolumbien.................................................................... 12


2.1. Die Sicherheitslage in Kolumbien.……………………………………………….. 12
2.2. Rechtsstaatsprinzip und die Rechtsstaatlichkeit Kolumbiens.…………..…………. 14

3. Wege aus der Selbstjustiz und die Unabhängigkeit der Justiz................................... 15

Zweiter Teil
4. Zur Situation der Vertriebenen in Kolumbien ............................................................ 20

5. Fürsorgepolitik für die vertriebene Bevölkerung........................................................ 26

6. Die Kontrollfunktion des Verfassungsgerichts bezüglich der Lage der


vertriebenen Bevölkerung............................................................................................ 30
6.1. Die Rechtsfigur des estado de cosas inconstitucional …...………….…………….. 30
6.2. Auflage des Verfassungsgerichts zur Überwindung des
estado de cosas inconstitucional.………….……………………………………….. 32

7. Fazit.................................................................................................................................... 34

8. Bibliographie..................................................................................................................... 34

2
Abkürzungsverzeichnis

CICR International Committee of the Red Cross


CODHES Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento
HRW Human Rights Watch
UNDOC United Nations Office of Drug and Crime
UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees
RSS Red de Solidaridad Social
RUPD Registro único de población desplazada

3
Einleitung

„Was ist das Schwerste von allem?


Was Dir das Leichteste dünkt:
Mit den Augen zu schauen, was vor den Augen liegt.“
(Goethe)

Viele Menschen schrecken vor der automatisch assoziierten Komplexität zurück, die durch
die Erwähnung des Wortes Kolumbien hervorgerufen wird. Wenn man jedoch nie die
Gelegenheit hatte, in Kolumbien selbst als beteiligter Beobachter 1 zu sein, mag es vielen
schwierig erscheinen, sich einen Überblick über die gegenwärtige politische und soziale
Situation Kolumbiens zu verschaffen. Die Janusköpfigkeit des Falles Kolumbien erfordert
somit unbedingt eine intensive empirische und theoretische Auseinandersetzung, die Klarheit
in einen lang anhaltenden internen Konflikt, eine solide Drogenindustrie und eine humanitäre
Krise bringt: So stellt der Verbleib der über 3 Millionen intern vertriebenen Menschen2 eine
weitere drängende Herausforderung für den bereits durch so viele Probleme überforderten
Staat dar.

Zwischen denjenigen, die sich mit dem Wesen der staatlichen Struktur beschäftigen, herrscht
keinerlei Einigkeit darüber, welcher der vermeintlich neuen Arten von Staatlichkeit
Kolumbien zuzuordnen sei. Die Meinungen gehen dabei sehr weit auseinander, so dass u.a.
vom failed state (Failed States Index 2009), einem periodischen Staatszerfall (Waldmann:
2002), einer prekären Staatlichkeit (Bendel/Krennerich: 2006), einer versagenden
Staatlichkeit (Schneckener: 2007) oder von einer fragilen Staatlichkeit (GTZ: 2008) die Rede
ist. Das Urteil derer, die die Lage der vertriebenen Bevölkerung in Kolumbien analysieren, ist
hingegen einstimmig: Die Lage ist nach wie vor besorgniserregend. Diese Meinung wird nicht
nur in der kolumbianischen Bevölkerung, sondern auch durch nationale und internationale

1
Ich werde in dieser Arbeit die Personenspezifizierung der Genus-Debatte in der deutschsprachigen Linguistik
nicht berücksichtigen. Nichtsdestotrotz werden in dieser Arbeit Frauen und Männer als gleichberechtigte
Menschen angesehen.
2
Die offizielle Angabe der Regierung bis einschl. September 2009 besagt, dass es in Kolumbien 3.226.442
intern vertriebene Menschen gibt. Menschenrechtsorganisationen schätzen die Anzahl der Vertriebenen auf
4.000.000 Menschen. Vgl.: http://www.accionsocial.gov.co/Estadisticas/publicacion%20septiembre
%202009.htm; (zuletzt abgerufen am 19.10.09)

4
nicht-staatliche Institutionen vertreten, die seit Jahren die Arbeit der kolumbianischen
Regierung hinsichtlich der Einhaltung der Grund-, Bürger- und Menschenrechte überprüfen.
Interessanterweise teilt die Judikative Kolumbiens diese Sicht der Dinge. Das kolumbianische
Verfassungsgericht bekräftigt diese Ansicht im Rahmen des Gerichtsurteils T-025 aus dem
Jahr 2004. Das Verfassungsgericht gelangt darin zu der Erkenntnis, dass die wiederholten
Verletzungen der Rechte der vertriebenen Bevölkerung auf massive und andauernde Art und
Weise stattgefunden haben. Es kommt zu der Ansicht, dass diese Verletzungen in erster Linie
auf den bewaffneten Konflikt zurückzuführen sind, jedoch die Struktur der Fürsorgepolitik für
die vertriebene Bevölkerung, deren finanzielle Ressourcen und institutionelle Kapazität
unzureichend sind3, mittlerweile einen ebenso großen Anteil daran hat. Von besonderer
Bedeutung in diesem Gerichtsurteil ist die Bezeichnung der Lage der intern vertriebenen
Bevölkerung als ein estado de cosas inconstitucional (Verfassungswidriger Zustand).

Meine Arbeit schließt an dieses Gerichtsurteil des kolumbianischen Gerichtshofs an und geht
der Frage nach, ob sich der mangelhafte Umgang mit der Situation der vertriebenen
Bevölkerung mit der Schwäche der politischen Architektur Kolumbiens erklären lässt. Meine
Grundidee besteht darin, zu überprüfen, welche Möglichkeiten die vertriebene Bevölkerung
hat, um der menschenunwürdigen Situation, in der sie sich nach der Vertreibung befindet, zu
entkommen.

Da ich in der vorliegenden Arbeit den Zusammenhang zwischen Grundrechten und der durch
die Verfassung festgeschriebenen Pflicht des kolumbianischen Staates, deren Einhaltung zu
garantieren, behandle, ist es unabdingbar, das Verhältnis zwischen Staat und Recht zu
thematisieren. Dabei wird von der These ausgegangen, dass in Demokratien Staat und Recht
zusammen gehören und dass diese Verbindung, welche sich in dem Prinzip des Rechtsstaates
ausdrückt, eine große Spannung beinhaltet. Man kann die Problematik der vertriebenen
Bevölkerung Kolumbiens ausgehend von einer Menschenrechtsperspektive durchaus
analysieren. Dafür müsste man sich aber mit dem gesamten Spektrum der Menschenrechte
auseinandersetzen, d.h. sowohl mit den bürgerlich-politischen Rechten des Bürgers gegenüber
dem Staat, als auch mit dem Recht des Menschen auf eine gesicherte wirtschaftliche und
soziale Existenz. Es steht außer Frage, dass die verantwortungslose Haltung des
kolumbianischen Staates hinsichtlich der Einhaltung der Grundrechte der vertriebenen
Bevölkerung in vielen Aspekten mit einer Verletzung der Menschenrechte gleichgesetzt

3
Vgl. UNHCR Kolumbien 2004. Rezension des Gerichtsurteils T-025/2004.

5
werden kann. Ich behandle die Problematik der vertriebenen Bevölkerung jedoch nicht aus
dieser Perspektive. Im Bezug auf die Verletzung ihrer Rechte rede ich in dieser Arbeit von
Grundrechten.

Die Arbeit ist wie folgt strukturiert: Zunächst setze ich mich im ersten Teil mit dem Thema
des Staatszerfalls im Bezug auf Kolumbien auseinander. Anhand des Ansatzes fragile
Staatlichkeit werde ich den Zustand der Staatlichkeit in Kolumbien kurz thematisieren und
anschließend das Vorhandensein eines Rechtstaates in Kolumbien einer Analyse unterziehen.
Ziel dieses Kapitels ist es, die Art von Staatlichkeit in Kolumbien und die Existenz der Figur
des Rechtstaates empirisch zu überprüfen. Im zweiten Teil der Arbeit beschäftige ich mich
mit dem Phänomen der internen Vertreibung in Kolumbien. Dabei konzentriert sich die
Analyse auf vier Aspekte, anhand derer die zentrale Rolle der Judikative hervorgehoben wird.
Erstens wird die Situation der internen Vertriebenen in Kolumbien thematisiert. Zweitens
wird die staatliche Fürsorgepolitik für die vertriebene Bevölkerung dargestellt. Drittens wird
die Tatsache, dass das kolumbianische Verfassungsgericht die Lage der intern vertriebenen
Bevölkerung als einen estado de cosas inconstitucional bezeichnet, erläutert. Schließlich
werden die normativen Vorschläge des Verfassungsgerichts zur Überwindung des estado de
cosas inconstitucional präsentiert.

6
Erster Teil

1. Staat und Staatlichkeit in Kolumbien

1.1 Der Zerfall von Staaten und der Zustand des kolumbianischen Staates
Der moderne Staat wird im Allgemeinen als ein Akteur verstanden, der im Idealfall durch
seine rationale Herrschaftsausübung gekennzeichnet ist. Politische Macht wird mittels einer
herrschenden Organisation, nämlich der Regierung und des bürokratischen Apparates,
ausgeübt (Vgl. Rüb: 2003; Schneckener: 2006). In der Staatsauffassung von Weber ist der
Staat eng mit der legitimen physischen Gewaltanwendung verbunden, so dass er

„[…] ein politischer Anstaltsbetrieb heißen [soll], wenn und insoweit sein Verwaltungsstab
erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges für die Durchführung der Ordnungen in
Anspruch nimmt.“ (Weber: 1980: 28)

Des Weiteren geht die deutsche Staatslehre von Georg Jellinek von drei essentiellen
Elementen des Staates aus: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Demnach konstituiert
sich ein Staat durch den Anspruch auf eine Zentralgewalt, welche wiederum politisch-
institutionelle Kontrolle über ein spezifisches Territorium und die in diesem Territorium
lebende Bevölkerung ausübt (Vgl. Schneckener: 2006). Beide Definitionen konzentrieren sich
auf die flächendeckende Ausübung des Gewaltmonopols in einem abgrenzbaren Territorium
durch eine politische Elite. Dabei übersehen sie jedoch die Rolle der Staatsbürger und
gesellschaftlicher Organisationen bei der Konstituierung des Staates (Rüb 2003: 63). An
dieser Stelle soll angemerkt werden, dass das, was ein Staat zu leisten habe, auch abhängig ist
von der normativen und politischen Vorstellung jeder Kultur (Vgl. Bendel/Krennerich: 2006).
Nicht zuletzt sollte die Leistung eines Staates an der Befriedigung der Grundbedürfnisse
seiner Bevölkerung gemessen werden.

Der Staat wird verstanden als Akteur. Dessen interne Komposition, Form und Grad der
Institutionalisierung, Erfüllung bestimmter Aufgaben, Bereitstellung von Ressourcen, kurz,
die materielle Anreicherung des Staates, machen den Begriff der Staatlichkeit aus. Deshalb
soll Staatlichkeit als ein funktionaler Begriff verstanden werden.

7
Als durch den Sturz von Siad Barre im Jahr 1991 offensichtlich wurde, dass die somalischen
Institutionen ihre Steuerungsfähigkeiten in den wesentlichsten Aufgabenbereichen verloren
hatten, wurde diskutiert, unter welchen Bedingungen Staaten aufhören zu existieren, zur
Diskussion gestellt. Aus dieser Diskussion heraus entstand die Notwendigkeit, eine genauere
Klassifizierung bestimmter Grade von Staatlichkeit vorzunehmen. Auch der kolumbianische
Staat und die Entwicklung seiner Staatlichkeit stehen auf Grund des anhaltenden internen
Konflikts und der mangelhaften Einhaltung der Grund- und Menschenrechte unter ständiger
wissenschaftlicher Beobachtung. Dabei steht der kolumbianische Staat vor allem unter dem
Verdacht, ein zerfallener Staat zu sein. Dass der kolumbianische Staat sein Gewaltmonopol
nicht im ganzen Territorium flächendeckend ausüben kann und somit dort, wo er nicht präsent
ist - weil er versagt hat oder schlicht nie präsent gewesen ist - nichtstaatliche Gewaltakteure
staatliche Funktionen übernehmen und dabei den Staat zum Teil ersetzen, ist bekannt (Vgl.
Helfrich-Bernal 2003:167). Dennoch ist dies ein unzureichender Grund, um die Frage
aufzuwerfen, ob die Existenz des kolumbianischen Staates gefährdet sei.

Als ob „der Prozess der Auszehrung und sinkenden Leistungsfähigkeit staatlicher


Institutionen bis hin zu ihrem Kollaps“ (Spanger: 2002) früher keineswegs existiert hätte,
erwies sich - spätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York - die
offensichtliche Schwäche einer ganzen Reihe von Staaten als eine unmittelbare Gefährdung
der internationalen Ordnung. Der Zerfall von Staaten 4, der sogenannte state failure, wurde
plötzlich zu einem weltpolitischen Problem. Deshalb ist das Augenmerk der Diskussion um
state failure zu sehr auf die Wirkung nach außen konzentriert 5, während die Gefährdung für
die Gewährleistung der inneren Sicherheit kaum thematisiert wird. Da Staatszerfall genuin
einen inneren Prozess darstellt, erfolgt seine Messung „am Erhalt der Staatsautorität und der
politischen Ordnung“ (Spanger 2002: 5) bzw. „an der Entwicklung des Kräfteverhältnisses
von legalen und illegalen Machtapparaten“ (Jäger et al. 2007: 21).

Nach Angaben des kolumbianischen Verteidigungsministeriums verfügt das kolumbianische


Heer über 237.466 Mann6; die Anzahl der Mitglieder der nichtstaatlichen Gewaltakteure lässt
sich schwer einschätzen. Laut Angaben der Regierung haben im Rahmen des
4
Zartman beschreibt den Zerfallsprozess eines Staates als „long term degenerative disease“, welche mit dem
Kollaps der staatlichen Institutionen und Funktionen endet. Vgl. hierzu: Zartman: 1995 (Zusammenfassung). Es
gilt in dieser Diskussion über Staatszerfall zu unterscheiden, ob es sich bei der Bezeichnung „Staatszerfall“ um
einen Prozess oder um einen Zustand handelt.
5
Sowohl in The National Security Strategy of the United States of America (2002) als auch in der Europäischen
Sicherheitsstrategie (2003) „Ein sicheres Europas in einer besseren Welt“ wird Staatszerfall als eine Bedrohung
für die Sicherheit der USA und die der EU wahrgenommen. Der Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahre
2004 „A more secure world“ folgt ebenso dieser Perspektive. Vgl. hierzu: Schneckener 2006: 10.

8
Demobilisierungsprozesses rund 31.000 Paramilitärs ihre Waffen abgegeben. 7 Ungewiss ist
allerdings die Anzahl der Paramilitärs, die noch aktiv sind und auch die Anzahl der
demobilisierten Paramilitärs, die wieder rekrutiert worden sind. Die „Politik der harten Hand“
von Präsident Uribe hat die Guerilla Farc8 deutlich geschwächt. Im Jahr 2002 schätzte die
Regierung das Kontingent der Farc auf 17.000 Guerrilleros. Heute besteht die Farc nach
staatlichen Schätzungen aus rund 8.000 Kämpfern. 9 Ferner wird die Anzahl von ELN-
Kämpfern vom Verteidigungsministerium im Jahr 2004 auf 3.655 geschätzt.10

An diesem Punkt lässt sich offensichtlich feststellen, dass der kolumbianische Staat das
Gewaltmonopol zum Erhalt der politischen Ordnung tatsächlich nicht erfolgreich ausübt und
dass dadurch bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie z. B. die intern vertriebene Bevölkerung,
einer gewissen Gefahr ausgesetzt sind. Geht man von der klassischen These aus, dass der
Staat der einzige legitime Garant der Ordnung ist und dass die Bewahrung des
Gewaltmonopols eine zentrale Staatsaufgabe darstellt, so kann das Stadium des staatlichen
Zerfalls am Grad der Staatsautorität gegenüber illegalen Machtakteuren gemessen werden. Im
kommenden Punkt 1.2 wird dennoch gezeigt, dass für eine endgültige Diagnose des
Staatszerfalls diese Messung unzureichend ist.

Die Staatlichkeit Kolumbien ist zweifelsohne fragil. Die Sicherheitsfunktion wird nur
ansatzweise erfüllt. Der Staat an sich ist dennoch kein zerfallender Staat. Es gilt vielmehr an
dieser Stelle auf das zu achten, was Schneckener (2006: 30) feststellt:

„[F]ragile Staaten erweisen sich oftmals trotz negativer Indikatoren als erstaunlich stabil, wenn
auch auf niedrigem Niveau. Die zu konstatierenden Defizite an Staatlichkeit mögen dabei über
Jahrzehnte Bestand haben und sich sogar von Zeit zu Zeit krisenhaft verschärfen, ohne dass es
jedoch letztlich zum völligen Zusammenbruch jedweder Funktionen käme. Anders formuliert:
Nicht alles was fragil ist oder wirkt, zerfällt auch.“

6
Vgl. Bericht des kolumbianischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009: Logros de la política de
consolidación de la seguridad democrática – PCSD.
7
Vgl. Leave us in peace! Targeting civilians in Colombia’s internal armed conflict. HRW 2008.
8
In Kolumbien gibt es zwei linke Guerillagruppen: die FARC (fuerzas armadas revolucionarias de Colombia)
und der ELN (Ejército liberación nacional). Die paramilitärischen Kräfte AUC (autodefensas unidas de
Colombia) bilden einen dritten nichtstaatlichen Gewaltakteur. Die Justiz in Kolumbien hat enge Verbindungen
zwischen Paramilitärs und dem staatlichen Apparat bewiesen. Aus diesem Grund ist es angebracht, die
Paramilitärs vielmehr als eine parastaatliche Organisation zu verstehen. Vgl. hierzu: rompiendo el control?
Obstáculos a la justicia en las investigaciones de la mafia paramilitar en Colombia. HRW 2009.
9
Vgl. Un líder de las FARC critica a la UE y España por apoyar a Uribe. El Pais. Ausgabe vom 28.01.2008.
10
Vgl. ¿Cómo va el ELN? Revista Semana 2006.

9
1.2 Der Ansatz fragile Staatlichkeit: Kolumbien als versagende Staatlichkeit
Eine sinnvolle Differenzierung bei der Typologisierung staatlicher Entwicklung bietet der
Ansatz fragile Staatlichkeit, welcher von Ulrich Schneckener entwickelt wurde.11 Diesem
Ansatz gelingt insofern eine ausdifferenzierte Analyse der Steuerungsfähigkeit staatlicher
Institutionen, da sich sein Forschungsinteresse nicht auf die dem Staat zweifelsohne
zugrundeliegende Figur des Gewaltmonopols konzentriert, sondern auf drei weitere
wesentliche Kernfunktionen moderner Staaten: Sicherheit, Wohlfahrt und
Legitimität/Rechtsstaatlichkeit.12 Diesem Ansatz zufolge ist von fragiler Staatlichkeit die
Rede, wenn Defizite in allen drei Kernfunktionen oder zumindest in manchen Teilaspekten
davon festgestellt werden können, wobei der Sicherheitsfunktion eine gewichtigere Rolle
zukommt. Das Argument dieser Gewichtung basiert auf der Erkenntnis, dass ohne ein
Mindestmaß an Sicherheit keine nachhaltige Entwicklung im Wohlfahrts-, Legitimitäts- und
Rechtsstaatsbereich stattfinden kann. Ziel dieses Ansatzes ist es, die wesentlichen Ursachen
fragiler Staatlichkeit zu erforschen (Schneckener 2006: 30) und dabei zu erklären, was fragile
Staaten ausmacht. In Fällen fragiler Staatlichkeit gilt es demnach, zwischen der Stabilität
bestimmter Regime und der Stabilität bestimmter Staaten zu unterscheiden. Denn
Regimestabilität und Staatsstabilität sind nicht ein und dasselbe.

Schneckener (2006: 26) geht von der These aus, dass es für fragile Staatlichkeit keine
singuläre Erklärung gibt. Aus diesem Grund müssen jene Faktoren, die die Destabilität einer
bestimmten Staatlichkeit beeinflussen, von Fall zu Fall unterschiedlich gewichtet werden. Um
die vielfältigen destabilisierenden Faktoren für Staatlichkeit zu ordnen, werden diese zudem
nach Faktoren (Struktur- Prozess- und Auslösefaktor) und Ebenen, in denen diese Faktoren
zum Ausdruck kommen (internationale/regionale, nationale und substaatliche Ebene)
unterschieden. Der Ansatz entwickelt vier Typen von Staatlichkeit, die innerhalb eines
Kontinuums platziert werden.

11
Vgl. Ulrich Schneckener: 2006.
12
Ich bin mir dessen bewusst, dass im Zuge der globalen Veränderungen und der daraus resultierenden
Herausforderungen Staaten eine große Zahl unterschiedlicher Aufgaben zu erfüllen haben, welche gewiss über
diese drei breit angelegten Kernaufgaben hinausgehen.

10
Tabelle 1
Vier Typen von Staatlichkeit

Sicherheit Wohlfahrt Legitimität/Rechtsstaat


Typ 1
Konsolidierte
+ + oder +/- + oder +/-
Staatlichkeit
Typ 2
Schwache
+/- N.N. N.N.
Staatlichkeit (fragil 1)
Typ 3
Versagende
-/+ N.N. N.N.
Staatlichkeit (fragil 2)
Typ 4
Gescheiterte
- - -
Staatlichkeit

+ Funktion wird erfüllt


+/- Funktion wird leidlich erfüllt
-/+ Funktion wird nur ansatzweise erfüllt
- Funktion existiert nicht oder nicht mehr
N.N. Alle Kombinationen denkbar
Quelle: Schneckener: 2006

Die Konsolidierung staatlicher Aufgaben ist dann zu erwarten, wenn Sicherheit, Wohlfahrt
und Legitimität/Rechtstaatlichkeit sich gleichermaßen entwickelt haben (1. Typ: konsolidierte
Staatlichkeit). Hingegen wird ein absolutes staatliches Chaos diagnostiziert, wenn diese drei
Funktionen nicht erfüllt werden (4. Typ: gescheiterte bzw. zerfallende Staatlichkeit). Fälle
fragiler Staatlichkeit bilden die zwei Kategorien in der Mitte des Kontinuums: der 2. Typ
schwache Staatlichkeit beschreibt Fälle, in welchen das Gewaltmonopol weitgehend besteht,
aber dennoch Defizite bei der Wohlfahrtsfunktion und/oder Legitimitäts- und
Rechtsstaatfunktion festzustellen sind. Versagende oder verfallende Staatlichkeit als 3. Typ
charakterisiert Staaten, in denen das staatliche Ausüben des Gewaltmonopols bzw. die
Gewährleistung von Sicherheit mangelhaft ist, welche aber im Bereich der Wohlfahrt und der
Rechtsstaatlichkeit oder in einem von beiden Bereichen über eine gewisse

11
Steuerungsfähigkeit verfügen. In diesem Kontext schreibt der Autor dieses Ansatzes
Kolumbien eine versagende Staatlichkeit zu.13

Im folgenden Abschnitt wird versucht, die Staatlichkeit Kolumbiens am Grad der staatlichen
Leistung im Kernbereich der Sicherheit und insbesondere der Rechtsstaatlichkeit zu
analysieren und somit die These, dass in Kolumbien eine versagende Staatlichkeit vorliegt,
empirisch fundiert zu belegen. Der Bereich der Wohlfahrt wird in dieser Arbeit nicht
thematisiert. Auf die Analyse der Wohlfahrtsentwicklung kann allerdings verzichtet werden,
da der Ansatz bei Typ 3 (versagende Staatlichkeit) davon ausgeht, dass im Wohlfahrtbereich
alle möglichen Kombinationen denkbar sind. Auf die Sicherheitslage Kolumbiens werde ich
nicht tiefer eingehen können, da ihre Thematisierung den Rahmen dieser Arbeit sprengen
würde. Knapp werde ich jedoch darstellen, dass Kolumbien in diesem Bereich erhebliche
Defizite aufweist und dass der Kampf gegen den Terror Kolumbien selbst zum Terrorstaat
macht.

2. Sicherheit und Rechtsstaat in Kolumbien

2.1 Die Sicherheitslage in Kolumbien


Für die Feststellung von Sicherheitsdefiziten wird in dem Ansatz fragile Staatlichkeit die
Anwendung von sieben Indikatoren vorgeschlagen (vgl. Schneckener: 2006). Bei sechs
schneidet Kolumbien schlecht ab. Die Aufgabe bezüglich der Kontrolle der Außengrenzen
bildet die einzige Ausnahme. Ein Indikator, den ich hier kurz hervorheben möchte, ist der
„Grad der Bedrohung, die von staatlichen Organen für die physische Sicherheit der Bürger
ausgeht“. Falsos Positivos (extrajudicial executions) werden in Kolumbien Bürger genannt,
die vom Militär umgebracht und in Farc-Uniformen „gesteckt“ werden, um der Öffentlichkeit
einen Erfolg im Kampf gegen die Rebellen der Farc vorgaukeln zu können. Der Fall von
Soacha (Peripherie von Bogotá) im Jahre 2007, bei dem 11 Jugendliche verschwanden und
danach in Ocaña 400 km von Soacha entfernt, verkleidet als Rebellen der Farc in einem
Massengrab gefunden wurden14, ist ein klares Beispiel dafür, dass die kolumbianische
Regierung in diesem Kontext Druck auf das Militär ausübt. Die Untersuchung des Falles gab

13
In dem von Schneckener herausgegebenen Band Fragile Staatlichkeit. „States at Risk“ Zwischen Stabilität
und Scheitern werden unter der Bezeichnung „versagende Staatlichkeit“ die Länder Birma, Georgien,
Indonesien, Jemen, Pakistan und Sri Lanka untersucht. Bei der Arbeit von Schneckener fällt allerdings auf, dass
auch Kolumbien als versagender Staat genannt, aber nicht analysiert wird.
14
Vgl. Tod auf Bestellung. Frankfurter Rundschau. Ausgabe vom 16.08.2009.

12
darüber Aufschluss, dass für die Falsos Positivos eine „offizielle“ Belohnung in Form von
Kopfgeld oder Urlaubstagen ausgezahlt wurde. Deshalb wurde die kolumbianische Regierung
dafür verantwortlich gemacht. Dieser Skandal bewog den UN Special Rapporteur on
extrajudicial executions, Philip Alston, dazu, eine Mission in Kolumbien durchzuführen. Die
Geschehnisse hatten zum Ergebnis, dass der Heereschef Mario Montoya sowie 27
hochrangige Offiziere entlassen wurden. Kurioserweise ist Ex-Heereschef Montoya seit seiner
Entlassung Botschafter in der Dominikanischen Republik.

Eine weitere bedrohliche Situation für die Sicherheitslage Kolumbiens ist die Umbenennung
des Konflikts. Die Wahrnehmung der US-Regierung von George W. Bush, dass Kolumbien
von Terrorismus bedroht sei, wurde vollständig von Präsident Uribe übernommen. Seit Januar
2005 lautet daher die offizielle kolumbianische Botschaft, dass in Kolumbien kein interner
Konflikt herrsche, sondern eine terroristische Bedrohung vorliege. 15 Demzufolge erhielt der
von den USA unterstützte Plan Colombia eine zweite „Konsolidierungsphase“.16 Eine Studie
vom Oktober 2008 des United States Government Accountability Office in Bezug auf die
Ergebnisse des Plan Colombia besagt, dass

„Plan Colombia’s goal of reducing the cultivation, processing, and distribution of illegal narcotics
by 50 percent in 6 years was not fully achieved“ 17

In Kolumbien erreichte die Kokaanbaufläche im Jahr 2002 eine Großenordnung von 102.000
ha18, während sie im Jahr 2007 auf 99.000 ha beziffert wurde. 19 Die jährliche
Kokainproduktion beläuft sich seit 2004 durchschnittlich auf ca. 600 metrische Tonnen.

In Kolumbien sind erhebliche Defizite im Bereich der Sicherheit auszumachen. Eine irrige
Charakterisierung des kolumbianischen Konfliktes bedeutet eine erschwerte Suche nach
Lösungen und führt zu fehlerhaften Entscheidungen bezüglich dessen, was Kolumbien im
Bereich der Sicherheit zu leisten hat. Ob der militärische Weg die Lösung für Kolumbien ist,
ist ein Thema, das nun auch den US-amerikanischen Senat beschäftigt. Nach den schlechten
15
Der Begriff „interner bewaffneter Konflikt“ darf seitdem weder in den Dokumenten der Regierung noch in den
Dokumenten der in Kolumbien akkreditierten Botschaften verwendet werden. Vgl. Si hay guerra, Señor
Presidente. Revista Semana. Ausgabe vom 6.2.2005.
16
Die erste Phase (2000-2006) wurde mit US $7.5 Mrd. ausgestattet, die zweite (2007-2013) mit US $43.836
Mio. Der offizielle Name der zweiten Phase lautet: Strategy to Strengthen Democracy and Promote Social
Development. Vgl. Plan Colombia. Report to the Honorable Joseph R. Biden, Jr. Chairman, Commitee on
Foreing Relations, U.S. Senate. Oktober 2008.
17
Ebd. Einführung.
18
Vgl. World Drug Report 2004. S. 222.
19
Vgl. World Drug Report 2008. S. 238.

13
Ergebnissen des Plan Colombia stehen die ökonomische Nachhaltigkeit der militärischen
Strategie und deren Wirkung auf die Menschenrechte zur Diskussion.

2.2 Rechtsstaatsprinzip und die Rechtstaatlichkeit Kolumbiens


In der Einleitung wurde erwähnt, dass in Demokratien Staat und Recht zusammen gehören
und dass sich durch diese Verbundenheit das Prinzip des Rechtstaates ausdrückt. Im
Allgemeinen wird dieses Prinzip in Staaten angewendet, in denen die Ausübung staatlicher
Macht aufgrund und im Rahmen des Rechts erfolgt (Huster: 2008) mit dem Ziel der
Gewährleistung individueller Freiheit und somit der Schaffung einer gerechten Ordnung bzw.
einer Rechtsordnung (Vgl. Schmitt Glaeser: 2008). Als oberster Maßstab in der inneren
Ordnung eines demokratischen Staates reguliert und limitiert das Recht das staatliche
Handeln. Zugleich sorgt das Recht für eine angemesse Distanz zwischen Staat und
Gesellschaft, mit anderen Worten, für die individuelle Selbstbestimmung im
gesellschaftlichen Raum und für eine regulierte Einmischung des Staates in das private Leben.
Die Idee des Rechtsstaates beinhaltet einerseits das Prinzip der rechtlichen Ordnung,
anderseits das Prinzip der individuellen Freiheit. Für Schmitt Glaeser nimmt diese Distanz
zwischen Staat und Gesellschaft den Grad eines rechtsstaatlichen Gebots an; denn im Falle,
dass dieses Distanzgebot gefährdet wird, „ist auch die Freiheitskraft des Rechtstaates in
Mitleidenschaft gezogen“ (Schmitt Glaeser 2008: 250).

Ausgehend von der oben genannten Definition des Rechtsstaats sind im Bezug auf diese
Arbeit folgende Punkte festzuhalten. Einerseits, wenn man die Lage der Grund-, Bürger- und
Menschenrechte innerhalb eines bestimmten Staates einer Analyse unterzieht, wird es
unabdingbar, einen Blick auf die zentralen Struktureigenschaften des in diesem Territorium
geltenden Rechts zu werfen. Anderseits, dass bedrohte Bevölkerungsgruppen in ihrem Land
von ihren Rechten Gebrauch machen können oder nicht, ist im Sinne des Rechtsstaates
Aufgabe des Staates.

Ob das Recht in Kolumbien inmitten eines anhaltenden Konflikts und bei schwach
ausgeprägten Institutionen eine Chance hat20 ist eine Frage, die sich immer wieder aufdrängt.
Betrachtet man die dort herrschende hohe Straflosigkeit und die Tatsache, dass in manchen
Gebieten des Landes das informelle Rechtssystem der nichtstaatlichen Gewaltakteure mit dem
formellen Rechtssystem des Staates konkurriert, erfüllt Kolumbien für Heidrun Zinecker

20
Vgl. Arango: 2001.

14
(2002) nicht die Bedingungen eines Rechtsstaates. Zu kurz gegriffen erscheint Alexander
Springer diese Auffassung. Er ist der Ansicht,

„dass Kolumbien auf vielen wesentlichen Gebieten kein Rechtsstaat ist, dass aber auch einige
Bereiche existieren, wo die institutionellen Arrangements von 1991 funktionieren“ (Springer
2003: 44)

Der Ansatz fragile Staatlichkeit verwendet elf Indikatoren für die Messung der Defizite bei
der Legitimitäts- und Rechtsstaatsfunktion21, wobei für die hier durchgeführte Analyse nur die
Indikatoren für den Bereich des Rechtsstaates von Interesse sind: (1) Existenz
schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen, (2) Grad der Unabhängigkeit der Justiz und
(3) Ausmaß von Selbstjustiz. Dem Indikator „Existenz schwerwiegender
Menschenrechtsverletzungen“ werde ich mich ausführlicher im zweiten Teil dieser Arbeit
anhand der mangelhaften Einhaltung der Grundrechte der vertriebenen Bevölkerung widmen.
Eine Analyse der Indikatoren zwei und drei erfolgt anhand der Darstellung der Ergebnisse der
Verfassungsgebenden Versammlung von 1990.

3. Wege aus der Selbstjustiz und die Unabhängigkeit der Justiz


Bereits seit Mitte der 70er Jahre fordern verschiedene politische Gruppen in Kolumbien eine
umfassende Reform der Verfassung. Im Jahre 1977 und 1979 richteten Präsident López
Michelsen und sein Nachfolger Turbay eine verfassungsgebende Versammlung ein, deren
Umsetzungen allerdings keine Aussicht auf Erfolg hatten. Beide wurden vom Obersten
Gericht für verfassungswidrig erklärt. Trotz des Scheiterns der Vorschläge liefern diese
Initiativen den Beweis für die allmähliche Entwicklung einer selbstbewussteren
Rechtssprechung in Kolumbien (Springer 2003: 42). Jedoch hatte das ungeahnte Ausmaß an
politischer Gewalt, das mit dem anwachsenden Drogenhandel anfangs der 80er Jahren einher
ging, unmittelbare Auswirkungen auf das Funktionieren der kolumbianischen Justiz. Die
extreme Zunahme der politischen Gewalt stellte dabei die Fähigkeit des kolumbianischen
Staates bezüglich der Ausübung seiner Rechtsstaatsfunktion in Frage. Es war die Zeit des
21
Indikatoren für die Messung der Legitimitäts- und Rechtsfunktion: (1) Umfang politischer Freiheiten (u.a.
Meinungs-, Versammlungsfreiheit), (2) Gewährung politischer Partizipationsrechte (u.a. aktives/passives
Wahlrecht, Konkurrenz um Ämter), (3) Umgang mit der politischen Opposition, (4) Ausmaß von
Wahlfälschungen oder Wahlbetrug, (5) Grad an politischer Teilhabe bei bestimmten Bevölkerungsgruppen (z.B.
Minderheiten), (6) Existenz schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen (z.B. Folter); (7) Akzeptanz des
Regimes bzw. der politischen Ordnung, (8) Grad der Unabhängigkeit der Justiz bzw. keine Gewährung
rechtsstaatlicher Verfahren, (9) Ausmaß von Selbstjustiz, (10) Zustand der öffentlichen Verwaltung und (11)
Ausmaß an Korruption und Klientelismus. Vgl. Schneckener 2006: 23.

15
Drogenkriegs: Da der Drogenhändler und Chef des Medellínkartels, Pablo Escobar, nicht auf
dem institutionellen Weg die rechtliche Figur der Auslieferung verhindern konnte22, bildete er
in der Illegalität mit weiteren potentiellen Auslieferungskandidaten für die im Jahr 1985 die
Gruppe „Los Extraditables“ (die Auslieferbaren) (Jäger et al. 2007: 157). Diese Gruppe
richtete sich vor allem gegen jene Mitglieder des Justizapparats, die sich für eine härtere
Drogenpolitik und somit für die Durchsetzung der Auslieferung der Drogenhändler in die
USA aussprachen. Die Zahl der Morde an Staatsanwälten und Rechtsanwälten nahm von da
an drastisch zu. Der Staat seinerseits verpasste es, in dieser Phase, seine Richter vor
Gewalttaten entsprechend zu schützen. 1884 wurde der damalige Justizminister Rodrigo Lara
Bonilla ermordet. 1985 wurde der Justizpalast von der Guerrilla M-19 besetzt. Im Zuge
dessen wurden die elf höchsten Richter des Landes als Geiseln genommen. Als
Gegenmaßnahme wurde der Palast vom Militär, in einer bis heute ungeklärten Situation,
bombardiert und wichtige Akten gingen in Flammen auf. Alle Guerrilleros und Geiseln
kamen ums Leben (Vgl. König: 2008). Daraufhin wurden nun Politiker zum Ziel der Gewalt.
Der Krieg in Kolumbien konzentrierte sich zwischen 1989 und 1990 auf den Konflikt
zwischen Staat und Drogenmafia. Drei Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen von 1990
wurden konsekutiv ermordet: Luis Carlos Galán, Favorit der Präsidentschaftswahl von 1990,
Bernardo Jaramillo Ossa und Carlos Pizarro Leongómez. Diese drei Kandidaten hatten die
Position für die Auslieferung der Drogenhändler und eine harte Drogenpolitik gemeinsam.
Während sich die Lage der Nation als katastrophal erwies (Vgl. Bejarano: 2001), kam
schließlich Cesar Gaviria von der Partido Liberal an die Macht.

Um des Rechtsstaats und der Stärkung der Institutionen willen gab die Verfassungsgebende
Versammlung (Constituyente) Kolumbien nach knapp 7 Monaten Arbeit im Juli 1991 eine
neue Verfassung. Sie ersetzte die alte Verfassung aus dem Jahre 1886, die bisdato eine
einzige bedeutende Reform im Jahre 1936 erlebt hatte. Die Constituyente bestand aus 70
Mitgliedern, die in freien Wahlen gewählt wurden.23 Daraufhin setzten sich 1.500
Arbeitsgruppen mit rund 150.000 Themen auseinander. Nach Meinung vieler Autoren stattete
die Verfassungsgebende Versammlung Kolumbien mit Elementen für die Reaktivierung des

22
Pablo Escobar schaffte es, eine politische Laufbahn einzuschlagen als er 1983 für einige Monate Mitglied des
Parlaments war.
23
Die Verfassungsgebende Versammlung von Dezember 1990 sammelte Leute aus verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen Kolumbiens, wie etwa aus der Liberalen Partei, der Guerilla-Gruppe AD-M-19,
indigenen Gruppen, etc. Daher die These, dass bei der Constituyente die traditionale Parteien Liberal und
Conservador zum ersten Male das Monopol der Formierung Kolumbiens abgegeben haben. Vgl. hierzu:
Bejarano: 2001 und Grabe: 2004.

16
Rechtsstaates und einer demokratischeren Regierbarkeit aus (Deas et al. 2005). Zentrale
Elemente der neuen Verfassung von 1991 konzentrieren sich vor allem im Bereich der Justiz:

• Ein unabhängiges Verfassungsgericht (Corte Constitutional): Es wurde als


institutionalisierter Beschützer der Verfassung eingerichtet mit besonderer Kompetenz
in der Gesetzesbegutachtung im Bereich der Grundrechte.
• Eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft (Fiscalia General de la Nacion): Sie ist
zuständig für die effektive Bekämpfung der Drogenmafia und der bewaffneten
Akteure sowie für die Minderung der Straflosigkeit. Ein wichtiger Bestandteil der
Fiscalia ist die Abteilung für Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht.
• Ein Oberster Justizrat (Consejo Superior de la Judicatura): Dieser Rat ist zuständig für
eine Verbesserung der internen Verwaltung der Gerichte, die Senkung der internen
Korruption und die Streitschlichtung bei Konflikten zwischen Gerichten.
• Die Tutela: Ähnlich der Verfassungsbeschwerde bezeichnet die Tutela einen
besonderen Schutzantrag. Die Tutela kann bei jedem Richter oder Gericht im
gesamten Territorium von der direkt betroffenen Person oder einer dritten Person
eingebracht werden. Grundlage eine Tutela ist die Verletzung oder Gefährdung eines
Grundrechtes durch eine öffentliche Institution. Über den Antrag muss innerhalb von
zehn Tagen entschieden werden.
• Die Etablierung von 95 Grundrechten (Derechos Fundamentales).

Der neuen Verfassung ist es gelungen, dem kolumbianischen Justizapparat einen größeren
und unabhängigeren Handlungsspielraum zu ermöglichen. Diese Unabhängigkeit ist rechtlich
uneingeschränkt garantiert, in der Praxis hängt der Anspruch auf diese Unabhängigkeit aber
von einer Reihe von Faktoren ab. Diese Faktoren sind sowohl auf die Interessensverflechtung
der Guerilla, der Paramilitärs und nicht zuletzt mancher Politikern im Drogenhandel, auf die
teilweise Schwäche des institutionellen Apparats, aber auch auf die allmächtige Figur des
Präsidenten zurückführen. Wobei letzteres das grundsätzliche Prinzip der Gewaltenteilung
gefährdet.

Springer (2003: 46) stellt fest dass „der mangelhafte persönlicher Schutz der Justizfunktionäre
[…] sicher nicht zu ihrer Unabhängigkeit [beiträgt].24 In diesem Zusammenhang wird weiter
24
Beispielsweise wurde im Jahr 2001 die Staatsanwältin Yolanda Paternina ermordet, als sie für den Fall
„Masacre Chengue“ zuständig war. Dabei brachte sie die Ermordung von 27 Bauern als Resultat einer
„Säuberungsaktion“ mit führenden Militärs in Verbindung. Vgl. Chengue, un pueblo sin justicia ni perdón.
Revista Semana 2008.

17
argumentiert, dass es der Arbeit der Untersuchungsausschüsse des Justizapparats an
staatlicher Unterstützung mangelt.25 Eine Studie der Menschenrechtskommission der
Vereinten Nationen zur Lage der Mitglieder des Justizapparats in Kolumbien berichtete im
Jahr 1998, dass von den 26 Juristen, die im Jahr 1996 weltweit ermorden wurden, die Hälfte
aus Kolumbien stammten.26

Die Bilanz der rechtsstaatlichen Leistung Kolumbiens nach der Einrichtung der Verfassung
von 1991 fällt nicht eindeutig aus (Vgl. Bejarano: 2001). Die Kritik von Zinecker (2002),
dass in Regionen, wo der kolumbianische Staat nicht anwesend ist, die nichtstaatlichen
Gewaltakteure ihre eigenen Rechtsysteme etablieren, kann an dieser Stelle nicht ignoriert
werden. Nach Einschätzung der Comisión Andina de Juristas gab es im Jahr 2001 in rund 200
Gemeinden parallele Rechtssysteme.27 Dennoch könnte man aufgrund der Demobilisierung
von rund 31.000 Paramilitärs und der faktischen Entkräftung der Farc vermuten, dass die
Situation des Parallelismus von legalen und illegalen Rechtsystemen abnehmen wird. Laut
Angabe des Verteidigungsministeriums sind die polizeilichen Kräfte in der Zeit von 2002 bis
2008 in 170 Gemeinden zurückgekehrt.28 Jedoch bleibt bei einer Analyse des Standes des
Rechtssystems in Kolumbien zu berücksichtigen, dass die Zusammensetzung der
Verfassungsgebenden Versammlung als ein historischer Wandel im politischen
Repräsentationssystem Kolumbiens wahrgenommen wird. Daran angelegt bezeichnet
Bejarano (2001: 60) die neue Verfassung als einen political pact zwischen den politischen
Kräften mit dem gemeinsamen Ziel „to promote a way out of the crisis in wich colombian
politics found itself at the beginning of the 1990s“. Die Gründung der unabhängigen
Generalanwaltsschaft, des Verfassungsgerichts und des Obersten Justizrates hat ferner zu
einem größeren Spielraum im Bereich der Justiz beigetragen, so dass gegen Fälle von
Korruption und Klientelismus schärfer vorgegangen wird. Beispielsweise sitzen heute 77 der

25
Vgl. hierzu die Arbeit von Danilo Rojas Betancourth: Balance crítico de la unidad de derechos humanos y
DIH de la Fiscalía General de la Nación. Human Rigth Watch argumentiert in dem Text Las redes de asesinos
de colombia, dass in manchen Gebieten, wie es in der Region del Chucurí der Fall ist, Staatsanwälte die
Untersuchungen nicht durchführen können, da sowohl sie als auch die Zeugen von nicht-staatlichen
Gruppierungen ständig mit dem Tod bedroht werden. Diese Situation hat sich bis heute im gesamten
kolumbianischen Territorium nicht grundlegend geändert. Sie wird ausführlich in Studien über die Straflosigkeit
dokumentiert.
26
Vgl. Report of the Special Rapporteur on the independenceof judges and lawyers. Report on the mission of the
Special Rapporteur to Colombia. Office of the High Commission on Human Rights 1996.
27
Vgl. Comisión Andina de Juristas. Reforma y modernización judicial: Colombia. 2001.
28
170 Gemeinden stellen ca. 10% der Gesamtanzahl kolumbianischer Gemeinden dar. Vgl. Bericht des
kolumbianischen Verteidigungsministeriums Protegiendo Derechos. 2009.

18
insgesamt 247 Abgeordneten, die für den Zeitraum 2006-2010 gewählt wurden, in
Untersuchungshaft, da ihnen direkte Beziehung zu den Paramilitärs nachgewiesen wurden.29
Offensichtlich ist im Bereich der Justiz viel gemacht worden, jedoch wird eine große Anzahl
von Problemen, die der kolumbianische Konflikt mit sich trägt, gewiss nicht mit dieser neuen
Verfassung und auch nicht mit dem von der Justiz gewonnenen Spielraum gelöst werden.
Denn Verfassungen sind nur pathways und können keine Wunder vollbringen (Vgl. Sartori:
1997). Die Freiheitskraft des Rechtsstaates ist mit der Verfassung von 1991 in der Theorie
gewährleistet. Dass dies in der Praxis auch so sei, ist eine Erwartung, die nicht in die
Verfassung gelegt werden sollte (Vgl. Bejarano: 2001), sondern in die politischen
Entscheidungsträger. Sie sind letztlich diejenigen Akteure, die die normativen
Entscheidungen der rechtsstaatlichen Institutionen in die Tat umsetzen können (Vgl. Springer:
2003).

Anhand des Ansatzes fragile Staatlichkeit habe ich mit diesem Teil der Arbeit den Versuch
unternommen, die zentrale staatliche Struktur Kolumbiens hinsichtlich der Sicherheits- und
Rechtsstaatlichkeitslage in einer bewusst knappen Darstellung zu entschleiern. Da ich mich
mit dem Thema auch jenseits der These des Gewaltmonopols beschäftigt habe, wollte ich
begründen, dass der kolumbianische Staat trotz seiner gewichtigen Dauerkrise nicht
untergegangen ist. Er hat in wesentlichen, staatlichen Funktionen zweifellos versagt, wie etwa
beim Ausüben des Gewaltmonopols und somit, allerdings partiell, in der Gewährung der
Sicherheit. An dieser Stelle soll die Tatsache, dass fragile Staaten nicht in der Lage sind, das
Gewaltmonopol erfolgreich, d.h. „sektorenübergreifend auf praktisch alle politischen
Herrschaftsfelder“ auszuüben (Genschel/Zangl: 2007: 12), nicht mit dem Automatismus
gleichgesetzt werden, dass sie aus diesem Grund unmittelbar Schwierigkeiten haben, weitere
staatliche Kernaufgaben erfolgreich zu erfüllen. Der kolumbianische Staat ist in der aktuellen
Situation dazu aufgefordert, parallel zu der Erfüllung essentieller staatlicher Kernfunktionen
im Sicherheits-, Wohlfahrts- und Rechtsstaatsbereich, auch den Drogenhandel, die Präsenz
von nichtstaatlichen Gewaltakteuren und den Verstoß gegen die fundamentalen Grundrechte
benachteiligter Menschengruppen zu unterbinden. Zu dieser Aufgabenkonstellation gehört
auch ein adäquater Umgang mit der Situation der intern Vertriebenen. Letzterem Punkt
widme ich mich im kommenden Teil meiner Arbeit.

29
Zu diesem Thema siehe exemplarisch die Arbeit von „Verdad Abierta“. Text online verfügbar unter:
http://www.verdadabierta.com/web3/parapolitica/1230-la-ultima-ola-de-la-parapolitica; (zuletzt abgerufen am
21.09.09).

19
Zweiter Teil

4. Zur Situation der Vertriebenen in Kolumbien


Die Lage der intern Vertriebenen in Kolumbien ist dramatisch, vor allem in Anbetracht der
ständigen Missachtung ihrer Grundrechte. Daher befindet sich die vertriebene Bevölkerung,
bei der es sich zumeist um einen extrem armen Teil der Bevölkerung handelt, in einer
Situation extremer Verletzbarkeit. Während der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten
Nationen die Lage der Vertriebenen als humanitäre Krise bezeichnet, ist das kolumbianische
Verfassungsgericht der Meinung, dass die mangelhafte Einhaltung der fundamentalen Rechte
der intern vertriebenen Bevölkerung durch die Regierung einen estado de cosas
inconstitucional30 darstellt.

Da die Opfer der Vertreibung großenteils innerhalb der kolumbianischen Staatsgrenzen


bleiben, stellt das Phänomen der Vertreibung in Kolumbien ein internes Phänomen des
Landes dar. Die Opfer der Vertreibung werden daher als Binnenvertriebene oder intern
Vertriebene bezeichnet. Anders als Flüchtlinge31 ist ihr Status durch internationale
Organisationen nicht anerkannt. Daher sind sie für Schutz, Hilfe oder Versorgung auf die
eigene Regierung angewiesen. Das kolumbianische Phänomen der Vertreibung hat seinen
Ursprung in dem seit mehr als 40 Jahren anhaltenden bewaffneten Konflikt. Dieses Phänomen
ist dennoch auch ein unmittelbares Resultat der Drogenindustrie und der Gewalt. Erst in den
1980er Jahren nahm dieses Phänomen umfangreichere Dimensionen an, so dass die interne
Vertreibung in Kolumbien heute als ein Massenphänomen verstanden werden muss.

Die Vertreibung findet im gesamten kolumbianischen Territorium statt. Es gibt allerdings je


nach Gebiet erhebliche Unterschiede. Unter den Vertreibungsgebieten zählen die Region
Amazonas im Süden des Landes mit 753 Fällen und die Inselregion bestehend aus San
Andrés, Providencia und Santa Catalina mit 6 Fällen seit Beginn der Zählung als die am

30
Dieses Konzept beschreibt eine Situation, in der einerseits ein wiederholter Verstoß gegen fundamentale
Rechte mehrerer Bürger (der Verstoß gegen einzelne Menschen ist z.B. nicht konstitutiv) nachzuweisen ist. Der
Begriff verweist andererseits auch auf eine Situation, in der die Ursachen des Verstoßes nicht auf eine einzige
Institution zurückzuführen sind, sondern auf strukturelle Faktoren. Vgl. hierzu Gerichtsurteil (Sentencia) T-
025/2004. Das kolumbianische Verfassungsgericht fällte dieses Urteil hinsichtlich der Lage der Vertriebenen am
22.01.2004.
31
Der Status von Flüchtlingen ist durch die Genfer Flüchtlingskonvention definiert. Als Flüchtling gilt jener
Mensch, der auf der Flucht außerhalb seines Landes ist. Die Übertretung eine internationale Grenze macht den
Status aus. Da die Flüchtlinge heimatlos sind, werden sie durch internationale Organisationen wie die UNHCR
(United Nations High Commissioner for Refugees) geschützt. Vgl. die Arbeit der Hilfsorganisation terre des
hommes zum Thema „Binnenvertriebene. Heimatlos im eigenen Land“.

20
wenigsten betroffen. Hingegen ist das Phänomen der Vertreibungen in anderen ländlichen
Regionen besonders stark ausgeprägt. So kam es in der Region Antioquia zu 534.936, in der
Region Bolivar zu 271.580 und in der Region Magdalena zu 241.221 Fällen von
Vertreibung.32

Karte 1
Herkunftsregionen der Vertriebenen

32
Eine ausführliche Statistik der vertriebenen Bevölkerung Kolumbiens ist im Agencia Presidencial para la
Acción Social y la Cooperación Internacional „Acción Social“ vorhanden. Acción Social ist die staatliche
Sozial behörde, der seit 2005 die Ausführung der gesamten Sozialpolitik, darunter auch die Fürsorgepolitik
zugunsten der vertriebenen Bevölkerung übertragen wurde. Vgl.
http://www.accionsocial.gov.co/Estadisticas/publicacion%20septiembre%202009.htm; (zuletzt abgerufen am
19.10.09).

21
Die Bevölkerungsgruppen, die sich in den für den Kokaanbau, die Kokainherstellung und den
Kokainschmuggel geeigneten Gebieten befinden, sind ständig von Vertreibung bedroht. 63%
der vertrieben Bevölkerung Kolumbiens stammt aus ländlichen Gebieten33 und rund 5,5
Millionen Hektar Land sind verlassen worden.34 Es liegt nahe, dass es für die nichtstaatlichen
Gewaltakteure einfacher ist, sich das Land marginalisierter Bevölkerungsgruppen anzueignen
als das Land der Großgrundbesitzer. In einer Studie der Comisión de seguimiento a la política
pública sobre desplazamiento forzado35 wird gezeigt, dass die traurige Geschichte der
ungerechten Landverteilung in Lateinamerika sich auch in Kolumbien wiederholt: 18,7%
(12.683.460 ha) der gesamten Agrarfläche Kolumbiens gehören 94% der Landeigentümer,
während 1,4% der Landeigentümer über 65,4% (44.260.931 ha) der Agrarfläche verfügen.
Des Weiteren ist die Defensoría del Pueblo36 der Meinung, dass rund 90% der Rekrutierungen
von Milizen für die Stärkung der nichtstaatlichen Gewaltgruppen im ländlichen Raum
stattfinden.37 In ländlichen Regionen hat die Abwesenheit des Staates und somit die
Knappheit staatlicher Ressourcen für Bildung, Gesundheit, Arbeit und nicht zuletzt für
Sicherheit eine lange Tradition. Trotz dieser Unzulänglichkeiten versuchen die lokalen
Bevölkerungsgruppen weiterhin in ihren Gebieten zu bleiben. Denn ihr Land bildet in den
meisten Fällen die einzige Quelle, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Dass manche Regionen des Landes von der Vertreibung mehr betroffen sind als andere, hat
mit der räumlichen Logik des Kokainsgeschäft zu tun. Seitdem der Drogenhandel eine
zentrale Einnahmequelle für die nichtstaatlichen Gewaltakteure ist, macht die Erkämpfung
ländlicher Gebiete zum großen Teil den Kern des gegenwärtigen kolumbianischen Konflikts
aus. Ein Land, das nach Schätzung des United Nations Office of Drug and Crime (UNDOC)
seit 1994 im Durchschnitt 503,86 metrische Tonnen Kokain pro Jahr herstellt 38, ist auf eine
entsprechende Anbaufläche angewiesen. Der Kokaanbau, die Herstellung von Kokain und
dessen Verkauf und Schmuggel gehen mit einem Kampf um Raum, vorwiegend in ländlichen
Regionen einher.

33
Vgl. El reto ante la tragedia humaniataria del desplazamiento forzado. Vol.4. S. 40.
34
Vgl. Cohdes. Víctimas emergentes, S. 3.
35
Diese Kommission ist im Jahr 2005 als Resultat einer bürgerlichen Initiative entstanden. Ziel dieser
Kommission ist die Unterstützung der vom Verfassungsgericht im Jahr 2004 initiierten Untersuchung
hinsichtlich der mangelhaften staatlichen Fürsorgepolitik.
36
Defensoria del Pueblo ist das Büro des Ombudsmannes in Kolumbien. Es wird auch Büro für die
Menschenrechte genannt. Defensoria del Pueblo ist ein Ergebnis der Verfassung von 1991.
37
Vgl. Asi reclutan las Farc. Revista Semana. Ausgabe vom 17.07.2006.
38
Vgl. World Drug Report 2009. S. 199.

22
Es ist eine Tatsache, dass für die Farc eine Agrarreform im Zusammenhang mit jeglicher
politischer Ambition der Machtübernahme keine Rolle mehr spielt. Heute konzentrieren sich
die Aktivitäten der Farc vornehmlich auf den Schutz des Kokaanbaus, die Besteuerung der
Kokainherstellung, den Kokainhandel und die Vermietung von geheimen Flugpisten (Vgl.
Jäger et al. 2007). Den traditionellen Einkommensquellen der 80er Jahren wie Erpressung,
Entführung und Viehdiebstahl kommt heute eine geringere Bedeutung zu. Die Paramilitärs
ihrerseits profitieren auch von der Kokainindustrie. Sie kontrollieren hingegen meist den
Kokainschmuggel und dessen Handelskorridore. Zusätzlich besteuern sie auch die
Entsendung von Kokain.

Die Vertreibung ist insofern auch ein unmittelbares Resultat der Gewalt, da die
Zivilbevölkerung aus Furcht vor der Präsenz der nichtstaatlichen Akteure und der von ihnen
ausgehenden Gewalt fliehen. Beispielsweise wird in Gebieten, in denen die territoriale
Präsenz der Guerilla feststellbar ist, die dort lebende Bevölkerung von den Militärs und den
Paramilitärs stets als Anhänger der Guerilla diffamiert. Diese Verleumdungen werden
wiederum als Argument für die zahlreichen Massaker verwendet, die unter der
kolumbianischen Landbevölkerung kontinuierlich angerichtet werden. Der Angriff auf die
Friedensgemeinde San José de Apartadó, bei dem am 21. Februar 2005 acht Mitglieder
(darunter 2 Kinder) ermordet wurden, belegt diese These.39 Die Guerilla kann hierbei nicht
von dem Verdacht freigesprochen werden, selbst an der Ausübung von Massakern beteiligt zu
sein.

Die Migration in die Städte ist insofern weniger eine freiwillige Entscheidung auf der Suche
nach besseren Arbeitschancen und Lebensbedingungen im klassischen Sinne der Land-
Stadtmigration. Vielmehr handelt es sich dabei um eine erzwungene Migration, welche
erstens auf die Aneignung der ländlichen Gebieten seitens der nichtstaatlichen
Gewaltakteuren, zweitens auf die Angst der Zivilbevölkerung vor gewalttätigen
Konfrontation zwischen den Gewaltakteuren (fast ausschließlich in der Konstellation Guerilla
gegen Militär oder Guerilla gegen Paramilitärs), drittens auf die Angst der Zivilbevölkerung
vor den kontinuierlichen Angriffen gegen sie und deshalb letztlich auf die Präsenz der
Guerilla, der Paramilitärs und der Militärs in diesen Gebieten zurückzuführen ist.

39
Siehe die Internetseite der Friedensgemeinde San José de Apartadó: http://www.cdpsanjose.org/; (zuletzt
abgerufen am 12.11.09) Eine gerichtliche Überprüfung dieses Massakers hat bereits stattgefunden. Ein Soldat
und vier Paramilitärs sitzen deshalb im Gefängnis. Sie haben gestanden, an den Massaker teilgenommen zu
haben. Ein weiterer Prozess hat am 24 August 2009 gegen 10 weitere Militärs begonnen.

23
Die genaue Anzahl der intern Vertriebenen in Kolumbien zu benennen, ist äußerst schwierig.
Denn obwohl die Regierung ein offizielles Registersystem zur Zählung der vertriebenen
Personen40 und zudem eine Methodik zur Statusprüfung von Vertrieben entwickelt hat,
berücksichtigte diese Methodik beispielsweise bis zum Jahr 2008 nicht jene Vertreibungen,
die vor dem Jahr 2000 stattgefunden haben. Ein weiteres Problem dieser Methode bestand
darin, dass jener Binnenvertriebene, der innerhalb eines Jahres seinen Status als solchen beim
Registersystem der vertriebenen Bevölkerung nicht gemeldet hatte, keinen Anspruch auf
humanitäre Nothilfe hatte. Diese Vertriebenen haben dann nur noch Anspruch auf Hilfe zur
Rückkehr oder Umsiedlung. Dabei werden zwei zentrale Aspekte nicht in Betracht gezogen:
Erstens, dass Vertreibung in Kolumbien bereits vor dem Jahr 2000 stattgefunden hat und
zweitens, dass es in Kolumbien vertriebene Bevölkerung gibt, die sich aus Angst vor
Vergeltungsmaßnahmen seitens der nichtstaatlichen Gewaltakteure nicht rechtzeitig oder gar
nicht in das offizielle Registersystem eintragen lässt. Auf Grund der Mängel in diesem
Registersystem erteilte das Verfassungsgericht im Januar 2009 die Auflage, dass diese
Methodik einer dringenden Überprüfung unterzogen werden muss.41 Hierzu argumentiert das
Verfassungsgericht, dass unabhängig vom Jahr der Vertreibung allen vertriebenen Menschen
in Kolumbien das Recht auf humanitäre Nothilfe zusteht. Dem Registersystem zufolge sind
im Jahr 2008 404.152 Personen innerhalb Kolumbiens vertrieben worden, wobei die Hälfte
von ihnen vor dem Jahr 2008 vertrieben wurde und somit nachträglich in das Registersystem
aufgenommen wurde. Dem Registersystem zufolge galten in Kolumbien bis September 2009
3.226.44242 Personen als Binnenvertriebene.

40
Dieses Register heißt Registro único de población desplazada (RUPD). Vgl. Verordnung 2569/2000.
41
Vgl. Beschluss 011 aus dem Jahr 2009.
42
Vgl. die offizielle Angabe der kolumbianischen Regierung. Text online verfügbar unter:
http://www.accionsocial.gov.co/Estadisticas/publicacion%20septiembre%202009.htm; (zuletzt abgerufen am
19.10.09).

24
Tabelle 2
Anzahl der Vertreibungen nach Jahr der Aufnahme in das Registersystem

Jahr* 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004


und vorher
2.965 15.854 43.293 38.824 313.252 378.425 446.910 228.579 216.474

2005 2006 2007 2008 Bis Sept. Gesamtzahl


2009 der Vertriebenen bis September 2009
252.481 294.086 367.185 404.152 223.962 3.226.442

* Zu 2.965 Vertriebenen fehlen genauere Information im Registersystem.


Quelle: Acción Social, 30 September 2009.

5. Fürsorgepolitik für die vertriebene Bevölkerung


Die Legislative leitete im Rahmen des Gesetzes 387 aus dem Jahre 1997 43 zum ersten Mal die
sozialen Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der vertriebenen Bevölkerung ein.
Dieses Gesetz beinhaltet u.a. auch die Definition des Status „vertrieben“ und bestimmt die

43
Vgl. Gesetz 387 aus dem Jahr 1997. Dieses Gesetz bildet den einzigen gesetzlichen Rahmen für die
Entwicklung von Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich der forcierten Vertreibung. Es beinhaltet auch die
Verpflichtungen des Staates gegenüber der vertriebenen Bevölkerung.

25
Fürsorgeverpflichtung des Staates gegenüber der vertriebenen Bevölkerung. Für die
Durchführung der Fürsorgepolitik wurden zwei Büros eingerichtet, ein nationaler Fürsorgerat
44
(Consejo nacional para la atención integral a la población desplazada por la violencia)
und ein nationales Informationsnetzwerk für die vertriebene Bevölkerung (Red nacional de
información para la población desplazada por la violencia). Ferner wurden ein nationaler
Fürsorgefonds (Fondo nacional para la atención integral a la población desplazada por la
violencia), ein nationaler Fürsorgeplan (Plan nacional para la atención integral a la
población desplazada por la violencia) und ein nationales Fürsorgesystem (systema nacional
de atención integral a la población desplazada por la violencia) eingeführt.45 Der Fürsorgerat
spielt eine zentrale Rolle bei der Ausführung dieser Fürsorgepolitik. Dessen Mitglieder sind
für die Formulierung dieser Fürsorgepolitik und für die Gewährleistung der Bereitstellung des
- je nach Programm zur Verfügung stehenden - Budgets zuständig.

Viele der Maßnahmen des Gesetzes 387 haben dennoch aufgrund einer ungenauen
Konzipierung nicht gegriffen. Beispielsweise beinhaltet der Artikel 14 dieses Gesetzes,
welcher die Aspekte der humanitären Hilfe regelt, die Bestimmung, dass die vertriebene
Bevölkerung Recht auf drei Monate humanitäre Hilfe hat und dass ein Antrag auf zusätzliche
drei Monate einmalig gestellt werden kann. Jedoch sind genaue Angaben bezüglich der Höhe
der finanziellen Hilfe im Gesetzestext nicht vorhanden. Die kolumbianische Justiz hat
erkannt, dass das Gesetz 387 essentielle staatliche Verpflichtungen hinsichtlich der Fürsorge
für die vertriebene Bevölkerung vernachlässigt hat. Die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu
modifizieren und zu ergänzen kam im Jahr 2000 in der Figur der Verordnung 2569 46 zum
Ausdruck. Die Modifizierung dieses Gesetzes hatte in erster Linie zum Ziel, zu vermeiden,
dass die Hilfe, die der Staat für die vertriebene Bevölkerung organisiert, durch einen
unübersichtlichen, kostspieligen und somit ineffizienten Bürokratieapparat verteilt wird.

Die Fürsorge für die vertriebene Bevölkerung ist inzwischen größtenteils genauer definiert.
Die Hilfe des kolumbianischen Staates für Menschen, die durch Vertreibung in Not geraten

44
Der Fürsorgerat besteht aus einem Delegierten des Präsidenten, welcher den Vorsitz im Rat innehat, aus dem
Berater des Präsidenten im Bereich der Vertreibung, dem Innenminister, dem Finanzminister, dem
Verteidigungsminister, dem Gesundheitsminister, dem Agrarminister, welcher auch die Aufgaben für die
ländliche Entwicklung innehat, dem Minister für wirtschaftliche Entwicklung, dem Direktor des staatlichen
Planungsinstituts, dem Ombudsmann, dem Berater des Präsidenten im Bereich der Menschenrechte, dem Berater
des Präsidenten im Bereich der Sozialpolitik, dem Hohen Kommissar für den Frieden und dem Direktor des Red
de Solidaridad Social (RSS) (soziales Solidaritätsnetzwerk). Seit dem Jahr 2005 ist das RSS mit dem Büro für
internationale Kooperation fusioniert. Dabei ist die Behörde „Acción Social“ entstanden.
45
Vgl. Gesetz 387/1997. S. 2.
46
Vgl. Verordnung 2569/2000.

26
sind, gliedert sich in drei zentrale Gebiete: (1) Sofortige Hilfe, (2) humanitäre Nothilfe und
(3) Rückkehr- bzw. Umsiedlungsprogramme.

Sofortige Hilfe: Nach der unmittelbaren Vertreibung haben alle Betroffenen Anspruch auf
sofortige Hilfe. Dennoch sind genauere Informationen über die Art der angebotenen Hilfe
weder im Gesetz 387 noch in dessen Modifizierung aus dem Jahr 2000 (Verordnung 2569) zu
finden. Es ist an dieser Stelle zu bemerken, dass diese Verordnung die Bestimmung
beinhaltet, dass die Höhe dieser Hilfe von dem verfügbaren Budget abhängig ist und nicht von
dem, was tatsächlich erforderlich ist, um Menschen nach der Vertreibung angemessen zu
unterstützen.

Humanitäre Nothilfe: Die humanitäre Nothilfe erfolgt nur dann, wenn die vertriebenen
Personen sich im Registersystem der vertriebenen Bevölkerung aufnehmen lassen. Drei
Hilfsmaßnahmen sind in dieser Phase zu unterscheiden. (1) Für vorübergehende
Unterbringung, Ernährung und Körperpflege-Utensilien wird pro Familie und für drei Monate
eine Summe in Höhe von eineinhalb Mindestlöhnen ($ 745.350 COP, bzw. 258,91 EUR) 47
bereitgestellt. Diese spezifische Hilfe kann einmalig auf drei weitere Monate verlängert
werden. Der Antrag auf Verlängerung kann nur unter vier bestimmten Bedingungen gestellt
werden. Wenn ein Familienmitglied körperlich oder geistig behindert ist, wenn ein
Familienmitglied unter einer tödlichen Krankheit leidet, wenn das Familienoberhaupt älter als
65 Jahre alt ist, oder wenn es sich aus Sicht der Behörde für humanitäre Nothilfe um einen
Fall handelt, dessen Ernsthaftigkeit den oben genannten drei Fällen ähnelt. (2) Für
Haushaltsgeräte, Bettwäsche und Matratzen erhält eine vertriebene Familie für drei Monate
eine Summe, welche einem halben Mindestlohn entspricht ($ 248.450 COP, bzw. 86,30
EUR). (3) Für die Fahrtkosten, welche die forcierte Vertreibung verursacht hat, erhält jede
betroffene Familie eine Summe in Höhe eines halben Mindestlohns. Die zwei letztgenannten
Hilfen werden pro Familie nur einmalig vergeben.

Rückkehr- und Umsiedlungsprogramme: Das Recht darauf, beim Zurückkehren in ihre


ursprünglichen Gebiete oder bei einer Umsiedlung an einen neuen Ort Hilfe zu beantragen,
wird von der vertriebenen Bevölkerung kaum in Anspruch genommen. Da der interne
Konflikt immer noch besteht und der Staat somit die Sicherheit weiterhin nicht im gesamten
Territorium gewährleisten kann, sind sich viele Vertriebenen dessen bewusst, dass sich an den

47
Für das Jahr 2009 beläuft sich der Mindestlohn in Kolumbien auf $ 496.900 COP (172,55 EUR).

27
Orten, aus welchen sie geflohen sind, nichts an der Sicherheitslage geändert hat. Das
Zurückkehren stellt für sie insofern eine Gefahr dar. In einer Studie des International
Committee of the Red Cross in Zusammenarbeit mit dem United Nations World Food
Programme aus dem Jahre 2007 über die Lebensbedingungen der vertriebenen Bevölkerung 48
ist die folgende Aussage dokumentiert:

„Sobald keine Garantien bestehen, werden diejenigen Personen, die die Gewalt selber erlebt
haben, nicht zurückkehren. Wieso? Weil woher wir ursprünglich herkommen, hat sich am
Problem nichts geändert“ (Das Zitat stammt aus einer Arbeitsgruppe in Barranquilla.) 49

Ein weiterer zentraler Faktor, der gegen eine Rückkehr spricht, ist die Tatsache, dass die
vertriebene Bevölkerung meist ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen musste. Die oben
erwähnte Studie gibt genaueren Aufschluss über die Situation des Privatbesitzes der
vertriebenen Bevölkerung. In Barranquilla (Verwaltungsregion Atlántico) beispielsweise
haben 42% der Befragten bestätigt, ihren kompletten Grund und Boden aufgegeben zu haben.
70% der Befragten gaben an, ihre Häuser verloren zu haben. Zugleich können dort 61% der
Befragten keinen Landbesitztitel nachweisen, da sie nicht wussten, dass eine solche
Registrierung möglich ist. Eine ähnliche Situation ereignet sich noch einmal in Villavicencio
(Verwaltungsregion Meta). Dort haben die Befragten angegeben, dass 65% von ihnen ihr
Land und 73% ihr Haus aufgegeben mussten. 56% von ihnen können ihren Anspruch auf
Eigentum aus demselben Grund wie in Barranquilla nicht nachweisen. 50

Das Umsiedlungsprogramm stößt auf eine Reihe von Problemen. Grundsätzlich lässt sich
feststellen, dass die Umsiedlung der vertriebenen Bevölkerung schwer realisierbar ist, da dies
in der Regel bedeuten würde, regionalspezifisch ländlich geprägte Menschen dazu zu
zwingen, im städtischen Raum zu wohnen. Die vertriebene Bevölkerung hat große
Anpassungsschwierigkeiten dabei, mit den städtischen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu
Recht zu kommen. Sie sind zum Großteil in einem bäuerlich geprägten Umfeld
aufgewachsen und verfügen somit über explizit ländliche und landwirtschaftliche
Fähigkeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

48
Vgl. Una mirada a la población desplazada en ocho ciudades de Colombia: respuesta institucional local,
condiciones de vida y recomendaciones para su atención. Diese Studie wurde in acht für das Phänomen der
Vertreibung repräsentativen Städten durchgeführt: Barranquilla, Bogotá, Cartagena, Florencia, Medellín, Santa
Marta, Villavicencio und Sincelejo. Bei diesen Städten handelt es sich um jene, in die der Großteil der
vertriebenen Bevölkerung abgewandert ist.
49
Ebd. S. 65.
50
Ebd. S. 64.

28
Es ist offensichtlich, dass mit dem oben dargestellten Fürsorgeprogramm, dessen humanitäre
Nothilfe den Betroffenen im besten Falle für sechs Monate zusteht, die Bedingungen für das
Aufbauen einer neuen und würdigen Existenz nicht ausreichend erfüllt sind. Auch bildet die
jetzige Finanzierung des Umsiedlungsprogramms eine große Hürde für eine erfolgreiche
Realisierung des Programms. Die Verordnung 951 aus dem Jahr 2001 51 reglementiert die
Wohnsituation der vertriebenen Bevölkerung und bestimmt die Höhe des Wohnzuschusses.
Die Regierung bezuschusst den Bau oder den Kauf einer Wohnung in den urbanen Gebieten
mit einer Summe von höchstens 25 Mindestlöhnen (12.422.500 COP bzw. 4.313,75 EUR)
und im ländlichen Raum mit einer Summe von höchstens 18 Mindestlöhnen (8.944.200 COP
bzw. 3.105,9 EUR). Auch die Renovierung einer Wohnung wird bezuschusst. Maximal 15
Mindestlöhne (7.453.500 COP bzw. 2.588,25 EUR) werden für die Renovierung von
Wohnungen im ländlichen Raum zur Verfügung gestellt. Für die Renovierung von
Wohnungen in den Städten stehen der vertriebenen Bevölkerung höchstens 12,5
Mindestlöhne (6.211.250 COP bzw. 2.156, 87 EUR) zu. Für die Miete einer Wohnung kann
die vertriebene Bevölkerung auch einen Zuschuss beantragen. Nach der unmittelbaren
Vertreibung können die vertriebenen Menschen dafür maximal 12,5 Mindestlöhne
(6.211.250 COP bzw. 2.156, 87 EUR) über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren
beantragen. Die vertriebene Bevölkerung bekommt einen staatlichen Zuschuss, um die
Wohnsituation zu regeln. Dennoch führt diese Maßnahme nicht immer dazu, dass die
Wohnsituation der Vertriebenen verbessert wird. Da es sich nur um einen Zuschuss handelt,
müssen die Vertriebenen mit eigenen finanziellen Mitteln zum Hauskauf oder
Renovierungsarbeiten beitragen. In der oben genannten Studie des International Committee
of the Red Cross wird die Wohnsituation der vertriebenen Bevölkerung ausführlich
dokumentiert. In einer Arbeitsgruppe von Frauen aus Florencia, Hauptstadt der Provinz
Caquetá, wurde über die Schwierigkeiten, die Umsiedlung zu verwirklichen, berichtet:

„Man weiß, dass man mit $ 10.200.000 COP (3.541,98 EUR) kein Haus kaufen kann. Man kann
erst ab $ 12.000.000 COP (4.167,03 EUR) etwas finden. Das heißt, dass das, was fehlt, muss man
selber zahlen. Einem wird für das Kaufen eines Hauses eine Frist gesetzt. Aber man hat nicht das
Geld. Auf Grund dessen verliert man den Anspruch auf den Zuschuss“. 52

51
Vgl. Verordnung 951 aus dem Jahr 2001
52
Vgl. Una mirada a la población desplazada en ocho ciudades de Colombia. S. 39.

29
6. Die Kontrollfunktion des Verfassungsgerichts bezüglich der Lage der
vertriebenen Bevölkerung

6.1 Die Rechtsfigur des estado de cosas inconstitucional


Bis November 2003 haben 1150 vertriebene Familien aufgrund der Nichterfüllung der
staatlichen Verpflichtungen zur Gewährleistung adäquater Nothilfe und adäquater
Unterstützung jeweils eine Verfassungsbeschwerde (acciones de Tutelas) 53 eingelegt. Eine
Prüfung dieser Situation durch das kolumbianische Verfassungsgericht im Jahr 2004 führte
dazu, die Handlung der kolumbianischen Regierung in diesen 1150 Fälle als wiederholte
Praxis zu definieren. Diese Situation war konstitutiv, um diese Handlung der Regierung als
verfassungswidrig bzw. als einen estado de cosas inconstitucional zu bezeichnen. Das Urteil
des kolumbianischen Verfassungsgerichts54 basiert auf der Erkenntnis, dass die für die
Durchführung der Fürsorgepolitik zuständigen staatlichen Behörden die nötigen
Modifikationen dieser Politik ausgelassen haben. Diese Situation verhindert, dass das Maß an
angemessenem und effektivem Schutz, welchen die Legislative definiert und die Exekutive
auszuführen hat, erreicht wird.55 Dies geschieht, obwohl die Staatsausgaben für die
Unterstützung der vertriebenen Bevölkerung in Kolumbien absolute Priorität haben. 56 Das
Verfassungsgericht stellt anhand des Gerichtsurteils fest, dass das mangelhafte Eingreifen des
Staates zur Entstehung des sozialen Notstandes, in dem sich die vertriebene Bevölkerung
befindet, beigetragen hat. Dabei betont das Verfassungsgericht ferner, dass der Staat zur
Unterstützung der vertriebenen Bevölkerung verpflichtet ist. Die Argumente für den vom
Verfassungsgericht festgestellten Verstoß gegen fundamentale Rechte der Vertriebenen lassen
sich anhand der pointierten Formulierung des kolumbianischen Verfassungsgerichts
darstellen:

„Das Verfassungsgericht kommt aufgrund der vorliegenden acciones de tutela zum Entschluss,
dass sowohl die Rechte der vertriebenen Bevölkerung als auch anderer in diesem Prozess
beteiligten Akteure verletzt wurden. Einerseits bestand das Risiko einer extremen Verletzbarkeit
der vertriebenen Bevölkerung und andererseits wurde es von Seiten der für sie verantwortlichen
Behörden wiederholt unterlassen, der vertriebenen Bevölkerung generell einen angemessenen und

53
Ähnlich einer Verfassungsbeschwerde in der Deutschen Rechtssprechung kann die Tutela bei jedem Richter
oder Gericht im gesamten Territorium von der direkt betroffenen Person oder einem Dritten eingebracht werden.
Grundlage eine Tutela ist die Verletzung oder Gefährdung eines Grundrechts durch eine öffentliche Institution.
Über den Antrag muss innerhalb von 10 Tagen entschieden werden.
54
Vgl. Gerichtsurteil T-025/2004.
55
Ebd. S. 24 f.
56
Der Artikel 350 der kolumbianischen Verfassung legt fest, dass die Staatsausgaben im Sozialbereich Vorrang
vor anderen Ausgaben haben.

30
effektiven Schutz zu bieten. Bei den betroffenen Rechten handelt es sich um das Recht auf ein
würdevolles Leben, auf die Unversehrtheit der Person, auf Gleichberechtigung, auf Arbeit, auf
Gesundheit, auf Sozialhilfe, auf Erziehung, auf Mindestlohn und auf den besonderen Schutz von
älteren Menschen, Frauen als Familienoberhäuptern und Kindern. Die Verletzung dieser Rechte
hat auf massive, andauernde und wiederholte Art und Weise stattgefunden und kann nicht auf eine
einzelne Behörde zurückgeführt werden, sondern ist vielmehr die Folge eines strukturellen
Problems, welches jegliche Sozialpolitik des Staates und seiner Organe betrifft. Die Gründe dieses
Problems liegen vor allem in der mangelhaften Finanzierung dieser Politik und in der
ungesicherten Fähigkeit der Institutionen, diese Politik umzusetzen. Diese Situation bedeutet eine
Verfassungswidrigkeit, die in dieser Entscheidung formal festgestellt werden wird.“ 57

Wie schon erwähnt räumt die neue kolumbianische Verfassung von 1991 dem Justizapparat
einen größeren und unabhängigeren Handlungsspielraum ein. Die Kontrollfunktion der Justiz
gegenüber der Exekutive und der Legislative ist zunächst damit gewährleistet. Demzufolge
hat das Verfassungsgericht die Möglichkeit bei der Überprüfung unterinstanzlicher
Entscheidungen eine politische Praxis als verfassungswidrig zu bezeichnen. Diese
Entscheidung, durch die ein Tatbestand, der sich in mehreren Fällen wiederholt, als
verfassungswidrig bezeichnet wird, beinhaltet die besondere Feststellung (bzw. Rechtsfigur)
des estado de cosas inconstitucional.

Das Verfassungsgericht offenbart anhand dieses Urteils, dass die besorgniserregende Lage, in
der sich die vertriebene Bevölkerung befindet, Resultat eines strukturellen Problems bei der
Festlegung der Fürsorgepolitik ist. Dabei argumentiert das Verfassungsgericht, dass die
konstitutionelle Verpflichtung des kolumbianischen Staates gegenüber jenem Bürger, der sich
auf Grund der forcierten Vertreibung in einer unwürdigen Situation befindet, darin liegt, ihm
einen entsprechenden Schutz zu gewähren. Zu dieser konstitutionellen Verpflichtung gehört
auch, dass dieser Schutz, verstanden als eine fundamentale staatliche Leistung, nicht
hinausgezögert werden darf.58 Des Weiteren bestimmt das Verfassungsgericht, dass die
internationale Hilfskooperation die Verantwortung des Staates gegenüber dieser Situation
nicht ersetzen darf.

57
Ebd. S. 24.
58
Vgl. Gerichtsurteil T-025/2004. S. 60.

31
6.2 Auflage des Verfassungsgericht zur Überwindung des estado de cosas
inconstitucional
Wie schon erwähnt legen das Gesetzt 387 aus dem Jahr 1997, die Verordnung 2569 aus dem
Jahre 2000 und die Verordnung 951 aus dem Jahr 2001 59 die Fürsorgeverpflichtung des
Staates gegenüber der vertriebenen Bevölkerung fest. Demnach ist der kolumbianische Staat
dazu verpflichtet, mittel- und langfristige Maßnahmen anzustrengen, damit die
Voraussetzungen für die Schaffung ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit (sostenibilidad
económica y social) für die vertriebene Bevölkerung ermöglicht werden können. 60 Hierfür ist
beispielsweise eine vorübergehende und besonders aber eine dauerhafte Lösung der
Wohnsituation unerlässlich. Im Hinblick darauf ist der kolumbianische Staat der Meinung,
dass der Prozess der Wiederansiedlung der vertriebenen Bevölkerung mit dem Anspruch auf
eine ökonomische und soziale Entwicklung einhergehen muss. Beispielsweise kamen der
kolumbianische Präsident und der Minister für ökonomische Entwicklung im Jahr 2001 in der
Verordnung, welche die Wohnpolitik der vertriebenen Bevölkerung regelt, zu der Erkenntnis,
dass der Prozess der Wiederansiedlung der vertriebenen Bevölkerung mit der humanitären
Nothilfe beginnt. Einigung herrscht auch darüber, dass dieser Prozess erst abgeschlossen ist,
wenn bestimmte Voraussetzungen geschaffen worden sind, welche, einerseits, den
Vertriebenen faktische Alternativen für die Wiederherstellung ihrer sozialen und
ökonomischen Lebensbedingungen geben, und ihnen, anderseits, eine Verbesserung der
Lebensbedingungen in Aussicht stellen. 61

Nachdem das Verfassungsgericht im Jahre 2004 die Leistung der Regierung im Bezug auf die
Fürsorge für die vertriebene Bevölkerung einer Analyse unterzog, sieht das
Verfassungsgericht seine Aufgabe darin, dem Direktor von Acción Social nachdrücklich zur
Auflage zu machen, dass der estado de cosas inconstitucional überwunden werden muss.
Zwar sieht das Verfassungsgericht ein, dass Acción Social für die umfassende Durchführung
der Fürsorgepolitik selbstverständlich nicht allein zuständig sein soll 62, dennoch wird Acción
Social für den seit fünf Jahren andauernden estado de cosas inconstitucional vom
Verfassungsgericht verantwortlich gemacht. Grundlage für diese Entscheidung ist die
Tatsache, dass Acción Social von der Regierung als Koordinierungsinstanz für die
59
Um Verwirrungen zu vermeiden. Das Gesetz 387/1997 bildet den Rahmen für die staatliche Fürsorgepolitik
für die vertriebene Bevölkerung. Die Verordnung 2569/2000 stellt dessen Modifizierung dar. Die Verordnung
951/2001 regelt die Wohnsituation der vertriebenen Bevölkerung.
60
Vgl. Verordnung 951/2001, Präambel.
61
Ebd.
62
Für die Ausführung der Fürsorgepolitik hat die kolumbianische Regierung in der Tat einen enormen
bürokratischen Apparat in Gang gebracht. Allein der Fürsorgerat besteht aus mehreren Beratern des Präsidenten
und Ministern.

32
Fürsorgepolitik konzipiert ist. In einem Kommuniqué des Präsidenten des Verfassungsgericht
vom Juli 2009 bezüglich einer Anhörung von Acción Social wird darauf hingewiesen, dass
das Verfassungsgericht von einem Koordinator erwartet, dass er sich darüber im Klaren sein
muss, wie und in welchen Bereichen seines Programms Forschritte gemacht werden müssen;
wenn z. B. Probleme in einer bestimmten Phase auftreten, sollte der Koordinator in der Lage
sein, zu identifizieren, weshalb dort keine Fortschritte gemacht werden und welche
zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind, damit z.B. die vertriebene Bevölkerung von ihren
fundamentalen Rechten Gebrauch machen kann. 63

Um die Überwindung des estado de cosas inconstitucional voranzutreiben, hat das


Verfassungsgericht seit 2004 mehrere Verordnungen und Beschlüsse vorgelegt. Die in den
Beschlüssen beinhalteten Auflagen bilden die normative Grundlage für die Art und Weise,
wie Acción Social diesen Auflagen nachkommen muss. Auf Grund der Komplexität des
Falles thematisiert das Verfassungsgericht die Problematik der vertriebenen Bevölkerung
äußerst ausdifferenziert. So wie die Regelung der Wohnsituation einer konkreten Verordnung
bedurfte, beziehen sich eine Reihe von Beschlüssen explizit auf die Sicherung der Rechte
einzelner vertriebener Akteursgruppen. Beispielsweise haben die Beschlüsse 092 und 237,
beide aus dem Jahr 2008, zum Ziel, der Sicherung der Rechte von vertriebenen Frauen zu
dienen. Ebenso sorgt der Beschluss 251 aus dem Jahr 2008 für die fundamentalen Rechte der
Kinder und Jugendlichen, der Beschluss 004 von 2009 für die fundamentalen Rechte der
Indigenen, der Beschluss 005 von 2009 für die fundamentalen Rechte der
afrikanischstämmigen Bevölkerungsgruppen und der Beschluss 006 aus dem Jahr 2009 für die
fundamentalen Rechte behinderter Menschen.

Bei der Arbeit der Judikative geht es in dem konkreten Fall der internen Vertreibung um die
Regelung des vorläufig verfassungswidrigen Zustandes und um die Sicherung der
Grundrechte der Binnenvertriebenen.
Auf Grund der Tatsache, dass von Acción Social seit 2006 kontinuierlich Rechenschaft über
die Fortschritte bei der Überwindung des estado de cosas inconstitucional gefordert wird,
kommt das Verfassungsgericht zu der Erkenntnis, dass

63
Vgl. Kommuniqué des Präsidenten des Verfassungsgerichts vom Juli 2009. Text online verfügbar unter:
http://www.codhes.org/index.php?option=com_content&task=view&id=573; (zuletzt abgerufen am 07.11.09).

33
„[n]ichts, was bisher von Acción Social präsentiert wurde, garantiert, unserer Meinung nach,
dass die Koordinierungsinstrumente (von Acción Social) zur der adäquaten Überwindung des
estado de cosas inconstitucional führen.“ 64

7. Fazit

Aus dem gemeinsamen Protest des kolumbianischen Verfassungsgerichts, nationaler und


internationaler Nicht-Regierungsorganisationen und des Hohen Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen gegen die Missachtung der Rechte der intern Vertriebenen entsteht die
Forderung nach adäquaten staatlichen Schutzmaßnahmen für die betroffene Bevölkerung.

Mit Hilfe des staatlichen Registersystems lässt sich beobachten, dass die Anzahl der Vertrei-
bungen seit 2004 gravierend zunahm. Anhand der Arbeit des Verfassungsgerichts kann man
feststellen, dass sich an der Lage der Vertriebenen nichts geändert hat. Gleichzeitig wurde der
Forderung der Judikative, den Betroffenen grundsätzlich einen angemessenen und effektiven
Schutz zu bieten, nicht nachgekommen. Für diese Situation machte das Verfassungsgericht in
seinem Gerichtsurteil von 2004 die Regierung und weitere staatlichen Behörden verantwort-
lich. Ferner ist das Verfassungsgericht im Rahmen dieses Urteils zu der Erkenntnis gekom-
men, dass die Lage dieser Bevölkerung einen verfassungswidrigen Zustand darstellt.

Durch die Entscheidung, die Situation der intern vertriebenen Bevölkerung als einen
verfassungswidrigen Zustand zu bezeichnen, zielt das Verfassungsgericht darauf ab, von
jenen staatlichen Instanzen, die den Inhalt der Fürsorgepolitik definiert haben, zu fordern,
dass die von ihnen selbst eingegangenen Kompromisse und bereitgestellten Ressourcen zum
Schutz der Rechte und zur Verbesserung der Lage der Vertriebene eingehalten werden
müssen. Zugleich fordert es auch von ihnen, rechtzeitig jene Veränderungsmaßnahmen zum
ursprünglichen Fürsorgeprogramm einzuleiten, die notwendig wären, damit diese Situation
beseitig werden kann. Infolgedessen machte das Verfassungsgericht es zuerst dem Consejo
Nacional Para la Atención Integral a la Población Desplazada por la Violencia und ab 2005
Acción Social zur Auflage, diesen Zustand zu überwinden.65

64
Ebd.
65
Vgl. Gerichtsurteil T – 025/2004, Absatz 7: „Bestätigung eines verfassungswidrigen Zustandes bezüglich der
Situation der vertriebenen Bevölkerung“ (La constatación de un estado de cosas inconstitucional en la situación
de la población Desplazada) S. 61-67.

34
Bei den missachteten Rechten der vertriebenen Bevölkerung handelt es sich um das Recht auf
ein würdevolles Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Person, das Recht auf
Gleichberechtigung, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf
Sozialhilfe, das Recht auf Erziehung, das Recht auf Mindestlohn und das Recht auf den
besonderen Schutz von älteren Menschen, Frauen als Familienoberhäuptern und Kindern. 66
Das kolumbianische Verfassungsgericht betrachtet in seinem Urteil diese Rechte als
Grundrechte (derechos fundamentales) und als solche sind sie in dieser Arbeit behandelt
worden. Die Diskussion zu eröffnen, ob es sich bei diesen Grundrechten zugleich auch um
Menschenrechte handelt, hätte meiner Meinung nach dazu geführt, dass die Analyse der
Vertreibung in Kolumbien außerhalb ihres Entstehungskontextes stattgefunden hätte. Dessen
ungeachtet muss angemerkt werden, dass die Verletzung der Rechte der Vertriebenen in der
Regel als eine Menschenrechtsverletzung sowohl im nationalen, als auch im internationalen
Kontext wahrgenommen wird.

In dieser Arbeit stützt sich die Analyse der Lage der intern vertriebenen Bevölkerung auf die
Interpretation des Sachverhaltes durch das kolumbianische Verfassungsgericht. Seine
Erkenntnis, dass die intern vertriebene Bevölkerung durch Staatsstrukturen auf massive und
wiederholte Art und Weise entrechtet und erniedrigt wird, ermöglicht der kolumbianischen
Judikative, eine verhindernde Wirkung auf die Macht der Exekutive auszuüben (Vgl. Brodocz
2009). Dank der neuen Verfassung von 1991 ist die Macht der Judikative in Kolumbien heute
ein zentraler politischer Faktor beim Schutz der intern vertriebenen Bevölkerung. Der Ansatz
fragile Staatlichkeit und dessen dritte Typologie der versagenden Staatlichkeit dienten zur
Formulierung der These, dass der kolumbianische Staat trotz Schwierigkeiten bei der
Ausübung des Gewaltmonopols kein zerfallender Staat ist. Vielmehr sollte man die
Staatlichkeit Kolumbiens als eine versagende Staatlichkeit begreifen.

Das Phänomen der internen Vertreibung in Kolumbien und der Verbleib der über 3 Millionen
vertriebenen Menschen stellen eine außergewöhnlich Herausforderung für den Staat dar. So
außergewöhnlich und groß ist diese Herausforderung, dass diese es sogar schafft, die
Kapazität der Staatlichkeit Kolumbiens in Frage zu stellen. Denn eine adäquate Reaktion auf
die Lage der Vertriebenen -gemäß der Forderungen der Judikative- wurde zu einer zentralen
Staatsaufgabe. Dieser Aufgabe ist der kolumbianische Staat bis heute nicht gerecht geworden.
In anderen Worten: Der kolumbianische Staat kommt -in Bezug auf die intern vertriebene
66
Diese ist die genaue Auflistung jener Rechte, die das Verfassungsgericht als missachtete Rechte angibt. Vgl.
hierzu: Gerichtsurteil T – 025/2004. S. 24.

35
Bevölkerung- seiner klassischen Verpflichtung, den Bürgern Kolumbiens Sicherheit und eine
humane Entfaltung zu gewährleisten, nicht nach.

Damit die intern vertriebene Bevölkerung der Situation extremer Verletzbarkeit, in der sie
sich befindet, entkommen kann, ist sie unmittelbar auf Handlungen der Regierung
angewiesen. Denn diese ist der einziger staatliche Akteur, der einen besseren Rechtsschutz
zwar nicht selber realisiert, wohl aber prinzipiell ermöglicht. Nun könnte man fragen: Was
kann der kolumbianische Staat zur Lösung der Vertreibungsproblematik beitragen? Die
Antwort auf diese Kann-Frage richtet sich nach der Kapazität des Staates. Zwar wird die
institutionelle Überforderung des kolumbianischen Staates oft als Rechtfertigung für die
mangelhafte Handlung der Regierung in der Materie der Vertreibung herangezogen, jedoch
gibt es andere Aktionsbereiche, wie etwa die Wirtschaft, die momentane Bekämpfung
nichtstaatlicher Akteuren oder die Pflege der Außenbeziehungen zu den USA, bei denen der
Staat positive Leistungen erbringt. Warum versagt der kolumbianische Staat aber gerade bei
der Verbesserung der Lage der intern vertriebenen Bevölkerung, selbst wenn die Judikative
für diese Aufgabe absolute Priorität fordert? Eine Antwort auf diese Frage bedarf einer
tieferen Auseinandersetzung mit der Struktur des politischen Systems Kolumbiens und wird
daher an dieser Stelle offen bleiben. Betrachtet man jedoch, wie schwierig es für die
Vertriebenen ist, von ihren Rechten Gebrauch zu machen und staatlichen Schutz zu erhalten,
so erscheint es sinnvoll, in Erwägung zu ziehen, ob eine Annäherung der politischen
Entscheidungsträger an das Ideal wahrer politischer Humanität nicht dazu dienen würde,
einen Ausweg aus dieser Situation zu finden:

„[Ü]ber politische Humanität nachzudenken heißt, an die Politik eine Forderung zu richten, die
Forderung nämlich, nicht allein das persönliche, sondern gerade auch das öffentliche Leben nach
Prinzipien und Kriterien zu gestalten, die unter das Ideal der Humanität fallen. Dieses zunächst
noch vage Ideal bedeutet für den politischen Bereich, Recht und Staat auf Kriterien wie
Menschenwürde, wie Frieden, Freiheit und (politisch-soziale) Gerechtigkeit zu verpflichten.“
(Höffe 1981:98)

36
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