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Waldemar Wessel
Waldemar Wessel
ISBN 978-3-86219-360-8
Waldemar Wessel
Mikrostrukturelle Untersuchungen
der Rissinitiierung und -ausbreitung in
intermetallischen TiAl-Legierungen
unter zyklischer und quasistatischer Belastung
kassel
university
press
Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel als Dissertation zur
Erlangung des akademischen Grades eines Doktors derIngenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) angenommen.
Printed in Germany
I
Danksagung
Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Ar‐
beitsgruppe "Qualität und Zuverlässigkeit" am Institut für Werkstofftechnik der Universität
Kassel.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die wesentlich zum Gelingen
der Arbeit beigetragen haben.
Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. rer. nat. Angelika Brückner‐
Foit, die mich an dieses spannende Dissertationsthema herangeführt hat sowie durch die
hervorragende wissenschaftliche Betreuung, die stetige Unterstützung und wertvolle Anre‐
gungen einen großen Beitrag geleistet hat. Ihre permanente Bereitschaft zur Diskussion wird
von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe geschätzt und gern in Anspruch genommen, so dass
auch in meinem Fall wesentliche inhaltliche Impulse frühzeitig gesetzt werden konnten.
Herrn Prof. Dr.‐Ing. Berthold Scholtes danke ich für sein großes Interesse an meiner Arbeit
und für die Bereitschaft zur Anfertigung des zweiten Gutachtens. Ferner danke ich ihm für
die wissenschaftliche und technische Unterstützung sowie für das Ermöglichen der guten Zu‐
sammenarbeit mit seiner Arbeitsgruppe. Herrn Prof. Dr.‐Ing. Kurt Steinhoff möchte ich für
die Übernahme der Prüferfunktion während meiner Disputation danken. Beim Prof. Dr.‐Ing.
Hans‐Jürgen Maier von der Universität Paderborn bedanke ich mich ebenfalls für die Über‐
nahme der Prüferfunktion während meiner Disputation. Ihm und seiner Arbeitsgruppe
danke ich zudem für die gute Zusammenarbeit bei einigen überlappenden Forschungsaktivi‐
täten auf dem Gebiet der ‐TiAl‐Basislegierungen.
Beim Lehrstuhl „Experimentalphysik III – Femtosekundenspektroskopie und ultraschnelle La‐
serkontrolle“ unter der Leitung vom Prof. Dr. Thomas Baumert sowie seinen Mitgliedern,
Jutta Mildner, Lars Englert, Dr. Lars Haag, bedanke ich mich für die hervorragende Koopera‐
tionsarbeit und die freundliche Arbeitsatmosphäre. Der menschliche und technische Einsatz
während der fs‐Laserspektroskopie sowie fs‐Laserablation ging des Öfteren bis in den späten
Abend hinein, was mitunter zu einer humanen Herausforderung wurde.
Aus dem Institut für Nanostrukturtechnologie und Analytik der Universität Kassel möchte ich
den Dr. rer. nat. Thomas Kusserow dankenswerterweise erwähnen. Seine Hilfestellung und
Engagement beim Einsatz der FIB‐ und HREM‐Technologie führten zu einem noch detaillier‐
teren mikrostrukturellen Einblick.
Für die Bereitstellung des Versuchsmaterials möchte ich dem Central Iron & Steel Research
Institute (CISRI) in China sowie der Firma GfE Metalle und Materialien GmbH in Nürnberg
einen Dank aussprechen.
Ganz besonders gilt mein Dank allen Mitarbeitern des Instituts für Werkstofftechnik der Uni‐
versität Kassel für die Arbeitsatmosphäre, die ihresgleichen sucht, sowie für die stete Bereit‐
schaft mitzuwirken und über die jeweiligen Forschungsschwerpunkte zu diskutieren. In die‐
ser familiären Umgebung habe ich mich äußerst wohl gefühlt. An dieser Stelle seien insbe‐
II
sondere die Kolleginnen und Kollegen, die aktiv an meinem Erfolg teilgenommen haben, na‐
mentlich in alphabetischer Reihenfolge genannt: Alexander Grüning, Amir Schwagerus, Anis
Cherif, Arne Ellermann, Benjamin Bode (der beste Bürokollege, den man sich nur wünschen
kann), Christian Franz, Christian Möller, Eugen Merdian, Florian Kuhn, Heike Hammann, Jens
Mannel, Jens von Schumann, Manfred Rehbaum, Michael Besel, Pascal Pitz, Rainer Hunke,
Ralf Herbold, Rolf Diederich, Thorsten Manns, Wolfgang Zinn, Yasuko Besel.
Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Eltern bedanken, die mich in mei‐
nem Werdegang immer rückhaltlos unterstützt haben.
Allen voran gilt mein Dank aber meiner Ehefrau, Galina Wessel, für die Unterstützung wäh‐
rend der Promotion und insbesondere für das große Verständnis bei der Fertigstellung der
Arbeit.
Waldemar Wessel
III
Kurzfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss des mikrostrukturellen Aufbaus aus‐
gewählter ‐TiAl‐Basislegierungen auf die Initiierung und Ausbreitung kleiner Oberflächen‐
risse unter mechanisch monotoner sowie zyklischer Belastung umfassend in‐situ analysiert.
Abstract
The present work is focused on experimental in‐situ investigations of the microstructure in‐
fluence of ‐TiAl‐based alloys on the initiation and propagation behaviour of small surface
cracks subjected to quasi‐static or cyclic loading.
‐TiAl‐based alloys with intermetallic phases are considered to be promising candidates for
lightweight structures in the high‐temperature regime (up to 800°C). Because of excellent
properties such as low density, high Young's modulus and high strength they may substitute
nickel‐based super alloys, especially for applications in the automotive and aerospace indus‐
try. However, this class of materials exhibits comparatively low ductility and toughness at
ambient temperature resulting in a damage behaviour which is strongly influenced by the
microstructure. The microstructure of technologically important ‐TiAl‐based alloys is based
on differently oriented colonies with parallel arranged ‐ und ‐lamellae. In general, it is
well known, that the anisotropic lamellar microstructure significantly influences the propa‐
gation direction and growth rate of small cracks, in particular when cyclic loading is applied.
However, as the reliable data for lifetime prediction are not available in the case of TiAl,
there is a need for improving the database. This task was addressed in the present work.
In order to investigate the microstructural damage mechanisms under cyclic and quasi‐static
load, comprehensive in‐situ observations of sample surfaces were performed using a long‐
range optical microscope. The experimental setup allows monitoring of microstructural ef‐
fects from the initiation stage to failure of specimens. Three different ‐TiAl‐based alloys
were investigated, covering a broad range of relevant microstructures. As a consequence, a
thorough analysis was performed of particular structural morphologies and their individual
influence. The experimental investigations of microstructure controlled growth of small
cracks were systematized with the applying of well‐defined micro‐notches. Such geometri‐
cally optimized micro‐notches with very high notch factor were machined by femtosecond
laser ablation at pre‐selected sites in the microstructures.
Based on experimentally obtained digital pictures, the crack growth data as well as the mi‐
crostructural threshold values to continuous crack growth were derived. More detailed ana‐
lysis of barely visible damage mechanisms were visualized by means of image correlation
analysis on digital pictures comparing the unloaded and loaded conditions at the specimen
surface. Additionally created diagrams with crack growth rates as a function of the range of
the mode‐I stress intensity factor resulted in a classification of microstructural threshold
values. As a result of the investigations performed, a reliable database was obtained of the
damage mechanisms of ‐TiAl‐based alloys at room temperature.
V
Inhalt
1 Einleitung und Motivation ............................................................................................... 1
2 Grundlagen ...................................................................................................................... 4
2.1 Titanaluminide – eine neuartige Legierungsklasse ...................................................................... 4
2.1.1 Phasenmorphologie der γ‐TiAl‐Basislegierungen ................................................................. 4
2.1.2 Kristallstrukturen gängiger intermetallischer Titanaluminid‐Phasen ................................... 7
2.1.3 Mikrostrukturell bestimmtes Verformungsverhalten .......................................................... 7
2.2 Grundlegendes über das Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe ................................. 10
2.2.1 Makroskopisch isotropes Verhalten ................................................................................... 11
2.2.1.1 Schwingfestigkeit (Wöhlerkurven) ............................................................................... 11
2.2.1.2 Risswachstum physikalisch langer Risse ...................................................................... 12
2.2.2 Mikrostrukturelle Einflüsse bei der Rissentstehung und Ausbreitung kleiner Risse .......... 13
2.2.2.1 Initiierung von Mikrorissen .......................................................................................... 14
2.2.2.2 Wachstum kleiner Risse (Stadium I der Rissausbreitung) ............................................ 16
2.2.2.3 Übergang zum physikalisch langen Riss ....................................................................... 16
2.3 Ermüdungsverhalten der γ‐TiAl‐Basislegierungen ..................................................................... 17
2.3.1 Rissinitiierung ...................................................................................................................... 19
2.3.2 Mikrorissausbreitungsverhalten ......................................................................................... 23
2.3.3 Langrissausbreitungsverhalten ........................................................................................... 26
3 Charakterisierung untersuchter Legierungen ................................................................. 31
3.1 Versuchswerkstoffe ................................................................................................................... 31
3.1.1 Ti‐46,5Al‐2,5V‐1,0Cr TAC‐2 ................................................................................................. 32
3.1.2 Ti‐43Al‐4Nb‐1Mo‐0,1B TNM‐B1 .......................................................................................... 35
3.1.3 Ti‐45Al‐5Nb‐0,2C‐0,2B TNB‐V5 ........................................................................................... 37
3.2 Analysen zur chemischen Zusammensetzung einzelner Phasen ............................................... 38
4 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler
Schädigungsvorgänge .................................................................................................... 42
4.1 Einsatz der digitalen Kreuzkorrelationsanalyse an Grauwertbildern ........................................ 42
4.2 Durchführung von in‐situ Experimenten ................................................................................... 44
4.2.1 Quasistatische Belastung bei Raumtemperatur ................................................................. 44
4.2.2 Ermüdung bei Raumtemperatur ......................................................................................... 45
4.3 Probengeometrie und ‐präparation ........................................................................................... 47
4.3.1 Gestaltung der Probengeometrien ..................................................................................... 47
4.3.2 Probenherstellung und ‐präparation .................................................................................. 49
5 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser ........................ 52
5.1 Laserinduzierte Plasmaspektroskopie (fs‐LIBS) ......................................................................... 54
5.1.1 Bestimmung lateraler Ortsauflösung .................................................................................. 54
5.1.2 Spektrallinienzuordnung und Auswertungsmethodik ........................................................ 57
5.1.3 Charakterisierung des räumlichen fs‐LIBS‐Abtrags ............................................................. 59
5.1.4 Erprobung der fs‐LIBS‐Analyse an Phasen und Mikrorissen ............................................... 60
VI
5.2 Erzeugung und Optimierung mikrostrukturell kleiner Kerben ................................................... 63
5.2.1 Tiefenanalyse künstlicher mikrostruktureller Kerben ......................................................... 65
5.2.2 Formoptimierung zur Steigerung der Kerbwirkung ............................................................ 69
6 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen .... 72
6.1 Quasistatische Belastung bei Raumtemperatur ......................................................................... 72
6.1.1 TAC‐2‐NL .............................................................................................................................. 72
6.1.2 TAC‐2‐FL .............................................................................................................................. 75
6.1.3 TNM‐B1 ............................................................................................................................... 82
6.2 Ermüdung bei Raumtemperatur ................................................................................................ 85
6.2.1 TNM‐B1 ............................................................................................................................... 87
6.2.1.1 Statistische Betrachtung der Rissinitiierung und der anfänglichen Rissausbreitung
unter zykl. Belastung .................................................................................................... 87
6.2.1.2 Koloniegrenzen als Hindernisse gegen die Mikrorissausbreitung ............................... 89
6.2.1.3 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen ................................................... 90
6.2.1.4 Ergänzende Betrachtung des räumlichen Einflusses von der Mikrostruktur
während der Rissausbreitung ...................................................................................... 95
6.2.1.5 Fraktographische Analysen von natürlichen Bruchursachen ....................................... 98
6.2.2 TAC‐2‐NL .............................................................................................................................. 99
6.2.2.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen ................................................. 100
6.2.2.2 Ergänzende Betrachtung des lateralen und räumlichen Einflusses von der
Mikrostruktur während der Rissausbreitung ............................................................. 102
6.2.3 TAC‐2‐FL ............................................................................................................................ 105
6.2.3.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen ................................................. 105
6.2.3.2 Ergänzende Betrachtung des lateralen und räumlichen Einflusses von der
Mikrostruktur während der Rissausbreitung ............................................................. 107
6.2.4 TNB‐V5 ............................................................................................................................... 109
6.3 Zusammenfassende Diskussion zum Schädigungsverhalten von γ‐TiAl‐Basislegierungen ...... 111
7 Mesoskopisches FE‐Modell basierend auf der Abbildung realer Mikrostruktur............ 116
8 Zusammenfassung ....................................................................................................... 119
Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 123
Anhang ............................................................................................................................ 133
VII
Notationen
Abkürzungen
3DAP Three Dimensional Atom Probe
AFM Atomic Force Microscope
BSE Back Scattered Electron
CCD Charge‐Coupled Device
CNC Computerized Numerical Control
CT Compact Tension
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
DIC Digital Image Correlation
DMS Dehnungsmessstreifen
DP Duplexartige Gefüge
EDX Energy Dispersive X‐ray
EPBM Elastisch‐plastische Bruchmechanik
FEM Finite‐Elemente‐Methode
FEPA Fédération Européenne des Fabricants de Produits Abrasifs
FIB Focused Ion Beam
FL Fully Lamellar
fs‐LIBS Femtosecond Laser‐Induced Breakdown Spectroscopy
HCF High Cycle Fatigue
HIP Heißisostatisches Pressen
hdp Hexagonal dichteste Kugelpackung
hkl Kristallgitterebene
ICCD Intensified Charge‐Coupled Device
Kfz Kraftfahrzeug
kfz Kubisch flächenzentrierte Kristallstruktur
krz Kubisch raumzentrierte Kristallstruktur
LCF Low Cycle Fatigue
LD Long Distance
LEBM Linear‐elastische Bruchmechanik
LIBS Laser‐Induced Breakdown Spectroscopy
LW Lastwechsel
NA Numerische Apertur
NL Near Lamellar
REM Rasterelektronenmikroskop
RGB Farbraum aus Rot‐, Grün‐ und Blauanteil
TAC‐2‐FL Intermetallische ‐TiAl‐Basislegierung der Zusammensetzung
Ti‐46,5Al‐2,5V‐1,0Cr (At.%) und FL‐Gefügezustand
TAC‐2‐NL Intermetallische ‐TiAl‐Basislegierung der Zusammensetzung
Ti‐46,5Al‐2,5V‐1,0Cr (At.%) und NL‐Gefügezustand
VIII
TEM Transmissionselektronenmikroskop
TNB‐B1 Intermetallische ‐TiAl‐Basislegierung der Zusammensetzung
Ti‐43Al‐4Nb‐1Mo‐0,1B (At.%)
TNB‐V5 Intermetallische ‐TiAl‐Basislegierung der Zusammensetzung
Ti‐45Al‐5Nb‐0,2C‐0,2B (At.%)
TiAl Titanaluminid
VAR Vacuum Arc Remelting
VFZ Versetzungsfreie Zone
Lateinische Formelzeichen
Atommasse [ ⁄ ]
Bruchdehnung [1]
Mittlere Atommasse mehrerer Elemente [ ⁄ ]
Atommasse des Elements [ ⁄ ]
Observationsfläche einer Probe [ ]
Risslänge [ ]
Tiefe einer Kerbe [μ ]
Tatsächlich erzeugte Tiefe einer fs‐Laser‐Kerbe [μ ]
Angestrebte Tiefe einer fs‐Laser‐Kerbe [μ ]
Breite [ ]
Breite einer Kerbe [μ ]
Mikrostrukturelle Breite (Lamelle, Korn, Cluster) [μ ]
Burgers‐Vektor [1]
Materialspezifische Konstante der Paris‐Funktion [ ]
Materialspezifische Konstante der für Keramiken angepassten
Paris‐Funktion [ ]
Halbe Länge einer Kerbe [μ ]
Auf die x‐Achse projizierte halbe Risslänge [μ ]
Innerer Durchmesser des Ablationskraters [μ ]
Äußerer Durchmesser des Ablationskraters [μ ]
Breite der bruchresistenten Zone des Arata‐Modells [μ ]
Differential (Differenz) der Risslänge [ ]
Differential (Differenz) der Lastspielzahl [1]
Laserpulsenergie [ ]
Energie des Primärstrahls [ ]
Kritische Anregungsenergie [ ]
Geometrischer Korrekturparameter der Newmann‐Raju‐Funktion [1]
Kraft [ ]
Frequenz [1⁄ ]
Geometrischer Korrekturparameter der Newmann‐Raju‐Funktion [1]
Höhe [ ]
, Gesamtintensität der Plasmalumineszenz des Elements Al [1]
IX
, Innerhalb eines Messvolumens erfasste Gesamtintensität der Plasma‐
lumineszenz [1]
, Gesamtintensität der Plasmalumineszenz des Elements Ti [1]
, Einzelintensität der Plasmalumineszenz des Elements Al einer
definierten Wellenlänge [1]
, Innerhalb eines Messvolumens erfasste Intensität der Plasma‐
lumineszenz einer definierten Wellenlänge [1]
, Einzelintensität der Plasmalumineszenz des Elements Ti einer
definierten Wellenlänge [1]
Index [1]
Spannungsintensitätsfaktor an der Kerbspitze [ √ ]
Anfänglicher Spannungsintensitätsfaktor des Arata‐Modells [ √ ]
Korrekturbetrag des Spannungsintensitätsfaktors um Riss‐
abschirmungseffekte [ √ ]
Kritischer Spannungsintensitätsfaktor [ √ ]
Spannungsintensitätsfaktor bei Rissschließen [ √ ]
Spannungsintensitätsfaktor im Modus I mit einer auf die x‐Achse
projizierten Risslänge [ √ ]
Kritischer Spannungsintensitätsfaktor im Modus I [ √ ]
Maximaler Spannungsintensitätsfaktor [ √ ]
Minimaler Spannungsintensitätsfaktor [ √ ]
Erforderlicher Spannungsintensitätsfaktor für die Rissinitiierung in
der Nachbarkolonie des Arata‐Modells [ √ ]
Index [1]
Länge [ ]
Index [1]
Anzahl [1]
Lastzyklenzahl [1]
Lastspielzahl bis Bruch [1]
Grenzlastspielzahl, ab der Dauerfestigkeit vorliegt [1]
Anzahl [1]
Materialspezifische Konstante der Paris‐Funktion [1]
Anzahl der Kolonien mit erstmaliger Rissinitiierung [1]
Gesamtzahl zur Statistik betrachteter Kolonien [1]
Anzahl der Schädigungsaktivität [1]
Druckkraft [ ]
Ausfallwahrscheinlichkeit [1]
, Messpunkt bei Kreuzkorrelationsanalyse [1]
Ü Überlebenswahrscheinlichkeit [1]
Materialspezifische Konstante der für Keramiken angepassten
Paris‐Funktion [1]
Materialspezifische Konstante der für Keramiken angepassten
Paris‐Funktion [1]
X
Geometrischer Korrekturparameter der Newmann‐Raju‐Funktion [1]
Spannungsverhältnis [1]
Arithmetischer Mittenrauwert [μ ]
Eindringtiefe der Primärelektronen [μ ]
Zugfestigkeit [ ]
, 0,01% Dehngrenze [ ]
, 0,2% Dehngrenze [ ]
Richtung bei der Spannungsberechnung [1]
Richtung bei der Spannungsberechnung [1]
Probentiefe [ ]
Überspannungsverhältnis zw. Primärstrahlenergie und kritischer
Anregungsenergie [1]
Vektor‐Median [1]
Lokale Verschiebung in ‐Richtung [1]
Lokale Verschiebung in ‐Richtung [1]
Verschiebungsvektor im xy‐Koordinatensystem [1]
Halbe Probenbreite [ ]
Probenlänge [ ]
Komplexe Zahl [1]
Koordinate (kartesisch) [ ]
Bruchmechanischer Korrekturfaktor [1]
Koordinate (kartesisch) [ ]
Ordnungszahl [1]
Mittlere Ordnungszahl mehrerer Elemente [1]
Ordnungszahl des Elements [1]
Komplexe Zahl [1]
Griechische Formelzeichen
intermetallische Ti3Al‐Phase mit hexagonal dicht gepackten
DO19‐Kristallstruktur [‐]
Einzelintensitätsanteil des Elements Al [‐]
Formzahl [‐]
Einzelintensitätsanteil des Elements Ti [‐]
Winkeldifferenz zwischen zwei Kolonien [°]
intermetallische TiAl‐Phase mit kubisch raumzentrierter
B2‐Kristallstruktur [‐]
intermetallische TiAl‐Phase mit tetragonal verzerrter kubisch
flächenzentrierter L10‐ Kristallstruktur [‐]
Zwillingslamelle der ‐TiAl‐Phase [‐]
∆ Zyklischer Spannungsintensitätsfaktor [ √ ]
∆ Effektiver zyklischer Spannungsintensitätsfaktor [ √ ]
XI
∆ Korrekturbetrag des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors um
Rissschließeffekte [ √ ]
∆ Schwellenwert des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors für
Rissfortschritt [ √ ]
∆ Schrittweite in Tiefenrichtung bei der fs‐Laserbearbeitung [μ ]
∆ Schwingbreite der Spannung [ ]
Dehnung [1]
Winkel zwischen der Lastrichtung und der lateralen
Lamellenorientierung [°]
Wellenlänge [ ]
Dichte [ ⁄ ]
Dichte der ‐Phase [ ⁄ ]
Dichte der ‐Phase [ ⁄ ]
Spannungsamplitude [ ]
Biegespannung bei der Bestimmung des Spannungsintensitätsfaktors [ ]
Spannungsamplitude, unter der Dauerfestigkeit vorliegt [ ]
Nennspannung [ ]
Nominelle Spannung [ ]
Axialspannung bei der Bestimmung des Spannungsintensitätsfaktors [ ]
Maximalspannung [ ]
Minimalspannung [ ]
Winkel zur Beschreibung der Rissfront [°]
Stoffmengenanteil des Elements [1]
Winkel zwischen der Lastrichtung und der räumlichen
Lamellenorientierung [°]
Einleitung und Motivation 1
1 Einleitung und Motivation
Intermetallische Titanaluminid‐Legierungen gelten aufgrund ihrer Hochtemperatureigen‐
schaften als ein potentieller Ersatz für die relativ schweren Nickelbasislegierungen. Sie zeich‐
nen sich ganz besonders durch ihre geringe Dichte, gute Hochtemperaturfestigkeit, hohe
Steifigkeit, gute Oxidationsresistenz sowie Kriechbeständigkeit aus. Denkbare Anwendungen
liegen im Bereich des Turbinenbaus und der Verbrennungsmotoren für Bauteile, die Tempe‐
raturen von bis zu 800°C standhalten müssen. Zur Verdeutlichung des Potentials werden in
der Literatur vielfach die spezifischen Eigenschaften, wie die Festigkeit und der Elastizitäts‐
modul aufgeführt. Unter der Berücksichtigung der geringen Dichte von ca. 4 g/cm³ schnei‐
den daher insbesondere die ‐TiAl‐Basislegierungen, verglichen mit den etwa doppelt so
schweren Nickelbasislegierungen, hervorragend ab [1]. Zu den positiven Nebeneffekten der
geringen Dichte zählen die Verringerung der Zentrifugalkräfte und die Verbesserung des dy‐
namischen Ansprechverhaltens rotierender Bauteile. ‐TiAl ist somit ein idealer Werkstoff
um den fortwährenden Anforderungen an die Erhöhung des Wirkungsgrades von Verbren‐
nungsmotoren und Turbinen, sowie der resultierenden Reduktion der Schadstoffemission
gerecht zu werden. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die in Frage kommenden
mechanisch und thermisch hochbeanspruchten Bauteile vielfach sicherheitsrelevant sind
und während der gesamten Lebensdauer nicht katastrophal versagen dürfen. Aufgrund des
vergleichsweise spröden Verhaltens und der einhergehenden schnellen Rissausbreitung wird
der Einsatz der Titanaluminide bei dynamisch belasteten Bauteilen als problematisch erach‐
tet. Um diesem Problem entgegenzuwirken, bedarf es der umfassenden Untersuchung statt‐
findender Versagensmechanismen.
Sicherheitsrelevante Bauteile müssen schadenstolerant sein, d. h. es muss damit gerechnet
werden, dass während der Lebensdauer Risse entstehen. Die Wahrscheinlichkeit für die Riss‐
entstehung steigt, wenn mit der Leichtbauweise die optimale Ausnutzung der Werkstoffe bis
an ihre Leistungsgrenzen erfolgt, was in der heutigen Zeit bei vielen technischen Komponen‐
ten der Fall ist. Etablierte Berechnungsverfahren gehen von langen physikalischen Rissen aus,
die bei einer zyklischen Belastung unter einer bestimmten Belastungsgrenze ‐ ausgedrückt
durch den Schwellenwert des Spannungsintensitätsfaktors ∆ ‐ nicht wachstumsfähig sind.
Dieser Schwellenwert gilt nicht für Mikrorisse, da das Konzept der Spannungsintensität vor
der Rissspitze ein isotropes Kontinuum und eine vernachlässigbar kleine plastische Zone vo‐
raussetzt. Aufgrund der starken Wechselwirkung der Mikrorisse mit der Mikrostruktur
weicht deren Ausbreitungsverhalten deutlich von dem eines langen Risses ab. Eine Aktivität
der Mikrorisse ist auch unterhalb des Schwellenwerts ∆ möglich, was bei Verwendung
etablierter Konzepte für lange Risse eine nicht konservative Bauteilauslegung bedeuten
würde. In der Realität wird die Lebensdauer unter zyklischer Belastung vielfach durch die
Phase der Rissinitiierung und der Ausbreitung mikrostrukturell kleiner Risse dominiert. Ins‐
besondere bei weniger duktilen metallischen Werkstoffen kann dieser Teil bis zu 90% der
Gesamtlebensdauer einnehmen [2]. In diesen Fällen kann die Genauigkeit der Lebensdauer‐
modelle durch die Implementierung der Rissinitiierungsphase und des Wachstumsverhaltens
von Mikrorissen weiter verbessert werden.
2 Einleitung und Motivation
Die Entwicklung mikrostrukturell basierter Lebensvorhersagemodelle setzt eine verlässliche
Datenbasis voraus, die allerdings für TiAl‐Legierungen noch nicht vorhanden ist. Erforderli‐
che Daten müssen in der Regel durch aufwendige und entsprechend teure Experimente be‐
schafft werden [10]. Daher ist eine Systematisierung der Untersuchungen mit der entspre‐
chenden Entwicklung und dem Einsatz mikrostruktureller Versuchsmethodik unabdingbar,
um alle Lebensdauerphasen zu erfassen. Auch muss der dreidimensionale Aspekt der Riss‐
ausbreitung berücksichtigt werden. Der Großteil bisheriger experimenteller Arbeiten be‐
schränkte sich noch im Wesentlichen auf die Oberflächenobservation oder Bruchflächenana‐
lysen. Die Entwicklung eines Konzepts zur vollständigen räumlichen Beschreibung der Mikro‐
risse und der Mikrostruktur kann dem umfassenden Verständnis der Versagensmecha‐
nismen verhelfen, was eine sichere Bauteilauslegung und gezielte Legierungsentwicklung
bzw. ‐optimierung für den Einsatz unter zyklischer Belastung ermöglicht.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht somit in der übergreifenden Analyse ausgewählter
‐TiAl‐Basislegierungen hinsichtlich des Initiierungs‐ und Wachstumsverhaltens kleiner Ober‐
Einleitung und Motivation 3
4 Grundlagen
2 Grundlagen
2.1 Titanaluminide – eine neuartige Legierungsklasse
Intermetallische Phasen der Titan‐Aluminium‐Legierungen rückten bereits in den 50er Jah‐
ren des letzten Jahrhunderts in den Fokus der Wissenschaft. Die frühe Arbeit von McAndrew
und Kessler aus dem Jahr 1956 [11] unterstreicht das Potenzial der Titanaluminide, den be‐
reits damals geltenden Anforderungen an neue metallische Strukturwerkstoffe gerecht zu
werden. Zu den geforderten Eigenschaften zählen im Wesentlichen die Hochtemperaturbe‐
ständigkeit von über 900°C, geringe Dichte, hohe Festigkeit und Duktilität, sowie gute Wider‐
standsfähigkeit gegenüber der Oxidation und Rissausbreitung. Trotz der bis heute andauern‐
den Forschungs‐ und Entwicklungsarbeiten an dieser neuartigen Legierungsklasse be‐
schränkt sich ihr Einsatz in der Serienproduktion auf einige wenige Bauteile in Kleinserie [12‐
14]. Die entscheidenden Gründe hierfür liegen in der geringen Duktilität bei Raumtempera‐
tur, der vergleichsweise hohen Kosten bei der Gewinnung der Hauptlegierungselemente
sowie der Schwierigkeiten bei der Weiterverarbeitung der Legierungen auf konventionellen
Fertigungswegen. Aktuelle Forschungs‐ und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Legierungs‐
optimierung [15‐19], der Fertigung [20‐22], sowie der Analyse und Modellierung der Schädi‐
gungsmechanismen [23‐27] sollen einer breiten industriellen Akzeptanz verhelfen.
2.1.1 Phasenmorphologie der γ‐TiAl‐Basislegierungen
Von den zahlreichen intermetallischen Verbindungen des Ti‐Al‐Systems zählen die ‐Ti3Al‐
Phase und die ‐TiAl‐Phase zu den vielversprechendsten Kandidaten für den Einsatz im
Hochtemperaturbereich und wurden demzufolge in den letzten Jahrzehnten intensiv er‐
forscht. Die meisten der neueren technologischen Legierungen basieren auf der ‐TiAl‐Phase
und sind zwei‐ ( ) oder mehrphasig, was durch das Zulegieren weiterer Elemente reali‐
siert wird. Diese Legierungen haben vergleichsweise ausgewogene Eigenschaften. In dem bi‐
nären Phasendiagramm (Abb. 2‐1) liegen sie im Bereich der grau hervorgehobenen chemi‐
schen Zusammensetzung. Wird bei der Erstarrung das ‐Gebiet überquert, so finden bei
nicht zu schneller Abkühlung folgende Phasentransformationen statt [26]:
oder . (2‐1)
Beim Durchlaufen des ersten Abkühlpfades scheidet sich zunächst innerhalb der ‐Körner
die ‐Phase aus. Dabei entstehen parallel liegende und kristallographisch orientierte Platten
bzw. Lamellen, die ein koloniales Gefüge bilden. Die entstandenen Grenzflächen zwischen
den Lamellen sind über große Abstände atomar flach, wie später in Abb. 2‐11 auf Seite 22
gezeigt wird [28]. Bei der anschließenden Unterschreitung der ‐Transustemperatur wandelt
sich die ‐Phase in die geordnete ‐Phase um. Innerhalb des zweiten Pfades geschieht da‐
gegen diese Umwandlung noch vor der anschließenden Ausscheidung der ‐Lamellen. Die
einzelnen ‐Lamellen können in beiden Fällen in Subdomänen unterteilt sein, die unterei‐
Grundlagen 5
nander sechs unterschiedliche Orientierungen aufweisen [29]. Die lamellare Anordnung bei‐
der Phasen weist die von Blackburn beschriebene Orientierungsbeziehung
auf [1]. Das bedeutet, dass die einzigartige Basalebene 0001 der ursprünglichen ‐Phase
die Ausrichtung der entstandenen ‐ und ‐Lamellen bestimmt. Die gemischte Notation
. . . bei der ‐Phase wird verwendet, um die ersten beiden Millerschen Indizes von dem
letzten zu unterscheiden. Das ist für die Differenzierung äquivalenter Richtungen in dem tet‐
ragonal verzerrten Gitter notwendig. Neben den semikohärenten / ‐Grenzflächen treten
unterschiedliche Typen der / ‐Grenzflächen auf, am häufigsten sind dabei die wahren Zwil‐
lingsgrenzen (Rotation um die Gitterrichtung 111 ).
Abb. 2‐1: Binäres Ti‐Al‐Phasendiagramm. Grau hervorgehoben ist der Bereich technolo‐
gisch vielversprechendster Legierungszusammensetzungen der ‐TiAl‐Basislegierungen
[30]
Liegt ausschließlich das koloniale Gefüge vor, so werden diese als vollständig lamellare FL‐Le‐
gierungen (engl.: Fully Lamellar) bezeichnet. Abb. 2‐2 a) veranschaulicht mittels auflichtmi‐
kroskopischer Aufnahmen die hierfür typische Mikrostruktur. Durch die Rekristallisation
beim Warmumformen kann das Gefüge vollständig in feinkörnige globulare Morphologie
umgewandelt werden [1]. Es besteht dann aus gleichachsigen Körnern der ‐ und ‐Phase
(vgl. Abb. 2‐2 d)). Eine nachfolgende Wärmebehandlung nahe der ‐Transustemperatur er‐
möglicht die Einstellung unterschiedlicher Anteile der Lamellenkolonien. Dabei entsteht das
sog. nahezu lamellare NL‐ (engl.: Near Lamellar) bzw. duplexartige DP‐Gefüge (Abb. 2‐2 b)
6 Grundlagen
und c)). Aus mikrostruktureller Sicht bieten FL‐ und DP‐Legierungen die beste Kombination
mechanischer Eigenschaften [24].
a) b) c) d)
Abb. 2‐2: Auflichtmikroskopische Aufnahmen typischer Mikrostrukturvariationen der ‐
TiAl‐Basislegierungen: a) FL ‐ fully lamellar, b) NL ‐ near lamellar, c) DP ‐ duplex und d) near
gamma bzw. globular [31]
Das lamellare Gefüge weist typischerweise Kolonien in der Größenordnung 100‐2000 µm auf,
während das globulare aus Körnern der Größe von ca. 10‐40 µm besteht [32]. Dieser wesent‐
liche Unterschied in der Korn‐ bzw. Koloniegröße sowie die beschriebene Variation der Pha‐
senmorphologie beeinflussen maßgeblich die mechanischen Eigenschaften der ‐TiAl‐Basis‐
legierungen. Im Allgemeinen gilt, dass das feine globulare Gefüge sich positiv auf die Festig‐
keit, Duktilität, Superplastizität und das Widerstandsvermögen gegen die Rissinitiierung aus‐
wirkt. Dagegen verbessert das grob lamellare Gefüge die Zeitstandfestigkeit, die Bruchzähig‐
keit und wirkt hemmend bei der Ausbreitung langer Risse [14]. Dabei ist es besonders wich‐
tig anzumerken, dass der lamellare Aufbau ein sehr anisotropes Verhalten aufweist. Damit
ist gemeint, dass die Eigenschaften einer Kolonie im Wesentlichen von der Orientierung der
Lamellen bezogen auf die Lastrichtung bestimmt werden. Makroskopisch betrachtet ist die
Richtungsabhängigkeit bei der Zugfestigkeit, Duktilität, Bruchzähigkeit aber auch der Ermü‐
dungsfestigkeit besonders auffällig [33]. Auf der mikrostrukturellen Ebene sind es die Rissini‐
tiierungs‐ und ‐ausbreitungsmechanismen sowie die Versetzungsaktivitäten, die entschei‐
dend beeinflusst werden. Aus diesem Grund muss die Ausrichtung der Kolonien bei der Er‐
mittlung mikrostruktureller Schädigungsprozesse durchaus berücksichtigt werden.
Jüngste Entwicklungen brachten Legierungen hervor, die ‐ angereichert mit Molybdän und
Niob ‐ überwiegend oder vollständig über das ‐Phasen‐Gebiet erstarren [18, 34, 35]. Durch
weitere Zugabe von Bor entsteht ein wesentlich homogeneres und feinkörniges Gefüge mit
fast ausschließlich lamellarer Mikrostruktur, was sich positiv auf die Duktilität und Festigkeit
auswirkt. Beim Abkühlen wandelt sich die zunächst ungeordnete raumzentrierte ‐Phase in
die geordnete intermetallische ‐Phase mit dem Kristallgitter vom B2‐Typ um. Zugleich be‐
steht bei höheren Temperaturen die Möglichkeit einer spürbaren Verbesserung des Verfor‐
mungs‐ und Verarbeitungsverhaltens, was auf die deutlich bessere plastische Verformbarkeit
der ‐Phase zurückgeführt werden kann [36].
Grundlagen 7
2.1.2 Kristallstrukturen gängiger intermetallischer Titanaluminid‐Phasen
Bei den in dieser Arbeit untersuchten Legierungen liegen bei Raumtemperatur im Wesentli‐
chen die drei bereits vorgestellten TiAl‐Phasen, nämlich die ‐, ‐ und ‐Phase vor. Sie
zeichnen sich durch den intermetallischen Charakter aus, wodurch ein geordneter struktu‐
reller Aufbau resultiert. Das bedeutet, dass die Hauptlegierungselemente Titan und Alumi‐
nium innerhalb der jeweiligen Kristallgitter bestimmte Plätze einnehmen (vgl. Abb. 2‐3). Die‐
ser geordnete Aufbau bleibt auch bei höheren Temperaturen bevorzugt erhalten und ist auf
der atomaren Ebene für die außerordentliche Festigkeit und Kriechbeständigkeit dieser
Werkstoffgruppe verantwortlich. Die eingeschränkte Möglichkeit der Versetzungsgleitpro‐
zesse ist dabei der entscheidende Grund für diese Eigenschaften. Die Versetzungsaktivitäten
können hier im Gegensatz zu den ungeordneten Kristallgittern nur auf vereinzelten Gleitebe‐
nen stattfinden [37], sie sind allerdings essentiell für die plastische Verformbarkeit bzw. Plas‐
tizität. Im Allgemeinen wird die Plastizität von der Anzahl vorliegender Gleitsysteme be‐
stimmt und nimmt von der ‐Phase mit der hexagonal dicht gepackten DO19‐Struktur über
die ‐Phase mit der tetragonal verzerrten kubisch flächenzentrierten L10‐Struktur zu der ‐
Phase mit der kubisch raumzentrierten B2‐Struktur hin zu [14]. Die ‐Phase trägt somit un‐
ter Belastung den Hauptanteil der plastischen Verformung und neigt zu einer ausgeprägten
Gleitbanderscheinung. Demzufolge wird auch erwartet, dass die lokalen mikrostrukturellen
Spannungsüberhöhungen überwiegend durch die vorliegende ‐Phase abgebaut bzw. redu‐
ziert werden und die Rissausbreitung durch die höhere Plastizität gehemmt wird.
2.1.3 Mikrostrukturell bestimmtes Verformungsverhalten
Für den Einsatz im Hochtemperaturbereich sind ‐TiAl‐Basislegierungen mit dem überwie‐
genden Anteil an Lamellenkolonien interessant, da die geforderten Eigenschaften, wie z. B.
Dehngrenze und Kriechbeständigkeit, im Vergleich zum globularen Gefüge auch bei Tempe‐
raturen von bis zu 800°C kaum schlechter werden [38]. Die Eigenschaften einzelner Kolonien
sind jedoch, wie zuvor beschrieben, sehr stark richtungsabhängig. Diesen Zusammenhang
hatten Yoo und Yamaguchi nach der Bestimmung des Verformungs‐ und Festigkeitsverhal‐
8 Grundlagen
tens an grobkolonialen Legierungen beschrieben [29]. Sie führten Zug‐ und Druckversuche
an einzelnen Kolonien bei Raumtemperatur durch und ermittelten die Dehngrenze und
Bruchdehnung in Abhängigkeit des Winkels . Der Winkel beschreibt dabei die Orientie‐
rungsdifferenz zwischen der Lastrichtung und der lateralen Anordnung der Lamellen. Falls
nicht anders angegeben, wird auch im Weiteren für diese Beziehung verwendet. Aufgrund
großer Kolonien gelang es, die Proben so zu präparieren, dass im Messquerschnitt jeweils
nur eine Kolonie vorlag und in der Tiefenausrichtung die Lamellengrenzflächen immer senk‐
recht zu der Betrachtungsebene orientiert waren. Die Ergebnisse sind in Abb. 2‐4 als angenä‐
herte Funktionen dargestellt. Sowohl die Dehngrenze als auch die Bruchdehnung zeigen eine
signifikante Abhängigkeit von dem Winkel . Vernachlässigbar sind dagegen die Abweichun‐
gen zwischen der Zug‐ und Druckrichtung, insbesondere bei der Dehngrenze. Im Detail weist
die Kolonieausrichtung mit = 90° den höchsten Dehngrenzwert auf. Im Gegenzug liegt die
Bruchdehnung bei nahezu 0%, so dass bei dieser Ausrichtung ein katastrophales Versagen
durch Sprödbruch erwartet werden kann. Die Ausrichtung mit = 0° zeigt niedrigere Dehn‐
grenzwerte, jedoch verbessert sich die Bruchdehnung auf über 5%. Die geringsten Dehn‐
grenzen, bei gleichzeitig höchsten Bruchdehnungen wurden im mittleren Bereich der Win‐
kelorientierungen mit = 30‐50° gemessen. Bei Temperaturen von bis zu 1100°C bleibt ein
prinzipiell ähnlich konkaver Verlauf der Dehngrenzfunktion in Abhängigkeit des Winkels
bestehen, auch wenn die Dehngrenzwerte naturgemäß abnehmen.
a) b)
Abb. 2‐4: a) Dehngrenze aus Zug‐ und Druckversuchen sowie b) Bruchdehnung als Funktion
des Winkels zwischen der Lastrichtung und der lateralen Ausrichtung der Lamellenkolo‐
nie [29]
Diese grundlegenden Unterschiede zwischen den Dehngrenzen und Bruchdehnungen lassen
sich auf das plastische Verformungsverhalten einzelner Phasen zurückführen. Wie zuvor be‐
schrieben, sind die Möglichkeiten für Versetzungsbewegungen, kristallographisch bedingt,
eher eingeschränkt. Nach dem von‐Mises‐Kriterium sind bei beiden Phasen nicht genügend
unabhängige aktivierungsfähige Gleitsysteme vorhanden, so dass die äußere Energie nur
sehr gerichtet und anisotrop abgebaut werden kann. Folgende, mit Abstand überwiegende
Grundlagen 9
Mechanismen wirken bei der plastischen Verformung in der ‐Phase: Versetzungsgleitpro‐
zesse auf 111 ‐Ebenen mit dem Burgers‐Vektor 1/2 110 der Einfachversetzungen
und dem Burgers‐Vektor 101 der Superversetzungen, sowie die Zwillingsbildung des
Typs 1/6 112 111 [14, 39, 40]. Noch deutlicher fällt das anisotrope plastische Verhalten
bei der ‐Phase aus. Hier erfolgt die Verformung bei Raumtemperatur vorzugsweise über
die Prismengleitung 1210 1010 und Basalgleitung 1120 0001 [40]. Die erforderli‐
chen Schubspannungen zum Aktivieren der Versetzungsgleitprozesse in der ‐Phase liegen
entsprechend der genannten Reihenfolge bei 19,2 und 44,8 MPa. Dagegen werden die Ein‐
fachversetzungen in der ‐Phase bereits bei 14,3 MPa und die Superversetzungen bei 22,7
MPa aktiviert [40]. Im direkten Vergleich verhält sich demnach die ‐Phase deutlich duktiler
als die ‐Phase, so dass sie innerhalb der lamellaren Morphologie den Großteil der Verfor‐
mung trägt. Betrachtet man nun die typische Länge, die für die Versetzungsbewegung in Ab‐
hängigkeit der Lamellenausrichtung zur Verfügung steht, so sind hier bereits die entschei‐
denden Unterschiede ersichtlich. Tatsächlich beträgt die Breite einer ‐Lamelle etwa 1 µm,
hingegen erreicht ihre Ausdehnung in die anderen Richtungen das 30‐ bis 50‐fache [29]. Bei
der Ausrichtung der Kolonien mit den Winkeln von etwa = 0° und = 90° wird die Verset‐
zungsbewegung entlang der möglichen 111 ‐Ebenen durch die naheliegenden / ‐ und
/ ‐Grenzflächen früh und effizient gestört. Diese Ausrichtung der Lamellen wird daher als
„harte Orientierung“ bezeichnet. Anders sieht es bei schräg verlaufenden Lamellen, also mit
den Winkeln von etwa = 45°, aus. Hier können Abgleitprozesse über weite Strecken inner‐
halb der ‐Lamellen und parallel zu den Grenzflächen stattfinden. Diese Ausrichtung der
Lamellen wird als „weiche Orientierung“ bezeichnet. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts
sind in Abb. 2‐5 mikroskopische Aufnahmen von Fujiwara et al. abgebildet, die plastisch de‐
formierte Lamellenkolonien aus Druckversuchen bei Raumtemperatur zeigen.
a) b) c)
Abb. 2‐5: Verformungsstruktur in lamellaren Kolonien, dargestellt in Abhängigkeit des
Winkels zur Lastrichtung a) = 0°, b) = 90° und c) = 51° [41]
10 Grundlagen
2.2 Grundlegendes über das Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe
Als Ermüdung wird eine fortschreitende, lokale und dauerhafte Schädigung des Materials bei
zyklischer oder veränderlicher Belastung bezeichnet. Die schädigende Belastungshöhe liegt
in vielen Fällen deutlich unterhalb der statischen Streckgrenze, da an mikrostrukturellen
Gegebenheiten lokale Spannungsüberhöhungen resultieren. Der Ermüdungsprozess wird in
folgende fünf Stadien unterteilt [42, 43]:
1. Zyklische plastische Deformation
2. Initiierung eines oder mehrerer Mikrorisse
3. Ausbreitung eines oder mehrerer Mikrorisse und Entstehung der Makrorisse
4. Ausbreitung eines oder mehrerer Makrorisse
5. Restgewaltbruch durch instabile Rissausbreitung nach Erreichen der kritischen Riss‐
länge
Zur Beschreibung dieser Abschnitte und zur Ermittlung benötigter Daten existieren mehrere
Ansätze. Möglich ist die Bestimmung des Ermüdungsverhaltens beispielsweise mit Hilfe des
Wöhlerversuchs, welcher im Ansatz von einem makroskopisch rissfreien Bauteil ausgeht [44].
Liegen Makrorisse vor ‐ vereinfacht gilt eine Größenordnung von ca. 10 Körnern ‐ so wird das
Risswachstumsverhalten mittels der linear‐elastischen Bruchmechanik beschrieben und in
Form von Rissfortschrittskurven dargestellt. Hieraus kann zusätzlich die Bruchzähigkeit des
Werkstoffs abgeleitet werden. Risse dieser Größenordnung haben ein wohldefiniertes Aus‐
breitungsverhalten in einem, aus der makroskopischen Sicht, isotropen Kontinuum.
Die Phasen der Rissentstehung und des Wachstums bis hin zur makroskopischen Größe wer‐
den sehr stark von der Mikrostruktur beeinflusst. Die dabei herrschenden Mechanismen sind
noch nicht in allen Zügen erforscht und sind Gegenstand des noch verhältnismäßig jungen
Forschungsgebiets, der mikrostrukturellen Bruchmechanik. Verständlicherweise bedarf es
für eine sichere Bauteilauslegung der umfassenden Kenntnisse über die frühen Schädigungs‐
mechanismen, was insbesondere für spröde Materialen gilt. Diese Werkstoffe weisen eine
geringe Bruchzähigkeit auf, so dass das Verhalten der Mikrorisse und die mikrostrukturellen
Einflussgrößen bei der Rissausbreitung für die Gesamtlebensdauer eine entscheidende Rolle
einnehmen.
Sowohl der Wöhlerversuch als auch der Ansatz der linear‐elastischen Bruchmechanik zählen
zu den etablierten Verfahren. Um die wesentlichen Grundlagen zu erfassen, werden diese
deshalb nur kurz im Kapitel 2.2.1 eingeführt. Einige wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der
Mikrorissentstehung und ‐ausbreitung werden im Kapitel 2.2.2 vorgestellt. Hier gilt der Hin‐
weis, dass eine umfassende Darstellung zu metallischen Werkstoffen, insbesondere im Hin‐
blick auf verfügbare Modelle, in Literatur [2, 45, 46] gegeben ist. Der Kenntnisstand zu dem
Ermüdungsverhalten der Titanaluminid‐Legierungen wird hingegen im Kapitel 2.3 zusam‐
mengefasst.
Grundlagen 11
2.2.1 Makroskopisch isotropes Verhalten
2.2.1.1 Schwingfestigkeit (Wöhlerkurven)
Die Schwingfestigkeit metallischer Werkstoffe wird mittels sog. Wöhlerkurven dargestellt.
Darin wird die Spannungsamplitude über der ertragbaren Schwingspielzahl in einer
doppel‐ oder einfachlogarithmischen Skalierung aufgetragen. Die aufgebrachte Spannung
hat im einfachsten Fall einen sinusförmigen Verlauf mit konstanten Werten für die Maximal‐
spannung , die Minimalspannung und das resultierende Spannungsverhältnis .
σ max − σ min
σa = (2‐3)
2
σ min
R= (2‐4)
σ max
Üblicherweise wird die Schwingfestigkeit mittels der Dauerschwingversuche an zylindrischen
Rundproben mit einem verjüngten und glattpolierten mittleren Bereich ermittelt. Dabei wird
von einem makroskopisch rissfreien Bauteil ausgegangen. Unterteilt wird das Wöhlerdia‐
gramm in drei Abschnitte, und zwar im Hinblick auf die ertragbaren Lastwechsel (kurz: LW)
bis zum Versagen (vgl. Abb. 2‐6 a)). Die Kurzzeitfestigkeit (engl.: Low Cycle Fatigue) LCF liegt
im Bereich bis etwa 104 LW, die Zeitfestigkeit (engl.: High Cycle Fatigue) HCF beschreibt den
Abschnitt zwischen 104 und 106 LW. Ab einer Lastwechselzahl von etwa 106 liegt der Dauer‐
festigkeitsbereich (engl.: Fatigue Limit) vor. Die resultierende Dauerfestigkeit gibt bezogen
auf die statische Festigkeit eine grobe Abschätzung des Rissbildungsverhaltens unter Ermü‐
dungsbeanspruchung ab [14]. Für viele technische Anwendungen ist die Grenze von 106 bis
107 ausreichend, um ein Bauteil betriebssicher auszulegen. Von Dauerfestigkeit im eigentli‐
chen Sinn kann jedoch nur bedingt gesprochen werden, da Schädigungsvorgänge auch bei
kleineren Spannungsamplituden stattfinden können, wenngleich in diesem Fall die Aktivitä‐
ten auf vereinzelte mikrostrukturelle Bereiche beschränkt bleiben und die Phase der Rissini‐
tiierung und der Mikrorissausbreitung den größten Anteil der Lebensdauer einnimmt.
a) b)
Abb. 2‐6: Schematische Darstellung einer Wöhlerlinie: a) grundlegende Einteilung in Festig‐
keitsbereiche, b) Streuband der Versuchsergebnisse im Bereich der Zeitfestigkeit und der
Dauerfestigkeit [47]
12 Grundlagen
Nominell identische Proben unterliegen einer natürlichen Streuung der Bruchlastspielzahlen,
die in der mikrostrukturellen Variation und der bedingten Messgenauigkeit begründet ist.
Durch die Angabe der 10%‐, 50%‐ und 90%‐Perzentilen wird bei den Wöhlerdiagrammen die
Häufigkeitsverteilung abgebildet [47], wie es beispielsweise in Abb. 2‐6 b) gezeigt ist. Dabei
gibt die Ausfall‐ und Ü die Überlebenswahrscheinlichkeit an.
2.2.1.2 Risswachstum physikalisch langer Risse
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen wird allgemein in Abhängigkeit von
der zyklischen Belastung dargestellt. Die Voraussetzung zur Ermittlung dieser Abhängigkeit
ist die Existenz mindestens eines wachstumsfähigen Risses in dem Material. Dieser Riss muss
eine gewisse Mindestlänge aufweisen und wird als physikalisch langer Riss bezeichnet. Wie
bereits in der Einleitung dieses Hauptkapitels erwähnt, gilt für die Größenordnung verein‐
facht das Zehnfache des Korndurchmessers. In diesem Fall wird die Rissausbreitung im We‐
sentlichen von dem Spannungsfeld vor der Rissspitze dominiert und weniger von dem mikro‐
strukturellen Aufbau. In der linear‐elastischen Bruchmechanik (LEBM) wird dieses Span‐
nungsfeld mit dem Spannungsintensitätsfaktor charakterisiert. Für eine zyklische Belas‐
tung mit der Schwingbreite ∆
ergibt sich somit ein zyklischer Spannungsintensitätsfaktor ∆
ΔK = Δσ πaY . (2‐6)
Das typische Ermüdungsrisswachstumsverhalten der Metalle stellt Abb. 2‐7 schematisch dar.
Hier wird in einer doppeltlogarithmischen Skalierung die Risswachstumsrate ⁄ in Ab‐
hängigkeit von der Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors ∆ aufgetragen. Die
Funktion lässt sich in drei Stadien unterteilen. Stadium II der Rissausbreitung (in Abb. 2‐7:
Region 2) weist eine stabile Risswachstumsgeschwindigkeit auf, ausgedrückt durch die allge‐
mein bekannte Paris‐Funktion:
da
= C (ΔK ) ,
n
(2‐7)
dN
da C ⋅ (ΔK ) n
= (2‐8)
dN (1 − R ) ⋅ K c − ΔK
Grundlagen 13
berücksichtigt [48]. Bei abfallenden ∆ ‐Werten nähert sich die Funktion einem Schwellen‐
wert ∆ (engl.: threshold). Wird dieser unterschritten, breitet sich der Makroriss nicht wei‐
ter aus. Im Stadium III ist eine deutliche Beschleunigung des Risswachstums erkennbar. Da‐
bei nähert sich die Funktion asymptotisch dem ‐Faktor, welcher die Bruchzähigkeit des
Materials kennzeichnet. Ist dieser Wert erreicht, so beginnt die schnelle instabile Rissaus‐
breitung und führt zum Restgewaltbruch des Bauteils.
Abb. 2‐7: Schematische Darstellung der Risswachstumsgeschwindigkeit / über dem
zyklischen Spannungsintensitätsfaktor ∆ [49]
Bei den relativ spröden Titanaluminiden kann die LEBM zur Beschreibung des Wachstums‐
verhaltens langer Risse durchaus angewandt werden, da die plastische Zone vor der Rissspit‐
ze wesentlich kleinere Dimensionen annimmt als das elastische Rissspitzenfeld. Genauer ge‐
sagt kann die Störung der plastischen Zone vor der Rissspitze dann vernachlässigt werden,
wenn diese deutlich kleiner ist als Risslänge und das Ligament vor der Rissspitze.
2.2.2 Mikrostrukturelle Einflüsse bei der Rissentstehung und Ausbreitung kleiner
Risse
Die Rissinitiierung und die Ausbreitung kleiner Risse unter zyklischer Belastung werden weit‐
gehend von der mikrostrukturellen Gegebenheit und der lokal wirkenden Schubspannung
dominiert. Insbesondere bei geringerer äußerer Belastung, also im Zeitfestigkeitsbereich des
Wöhlerdiagramms, kann bei metallischen Werkstoffen dieser Abschnitt bis zu 90% der Ge‐
samtlebensdauer betragen [2]. Unter dem allgemeinen Begriff „kleine Risse“ werden in der
14 Grundlagen
Literatur [2, 5, 45, 46, 50] mikrostrukturell kleine Risse, mechanisch kleine Risse, sowie physi‐
kalisch kleine Risse verstanden. Allen Bezeichnungen ist gemein, dass die räumliche Ausdeh‐
nung dieser Risse sehr gering ist. Die Unterteilung ist zweckmäßig, da die vorherrschenden
Mechanismen bei der Rissausbreitung, die Wechselwirkung mit der Mikrostruktur und dem‐
nach die Modelle zur Beschreibung der Rissausbreitung unterschiedlich sind. Anders als phy‐
sikalisch lange Risse sind die kleinen Risse auch unterhalb des Schwellenwerts ∆ initiie‐
rungs‐ und wachstumsfähig [51]. Allerdings ist ihre Ausbreitung nicht stetig, wie es in Abb.
2‐8 schematisch verdeutlicht wird. Aus diesem Grund hat das im Kapitel 2.2.1 vorgestellte ‐
Konzept der linear‐elastischen Bruchmechanik nur begrenzte Gültigkeit.
Abb. 2‐8: Rissfortschrittsrate kurzer Risse und der Übergang zur Langrissausbreitung [52]
2.2.2.1 Initiierung von Mikrorissen
Physikalisch kann als Rissinitiierung bereits das Auftrennen weniger interatomarer Kohäsi‐
onsbindungen und die daraus resultierende Bildung neuer Oberfläche verstanden werden.
Diese grundlegend atomare Betrachtungsweise erfordert entsprechend hochauflösende ex‐
perimentelle Methodik und ist aus der Sicht eines Ingenieurs aufgrund technischer Detek‐
tionslimits einschränkend. Von der materialwissenschaftlichen Seite, insbesondere für die
Erforschung der Schädigungsmechanismen und Weiterentwicklung von Legierungen, ist die
Betrachtung in der Größenordnung der charakteristischen Mikrostruktur eines Werkstoffs
zweckmäßig.
Mikrostrukturelle Einflussfaktoren bei der Rissinitiierung
Ursächlich für die zyklische Rissinitiierung bei metallischen Werkstoffen ist die plastische Ak‐
tivität, also ein Versetzungsgleitprozess, der aus lokalen Spannungsüberhöhungen resultiert.
In polykristallinen Legierungen liegen diese Spannungsüberhöhungen im Bereich der Korn‐
grenzen, begründet durch die elastische Anisotropie verschieden ausgerichteter Körner und
folglich der Verschiebungsinkompatibilität [2]. Dieser Effekt verstärkt sich bei mehrphasigen
Werkstoffen mit stark abweichenden kristallographischen Elastizitätskonstanten, so dass
Grundlagen 15
besonders hohe Spannungen entlang der Phasengrenzen entstehen und zu interkristalliner
und/oder transkristalliner Rissinitiierung führen können. Für die transkristalline Rissinitiie‐
rung ist dabei die zyklische Versetzungsbewegung und Gleitbandbildung innerhalb der Kör‐
ner maßgeblich [26]. Versetzungsaktivitäten sind insbesondere bei duktilen Metallen mit
dem krz‐ und kfz‐Gitteraufbau leicht möglich, da diese eine Vielzahl möglicher Gleitsysteme
aufweisen. Versetzungsbewegung setzt ein, wenn die kritische Schubspannung der jeweili‐
gen Gleitsysteme überschritten wird [53]. Die anschließende Initiierung von Gleitbandanris‐
sen erfolgt, wenn die Versetzungstransmission über die Korngrenzen hinweg gestört ist und
der Versetzungsaufstau vor den Korngrenzen zu groß wird [2]. Die interkristalline Rissinitiie‐
rung dagegen überwiegt bei einem stark geschwächten atomaren Verbund entlang der Korn‐,
Zwillings‐ und Phasengrenzen und bevorzugt bei spröden Metallen, deren Gitteraufbau über
eine geringe Anzahl möglicher aktiver Gleitsysteme verfügt. Abgleitprozesse der Versetzun‐
gen werden hierbei infolge zunehmend ungünstig liegender Gleitebenen wie z. B. beim hdp‐
Gitteraufbau [54] und/oder durch Ausscheidungshärtung massiv behindert.
Der fehlende räumliche atomare Verbund an der freien Probenoberfläche ist ein weiterer
Grund für Spannungsüberhöhungen, gleichzeitig aber auch für die fehlende Dehnungsbehin‐
derung nach außen [55]. Das ermöglicht die vereinfachte Bildung von persistenten Gleitbän‐
dern mit den charakteristischen In‐ und Extrusionen, die durch Mikrokerbwirkung die Vor‐
stufe der Rissinitiierung darstellen [44]. In der Atmosphärenumgebung stattfindende Oxida‐
tionsprozesse an der frisch geschaffenen Oberfläche verhindern zusätzlich die Reversibilität
der Stufengleitprozesse, so dass die Anrissbildung beschleunigt und die Lebensdauer redu‐
ziert wird. Aus diesen Gründen findet die Rissinitiierung in den meisten Fällen an der Ober‐
fläche statt.
Weitere Einflussfaktoren bei der Rissinitiierung
Neben den mikrostrukturellen Einflussfaktoren nehmen die Oberflächenrauheit, die Kerbwir‐
kung konstruktiv bedingter Radien und die Eigenspannungen auf die Rissinitiierung Einfluss.
Vorbereitend der in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurden diese Einflussfak‐
toren durch eine vorangehende Optimierung der Probengeometrie mittels FEM‐Berechnun‐
gen und durch eine entsprechende Probenpräparation soweit technisch möglich minimiert
(vgl. Kapitel 4.3).
16 Grundlagen
2.2.2.2 Wachstum kleiner Risse (Stadium I der Rissausbreitung)
Während der zyklischen Belastung werden initiierte Anrisse als mikrostrukturell klein be‐
trachtet (vgl. Einleitung Kapitel 2.2.2), da sie in ihrer Wachstumsphase am stärksten mit den
lokalen mikrostrukturellen Gegebenheiten wie Korn‐, Phasengrenzen, Ausscheidungen und
Poren wechselwirken [5, 46]. Äquivalent der transkristallinen Rissinitiierung ist meist die lo‐
kal wirkende Schubspannung (Mode‐II der Belastung) maßgeblich für die anschließende Aus‐
breitung transkristalliner oder interkristalliner Risse, welche auch über die Korn‐ bzw. Pha‐
sengrenzen bevorzugt entlang der aktivierungsfähigen Versetzungsgleitebenen stattfindet
[44, 45, 56, 57]. Der Übergang in das Nachbarkorn wird hingegen durch dessen häufig an‐
ders/ungünstiger orientierte Gleitsysteme eingeschränkt. Die Barriere kann überwunden
werden, wenn die in dem Nachbarkorn resultierende Schubspannung die zum Aktivieren ei‐
nes der Versetzungsgleitsysteme benötigte kritische Schubspannung übersteigt [57, 58]. Da‐
bei setzt sich die resultierende Schubspannung aus der Überlagerung der Spannungsüberhö‐
hung vor der Rissspitze und den ursprünglichen Spannungszuständen (ohne Anriss) zusam‐
men. In vielen Fällen ist die räumliche Missorientierung benachbarter Gleitebenen groß und
die resultierende Schubspannungen in dem Nachbarkorn gering, so dass der Rissfortschritt
verlangsamt oder sogar vollständig gestoppt wird. Insbesondere bei mehrphasigen Legierun‐
gen kann in einem solchen Fall der Mikroriss bei seiner Ausbreitung auf die Korn‐ bzw. Pha‐
sengrenzen ausweichen [54].
Legierungen mit kfz‐ und krz‐Gitter bieten für den Rissfortschritt eine größere Anzahl mögli‐
cher Gleitebenen, sofern die Abgleitprozesse nicht durch Härtungsmechanismen, wie z. B.
Mischkristallhärtung, gestört werden. Demnach ist die Existenz einer günstig gelegenen
Ebene im Nachbarkorn sowie deren Aktivierung für das Risswachstum überaus wahrschein‐
lich. Bei spröden Legierungen sind es in der Regel vereinzelte, zufällig günstige Konstellatio‐
nen, in denen das Mikrorisswachstum möglich ist [44].
Nach Überschreitung erster Barrieren nehmen die Risslänge und damit die Spannung vor der
Rissspitze zu, so dass zunehmend ungünstig orientierte Gleitsysteme aktiviert werden [46].
Folglich dehnt sich mit steigender Spannung auch die plastische Zone vor der Rissspitze aus.
Solange diese jedoch die Größe der charakteristischen Korngröße nicht überschreitet und
bezogen auf die Risslänge noch relativ groß ist, nimmt die Mikrostruktur weiterhin einen
wesentlichen Einfluss auf die Rissausbreitung [52]. In diesem Stadium gelten die Risse nun
als mechanisch klein und können im Ansatz mittels der elastisch‐plastischen Bruchmechanik
(EPBM) beschrieben werden [5, 45]. Verallgemeinernd und phänomenologisch gilt für die
Risslänge mechanisch kleiner Risse, dass sie für gewöhnlich unterhalb des fünf‐ bis zehnfa‐
chen des Korndurchmessers liegt [2, 59].
2.2.2.3 Übergang zum physikalisch langen Riss
Mit weiterem Rissfortschritt kann die plastische Zone vor der Rissfront ‐ erneut bezogen auf
die Risslänge ‐ vernachlässigt und die linear‐elastische Bruchmechanik zur Beschreibung des
Risswachstums angewandt werden. Das Risswachstum des nun vorliegenden physikalisch
kleinen Risses wird zunehmend normalspannungsgesteuert (Mode‐I der Belastung) und der
Grundlagen 17
mikrostrukturelle Einfluss verliert an Dominanz. Trotz der aus der linear‐elastischen bruch‐
mechanischen Sichtweise legitimen Vernachlässigung der plastischen Zone vor der Rissspitze
nimmt sie mit immer länger werdendem Riss größere Ausmaße an und verursacht einen
nicht zu vernachlässigenden Effekt des Rissschließens [2, 46]. Unter diesem extrinsischen
Mechanismus wird der physikalische Kontakt der beiden Rissflanken verstanden, der noch
vor dem Erreichen des Belastungsminimums eintritt. Für den Rissfortschritt gilt, dass
nur der Anteil der Spannungsintensität maßgeblich ist, in dem der Riss geöffnet bleibt [60].
Diese effektive Schwingbreite
( aus dem engl. für closure) [7] steht in Korrelation mit der Risswachstumsrate ⁄ .
Neben dem verformungsinduzierten Rissschließen sind noch weitere wesentliche extrinsi‐
sche Mechanismen zu nennen: Oxidationsprozesse an den frisch entstandenen Bruchflächen,
rauheitsbedingte Inkompatibilität der Rissflanken und Fluidfüllung des Ermüdungsrisses [46].
Der Einfluss des Rissschließeffekts stabilisiert sich mit zunehmender Risslänge auf einem Ni‐
veau und kann bei langen Rissen vernachlässigt werden [46].
Mit abnehmender Duktilität des Werkstoffs findet kaum nennenswerte plastische Verfor‐
mung vor der Rissspitze statt. Folglich resultieren insbesondere bei keramischen Werkstof‐
fen hohe Spannungen vor der scharf bleibenden Rissspitze [61]. Sobald der Riss die ersten
Barrieren überwunden hat, d. h. die Größe eines physikalisch kleinen Risses angenommen
hat, steigt die Risswachstumsrate rasch an. Mögliche Rissverzweigungen wirken der schnel‐
len Rissausbreitung entgegen. Der resultierende Abschirmungseffekt kann durch weitere
Reduzierung der effektiven Schwingbreite um den Betrag ∆ ( aus dem engl. für
shielding) berücksichtig werden [52].
2.3 Ermüdungsverhalten der γ‐TiAl‐Basislegierungen
Bei den in dieser Arbeit untersuchten ‐TiAl‐Basislegierungen liegen, wie im Kapitel 2.1.2
beschrieben, mehrere Phasen mit unterschiedlichen kristallographischen Gitterarten vor.
Diese weichen in ihrem elastischen und plastischen Verformungsverhalten deutlich vonei‐
nander ab. Allen drei Gittertypen ist gemein, dass aufgrund des intermetallischen Charakters
die Versetzungsaktivität und damit die Plastizität gehemmt sind. Die Erklärung liegt in der
geringen Anzahl aktivierungsfähiger Gleitsysteme innerhalb der jeweiligen Gitter, wovon die
Plastizität entscheidend abhängt [14, 62]. Erst oberhalb des Temperaturbereichs von 650°C
bis 700°C für das Duplex‐Gefüge und der Temperatur von etwa 820°C für das vollständig
lamellare FL‐Gefüge werden zusätzliche Gleitebenen aktiv, was zu einer spürbaren Verbesse‐
rung der Duktilität führt [63]. Aus diesem Verformungsverhalten resultieren unter einer Be‐
lastung hohe lokale Spannungsspitzen, die das Rissinitiierungs‐ und Mikrorisswachstumsver‐
halten maßgeblich beeinflussen. Unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass bei zykli‐
scher Belastung spröder Legierungen das Stadium der Rissinitiierung und der Ausbreitung
mikrostrukturell kleiner Risse den Großteil der Gesamtlebensdauer einnimmt [64], ist es
leicht vorstellbar, dass bei der Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit eine starke Variation der
18 Grundlagen
Messergebnisse resultiert. Neben der großen Varianz der Messergebnisse zeigen Titanalumi‐
nide bei Temperaturen von bis etwa 600°C einen eher flacheren Verlauf der Wöhlerkurve
[26].
Eine weitere wesentliche Einflussgröße auf das Ermüdungsverhalten ist der mikrostruktu‐
relle Aufbau. Betrachtet man die Schwingfestigkeit unterhalb der Spröd‐Duktil‐Übergangs‐
temperatur, so ist das Duplexgefüge dem lamellaren Gefüge überlegen [65]. Der Grund liegt
in der meist geringeren Korngröße und somit dem wesentlich höheren Widerstand gegen die
Rissinitiierung. Oberhalb von 800°C verfügen dagegen Legierungen mit dem lamellaren
Gefügezustand über höhere Ermüdungsfestigkeiten. Gerade der Beginn der zyklischen Ermü‐
dung, also die Rissinitiierung und Mikrorissausbreitung, wird durch die Korn‐ und Koloniegrö‐
ßen und insbesondere durch ihre Homogenität beeinflusst [39, 63, 66‐68]. Allerdings spielt
auch die Orientierung der Lamellen im Bezug auf die Lastrichtung eine entscheidende Rolle,
wie es z. B. Fu et al. experimentell belegten [66]. Sie ermittelten die Ermüdungsfestigkeit bei
Raumtemperatur unter Verwendung kleiner Proben und eines recht groben FL‐Gefüges. Mit
dieser Konstellation lag im Idealfall nur eine Kolonie innerhalb des Messbereichs. Die Ergeb‐
nisse dieser Untersuchungen zeigen, dass die Schwingfestigkeit gerade bei der Anordnung
der Lamellen in einem Winkelbereich von etwa = 45‐90° drastisch reduziert wird. Hier ist
eine Analogie zu der in Kapitel 2.1.3 vorgestellten Abhängigkeit der Lamellenausrichtung bei
der Dehngrenze und der Bruchdehnung zu erkennen, die auf das stark anisotrope plastische
Verformungsverhalten einzelner Phasen zurückgeführt werden kann. Betrachtet man nur die
kritische Ausbreitung langer Risse, also die Bruchzähigkeit, so ist bei Raumtemperatur die
lamellare Struktur mit dem Wertebereich von 20 36 √ deutlich besser als die
Duplex‐Struktur mit 10 16 √ [14, 32, 38, 63, 69]. Aber auch hier gilt der Hin‐
weis auf die außerordentliche Abhängigkeit der Kolonieausrichtung, wie später bei der Be‐
schreibung des Rissausbreitungsverhaltens gezeigt wird. Mit Zunahme der Temperatur steigt
die Bruchzähigkeit in beiden Fällen und nähert sich asymptotisch einem oberen Grenzwert
[14].
Grundlagen 19
2.3.1 Rissinitiierung
Die wenigen experimentellen Arbeiten über das Rissinitiierungsverhalten in Titanaluminid‐
Legierungen konzentrieren sich bevorzugt auf FL‐Gefügezustände und zeigen, dass Mikro‐
risse innerhalb der Kolonien parallel zu den Lamellen initiieren. Bei höheren Lastamplituden
werden häufig mehrere Risse in einer Lamellenkolonie beobachtet [8, 71]. Anschließend
folgt eine schnelle Ausbreitung bis zu den Koloniegrenzen, die unter bestimmten Vorausset‐
zungen eine effiziente Hinderniswirkung aufweisen. Der zuvor beschriebene starke Einfluss
der Lamellenausrichtung auf die Ermüdungsfestigkeit zeigt gerade bei der Rissinitiierung
seine Wirkung. Hierzu hat John experimentelle Forschungsarbeiten an einer speziell wärme‐
behandelten Legierung mit außerordentlich großen Kolonien durchgeführt [67]. Die Kolonie‐
größe konnte durch das Auslassen des kornfeinenden Elements Bor auf über 5 mm einge‐
stellt werden, was die Observation der Rissentstehung deutlich erleichterte. Aus dem Un‐
tersuchungswerkstoff wurden Scheibenproben entsprechend Abb. 2‐9 a) hergestellt und in
der zentral‐liegenden Kolonie eine künstliche Kerbe mit der lateralen Ausdehnung von
2 = 0,8 mm parallel zu der Lamellenausrichtung erzeugt. Die Proben wurden mit dem Win‐
kel = 16° ausgerichtet und mit zyklischer Druckkraft beaufschlagt. Die Spannungsamplitude
wurde nach der anfänglich geringen Belastung kontinuierlich gesteigert, das Spannungsver‐
hältnis von = 0,2 hingegen durchweg bewahrt. Nach Überschreitung eines Schwellenwerts
initiierte der Riss aus der Kerbe und breitete sich in einer starken Abhängigkeit von der La‐
mellenausrichtung rasch aus, wie in Abb. 2‐9 b) schematisch verdeutlicht wird. Neben der
überwiegend parallel zu den Lamellen liegenden Mikrorissausbreitung, weist der darge‐
stellte Oberflächenrisspfad vereinzelt translamellare Anteile auf. Die anschließende Rissaus‐
breitung über die Koloniegrenzen hinweg wurde in dieser Arbeit nicht betrachtet.
a) b)
Abb. 2‐9: Rissinitiierung und ‐ausbreitung innerhalb einer Kolonie unter zyklischer Druck‐
belastung: a) untersuchte Probenform, b) Risswachstum parallel zu den Lamellen [67]
Ähnliche Ergebnisse aus quasistatischen Druckversuchen an FL‐ und DP‐Legierungen veröf‐
fentlichten Evangelista et al. [68]. In beiden Legierungen zeigen die Lamellenkolonien eine
stärkere Anfälligkeit für die Rissinitiierung, die allerdings in der FL‐Legierung bei deutlich ge‐
20 Grundlagen
ringerer Dehnung eintrat. Demnach scheinen die vergleichsweise kleinen globularen Körner
innerhalb der DP‐Legierung einen Beitrag zum Abbau lokaler Spannungsspitzen zu leisten,
was auf das bessere Verformungsverhalten zurückgeführt werden kann. Bei diesen Druck‐
versuchen wurde die Rissinitiierung in den meisten Fällen in den Kolonien mit dem Winkel
von etwa = 0° beobachtet, d. h. die Anordnung der Lamellen lag parallel zu der Belastungs‐
richtung. Dabei konzentrierten sich die Risse an lamellaren Grenzflächen. Für diese „Delami‐
nation“ wird die resultierende Normalspannungskomponente senkrecht zu den Lamellen‐
grenzflächen verantwortlich gemacht. Äquivalent zu den Beobachtungen von John [67]
wurde nach der Initiierung die gerichtete Rissausbreitung bis zum Erreichen der Koloniegren‐
zen gesehen, wobei die Risspfade überwiegend parallel zu den Lamellen verliefen. Die expe‐
rimentell ermittelte hohe anfängliche Ausbreitungsgeschwindigkeit wurde mit fehlenden
Hindernissen begründet. Die ersten effizienten Blockaden stellen die deutlich anders orien‐
tierten Nachbarkolonien dar. Aufgrund einer starken Variation der Orientierungen in dieser
Legierung konnten demnach die meisten Mikrorisse nicht über die Koloniegrenzen wachsen.
In Duplex‐Gefügen vermag ein Mikroriss in die benachbarten ‐Körner hineinzuwachsen. Bei
den beschriebenen Experimenten blieben die Risse allerdings in vielen Fällen in den globula‐
ren Bereichen stehen, so dass auch in diesem Fall die Betrachtung des Risswachstums über
mehrere Kolonien bzw. Körner nicht möglich war.
Zheng et al. [39] führten hingegen quasistatische Zugversuche an polykristallinen FL‐Legie‐
rungen mit vier unterschiedlichen Koloniegrößen durch. Bei Proben mit kleinerer Kolonie‐
größe lag innerhalb der observierten Oberfläche eine Vielzahl der Kolonien mit einer starken
Variation ihrer Ausrichtung vor. Aus diesem Grund konnte der Einfluss der Lamellenorientie‐
rung unter Belastung am deutlichsten beobachtet werden. Die überwiegende Anzahl ent‐
standener Risse lag innerhalb der Kolonien, deren laterale Ausrichtung dem Winkel von etwa
= 45° entsprach. Einige wenige Mikrorisse initiierten in Kolonien mit = 0° und = 90°. Die
dreidimensionale Orientierung der rissbehafteten Kolonien wurde in diesem Fall nicht unter‐
sucht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in polykristallinen Titanaluminiden die bevorzugte
Rissinitiierung innerhalb lamellarer Strukturen beobachtet wurde. Die Ausrichtung anfängli‐
cher Risse lag dabei eindeutig parallel zu den Lamellen. Ob die Initiierung innerhalb einzelner
Lamellen oder entlang der Phasen‐ bzw. Lamellengrenzen stattfindet, scheint allerdings nicht
abschließend geklärt zu sein. Hierzu existieren z. T. widersprüchliche Angaben, zumal auch
die Orientierung der Lamellen eine Rolle spielen könnte. So führten z. B. Heatherly et al.
Bruchflächenanalysen mittels der Auger‐Elektronen‐Spektroskopie in der näheren Umge‐
bung des Rissursprungsortes durch [72]. Die Belastungsrichtung der quasistatisch belasteten
Proben lag dabei senkrecht zu der Lamellenausrichtung. Die ermittelte chemische Zusam‐
mensetzung über größere flachverlaufende Spaltbruchareale entsprachen annähernd der
Zusammensetzung der ‐Phase, woraus die intralamellare Rissinitiierung und die anfäng‐
liche Rissausbreitung innerhalb der ‐Lamellen abgeleitet wurde. Gleiche Schlussfolgerung
machten Umakoshi et al. nach dynamischen Experimenten [73]. Zheng et al. [39] dagegen
beobachteten bei den zuvor beschriebenen Versuchen die bevorzugte Rissbildung an der
Probenoberfläche entlang und in der Nähe der / ‐Phasengrenzflächen. Sie untermauer‐
ten ihre Aussage mittels rasterelektronischer Aufnahmen im BSE‐Modus (engl.: Backscatte‐
Grundlagen 21
red Electrons) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (engl.: Energy Dispersive X‐ray)
EDX. Hier lag die laterale Ausrichtung der Lamellen und der untersuchten Risse bei etwa
= 45° zur Lastrichtung. Für diese Art der Rissinitiierung in einer FL‐Legierung haben Zheng
et al. ein Modell entsprechend der Abb. 2‐10 vorgeschlagen. Bei der zyklischen Belastung er‐
warteten sie keine großen Spannungskonzentrationen durch Versetzungsaufstau an den La‐
mellengrenzflächen, da die Lamellenbreite vergleichsweise klein ist. Dem Modell entspre‐
chend initiiert der Riss innerhalb der ‐Lamelle und nahe der Lamellengrenzfläche unter
Mode‐I Belastung, also in Abhängigkeit der lokalen Normalspannungskomponente. Die wei‐
tere Rissausbreitung erfolgt dagegen parallel zu der Lamellenausrichtung entlang der
111 ‐Ebene unter Mode‐II, angetrieben durch die großen Schubspannungen in dieser
Richtung. Die schubspannungsgesteuerte Rissausbreitung wurde für ähnlich ausgerichtete
Kolonien auch von Chan et al. mittels der Messung lokaler Dehnungsfelder bestätigt [74].
Abb. 2‐10: Schematisches Modell der Mikrorissinitiierung innerhalb einer Lamellenkolonie
in ‐TiAl‐Legierungen [39]
Evangelista et al. [68], sowie Yoo und Yamaguchi [29] sehen dagegen einen Einfluss der plas‐
tischen Inkompatibilität der Korn‐ und Phasengrenzen in polykristallinen TiAl‐Legierungen
auf die Rissinitiierung und insbesondere auch auf den Rissausbreitungspfad. Diese führt un‐
ter quasistatischer Last aufgrund des Versetzungsaufstaus innerhalb der ‐Phase zu hohen
Lokalspannungen entlang der / ‐Phasengrenzflächen, die nicht durch weitere Verset‐
zungsbewegungen abgebaut werden können. Die benötigte Energie zum Überwinden der
kohäsiven Bindungen entlang dieser Grenzflächen ist ohnehin geringer als entlang der
111 ‐Ebene innerhalb der ‐Lamelle [75]. Somit ist hier die Rissinitiierung durchaus wahr‐
scheinlich. Eine positive Auswirkung auf den Abbau dieser Spannungsspitzen wird durch die
abnehmende Koloniegröße erwartet. Dadurch sollte die Verformungskompatibilität zwi‐
schen den Kolonien/Körnern verbessert und die Rissbildung minimiert werden. Den experi‐
mentellen Beweis für diese Hypothese lieferte Zheng bei der Ermittlung der Rissdichten als
Funktion der Koloniegröße [39].
Ohnehin resultieren lokale Spannungsüberhöhungen unter äußerer Belastung bereits infolge
abweichender Elastizitätskonstanten der ‐ und ‐Phase, wie Yoo und Fu unterstreichen
22 Grundlagen
[76]. Diese Spannungsspitzen können zwar im geringen Maß durch die plastische Verfor‐
mung abgebaut werden, beeinflussen dennoch zweifelsohne die Rissinitiierung und das an‐
schließende Wachstum. Yoo und Fu berechneten auf der Grundlage theoretisch und experi‐
mentell ermittelter Steifigkeitskonstanten lokale Spannungsdifferenzen innerhalb des lamel‐
laren Aufbaus einer binären TiAl‐Legierung mit der Phasenanordnung nach Beziehung (2‐2).
Die Ergebnisse zeigen, dass unter der Annahme einer anliegenden Zuglast senkrecht zur Pha‐
sengrenze (Reuss‐Modell) sowie einer homogenen Spannungsverteilung innerhalb der jewei‐
ligen Lamellen die inneren Spannungen in den ‐Lamellen um 9% geringer ausfallen als in
den ‐Lamellen. Greift die äußere Zuglast parallel zu der Lamellenausrichtung an (Voigt‐Mo‐
dell), so sind die inneren Spannungen in den ‐Lamellen um 4% höher als in den ‐Lamellen.
Daraus resultiert im Belastungsfall ein Spannungsgradient im Bereich der Phasengrenzen.
Ferner führen die abweichenden Gitterkonstanten beider Phasen zu Dehnungen von ca.
0,3% entlang und in Richtung der Phasengrenzen. Diese grundsätzlichen Diskrepanzen mani‐
festieren die Möglichkeit zur Anhäufung von Versetzungen innerhalb der kohärenten Pha‐
sengrenze, zur Bildung neuer Versetzungen, zur Zwillingsbildung (vgl. Abb. 2‐11) [1] und
schließlich zur Mikrorissinitiierung unter Belastung [77]. Diese Berechnungen untermauern
somit die Hypothese der Rissinitiierung entlang der Phasengrenzflächen. Neben den „ech‐
ten“ / ‐Phasengrenzen liegen weitere Grenzflächen zwischen den / ‐Lamellen. Auch
diese Stellen sind ausgezeichnet für die Versetzungsinitiierung und Rissbildung, sowie gleich‐
zeitig für die Versetzungsblockaden.
a) b)
Abb. 2‐11: TEM‐Aufnahmen kohärenter Grenzflächen [1]. Mit Pfeilen angedeutet sind Ver‐
setzungen zwischen den Grenzflächen als Quelle für spannungsinduzierte Stapelfehler und
Zwillingsbildung. a) / ‐Grenzfläche, b) / ‐Grenzfläche zwischen zwei unterschiedlich
orientierten Lamellen
Globulare Körner in DP‐Legierungen scheinen für die Rissinitiierung eine untergeordnete Rol‐
le zu spielen. Sie reduzieren zwar die elastische und plastische Verformungsanisotropie und
Grundlagen 23
führen somit zu verringerter Rissinitiierung, wurden jedoch selbst in seltenen Fällen als Riss‐
initiierungsorte beobachtet. Kommt es zu der Rissinitiierung innerhalb eines ‐Korns, so ge‐
schieht dies ‐ zumindest bei quasistatischer Belastung ‐ spaltbruchartig entlang der 111 ‐
Ebene [28]. Die in dieser Ebene wirkende Kohäsionsenergie ist besonders niedrig, was Yoo
und Fu bereits bei ihren Berechnungen auf energetischer Basis für die Rissausbreitung im
Mode‐I vorhersagten [78].
2.3.2 Mikrorissausbreitungsverhalten
Wie im Kapitel 2.3.1 erläutert, initiieren die Mikrorisse in polykristallinen Titanaluminiden
unter quasistatischer und dynamischer Belastung überwiegend innerhalb der Lamellenkolo‐
nien. Das geschieht, sobald die Lokalspannung die benötigte kritische Größe zum Trennen
kohäsiver Bildungen erreicht hat. Dabei können innerhalb einer Kolonie durchaus mehrere
Mikrorisse entstehen. Ausgehend von den Oberflächenobservationen werden für die Initiie‐
rung und das anfängliche Wachstum unter positiver Belastung zwei günstige Konstellationen
angegeben. Hier liegt die laterale Orientierungsdifferenz zwischen der Last und den Lamellen
bei etwa = 45° oder = 90°. Für beide Fälle wurde eine recht schnelle, überwiegend paral‐
lel zu den Lamellen fortschreitende Ausbreitung der Mikrorisse beobachtet, z. T. bis an die
Grenzen der ursprünglichen Kolonie [74, 79]. In den bisher bekannten Untersuchungen wer‐
den jedoch keine Angaben über die räumliche Ausrichtung der Kolonien gemacht, so dass
hinsichtlich der Beschaffenheit suboberflächiger Mikrostruktur und räumlicher Risspfadver‐
läufe nur gemutmaßt werden kann. Unter den Annahme der senkrechten Anordnung der La‐
mellen zu der Probenoberfläche und der lateralen Lamellenorientierung mit = 90° wäre für
die Rissausbreitung die Normalspannungskomponente, entsprechend der Mode‐I Belastung,
ursächlich. Bei gleicher Orientierung in Tiefenrichtung aber der lateralen Lamellenausrich‐
tung mit dem Winkel von etwa = 45° wäre die einsetzende Mikrorissausbreitung schub‐
spannungsgesteuert (Mode‐II).
Mikrorissausbreitung bei lateraler Kolonieausrichtung von = 90°
Für den Fall der lateralen Kolonieausrichtung von θ = 90° zeigen Beobachtungen der Proben‐
oberflächen, dass der Mikroriss sich entweder interlamellar entlang einer Lamellengrenzflä‐
che [33] oder intralamellar entlang der 111 ‐Ebene innerhalb einer ‐Lamelle [75] ausbrei‐
tet. Aufgrund der besonderen Relation der Kristallgitter ist diese bevorzugte Kristallebene in‐
nerhalb der ‐Lamelle ebenfalls parallel zu den Lamellengrenzflächen angeordnet. In beiden
Fällen sind entlang dieser potentiellen Risspfade die kohäsiven Bindungen vergleichsweise
gering. Für die einsetzende Ausbreitung eines bereits innerhalb einer Kolonie bestehenden
Mikrorisses ist somit auch der benötigte Spannungsintensitätsfaktor recht gering. Dieser
Wert liegt bei etwa 1,2 √ , wie Chen et al. für eine binäre Legierung ermittelt hat
[74]. Durch das Zulegieren weiterer Elemente wie Cr, V und Nb kann jedoch der Widerstand
gegen die einsetzende Ausbreitung erhöht werden [80]. Liegen mehrere Mikrorisse auf pa‐
rallelen Ebenen, so können sie sich unter lokaler Änderung der Ausbreitungsrichtung vereini‐
gen. Diese translamellaren Anteile tragen, wenn auch bei dieser Konstellation als seltenes
Ereignis, zur Energiedissipation bei. In diesem Fall offenbaren die Bruchflächen große, glatte,
24 Grundlagen
auf unterschiedlichen Ebenen liegende Areale mit geringen Anteilen rau gebrochener Ver‐
bindungsligamenten [33].
Mikrorissausbreitung bei lateraler Kolonieausrichtung von = 45°
Bei einer lateralen Kolonieausrichtung von θ = 45° werden für das anfängliche Wachstum so‐
wohl die / ‐ und / ‐Lamellengrenzflächen als auch die 111 ‐Ebene [33, 39, 81, 82] be‐
vorzugt. Jedoch kann der Mikroriss bei seiner Ausbreitung durchaus von diesen Pfaden ab‐
weichen und einzelne Lamellen kreuzen [67, 83]. Beobachtungen von Lu et al. [33] und Chan
et al. [74] zeigen, dass mit Zunahme der Risslänge und gleichbleibender Belastung in der nä‐
heren Umgebung des Hauptrisses vereinzelt weitere Mikrorisse auf parallel liegenden Ebe‐
nen entstehen. Infolge der Überlagerung vorheriger lokaler Spannungen mit den rissspitzen‐
induzierten Spannungen können somit nun auch in weiteren Ebenen kohäsive Bindungen
überwunden werden. Die entstandenen Mikrorisse können entweder zunächst eigenständig
weiterwachsen, oder sich gleich mit dem Hauptriss unter Bildung translamellarer Anteile ver‐
binden. Es entsteht eine kombinierte Rissausbreitung mit Mixed‐Mode Anteilen, wobei aus
bruchmechanischer Sicht die Rissausbreitung im Mode‐I angestrebt wird. Daher nehmen die
translamellaren Anteile, im Gegensatz zu der Kolonieanordnung mit = 90°, weiter zu. Dem‐
zufolge wird diese Art der Rissausbreitung vermutlich von den beiden Faktoren, dem Span‐
nungsintensitätsfaktor an der Rissspitze und dem Winkel , überwiegend beeinflusst. Dabei
ist sowohl die translamellare Ligamenttrennung als auch die Delamination entlang der
Grenzflächen das Resultat niedrigenergetischer Spaltbruchflächenbildung, wie später gezeigt
wird [39].
Unter welchen Bedingungen die translamellare Rissausbreitung einsetzt, kann nicht abschlie‐
ßend erläutert werden. Über diese frühe Schädigungsphase existieren bisher keine systema‐
tischen Forschungsarbeiten, insbesondere nicht unter zyklischer Belastung. Fest steht, dass
ein Mikroriss beim Überschreiten der Lamellen umso stärker verzögert wird, je mehr transla‐
mellare Anteile vorliegen. Neben den Lamellengrenzen scheinen auch die Koloniegrenzen als
effiziente mikrostrukturelle Barrieren zu wirken [83]. Wie der innerhalb einer Kolonie ent‐
standene Mikroriss in die nächstliegende Kolonien bzw. globulare Körner hineinwächst, wur‐
de ebenfalls wenig systematisch untersucht. Bei der Ermittlung der Schädigungsvorgänge
wurden bisher bevorzugt lange Risse betrachtet. Daneben befassen sich einige Arbeiten mit
dem Ermüdungsverhalten kurzer Risse. Diese weisen zwar in der Ausbreitungsebene eine
kleine Länge auf, dehnen sich aber im Gegensatz zu kleinen Oberflächenrissen über die ge‐
samte Probentiefe aus. Dementsprechend umfasst die Rissfront eine Vielzahl an Körnern
bzw. Kolonien, wodurch äquivalent zu langen Rissen eine Art Mittelung während des Riss‐
fortschritts erfolgt [45].
Bevor jedoch das Wachstum langer Risse in Titanaluminiden betrachtet werden kann, soll an
dieser Stelle noch der Einfluss der Plastizität auf die Ausbreitung kleiner Risse dargestellt
werden. Dieser ist zwar in polykristallinen Legierungen aus makroskopischer Sicht und insbe‐
sondere bei langen Rissen vernachlässigbar, beeinflusst jedoch neben der Rissinitiierung
auch das Wachstum kleiner Risse und zwar in der direkten Umgebung der Spitze. Zu diesem
Ergebnis kommen Appel und Wagner [28] bei der Analyse der Versetzungsdynamik unter
quasistatischer Belastung im Transmissionselektronenmikroskop (TEM). Zeitgleich beobach‐
Grundlagen 25
teten sie das Rissausbreitungsverhalten innerhalb der einzelnen Phasen, sowie die Interak‐
tion mit den Phasen‐ und Korngrenzen, was durch die Verwendung einer Duplex‐Legierung
möglich war. Eine ähnliche Arbeit mit der Zielsetzung der Untersuchung grundlegender Schä‐
digungsmechanismen an FL‐Legierungen im TEM wurde von Lu et al. vorgestellt [75]. Die Er‐
gebnisse zeigen für den Fall der Blockade eines kleinen Risses an den anders orientierten be‐
nachbarten Kolonien, dass infolge erhöhter Spannungen vor der Rissspitze eine plastische
Zone mit der Ausdehnung des Mehrfachen einer Lamellenbreite entsteht. Die plastische Ver‐
formung setzt überwiegend in der Majoritätsphase ein und zwar als Versetzungsbewegung
und Zwillingsbildung mit denselben Mechanismen wie im Kapitel 2.1.3 vorgestellt. Grund‐
sätzlich sind diese wenigen Möglichkeiten aufgrund der vorliegenden kristallographischen
Anisotropie stark gerichtet, aber dennoch hinreichend aktiv. Dadurch wird die Form der plas‐
tischen Zone stark beeinflusst [28]. Trifft der kleine Riss auf eine / ‐Grenzfläche, so werden
zahlreiche Versetzungen entlang der 111 ‐Ebenen emittiert. Mit zunehmender Belastung
kann vor der Spitze des kleinen Risses auch translamellare Zwillingsbildung in den ‐Lamel‐
len einsetzten [40]. Beides wird an der nächstliegenden / ‐Grenzfläche oder spätestens an
der / ‐Grenzfläche unter Entstehung hoher Spannungskonzentrationen gestoppt. Trotz
der kurzen Distanzen in Querrichtung der Lamellen reichen die Spannungskonzentrationen
aus, um sogar eine ungünstig gelegene Versetzungsgleitebene innerhalb der ‐Phase zu ak‐
tivieren. Diese verläuft dann senkrecht zu der Lamelle und zwar entlang der Prismenebene
1010 [75]. Mit zunehmend gestörter plastischer Aktivität können die Spannungskonzen‐
trationen die kohäsive Bindungsfestigkeit entlang aller bis dahin stark aktiven Gleitebenen
überschreiten, so dass weitere Mikrorisse mit der Länge eines Gleitbands entstehen. Im un‐
günstigsten Fall für die Rissausbreitung, wenn also die Ausrichtung der Lamellen bezogen auf
die Last nahezu dem Winkel = 0° entspricht und der Riss senkrecht zu den Lamellen steht,
wurde die Mikrorissinitiierung vor der Spitze des kleinen Hauptrisses bevorzugt in den ‐La‐
mellen beobachtet. Das war auch dann der Fall, wenn die Lamellen einen Abstand des Mehr‐
fachen einer Lamellenbreite zu dem Hauptriss aufwiesen. Danach können weitere Mikrorisse
entlang der 111 ‐Gleitebenen und entlang der translamellaren Zwillingsgrenzen entstehen.
Liegt eine von = 0° abweichende Kolonieausrichtung vor, so sind für die Mikrorissinitiie‐
rung eher die zuvor aktiven Ebenen der ‐Phase günstiger, da sie aufgrund der kristallogra‐
phischen Beziehung einzelner Lamellen deutlich von der senkrechten Ausrichtung im Bezug
auf die Lamellen abweichen. Im weiteren Verlauf der Rissausbreitung können sich die Mikro‐
risse entweder untereinander oder gleich mit dem Hauptriss verbinden. Liegen keine Mikro‐
risse in der näheren Umgebung der Rissspitze vor, so werden die zuvor genannten Ebenen
mit hohen Spannungskonzentrationen für das weitere Wachstum bevorzugt. Aufgrund ab‐
weichender Orientierungen innerhalb einzelner Lamellen resultiert bei der translamellaren
Rissausbreitung schließlich eine permanente Richtungsänderung, woraus ein gezackter Riss‐
pfad entsteht.
Insgesamt betrachtet erreicht die plastische Aktivität bei der Ausrichtung der Lamellen mit
dem Winkel von etwa = 0° die größten Ausmaße und leistet somit einen guten Beitrag zur
Reduzierung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit. Dabei wird durch die Versetzungsemis‐
sion und die Zwillingsbildung die lokale Normalspannungskomponente vor der Rissspitze
effizient gemindert. Im Unterschied dazu kommt die Plastizität bei der Rissausbreitung paral‐
26 Grundlagen
lel zu den Lamellen (Lastfall = 90°) nur in den seltenen Fällen zum Tragen. Wie zuvor darge‐
legt, breitet sich der Riss bei dieser Konstellation überwiegend entlang der Ebenen mit nied‐
riger kohäsiver Bindungsfestigkeit aus. Daraus resultiert ein schnelles und sprödes Spalt‐
bruchversagen. Der gleiche Sachverhalt gilt für die Mikrorissausbreitung innerhalb globularer
Bereiche. ‐Körner mit dem kfz‐Gitter bieten hierfür deutlich mehr Möglichkeiten als die ‐
Körner mit dem hdp‐Gitter. Nichtsdestotrotz bleibt die Rissspitze bei der Ausbreitung in den
zweiphasigen Titanaluminiden permanent scharf. Das ist auch bei der ‐Phase der Fall, wie
es Zhang et al. mittels in‐situ TEM‐Untersuchungen bestimmt haben [84]. Sie analysierten
den Einfluss der Versetzungsaktivität und die Mechanismen bei der Rissausbreitung inner‐
halb der spröden ‐Ti3Al‐Basislegierungen. Detaillierte Aufnahmen unter Zug‐Belastung zei‐
gen, dass sich direkt vor der Rissspitze zahlreiche Versetzungen gebildet haben. Bei diesem
Vorgang wird allerdings die Rissspitze nicht abgestumpft, wie es z. B. Rice, Lin oder Beltz ver‐
muteten [85‐87]. Vielmehr bewegen sich die Versetzungen von der Rissspitze bis zu den
nächstliegenden Hindernissen. Dabei entsteht zwischen der Rissspitze und den aufgestauten
Versetzungen eine versetzungsfreie Zone (VFZ). Innerhalb dieser elastischen Zone wirken
außerordentlich hohe Spannungen [88], so dass ein nanometerkleiner Riss infolge des kohä‐
siven Versagens entstehen kann. Im Gegensatz zu dem duktilen Verhalten wird dieser Nano‐
riss nicht zu einer Pore abgestumpft, sondern vereinigt sich mit dem Hauptriss durch Bildung
neuer Spaltbruchflächen. Über den Einfluss der Plastizität innerhalb der ‐(TiAl)‐Phase mit
dem krz‐Gitter gibt es bis heute noch keine Aussagen.
2.3.3 Langrissausbreitungsverhalten
Der Einfluss des mikrostrukturellen Aufbaus bleibt in den Titanaluminiden auch für lange
Risse bestehen, wenngleich in abgeschwächter Form. Breitet sich z. B. ein langer Riss in einer
polykristallinen Legierung innerhalb globularer Bereiche aus, so wird dessen Wachstum
durch das spröde trans‐ bzw. intergranulare Versagen beider Phasen ( und ) begünstigt.
Bei Raumtemperatur überwiegt dabei der transkristalline Bruch bei geringen Spannungsin‐
tensitätsfaktoren und der interkristalline bei hohen Spannungsintensitätsfaktoren, wie es
den Bruchflächenanalysen entnommen werden kann [64, 82, 89, 90]. Bei Temperaturen
oberhalb von 500°C dominiert die spröde intergranulare Dekohäsion [82]. Diese Mikrome‐
chanismen des Versagens sind sowohl unter monotoner als auch unter zyklischer Belastung
qualitativ gleich, womit die Dominanz der spröden Risswachstumsmechanismen unterstri‐
chen wird. Unabhängig davon ist die Rissausbreitung innerhalb der globularen Bereiche ver‐
gleichsweise gleichförmig und kontinuierlich, da die Korngröße gewöhnlich deutlich kleinere
Dimensionen einnimmt als die Koloniegröße. In solchen Fällen befinden sich für die Rissaus‐
breitung ausreichend günstig orientierte Körner entlang der Rissfront. Trifft dagegen ein lan‐
ger Riss auf die Kolonien, so wird er von deren Ausrichtung stärker beeinflusst. Beobachtun‐
gen an der Probenoberfläche zeigen, dass eine um mehr als 45° gegen die Ausbreitungsrich‐
tung geneigte Kolonie von dem Riss bevorzugt translamellar durchquert wird [91]. Ist die
Neigung geringer, gibt es zunehmend inter‐ und intralamellare Rissausbreitung [64]. Dieser
eindeutige Einfluss der Lamellenausrichtung ist bereits aus der Ausbreitung kleiner Risse be‐
kannt, wo die Ebenen mit geringster kohäsiver Bindungsenergie bevorzugt werden. Zusätz‐
Grundlagen 27
lich wird der Übergang zwischen verschiedenen Ausbreitungsmodi von der Lamellenbreite
beeinflusst [69, 74].
TR Translamellare Rissausbreitung
TRD Translamellare Rissausbreitung
Dominierend
GR Gemischte Rissausbreitung
TR IRD Inter‐ und Intralamellare Rissausbreitung
TRD Dominierend
GR
IRD IR IR Inter‐ und Intralamellare Rissausbreitung
Abb. 2‐12: Bruchzähigkeit in Abhängigkeit des Winkels zwischen Last‐ und Lamellenori‐
entierung. ‐Werte sind aus [33, 74, 92‐94].
Die Effizienz der Lamellenanordnung hinsichtlich des Widerstandsvermögens gegen Rissaus‐
breitung unter Ermüdungsbelastung wurde bereits quantitativ erfasst [92‐94]. Hierzu wur‐
den die Unterschiede der Bruchzähigkeit an speziellen CT‐Proben mit jeweils nur einzelner
Lamellenkolonie in Dickenrichtung gemessen. Im ungünstigsten Fall, wenn die Lamellen pa‐
rallel der Rissausbreitung ausgerichtet sind, liegt die Bruchzähigkeit bei etwa 2
4 √ . Dieser Wert fällt besonders auf, da er sogar deutlich kleiner ist als in feinkör‐
nigen Duplex‐Strukturen (vgl. Einleitung des Kapitels 2.3). Bei der senkrechten Anordnung
der Lamellen liegt die kritische translamellare Rissausbreitung im Wertebereich 15
25 √ . Somit ist die Wachstumsgeschwindigkeit der Risse parallel zu den Lamellen um
einiges höher als senkrecht zu den Lamellen. Die Beziehung zwischen den jeweiligen Rissaus‐
breitungsmodi und dem Belastungsfall, also dem Winkel zwischen der Last‐ und Lamellenori‐
entierung, ist nach Vorschlag aus [33] in Abb. 2‐12 zusammengefasst. Angaben der ‐Wer‐
te sind der Literatur [33, 74, 92‐94] entnommen und vereinfacht linear interpoliert.
Liegen in polykristallinen FL‐Legierungen zahlreiche randomisiert angeordnete Kolonien vor,
so ist die Rissausbreitung verglichen mit den DP‐Legierungen deutlich langsamer. Offensicht‐
lich fällt das Widerstandsvermögen gegen Rissausbreitung, trotz evtl. vereinzelt ungünstig
angeordneter Kolonien, im Mittel dennoch höher aus. Die Unterschiede beider Gefügearten
haben beispielsweise Kruzic et al. anhand von Risswachstumskurven für Risse mit einer
Länge von über 5 mm ermittelt [8]. Die Ergebnisse sind in Abb. 2‐13 a) graphisch dargestellt.
Der Abbildung kann entnommen werden, dass das lamellare Gefüge neben dem erhöhten
Schwellenwert für die Langrissausbreitung ∆ deutlich geringere Risswachstumsraten auf‐
weist. Neben dem starken Einfluss der Lamellenausrichtung wird das bessere Abschneiden
der FL‐Legierungen mit dem übergreifenden Effekt der Rissabschirmung begründet. Hierzu
zählen die Rissablenkung, Rissverzweigung und Mikrorissinitiierung vor der Spitze des Haupt‐
risses [8, 33, 95, 96]. Nach der Berücksichtigung der Rissabschirmung sind die Risswachs‐
28 Grundlagen
tumsraten für lange Risse in beiden Gefügezuständen deutlich besser vergleichbar (vgl. Abb.
2‐13 b)).
a) b)
Abb. 2‐13: Vergleich der Risswachstumsraten langer Risse (Länge über 5 mm) [8]:
a) gemessen an ‐TiAl‐Basislegierungen mit einer DP‐ und FL‐Mikrostruktur,
b) nach der Korrektur der Rissabschirmungseffekte und Ermittlung von ∆
Der Effekt der Rissabschirmung lässt sich im Einzelnen wie folgt erklären. Läuft ein langer
Riss beispielsweise auf eine Koloniegrenze zu, so können bereits in den vor der Rissspitze lie‐
genden Nachbarkolonien kleine Mikrorisse gebildet werden. Dieses Verhalten wurde sowohl
unter monotoner als auch dynamischer Last beobachtet [97, 98]. Die Mikrorisse in den Nach‐
barkolonien sind meist parallel zu den Lamellen ausgerichtet und weichen daher überwie‐
gend von der Ausbreitungsrichtung des langen Risses ab. Die lokale Belastung weicht dem‐
entsprechend von der angestrebten Mode‐I Konfiguration des langen Risses ab. Durch die
Mikrorissbildung wird die Spannungskonzentration vor der Spitze des Hauptrisses effektiv
gemindert und das Wachstum abgebremst [64, 91]. Zusätzlich wird der Hauptriss durch die
Vereinigung mit den Mikrorissen sowie durch die anders liegende Kolonie gezwungen seine
Ausbreitungsrichtung teilweise zu ändern oder sich sogar zu verzweigen [92, 93]. Eine sche‐
matische Darstellung dieser Vorgänge ist in Abb. 2‐14 b) gegeben. Hat sich der Hauptriss
noch nicht mit den Mikrorissen vereinigt, so stellen die intakten Ligamente dazwischen eine
partielle Überbrückung zwischen den Rissen dar. Das kann so weit gehen, dass der Hauptriss
scheinbar an dieser Stelle gestoppt wird und der Mikroriss weiterwächst. Das Wachstum des
nun aktiven Mikrorisses ist allerdings verlangsamt, da die Verbindungsligamente einen Teil
der Last tragen und so die Spannungsintensität vor der Spitze des Mikrorisses absenken [98].
Die Vereinigung des Hauptrisses mit dem Mikroriss erfolgt durch translamellare Trennung
dieser Verbindungsligamente, was aufgrund hoher Bruchzähigkeit in der Querrichtung viel
Energie erfordert. Chan et al. [99] haben hierzu angemerkt, dass die Erhöhung der Bruchzä‐
higkeit mit der Zunahme der Ligamentbreite einhergeht. Dieser extrinsische Prozess der
Grundlagen 29
Ligamentbildung kann bei langen Rissen ebenso innerhalb einer Kolonie erfolgen (Abb. 2‐14
a)) [62, 69], wie es bereits von der Ausbreitung kleiner Risse bekannt ist [33]. Allerdings ist
die Größe dieser Verbindungsligamente um einiges kleiner verglichen mit denen, die über
die Grenzen anders orientierter Kolonien gebildet werden [74]. Folglich können sie mit gerin‐
gerem Energieaufwand durchtrennt werden. Unter zyklischer Belastung wirkt der extrinsi‐
sche Mechanismus der Ligamentbildung erst ab Spannungsintensitätsfaktoren von etwa
∆ 8 √ , wie Campbell et al. [95] festgestellt haben. Ihr Einfluss fällt aber auch in
diesem Fall um einiges geringer als unter monotoner Belastung aus, wo er mit ~4
25 √ ( aus dem engl. für bridging) bestimmt wurde [98].
a) b)
Abb. 2‐14: Extrinsische Mechanismen bei der Rissausbreitung in lamellarer Mikrostruktur:
a) Entstehung eines Verbindungsligaments vor der Rissspitze durch Mikrorissinitiierung,
b) Rissverzweigung an abweichend orientierten Kolonien
Neben den intrinsischen Mechanismen der Versetzungsbewegung und der Zwillingsbildung
leistet die Rissabschirmung in Form eines extrinsischen Mechanismus einen großen Beitrag
zur Reduzierung der Rissgeschwindigkeit in den TiAl‐Legierungen mit einer lamellaren Mikro‐
struktur [70]. Dieser Effekt ist sogar deutlich ausgeprägter als der des Rissschließens, wel‐
cher erst bei hohen Temperaturen und in einer Atmosphärenumgebung aufgrund von Oxida‐
tionsprozessen zum Tragen kommt [80, 83, 100]. Einflüsse der plastizitätsinduzierten Riss‐
spitzenverrundung, wie sie von duktilen Werkstoffen bekannt sind, wurden ebenfalls erst bei
Temperaturen von 800°C in den globularen ‐Körnern beobachtet [38]. Trotz verbesserter
Möglichkeiten für die plastische Aktivität bei höheren Temperaturen überwiegt die ver‐
einfachte Mikrorissinitiierung vor der Spitze des Hauptrisses, wie es Mutoh et al. vermuten
[64].
Der mikrostrukturelle Einfluss auf die Ausbreitung langer Risse bleibt bei den Titanalumini‐
den folglich sowohl bei geringen als auch bei hohen Temperaturen erhalten. Vielfach wird
auch der Einfluss des Spannungsverhältnisses gesehen. Zhu et al. sowie Campbell et al.
unterscheiden dagegen zwischen hoher und niedriger Belastung. Sie sehen den Einfluss des
Spannungsverhältnisses als Resultat der Rissabschirmung nur bei Belastungen nahe des
∆ ‐Wertes. Dagegen überwiegt bei hohen ∆ ‐Werten der Einfluss des Maximalwerts der
Spannungsintensität auf die Ausbreitung langer Risse [83, 96]. In Analogie zu dem Ver‐
30 Grundlagen
halten von äußerst spröden Keramiken verwenden sie die angepasste Paris‐Funktion (2‐7),
die beide Faktoren ∆ und berücksichtigt:
da
= C ' (ΔK ) (K max ) .
p q
(2‐10)
dN
Dabei ist C ' eine Skalierungskonstante, während p und q als materialspezifische Konstan‐
ten experimentell bestimmt werden [70]. Zusätzlich gilt im Bezug auf die Gleichung (2‐7) die
Beziehung
. (2‐11)
Für metallische Werkstoffe ist , was den stärkeren Einfluss der Schwingbreite des
Spannungsintensitätsfaktors ∆ bedeutet. Bei keramischen Werkstoffen ist es genau umge‐
kehrt, mit ist Einfluss des ‐Wertes stärker. TiAl‐Legierungen liegen in ihrem Ver‐
halten bei Raumtemperatur zwischen diesen Werkstoffgruppen [70, 83, 96].
Charakterisierung untersuchter Legierungen 31
3 Charakterisierung untersuchter Legierungen
3.1 Versuchswerkstoffe
Für die übergreifende Untersuchung des mikrostrukturellen Einflusses auf das Schädigungs‐
verhaltens in Titanaluminiden wurden mehrere Legierungen ausgesucht, die sich in der che‐
mischen Zusammensetzung und der Mikrostruktur unterscheiden. Angefangen bei einer
klassischen Legierung Ti‐46,5Al‐2,5V‐1,0Cr mit einer FL‐ und NL‐Morphologie über eine neu‐
artige ‐haltige Gusslegierung Ti‐43Al‐4Nb‐1Mo‐0,1B bis zu der sogenannten Legierung
dritten Generation Ti‐45Al‐5Nb‐0,2C‐0,2B mit einer feineren Duplex‐Morphologie. Die Anga‐
ben zu den Legierungskonzentrationen beziehen sich hierbei auf das prozentuelle atomare
Verhältnis (At.%).
42 49 0 4 0 10 0 1 (At.%).
Tabelle 1: Elementabhängige Veränderung der Eigenschaften [1, 14, 31, 101]
= Cr, Mn, V
‐ Steigerung der Raumtemperatur‐Duktilität und Umformbarkeit
‐ Verringerung der Tetragonalität und der Stapelfehlerenergie durch Substitution
von Al in der ‐Phase
‐ wirken in geringem Maße mischkristallhärtend
‐ verringern üblicherweise die Oxidationsbeständigkeit
= Nb, Mo, Ta, W
‐ Steigerung der Oxidationsbeständigkeit
‐ stärkere Mischkristallhärtung als ‐Elemente
‐ Nb, Ta und W erhöhen die Kriechbeständigkeit
= B, C, Si
‐ Steigerung der Hochtemperatur‐Festigkeit und Kriechbeständigkeit durch Ausschei‐
dungs‐ oder Dispersionshärtung
‐ Feinkörnung und Verbesserung der Verarbeitbarkeit durch Bildung stabiler Disper‐
soide
Der dargestellte Einfluss einzelner Legierungselemente auf die mechanischen Eigenschaften
ist empirisch hergeleitet und wurde bisher nicht vollständig aufgeklärt. Der Grund liegt in der
unvermeidlichen Veränderung der Konstitution und damit dem Gefüge, die mit der Zugabe
weiterer Elemente einhergeht [15]. Gerade der mikrostrukturelle Aufbau beeinflusst aller‐
dings die Eigenschaften von ‐TiAl‐Basislegierungen maßgeblich, wie es bereits aus Kapitel
32 Charakterisierung untersuchter Legierungen
2.3 am Beispiel des Ermüdungsverhaltens bekannt ist. Im Allgemeinen gilt, dass die Zugabe
metallischer Elemente die Eigenschaftsveränderung der ‐Phase zum Ziel hat. Diese gehen
dabei in Lösung und beeinflussen die Energien planarer Defekte und/oder die Diffusionsko‐
effizienten. Für diese intrinsischen Eigenschaften sind die Verteilung der Elemente auf die
Phasen und und die Löslichkeit in der ‐Phase entscheidend. Nichtmetallische Elemente
werden hingegen dazulegiert, um durch Bildung dritter Phasen eine Ausscheidungshärtung
oder Kornfeinung beim Gießen zu erreichen [14].
3.1.1 Ti‐46,5Al‐2,5V‐1,0Cr TAC‐2
Die zweiphasige intermetallische TiAl‐Gusslegierung mit der Zusammensetzung Ti‐46,5Al‐
2,5V‐1,0Cr (At.%) wurde in dem Central Iron & Steel Research Institute (CISRI) in China her‐
gestellt und trägt die Bezeichnung TAC‐2. Das Material wurde zunächst mittels des ISM‐Ver‐
fahrens (engl. Induction Scull Melting) zu zylindrischen Barren mit einem Durchmesser von
40 mm und einer Länge von 150 mm gegossen. Bei der Erstarrung durchläuft diese Legierung
die peritektische Reaktion:
.
Je nach Abkühlbedingungen können sich zunächst große, in Wärmeflussrichtung ausgerich‐
tete Stängelkristalle der ‐Phase bilden [15]. Die ursprünglichen ‐Körner wachsen also in
diesem Fall vom Außenrand in Richtung der Barrenmittelachse und wandeln sich zusammen
mit der Restschmelze zu ‐Körnern um. Nach der anschließenden Ausbildung der Lamellen‐
kolonien mit der Umwandlung nach Beziehung (2‐1) sind die Lamellen überwiegend parallel
zu der Längsachse des Barrens ausgerichtet. Diese bevorzugte Ausrichtung der Kolonien hat
für die Versuchsdurchführung einen entscheidenden Vorteil, da entsprechend der Proben‐
entnahme richtungsabhängige Eigenschaftsbestimmung möglich ist. Die Abkühlbedingungen
wurden in allen Fällen so gewählt, dass direkt nach dem Abgießen eine vollständig lamellare
FL‐Mikrostruktur entstand. Mittels anschließender Wärmebehandlung wurden aus dem ge‐
gossenen Vormaterial zwei unterschiedliche Gefügezustände eingestellt.
TAC‐2‐NL
Einige Barren mit der bevorzugten Ausrichtung der Kolonien in Längsrichtung wurden dem
heißisostatischen Verdichten (engl.: Hot Isostatic Pressing) HIP bei 1290°C unter 150 MPa
Gasdruck und der Dauer von 2,5 Stunden ausgesetzt. Die gewählte Wärmebehandlungstem‐
peratur liegt noch unterhalb der ‐Transustemperatur, die für die TAC‐2‐Legierung mit
1330°C bestimmt wurde [102]. Demzufolge fand bei dieser Behandlung keine Vergröberung
der Kolonien statt. Positiver Nebeneffekt des HIP‐Verfahrens ist die Reduktion der Gussporo‐
sität, wodurch die Rissinitiierung aus den Poren vermieden werden kann. Das ursprünglich
vollständig lamellare FL‐Gefüge wird bei dieser Prozedur in ein nahezu lamellares NL‐Gefüge
umgewandelt. Zur besseren Differenzierung wird dieses Versuchsmaterial im weiteren Ver‐
lauf mit TAC‐2‐NL bezeichnet. Schliffbilder unterschiedlicher Vergrößerung veranschaulichen
in Abb. 3‐1 die eingestellte Mikrostruktur, die sich zur besseren Kontrastierung der jeweili‐
gen Phasen im geätzten Zustand befindet.
Charakterisierung untersuchter Legierungen 33
a) b)
Abb. 3‐1: Mikroschliffbilder des Versuchsmaterials TAC‐2‐NL bei unterschiedlicher Vergrö‐
ßerung
Die Mikrostruktur besteht zu etwa 96% aus lamellaren Kolonien und dementsprechend zu
4% aus globularen Ausscheidungen, die überwiegend entlang der Koloniegrenzen vorliegen.
Die statistische Auswertung verdeutlicht in Abb. 3‐2 die lamellare Vorzugsausrichtung in Bar‐
renlängsrichtung und gibt Aufschluss über die Koloniegrößenverteilung. Definiert man als
den Winkel zwischen der Längsachse und der lateralen Kolonieorientierung, so befinden sich
ca. 87% der Kolonien in dem Winkelbereich = 0‐30°. Die mittlere Korngröße der ‐Phase
liegt bei etwa 65 µm, während die mittlere Ausdehnung der Kolonien in Richtung der Lamel‐
len in etwa die Länge von 170 µm einnimmt. Vereinzelt kommen auch Kolonien mit einer
Länge von über 750 µm vor, wodurch in Verbindung einer ungünstigen Orientierung ein kriti‐
sches Verhalten hinsichtlich der Rissinitiierung und ‐ausbreitung erwartet werden kann.
a) b)
Abb. 3‐2: Statistische Auswertung über die Kolonien der TAC‐2‐NL Legierung:
a) relative Häufigkeit der Kolonieausrichtung, b) relative Häufigkeit der Koloniegröße
TAC‐2‐FL
Andere Gussbarren des Vormaterials wurden einer Temperatur ausgesetzt, die oberhalb der
‐Transustemperatur lag. Dadurch erfolgt zunächst eine Rücktransformation der Kolonien zu
den ‐Körnern, so dass eine Rekristallisation und Kornvergröberung durchgeführt werden
konnte. Während der anschließenden Abkühlung schieden sich erneut ‐Lamellen aus, so
34 Charakterisierung untersuchter Legierungen
dass eine grob‐koloniale FL‐Mikrostruktur entstand (vgl. Abb. 3‐3). Dieses Versuchsmaterial
wird im Weiteren mit TAC‐2‐FL bezeichnet.
a) b)
Abb. 3‐3: Mikroschliffbilder des Versuchsmaterials TAC‐2‐FL bei unterschiedlicher Vergrö‐
ßerung
Die Mikrostruktur des TAC‐2‐FL‐Versuchsmaterials besteht mit etwa 98% zum überwiegen‐
den Teil aus lamellaren Kolonien. Vereinzelte globulare ‐Körner mit der mittleren Größe
von etwa 40 µm befinden sich an Koloniegrenzen sowie teilweise innerhalb der Kolonien.
Durch die Wahl geeigneter Abkühlbedingungen für die Erstarrung der Schmelze und der an‐
schließenden Wärmebehandlung ist nun die Erstarrungstextur deutlich weniger ausgeprägt.
Zwar liegt ein Großteil der Kolonien mit ca. 41% noch im Winkelbereich von = 0‐20°, je‐
doch ist die Ausrichtung der restlichen Kolonien in etwa gleichverteilt (vgl. Abb. 3‐4). Die
bevorzugte Ausrichtung der Kolonien in Richtung der Längsachse ist nach der Rekristallisa‐
tion demnach nicht mehr so dominant. Die mittlere Länge der Kolonien in Richtung der La‐
mellen übertrifft mit etwa 475 µm um einiges das TAC‐2‐NL‐Versuchsmaterial. Einzelne Kolo‐
nien haben eine Ausdehnung von bis zu 1500 µm. Diese Legierung bietet somit eine sehr
gute Möglichkeit um die Richtungsabhängigkeit der Nachbarkolonien auf die Mikrorissaus‐
breitung näher zu untersuchen.
a) b)
Abb. 3‐4: Statistische Auswertung über die Kolonien der TAC‐2‐FL Legierung:
a) relative Häufigkeit der Kolonieausrichtung, b) relative Häufigkeit der Koloniegröße
Charakterisierung untersuchter Legierungen 35
Da bei den beiden Versuchsmaterialien ursprünglich die gleiche chemische Zusammenset‐
zung des Vormaterials vorlag, ist in Tabelle 2 die genaue Chemieangabe des Herstellers ein‐
malig aufgelistet. Die mechanischen Eigenschaften aus dem Zugversuch variieren dagegen
und sind für beide Gefügezustände in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tabelle 2: Herstellerangaben zu der chem. Zusammensetzung der TAC‐2‐Legierung in At.%
Ti Al V Cr
50,06 46,48 2,50 0,96
Tabelle 3: Mechanische Eigenschaften der TAC‐2‐Versuchsmaterialien aus dem Zugversuch
Versuchs‐ Zugfestigkeit Dehngrenze Dehngrenze Bruchdehnung E‐Modul
material [MPa] , [MPa] , [MPa] [%] [GPa]
TAC‐2‐NL 505 314 431 0,79 175
TAC‐2‐FL 394 227 352 0,41 163
3.1.2 Ti‐43Al‐4Nb‐1Mo‐0,1B TNM‐B1
Die verhältnismäßig neue Gusslegierung Ti‐43Al‐4Nb‐1Mo‐0,1B wurde mit der Zielsetzung
einer Verformungs‐ und Verarbeitungsoptimierung unter Verwendung des thermodynami‐
schen Berechnungsprogramms CALPHAD entwickelt [36]. Dieses Ziel konnte durch die Stabi‐
lisierung der dritten Phase mit den Elementen Nb und Mo erreicht werden. Oberhalb des
Temperaturbereichs von etwa 1410‐1420°C ist der kristallographische krz‐Aufbau der ‐Pha‐
se ungeordnet, d. h. die jeweiligen Atomplätze des Gitters werden nicht von Titan und Alu‐
minium favorisiert. Bei höheren Temperaturen wird dadurch die Gesamtduktilität des Mate‐
rials gesteigert, und die Umformung des gegossenen Bauteils ist möglich. Unterhalb dieses
Temperaturbereichs ordnet sich der kristallographische Gitteraufbau an, und es entsteht die
‐Phase mit dem aus Kap. 2.1.2 bekannten B2‐Kristallgitter. Durch die Anordnung entste‐
hen kovalente Bindungsanteile, so dass Diffusionsprozesse und Versetzungsbewegung einge‐
schränkt werden und die geforderten Eigenschaften wie beispielsweise die Kriechbeständig‐
keit weiterhin auf einem guten Niveau bleiben. Um den üblichen Nachteilen des Gussprozes‐
ses, wie der Ausbildung einer Erstarrungstextur und der Kornvergröberung, gezielt entgegen‐
zuwirken, wird das Element Bor zulegiert. Direkt während des Erstarrungsvorgangs hat Bor
neben Niob eine kornfeinende Wirkung [1, 62]. Desweiteren hemmt Bor durch die Bildung
stabiler Dispersoide das Kornwachstum bei der Wärmebehandlung, da diese die Korngrenz‐
bewegungen behindern. In Verbindung mit dem Titan werden allerdings auch nadelförmige
Titanboride mit einer Länge von ca. 2‐50 µm und einem Durchmesser von ca. 1‐5 µm ausge‐
schieden [8, 95].
Das Untersuchungsmaterial wurde von der Firma GfE Metalle und Materialien GmbH in
Nürnberg zur Verfügung gestellt. Die Herstellung erfolgte durch zweifaches Schmelzen im
Vakuum‐Lichtbogen‐Ofen und dem anschließenden Abguss in keramische Formschalen. Zur
36 Charakterisierung untersuchter Legierungen
Verminderung der Gussporosität wurden die Gussbarren mit einem Durchmesser von
40 mm und einer Länge von 210 mm bei 1200°C und 200 MPa Gasdruck 4 Stunden heißiso‐
statisch nachverdichtet. Die Mikrostruktur der Legierung TNM‐B1 ist in Abb. 3‐5 anhand ge‐
ätzter Schliffbilder unterschiedlicher Vergrößerungen dargestellt. Sie besteht wiederum aus
Kolonien der ‐ und ‐Lamellen sowie Clustern der ‐ und ‐Phase, die bevorzugt entlang
der Koloniegrenzen angelagert sind. An dieser Stelle wird der Begriff Cluster dem Begriff glo‐
bulares Korn bewusst vorgezogen, da die betroffenen Phasen recht komplexe geometrische
Strukturen aufweisen. Einen Einblick über diesen Aufbau verschafft die Detailansicht aus
dem Rasterelektronenmikroskop (REM) in Abb. 3‐5 b), die im BSE‐Modus bei höherer Ver‐
größerung erstellt wurde. Hier nimmt die ‐Phase einen hellen und die dazwischenliegende
‐Phase einen dunklen Grauwert an.
BSE
a) b)
Abb. 3‐5: Mikroschliffbilder der Legierung TNM‐B1 bei unterschiedlicher Vergrößerung
Den Schliffbildern kann entnommen werden, dass die Gesamtmorphologie in etwa zu 65%
aus Kolonien, sowie zu 12% aus den ‐ und zu 23% aus den ‐Clustern besteht. Eine Vor‐
zugsrichtung der Kolonien ist nicht vorhanden, d. h. sie sind näherungsweise gleichverteilt
angeordnet (vgl. Abb. 3‐6 a)). Ihre Ausdehnung beträgt im Durchschnitt etwa 165 µm, ob‐
gleich einige Kolonien auch Dimensionen von etwas mehr als 500 µm erreichen. Auf die An‐
gabe der typischen Clustergröße der beiden ‐ und ‐Phasen wird an dieser Stelle verzich‐
tet, da sie aufgrund der komplexen Geometrie irreführend und nicht zweckmäßig wäre. Bei
dieser Legierung gibt es aufgrund der nahezu gleichverteilten Ausrichtung der Kolonien und
einer gewissen Variation der Koloniegröße gute Möglichkeiten zur Analyse übergreifender
richtungsabhängiger Schädigungsentwicklungen und der Einflussnahme der Cluster beider
Phasen.
Charakterisierung untersuchter Legierungen 37
a) b)
Abb. 3‐6: Statistische Auswertung über die Kolonien der TNM‐B1 Legierung:
a) relative Häufigkeit der Kolonieausrichtung, b) relative Häufigkeit der Koloniegröße
Die Angaben des Herstellers über die genauere chemische Zusammensetzung des Vormateri‐
als sind in Tabelle 4 aufgelistet. Die mechanischen Eigenschaften aus dem Zugversuch sind
für die vorliegende Legierung TNM‐B1 in Tabelle 5 zusammengefasst.
Tabelle 4: Herstellerangaben zu der chem. Zusammensetzung der TNM‐B1‐Legierung in
At.%
Ti Al Nb Mo B
51,57 43,38 4,06 0,90 0,09
Tabelle 5: Mechanische Eigenschaften der TNM‐B1‐Legierung aus dem Zugversuch
Zugfestigkeit Dehngrenze Dehngrenze Bruchdehnung E‐Modul
[MPa] , [MPa] , [MPa] [%] [GPa]
633 421 ‐ 0,11 173
3.1.3 Ti‐45Al‐5Nb‐0,2C‐0,2B TNB‐V5
Die Legierung Ti‐45Al‐5Nb‐0,2C‐0,2B mit der allgemeinen Bezeichnung TNB‐V5 ist Gegen‐
stand der Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe vom Prof. Maier (Lehrstuhl für Werkstoff‐
kunde) an der Universität Paderborn. Aufgrund durchgeführter Kooperationsarbeiten wird
sie unter einigen Vergleichsaspekten in diese Arbeit aufgenommen und soll an dieser Stelle
kurz eingeführt werden. Ursprünglich stammt die Legierung von der Plansee Group und wur‐
de schmelzmetallurgisch hergestellt. Im Anschluss wurden die Gussbarren bei einer Tempe‐
ratur von 1199°C und einer Vorschubgeschwindigkeit von 12 mm/s mit einem Verhältnis von
11:1 stranggepresst. Das entstandene Duplexgefüge zeigt einen vergleichsweise hohen An‐
teil (ca. 80%) an Kolonien sowie außerordentlich kleine globulare ‐Körner entlang der Kolo‐
niegrenzen auf (vgl. Abb. 3‐7). Die Koloniegröße konnte durch den Umformprozess und die
nachfolgende Wärmebehandlung deutlich verkleinert werden. Sie liegt im Durchschnitt bei
38 Charakterisierung untersuchter Legierungen
etwa 60 µm. Die Ausdehnung der Körner hat dagegen einen Durchschnittswert von lediglich
etwa 10 µm. Einige Bereiche weisen eine Agglomeration wesentlich feinerer Körner auf, wie
es die rasterelektronische Aufnahme im SEM‐Modus in Abb. 3‐7 b) verdeutlicht.
SEM
a) b)
Abb. 3‐7: Mikroschliffbilder der Legierung TNB‐V5 bei unterschiedlicher Vergrößerung
Tabelle 6 gibt die vom Hersteller ermittelte genaue chemische Zusammensetzung des Ver‐
suchswerkstoffs wieder. Kennwerte aus dem Zugversuch können hingegen aus Tabelle 7 ent‐
nommen werden.
Tabelle 6: Herstellerangaben zu der chem. Zusammensetzung der TNB‐V5‐Legierung in
At.%
Ti Al Nb C B
49,25 45,30 4,98 0,24 0,23
Tabelle 7: Mechanische Eigenschaften der TNB‐V5‐Legierung aus dem Zugversuch
Zugfestigkeit Dehngrenze Dehngrenze Bruchdehnung E‐Modul
[MPa] , [MPa] , [MPa] [%] [GPa]
898 672 805 1,53 152
3.2 Analysen zur chemischen Zusammensetzung einzelner Phasen
Die Kenntnis über die chemische Zusammensetzung vorliegender Phasen ist als Referenz für
spätere Spektralanalysen erforderlich. Ihre Bestimmung erfolgte mittels der EDX‐Analysen in
Verbindung mit einem Rasterelektronenmikroskop. Bei diesem Verfahren muss beachtet
werden, dass die räumliche Ausdehnung des angeregten Volumens mitunter von der Primär‐
energie abhängt und im Allgemeinen bei etwa 1‐3 µm liegt. Daher ist insbesondere bei der
Analyse der relativ feinen Lamellen mit Einschränkungen zu rechnen. Genauere Angaben zu
Charakterisierung untersuchter Legierungen 39
der Eindringtiefe der Primärelektronen lassen sich elementspezifisch nach der folgenden
empirischen Beziehung von Kanaya et al. machen [103]:
0,0276 ⋅ A ⋅ E0
5/ 3
Re = [µm] . (3‐1)
ρ ⋅ Z 8/9
Z = ∑ χ j ⋅ Z j (3‐2)
j
A = ∑ χ j ⋅ A j . (3‐3)
j
Abb. 3‐8: Eindringtiefe der Elektronen für Elemente Ti und Al, sowie für Phasen und
in Abhängigkeit der Energie des Elektronenstrahls
Eine höhere Ortsauflösung kann insofern mit weiter abnehmender Energie erreicht werden.
Es existieren allerdings auch Limits, die zur Erfüllung der Messgenauigkeit eingehalten wer‐
den müssen. Eine gute Qualität der Messergebnisse wird bei der Ionisierung der inneren K‐
Schale erzielt. Desweiteren sollte die eingestellte Primärenergie für die optimale Anre‐
gung der betrachteten Schale das Dreifache der kritischen Anregungsenergie betragen.
40 Charakterisierung untersuchter Legierungen
Als Mindestgröße für dieses Überspannungsverhältnis ⁄ wird in der Praxis der
Wert 2 empfohlen [105]. Ausgehend von den kritischen Anregungsenergien der K‐Schalen
beider Hauptlegierungselemente Titan und Aluminium mit , = 4,51 keV und
, = 1,49 keV wird für die Messung der chemischen Zusammensetzung innerhalb der La‐
mellen des Untersuchungswerkstoffs TAC‐2‐NL die Primärenergie auf = 10 kV festgelegt.
Die Ausdehnung des angeregten Volumens beträgt in diesem Fall etwa , = 0,9 µm und
, = 1,0 µm. Bei der Messung wurde dieser Umstand mit der Wahl äußerst breiter Lamel‐
len berücksichtigt. Die Analysebedingungen bei den globularen ‐Körnern in TAC‐2‐NL, sowie
bei den ‐ und ‐Clustern in TNM‐B1 sind dagegen aufgrund ihrer Größe unkritisch. In die‐
sem Fall wurde die Primärenergie mit = 20 kV gewählt, um auch die Anteile anderer Le‐
gierungselemente mit höherer Ordnungszahl bestimmen zu können. Aus dem gleichen
Grund wurde die höhere Energie auch bei der Lamellenanalyse in TNM‐B1 gewählt, wo par‐
tiell breitere Lamellen vorlagen. Die Ergebnisse der EDX‐Analysen sind in Tabelle 8 zusam‐
mengefasst.
Tabelle 8: Mittlere chemische Zusammensetzung vorliegender Phasen in At.% aus EDX‐
Analysen
Breite
Werkstoff Phase Ti Al Cr V Nb M
[µm] [kV]
‐Lamellen 1,25 58,42 41,58 ‐ ‐ ‐ ‐
10
TAC‐2‐NL ‐Lamellen 2,15 51,50 48,50 ‐ ‐ ‐ ‐
‐Körner > 10 20 53,20 43,61 1,02 2,17 ‐ ‐
‐Lamellen 3,50 55,91 38,95 ‐ ‐ 4,18 0,96
‐Lamellen 6,85 51,13 43,51 ‐ ‐ 4,28 1,08
TNM‐B1 ‐Cluster > 10 20 44,84 49,54 ‐ ‐ 4,70 0,92
‐Cluster > 10 53,88 37,18 ‐ ‐ 5,78 3,16
Ti‐boride* 2,25 83,43 1,59 ‐ ‐ 12,76 2,22
‐ Bei der Messung nicht erfasst.
*
Auf die Angabe von Bor wird verzichtet, da aufgrund des leichten Gewichts die Messung mit Fehler behaftet sein kann.
Bis auf eine geringfügige Abweichung der chemische Zusammensetzung der ‐Lamelle sind
die Ergebnisse in guter Übereinstimmung mit den Angaben aus der Literatur für ähnliche Le‐
gierungen. Diese stammen zum einen aus EDX‐Messungen an globular eingestelltem Gefüge
[35, 106‐108], was die Analysebedingungen durch die Korngröße verbessert, zum anderen
aus einer wesentlich genaueren Messung mit der dreidimensionalen Atomsonde (engl.:
Three Dimensional Atom Probe) 3DAP [109]. Die durchgeführte 3DAP‐Analyse hatte die Be‐
stimmung ortsaufgelöster Elementverteilung innerhalb einzelner Lamellen zum Ziel. Die ge‐
mittelten Angaben über die jeweiligen Lamellen sind in Tabelle 9 für die in [109] untersuchte
Legierung zusammengefasst. Das prozentuelle atomare Verhältnis von Ti und Al liegt in die‐
sem Fall auch bei der ‐Phase innerhalb des aus dem Phasendiagramm bekannten Homo‐
genitätsbereichs.
Charakterisierung untersuchter Legierungen 41
Tabelle 9: Chem. Zusammensetzung innerhalb der Lamellen in At.%, aus Literaturangaben
[109]
Legierung: Ti‐46,5Al‐1,5Cr‐0,5Mn‐3Nb‐0,2W‐0,2Hf‐0,2Zr‐0,2B‐0,2C‐0,2O
Phase Ti Al Cr Mn Nb O C Zr
‐Lamelle 59,20 32,41 2,61 0,81 2,56 1,12 0,61 0,21
‐Lamelle 49,94 43,93 1,76 0,63 3,13 0,08 0,15 0,28
Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit gemessene chemische Zusammensetzung innerhalb
der Lamellen kann somit, trotz der Wahl außerordentlich breiter Lamellen, nur als Nähe‐
rungsangabe gewertet werden. Die Begründung liegt in ihrer ungewissen räumlichen Aus‐
richtung. Bei einer zu starken Schräglage ist eine Mittelung über mehrere Phasen zu erwar‐
ten, wenn die Ausdehnung des angeregten Volumens die Breite der zu messende Lamelle
übersteigt. Eine exemplarische Monte‐Carlo‐Simulation, dargestellt in Abb. 3‐9, verdeutlicht
diesen Sachverhalt. Hierbei wurde zunächst die Wechselwirkung der Primärelektronen mit
dem Probenvolumen, bestehend aus der ‐Phase, bei der gewählten Primärenergie von
= 10 kV bestimmt. Die Vereinfachung des Modells auf die ‐Phase ist aufgrund der gerin‐
gen Abweichung von nur 10% zu der ‐Phase legitim. Dem Ergebnis der Simulation kann
nun die mikrostrukturelle Abbildung so überlagert werden, dass der Primärelektronenstrahl
mittig zu der oberflächlich sichtbaren Lamelle platziert wird. In Abb. 3‐9 wurde beispiels‐
weise eine räumliche Neigung von = 45° und eine lateralen Breite der zu untersuchenden
‐Lamelle von = 1 µm angenommen. In diesem Fall kommt es zu einer signifikanten Über‐
schneidung mit der benachbarten Phase, so dass das Messergebnis verfälscht wird.
Abb. 3‐9: Monte‐Carlo‐Simulation des angeregten Volumens der γ‐Phase bei = 10 kV
Primerstrahlung
42 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge
4 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler
Schädigungsvorgänge
In diesem Kapitel werden Verfahren und Ansätze für die experimentelle Ermittlung des mi‐
krostrukturellen Einflusses bei der Rissinitiierung und ‐ausbreitung in ‐TiAl‐Basislegierungen
vorgestellt, die während der Forschungsarbeiten angewandt und optimiert wurden.
Um die Schädigungsvorgänge an der Probenoberfläche qualitativ und quantitativ zu bewer‐
ten, wurden quasistatische und dynamische Experimente mit dem gleichzeitigen Einsatz digi‐
taler Auflichtmikroskopie durchgeführt. Dabei ermöglicht ein automatischer dreidimensiona‐
ler Verfahrmechanismus bei der Durchführung dynamischer Experimente das periodische
„Scannen“ über größere Bereiche, so dass bereits bei einer geringen Anzahl der Proben un‐
terschiedlichste mikrostrukturelle Konstellationen erfasst werden konnten. Die erstellten
Bildaufnahmen wurden post mortem analysiert und die Risse bruchmechanisch ausgewertet.
Mit dem Einsatz des Grauwertbildanalyseverfahrens konnten desweiteren auch kleinste lo‐
kale Veränderungen in Abhängigkeit der Last bestimmt werden, womit der mikrostrukturelle
Einfluss insbesondere bei der Rissinitiierung aufgezeigt werden konnte. Vor der eigentlichen
Durchführung der Experimente wurden die Geometrien unterschiedlicher Probekörper unter
Verwendung der Finite‐Elemente‐Methode hinsichtlich des Spannungsverlaufs optimiert.
Dabei musste der erforderliche ebene Bereich für den Einsatz der Auflichtmikroskopie mit
geringer Schärfentiefe mitberücksichtigt werden. Eine Systematisierung der Untersuchungen
wurde durch den Einsatz eines Femtosekundenlasers realisiert. Dadurch können gerichtete,
mikrostrukturell kleine Starterkerben eingebracht werden, die als künstliche Defekte für lo‐
kale Spannungsüberhöhungen sorgen und zur Rissinitiierung führen. Zur Bewertung der drei‐
dimensionalen Rissausbreitung wurden gleichzeitig mehrere Ansätze verfolgt. Zum einen
wurden die Bruchflächen mit dem Rasterelektronenmikroskop analysiert, um daraus den mi‐
krostrukturellen Einfluss insbesondere in der näheren Umgebung des Rissursprungsortes zu
erfassen. Zum anderen wurden ausgewählte Oberflächenmikrorisse mit einem fokussierten
Ionenstrahl (engl.: Focused Ion Beam) FIB in die Tiefe aufgeschnitten, so dass der räumliche
Verlauf des Risses und die Interaktion mit den angrenzenden Phasen an der Schnittebene
begutachtet werden konnte. Im dritten Ansatz wurden Vorarbeiten zur Entwicklung eines
schnellen dreidimensionalen Mikrorissabbildungsverfahrens geleistet, welches auf der Fem‐
tosekundenlaserspektroskopie basiert. Durch die gleichzeitige Bestimmung des räumlichen
Rissverlaufs und der vorliegenden Phasen innerhalb größerer Bereiche wird in dieser Tech‐
nologie eine effiziente und zur Röntgentomographie im Synchrotron konkurrierende Mög‐
lichkeit der 3D‐Rissanalyse gesehen.
4.1 Einsatz der digitalen Kreuzkorrelationsanalyse an Grauwertbildern
Das eingesetzte Grauwertbildanalyseverfahren (engl.: Digital Image Correlation) DIC dient
der Bestimmung lokaler, parallel zur Bildebene liegender Dehnungskomponenten von me‐
chanisch belasteten Proben. Hierzu wurde das kommerziell verfügbare Programm VEDDAC
5.0 der Firma Chemnitzer Werkstoffmechanik GmbH herangezogen. Die Berechnung basiert
Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge 43
Y
Abb. 4‐1: 2D‐Kreuzkorrelationsanalyse eines Referenzfelds um den Messpunkt , zwi‐
schen dem Ausgangsbild und dem Vergleichsbild
Die Vorausetzung für gute Korrelationsfaktoren ist, dass die Bilder der Objektoberfläche eine
lokale Eigenstruktur mit ausreichender Auflösung, gutem Kontrast und Detailreichtum auf‐
weisen. Für die Untersuchung der ‐TiAl‐Basislegierungen hat sich diesbezüglich eine leicht
geätzte Oberfläche als vorteilhaft erwiesen. Desweiteren werden für optimale Ergebnisse
eine hohe Bildauflösung, eine gleichmäßige und gleichbleibende Beleuchtung und wenn
möglich eine zur Objektebene parallele Bildebene benötigt. Bei der Durchführung der
Messung ist zudem darauf zu achten, dass die Objektoberfläche nicht durch periodische
Kratzer oder Oberflächenmuster beeinträchtigt ist, da diese zu systematischen Messfehlern
mit der ‐fachen Dimension der jeweiligen Periodizität führen [111]. Diese Gefahr besteht
bei dem lamellaren Aufbau nicht, obgleich sie auf den ersten Blick ein periodisches Muster
aufweisen. Aus mikroskopischer Sicht liegt jedoch ein unverkennbares Muster vor, da die La‐
mellen bei dem Ätzvorgang unterschiedlich stark angegriffen werden und zudem unter‐
schiedliche Breiten aufweisen. Ferner kann eine zu starke Änderung der optischen Oberflä‐
chenstruktur (z. B. durch Oxidationsprozesse) dazu führen, dass der Kreuzkorrelationsalgo‐
rithmus die gesuchten Oberflächenbereiche nicht mehr eindeutig wieder finden kann. Dies‐
bezüglich ist der Einsatz der DIC‐Analyse bei Raumtemperaturexperimenten an ‐TiAl‐Legie‐
rungen unbeschränkt, da keine signifikanten Oxidationsprozesse stattfinden.
44 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge
Für die Berechnung ist die Wahl der Referenzfeldgröße wichtig, da sie über das laterale Auf‐
lösungsvermögen entscheidet. Dabei gilt, je kleiner sie ist, desto lokaler kann gerechnet wer‐
den. Bei zu geringer Größe beinhaltet allerdings das Muster zu wenige Ortsinformationen, so
dass der höchste Korrelationsfaktor an einer falschen Stelle berechnet werden kann, was
schließlich in der Fehlauswertung mündet. Bei groß gewählter Referenzfeldgröße ergibt sich
eine Unschärfe der Verschiebungsvektoren, da übergreifende Bildinformationen in die Be‐
rechnung aufgenommen werden [110]. Hier muss also ein Kompromiss gefunden werden,
der von dem Muster und der Auflösung abhängig ist. Eine Möglichkeit zur Angleichung loka‐
ler Fehlauswertungen bietet der Einsatz eines Vektor‐Median‐Filters, der in ähnlicher Form
in der Filterung der RGB‐Farbbilder Verwendung findet [112]. Die Filterung kann sowohl über
die Verschiebungs‐ wie auch Dehnungsvektoren erfolgen, wobei an dieser Stelle die Vorge‐
hensweise am Beispiel der Verschiebungsvektoren demonstriert werden soll. Nach der Fest‐
legung der Filtergröße und der resultierenden Anzahl der einfließenden Messpunkte wird
der Verschiebungsvektor , des in der Filtermatrix zentral liegenden Messpunktes
durch den Vektor‐Median ersetzt. Dabei wird 1, … , so gewählt, dass die Summe
der Vektordifferenzen zu allen anderen zu berücksichtigenden Vektoren der Nachbarschaft
minimal ist.
n n
r r r r
∑k =1
um − u k < ∑ u j − u k
k =1
∀j ≠ m , j = 1, K , n (4‐1)
Die Anwendung des Vektor‐Median‐Filters ist insbesondere dann interessant, wenn wäh‐
rend der Experimentdurchführung lokale Bildstörungen bei Bildaufnahmen auftreten. Diese
könnten beispielsweise durch Staubpartikel, die sich auf der Probenoberfläche ablegen, her‐
vorgerufen werden. In diesem Fall gilt für die Anwendung, dass die Bildartefakte nicht grö‐
ßer sein dürfen als die zu detektierende reale Veränderung des betrachteten Objekts.
4.2 Durchführung von in‐situ Experimenten
4.2.1 Quasistatische Belastung bei Raumtemperatur
Schädigungsvorgänge unter monotoner Belastung wurden an der Probenoberfläche mit dem
kombinierten Aufbau eines Zug‐Druck‐Moduls der Firma Kammrath & Weiss GmbH und ei‐
nes digitalen Mikroskops der Firma Keyence Corporation ermittelt. Das Modul ist für Lasten
von 5 kN ausgelegt und ist in Abb. 4‐2 a) dargestellt. Aufgrund der ursprünglichen Konzep‐
tion für den Einsatz im REM mit limitierten Platzverhältnissen ist das Moduls mit den Maßen
von 230x120x61 mm (LxBxH) vergleichsweise kompakt, so dass kleine Flachproben der Form
A und C (vgl. Kap. 4.3.1) verwendet wurden. Ein auf der Probenrückseite applizierter Deh‐
nungsmessstreifen (DMS) verhalf der Bestimmung und Minimierung des Biegeanteils wäh‐
rend des Einspannvorgangs. Aufgrund der begrenzten Fertigungsgenauigkeit verwendeter
Spannzeuge lässt sich zwar der Biegeanteil nicht vollständig eliminieren, wurde jedoch bei
allen Experimenten durch das sorgfältige Ausrichten ‐ unter Verwendung dünner Distanzble‐
che ‐ in mehreren Iterationsschritten auf unter 3% der Zugfestigkeit eingestellt. Diese Grö‐
Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge 45
ßenordnung ist insofern vertretbar, da in der gesamten Messkette üblicherweise Fehler die‐
ses Ausmaßes erwartet und toleriert werden müssen.
Vor der Durchführung der Experimente wurde das Modul hinsichtlich seiner Steifigkeit über‐
prüft, so dass eine gleichförmige Lasteinleitung sichergestellt werden konnte. Hierfür wurde
eine Probe des Versuchsmaterials TAC‐2‐NL eingespannt und eine Zuglast von 400 MPa auf‐
gebracht. Anhand der mikroskopischen Bildaufnahmen wurden die örtlichen lateralen Ver‐
schiebungen an der Probenoberfläche mit dem in Kapitel 4.1 beschriebenen DIC‐Verfahren
bestimmt. Die Ergebnisse sind in Abb. 4‐2 b) mit weißen Verschiebungsvektoren verdeutlicht.
Diese sind zwecks besserer Veranschaulichung mit dem Faktor 25 skaliert. Bis auf die gering‐
fügig stärkere Querkontraktion im rechten Bildrand kann insgesamt von einer recht homoge‐
nen lateralen Lasteinleitung gesprochen werden. Die Unterschiede auf der linken und rech‐
ten Seite sind vermutlich auf die einsetzende makroskopisch plastische Deformation zurück‐
zuführen, da die gewählte Last nahe der Dehngrenze , dieses Materials liegt. Aufgrund
der verhältnismäßig groben Mikrostruktur und der starken Verformungsanisotropie sind die
Unterschiede dieser Größenordnung zu erwarten. Aus demselben Grund entstehen auch
vereinzelt Sprünge zwischen benachbarten Vektoren sowie ein geschwungener Gesamtver‐
lauf.
a) b)
Abb. 4‐2: a) Zug‐Druck‐Modul mit eingespannter Probe, b) Verschiebungsvektoren (25‐fach
skaliert) bei 400 MPa Zuglast
Mit diesem Aufbau können somit unter kontrollierten Bedingungen mikrostrukturelle, last‐
abhängige Veränderungen an der Probenoberfläche beobachtet und mittels des DIC‐Verfah‐
rens qualitativ sowie quantitativ beschrieben werden.
4.2.2 Ermüdung bei Raumtemperatur
Die in‐situ Ermüdungsversuche wurden bei Raumtemperatur an mehreren servo‐hydrauli‐
schen Standard‐Prüfmaschinen in Verbindung mit einem langreichweitigen Mikroskop der
Firma Hirox Asia Ltd. durchgeführt. Das Mikroskop hat eine maximale Vergrößerung von 750
sowie einen Arbeitsabstand von 46,2 mm und ist zusammen mit einer angeschlossenen CCD‐
46 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge
Kamera mit der Auflösung von 1391x1023 Pixel auf einem programmgesteuerten dreiachsi‐
gen Verschiebetisch der Firma LaVision GmbH montiert (vgl. Abb. 4‐3). Durch diese Mobilität
lassen sich während des Experiments große Areale beobachten und analysieren, ohne die
Probe aus der Maschine ausspannen zu müssen. Dieser neuartige Aufbau hat insofern einen
entscheidenden Vorteil gegenüber der etablierten Replikatechnik, bei der die Schädigungs‐
vorgänge eher post mortem analysiert werden können, sowie gegenüber einem starr aufge‐
bauten Mikroskop, bei dem nur ein kleiner Ausschnitt observiert werden kann.
Abb. 4‐3: Schematischer Versuchsaufbau für in‐situ Ermüdungsexperimente
Während des Versuchs wird die Prüfmaschine nach einer definierten Anzahl der Lastzyklen
angehalten und ein größeres Areal matrixartig fotografiert. Einzelne Bildsequenzen liefern
dabei die last‐ und zyklenabhängige mikrostrukturelle Veränderung an der Probenoberfläche,
so dass stattfindende Schädigungsvorgänge detailiert analysiert werden können. Entwicklun‐
gen über größere Bereiche können durch das Zusammenfügen mehrerer nebeneinander lie‐
gender Bilder nachvollzogen werden, wofür eine ausreichende Überlappung vorgesehen
wird.
Zum Einspannen der Proben wurden hydraulische Spannzeuge verwendet, die für Rundpro‐
ben ausgelegt sind. In regelmäßigen Abständen werden diese standardmäßig überprüft und
kalibriert, so dass der Biegeanteil marginal ist. Dennoch wurde auf der Probenrückseite im‐
mer ein DMS appliziert, der zum einen der Kontrolle und zum anderen der Aufzeichnung von
Spannungs‐Dehnungs‐Hysteresen diente. Im späteren Verlauf der Forschungsarbeit wurden
kleine Flachproben der Form C und D (vgl. Kap. 4.3.1) benutzt, deren Einspannung über eine
Adapterkonstruktion realisiert wurde. In Analogie zum Zug‐Druck‐Modul wurde hierbei der
Biegeanteil durch die Anpassung mit dünnen Distanzblechen minimiert.
Die Ermüdung der Proben erfolgte durch kraftgesteuerte sinusförmige Belastung mit einer
Frequenz von = 5‐20 Hz und einem Spannungsverhältnis von = ‐1. Der erste vollständige
Scan eines ausgewählten Bereichs wurde vor dem Start im entlasteten Zustand durchgeführt,
der zweite nach nur wenigen Zyklen. Der relativ kurze Abstand zu Beginn der Ermüdung wur‐
de gewählt, um auch frühzeitige Schädigungsvorgänge festzuhalten. Die Dauer weiterer In‐
tervalle wurde in Abhängigkeit der Ereignisse festgelegt. Mitunter wurde während des Scan‐
vorgangs eine statische Last aufgebracht, die in etwa dem 0,5‐fachen der zyklischen Maxi‐
malnennspannung entsprach und sicher im linear‐elastischen Bereich der Spannungs‐Deh‐
Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge 47
nungs‐Kurve lag. Damit wurden auch kleinste Mikrorisse leicht geöffnet, so dass eine sichere
Erkennung gewährleistet werden konnte.
4.3 Probengeometrie und ‐präparation
4.3.1 Gestaltung der Probengeometrien
Für die Beobachtung mikrostruktureller Schädigungsvorgänge wurden im Verlauf der Arbeit
drei unterschiedliche Flachproben und eine Rundprobe mit jeweils verjüngtem Querschnitt
im mittleren (Mess‐)Bereich entwickelt und eingesetzt. Ihre Abmessungen und Geometrien
können den technischen Zeichnungen im Anhang A‐1 entnommen werden. Bei der Konzep‐
tion galt es folgende Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen:
‐ Berücksichtigung der Einspannbedingungen und Platzverhältnissen an den jeweiligen
Prüfmaschinen (Zug‐Druck‐Modul, servo‐hydraulische Prüfmaschinen)
‐ möglichst ebene Oberservationsfläche für den Einsatz eines Auflichtmikroskops mit
geringer Schärfentiefe, sowie ihre Maximierung zwecks besserer Statistik zur Schädi‐
gungsentwicklung
‐ Minimierung geometriebedingter Spannungsüberhöhungen bzw. Homogenisierung
der Spannungsverteilung in dem Messbereich, damit hier aus makroskopischer Sicht
gleiche Randbedingungen herrschen
‐ Vermeidung hoher Spannungskonzentrationen außerhalb des Messbereichs und so‐
mit die Lokalisierung der Schädigungsaktivität auf den Oberservationsbereich
Für die erfolgreiche Durchführung von in‐situ Experimenten ist die Spannungsverteilung in‐
nerhalb der Probe das entscheidende Kriterium. Ihre Optimierung fand unter Verwendung
kommerzieller FEM‐Programme statt, wobei die Kerben der Form C und D an das vom Neu‐
ber [113] vorgestellte Profil angenähert wurden. Dieses Profil, dargestellt in Abb. 4‐4, be‐
48 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge
zieht sich auf beidseitig symmetrisch angebrachte Außenkerben und wird durch die konfor‐
me Abbildung mit der analytischen Funktion
w
z = f ( w) = sinh w + ∫ cosh 2 u0 + sinh 2 w dw (4‐2)
0
Diese verlaufen mit ansteigender Krümmung, gemäß einem, elliptischer Funktion folgenden,
Profil. Daraus resultiert unter Belastung eine konstante Randspannung.
Abb. 4‐4: Profil einer beidseitigen symmetrischen Außenkerbe mit konstanter Randspan‐
nung [113]
Die inkrementelle Annäherung an die komplexe Funktion war aus Fertigungsgründen an
CNC‐Maschinen erforderlich und wurde durch mehrere, aufeinander abgestimmte Radien
realisiert. Resultierende Spannungsverläufe in Richtung der Belastung, sowie die Angaben
der Formzahlen sind in Abb. 4‐5 dargestellt. Die Angaben beziehen sich auf eine Nenn‐
spannung in dem mittleren Bereich von 100 .
Die vereinfachte Form A wurde für die anfänglichen in‐situ Zug‐Druck‐Versuche verwendet,
während die Form B für Ermüdungsversuche an den servo‐hydraulischen Prüfmaschinen
konzipiert wurde. Obgleich die Spannungsverteilung der Form B nahezu ideal und die Obser‐
vierungsfläche ausreichend ist, hat die Probengröße einen entscheidenden Nachteil. Die
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von natürlichen Defekten wie z. B. Poren, die trotz des
HIP‐Verfahrens in der Probe verbleiben können, sowie von ungünstig orientierten großen
Kolonien nimmt mit dem Volumen zu. Bei den spröden ‐TiAl‐Legierungen wirken diese als
Rissinitiierungsstellen und können zum unerwartet frühen Versagen führen. Aus diesem
Grund wurden für die Ermüdungsversuche die Form C und D entwickelt. Durch die Annähe‐
rung der Kerbform nach Neuber konnte hier im direkten Vergleich zu der Form A die geome‐
Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge 49
triebedingte Spannungsüberhöhung vermindert und gleichzeitig der Bereich nahezu homo‐
gener Spannungsverteilung signifikant gesteigert werden. Bei der Gestaltung der Form C
wurde auch der Einsatz in dem Zug‐Druck‐Modul mitberücksichtigt, weshalb diese für eine
kombinierte Versuchsdurchführung aus anfänglicher Laststeigerung mit monotoner Belas‐
tung und anschließender Ermüdung an der servo‐hydraulischen Prüfmaschine ideal ist. Die
Form D dagegen diente speziell den Ermüdungsversuchen der TAC‐2‐FL‐Legierung, die au‐
ßerordentlich großen Kolonien aufweist. Durch die gesteigerte Observationsfläch kann
eine brauchbare Anzahl der Kolonien erfasst werden.
1,03
75 ²
Abb. 4‐5: Spannungsverteilung in ‐Richtung verwendeter Probengeometrien, bestimmt
aus FEM‐Berechnungen unter einachsiger Belastung von , sowie die An‐
gabe jeweiliger Formzahl und Observationsfläche
4.3.2 Probenherstellung und ‐präparation
Vor der Herstellung der Rundproben mit der Form B wurden die Rundbarren zunächst in
Viertelstücke in Richtung der Längsachse geteilt, woraus im Anschluss die Rundform gedreht
wurde. Zur Erzeugung der mittig liegenden Kerben hat sich das Drahterodieren als das opti‐
male Fertigungsverfahren erwiesen. Damit kann eine präzise Maß‐ und Formgenauigkeit
sowie eine geringe Oberflächenrauheit von bis zu = 0,2 µm nach dem Feinschlichten er‐
reicht werden. Aus diesem Grund wurde das Drahterodieren auch für die vollständige Anfer‐
tigung der Flachproben mit der Form A, C und D eingesetzt. Bei den nachfolgenden Schleif‐
und Polierarbeiten wurde, trotz der außerordentlich guten Oberflächengüte, mit dem SiC‐
Schleifpapier der Körnung P400 nach FEPA begonnen. Damit sollte der Abtrag fertigungsbe‐
50 Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge
dingter Resteigenspannungen sichergestellt werden. Nach der anschließend sukzessiven Ver‐
ringerung der Körnung bis auf P4000, erfolgte der letzte Schritt des Polierens mit feinsten
SiO2‐Partikeln der Politursuspension MASTERMET® 2, aufgetragen auf einem speziellen
Vliesstoff CHEMOMET® (beides der Firma Buehler GmbH). Dieser Schritt wurde solange fort‐
gesetzt, bis eine vollständig kratzerfreie Oberfläche gewehrleistet werden konnte. Die Kon‐
trastierung des Gefüges wird vorzugsweise durch die Behandlung der Schlifffläche mit einer
geeigneten chemischen Ätzlösung erreicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein für Titan und
Titanlegierungen universelles Ätzmittel nach Kroll verwendet [114], wobei es zum besseren
Einstellen des Ätzgrades mit dem destillierten Wasser im Verhältnis 1:6 verdünnt wurde. Die
Ätzdauer lag in diesem Fall bei 5‐10 Sekunden. Die Zusammensetzung der Lösung ist in
Tabelle 10 angegeben.
Tabelle 10: Zusammensetzung des verwendeten chemischen Ätzmittels
Hydrogennitrat (Salpetersäure) Fluorwasserstoffsäure (Flusssäure) destilliertes Wasser
HNO3‐40%ig HF‐65%ig H2O
1 ml 2 ml 300 ml
Eine Kontrastierung ist, wie bereits in dem Kapitel 4.1 beschrieben, auch für den Einsatz der
DIC‐Analyse erforderlich. Durch die Behandlung der Oberfläche mit diesem Ätzmittel konnte
ein geeignetes "Muster" zur Bestimmung lokaler Dehnung dargeboten werden. Für die quan‐
titative Auswertung der Rissinitiierung ist dagegen eine polierte Probe vorteilhaft. In diesem
Fall ist der Kontrast eines dunklen Risses zu der hellen homogenen Oberfläche am größten.
Der Nachteil einer glatt polierten Fläche ist, dass die Korn‐ und Phasengrenzen kaum sicht‐
bar sind. Um diese dennoch erkennbar zu machen, wurden einige Proben nach der mechani‐
schen Politur elektrolytisch poliert. Hierfür wurde eine in Ethanol gelöste 5%ige Perchlorsäu‐
re verwendet, wobei der Abtrag ca. 60 Sekunden bei einer Spannung von 25 V, einem Strom
von 0,54 A und der Temperatur von ‐20°C erfolgte.
Bei diesem Vorgang ist der elektrochemische Abtrag an den Korn‐ und Phasengrenzen ge‐
ringfügig stärker. Auch werden die jeweiligen Phasen unterschiedlich stark, jedoch homogen
abgetragen. Dadurch können die einzelnen Körner und Kolonien inklusive der Lamellenaus‐
richtung eindeutig wiedererkannt werden, ohne dass der Kontrast signifikant ansteigt. Zur
Verdeutlichung der unterschiedlichen Erscheinung ist in Abb. 4‐6 ein Ausschnitt des Untersu‐
chungswerkstoffs TNM‐B1 im elektrolytisch polierten und anschließend geätzten Zustand
dargestellt. Zum eindeutigen Identifizieren vorliegender Phasen wurde an diesem Ausschnitt
die EDX‐Analyse ‐ entsprechend der in Kap. 3.2 ‐ durchgeführt. Im Detail kann festgehalten
werden, dass die ‐Phase beim Elektropolieren stärker abgetragen wird und auf den Bild‐
aufnahmen etwas tieferliegend erscheint. Dagegen greift das verwendete chemische Ätzmit‐
tel primär die ‐Phase an und raut diese auf. Nach dem Ätzvorgang erscheint die ‐Phase
hervorstehend.
Experimentelle und bildverarbeitende Verfahren zur Bestimmung lokaler Schädigungsvorgänge 51
a) b)
Abb. 4‐6: Auflichtmikroskopische Aufnahmen der Oberflächenerscheinung der Legierung
TNM‐B1 im a) elektrolytisch polierten und b) chemisch geätzten Zustand
52 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
5 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
Der Einsatz der Lasertechnologie in der Materialbearbeitung gewinnt immer mehr an Bedeu‐
tung, allen voran in der Fein‐ und Mikrotechnik. Hinsichtlich der so genannten „kalten Ablati‐
on“ sind insbesondere die ultrakurzen Laserpulse mit der Pulsdauer im Femtosekundenbe‐
reich (1 fs = 10‐15 s) überragend, da sie beim Materialabtrag eine außergewöhnlich hohe Sub‐
mikrometergenauigkeit ermöglichen und die wärmebeeinflusste Randzone aufgrund der kur‐
zen Pulsdauer praktisch vernachlässigbar ist [115, 116]. Bei der Mikrostrukturierung mit der‐
art kurzen Pulsen wird ein Festkörper innerhalb des fokussierten Bereichs entweder direkt in
eine Plasmaphase überführt oder verdampft, vorausgesetzt die Energiedichte übersteigt den
Schwellenwert für einen Abtrag. Die Präzision steigt mit Verkürzung der Pulsdauer, wobei
eine hohe Spitzenleistung benötigt wird, die mit gepulst betriebenen Lasersystemen erreicht
werden kann [117].
Trifft der fokussierte Laserpuls einen metallischen Festkörper, so wird die Laserenergie zu‐
nächst überwiegend von den freien Elektronen absorbiert. Der Grund dafür liegt in ihrer ge‐
ringen Masse, die viel leichter in Bewegung versetzt werden kann. Erst im Anschluss wird die
Energie auf das Kristallgitter übertragen, und zwar innerhalb von wenigen Pikosekunden. Ist
der Energieeintrag in das Kristallgitter hoch genug, so wird der Festkörper in dem Fokusbe‐
reich des Lasers in ein Plasma überführt, welches sich anschließend schnell in Form einer
Wolke ausbreitet. Das von einem fs‐Laser induzierte Mikroplasma breitet sich dabei grund‐
sätzlich eindimensional aus, d. h. weg von der Probenoberfläche [118]. Zusätzlich gilt auf‐
grund der ultrakurzen Pulse, dass die Energiediffusion in das Kristallgitter erst nach der Ein‐
wirkung der Laserstrahlung erfolgt [119]. Dadurch wird die Wechselwirkung des expandie‐
renden Mikroplasmas mit dem Laserstrahl vermieden, so dass es im Vergleich zum Piko‐
oder Nanosekundenlaser zu keiner zusätzlichen Aufheizung infolge der hohen Energieab‐
sorption des Plasmas kommt [120]. Die fehlende Absorption der Laserenergie durch das
Plasma hat einen entscheidenden Vorteil: bei der Materialbearbeitung können geringere
Energien verwendet werden. Übersteigt die Fluenz des Lasers nicht wesentlich den Schwel‐
lenwert für die Ablation, so ist die Wärmeübertragung an das umgebende Material zu ver‐
nachlässigen und der Abtrag erfolgt ohne nennenswerte Schmelzprozesse sowie mit äußerst
präzisen Grenzflächen [117, 121].
Das bei der Ablation entstandene Plasma weist eine Lumineszenzstrahlung auf, deren Emis‐
sionslinien für das abgetragene Material charakteristisch sind. D. h. Frequenz/Wellenlänge
und Intensität der Emissionslinien geben Aufschluss über die Elementzusammensetzung des
Plasmavolumens [118]. Auf diese Weise kann eine Vielzahl chemischer Elemente innerhalb
lokalisierter Bereiche in kurzer Zeit und unter atmosphärischen Bedingungen nachgewiesen
werden [122]. Dieses Verfahren ist allgemein unter dem Begriff der laserinduzierten Plasma‐
spektroskopie (engl.: Laser‐Induced Breakdown Spectroscopy) kurz LIBS bekannt. In Verbin‐
dung mit der Ablationsgenauigkeit eines fs‐Lasers ist damit eine dreidimensionale hochauflö‐
sende plasmabasierte Mikroskopie möglich [123], die in der Materialwissenschaft bei der
Anwendung auf Strukturwerkstoffe als vielversprechend für die räumliche Abbildung vorlie‐
gender Phasen und Materialdefekte scheint.
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 53
Die Ablation oberflächiger Mikrostrukturen mit der Größenordnung im µm‐Bereich sowie die
Phasenanalyse mit fs‐LIBS wurden in einer interdisziplinären, von der DFG geförderten For‐
schungsarbeit durchgeführt. Demzufolge werden im Folgenden Messergebnisse vorgestellt,
die im Rahmen der Kooperation zum Teil von der Arbeitsgruppe „Experimentalphysik III –
Femtosekundenspektroskopie und ultraschnelle Laserkontrolle“ unter der Leitung vom Prof.
Baumert an der Universität Kassel generiert wurden. Im Einzelnen enthält Kap. 5.1 die
grundlegenden Arbeiten der Arbeitsgruppe Experimentalphysik III, während in Kap. 5.2 im
Wesentlichen gemeinschaftlich erarbeitete Methoden dargestellt sind.
Abb. 5‐1: Schematischer Aufbau des fs‐Lasersystems zur Erzeugung oberflächiger Mikro‐
strukturen sowie zur Analyse der Phasen und des Rissverlaufs [125]
54 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
5.1 Laserinduzierte Plasmaspektroskopie (fs‐LIBS)
Fs‐LIBS ermöglicht bei der Materialbearbeitung und ‐analyse vielfältige Anwendungsmöglich‐
keiten, die im Rahmen dieser Arbeit am Beispiel der Titanaluminide erprobt wurden. Im Fo‐
kus stand primär die Entwicklung eines dreidimensionalen Rasterabbildungsverfahrens, wel‐
ches nach der Durchführung von Belastungsexperimenten die Ausdehnung vorliegender Pha‐
sen sowie der entstandenen Mikrorisse innerhalb eines bestimmten Volumens erfasst. Mit‐
tels der gewonnenen Information kann die Interpretation des mikrostrukturellen Einflusses
bei der Mikrorissausbreitung entscheidend an Qualität gewinnen, insbesondere weil ent‐
sprechende Aussagen vieler Forschungsgruppen nach wie vor auf der einschränkenden
Oberflächenobservation basieren. Desweiteren ist die Bestimmung der lokalen chemischen
Zusammensetzung während der lasergestützten Materialbearbeitung interessant. So könnte
beispielsweise bei der Herstellung von künstlichen Kerben die fs‐LIBS Informationen über die
Phasen innerhalb des ablatierten Volumens liefern. Wird die Kerbe innerhalb einer bestimm‐
ten Kolonie platziert, so wäre damit bereits vor der Experimentdurchführung die räumliche
lamellare Ausrichtung dieser Kolonie bekannt. Eine Voraussetzung zur Abbildung der Mikro‐
struktur ist die hinreichende Ortsauflösung, die dem ablatierten Volumen bei der Laserein‐
strahlung entspricht. Bei lamellaren TiAl‐Legierungen dient die Breite einzelner Lamellen als
Referenz.
5.1.1 Bestimmung lateraler Ortsauflösung
Eine Maximierung der Auflösung kann erreicht werden, in dem die Energie des Laserpulses
so gewählt wird, dass die Intensitätsverteilung der Laserstrahlung für die zu bearbeitende
Wechselwirkung mit dem Material nur in dem eng begrenzten Zentrumbereich des Fokalvo‐
lumens ausreichend hohe Werte annimmt. Die erforderliche Mindestpulsenergie für die Ab‐
lation in TiAl wurde in einer Reihe von Vorexperimenten bestimmt. Dabei wurden einzelne
Laserschüsse verschiedener Energien in einem Raster auf eine TiAl‐Probe angeordnet und
für jeden Einzel‐Schuss das LIBS‐Signal erfasst. Im Anschluss durchgeführte REM‐Analyse der
Ablationsstrukturen zeigt, dass die Strukturen entsprechend wirkender Prozesse in mehrere
Bereiche unterteilt werden können (Abb. 5‐2). Die Ausbildung dieser Bereiche hängt von der
Intensitätsverteilung des Laserstahls im Fokus und der daraus resultierenden Temperaturen
während der Ablation ab. Wird der Schwellenwert für die Ablation überschritten und ent‐
steht dabei ein Plasma, so bildet sich aufgrund der Phasen‐Explosion ein Ablationskrater, der
in Abb. 5‐2 mit dem inneren Durchmesser abgegrenzt ist. Bei mittleren Intensitäten fin‐
den Verdampfungsprozesse statt, wobei der expandierende Dampf infolge der Abkühlung in
Schmelze übergeht, die sich anschließend partiell auf der Oberfläche ablegt und erstarrt
[126]. Dieser Bereich ist mit dem äußeren Durchmesser markiert und weist einen noch
signifikanten Wärmeeinfluss auf. Eine noch vor dem Kontakt zu dem Festkörper wiederer‐
starrte Schmelze legt sich als ein "Debris‐Schleier" in unmittelbarer Nähe zum Krater auf der
Oberfläche ab. Die Debris weist keine chemische Haftung zum Festkörper auf und lässt sich
leicht entfernen. Desweiteren können außerhalb des äußeren Ablationsdurchmessers zu‐
nächst homogene und dann heterogene nichtthermische Schmelzprozesse beobachtet wer‐
den. Die Ausdehnung der Schmelzprozesse in Tiefenrichtung beschränkt sich hier erwar‐
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 55
tungsgemäß auf die optische Absorptionslänge des Festkörpers bei der verwendeten Wel‐
lenlänge des Lasers und liegt im Zehntel eines Nanometers [127]. Aus diesem Grund ist die
Modifikation des Materials in diesem Bereich zu vernachlässigen.
a) b)
Abb. 5‐2: a) REM‐Aufnahmen einer ablatierten Struktur bei 100 nJ Pulsenergie (links: Ein‐
zelpuls, rechts: 10 Pulse), b) Berechnete radiale Intensitätsverteilung in dem Fokalbereich
des Lasers für das verwendete Objektiv (NA 0,5). Strichlinie: Schwellenwert für heterogene
Schmelzprozesse, Punktlinie: Schwellenwert für homogene Schmelzprozesse, Strichpunkt‐
linie: Schwellenwert für Verdampfungsprozesse, Volllinie: Schwellenwert für die Phasen‐
Explosion. [125]
REM‐Untersuchungen zeigen, dass ein erkennbarer Abtrag mit Einzelpulsen erst bei Energien
von ca. 300 nJ einsetzt. Niedrigere Energien sind offensichtlich nicht ausreichend um eine
Phasen‐Explosion hervorzurufen, wie es beispielhaft anhand der Ablationsstruktur bei 100 nJ
in Abb. 5‐2 a) (links) verdeutlicht ist. Die Mindestenergie von 300 nJ ist auch notwendig, um
ein auswertbares LIBS‐Signal zu erhalten, da dieses erst durch das hinreichend angeregte
Plasmavolumen signifikant ansteigt. In diesem Fall grenzen sich die Intensitäten einzelner
Emissionslinien des LIBS‐Spektrums eindeutig von dem Hintergrundsignal ab, so dass die
Auswertung an Qualität gewinnt. Für die Angabe der Ortsauflösung ist die Ausdehnung des
Ablationskraters interessant. Bei 300 nJ Einzelpulsenergie liegt diese mit = 0,8 µm (vgl.
Abb. 5‐3 a)) in der gleichen Größenordnung wie die einzelnen Lamellen, was die Abbildung
derselbigen erschwert. Die signifikant wärmebeeinflusste Zone hat dabei eine Ausdehnung
von über = 3,7 µm.
Aus Untersuchungen an metallischen Werkstoffen ist bekannt, dass eine Reduzierung des
Abtragvolumens bei gleichzeitiger Steigerung der Signalintensität mit Mehrfachschüssen pro
Position erreicht werden kann [128‐130]. Die laserinduzierten Prozesse innerhalb des Fokal‐
bereichs kommen in diesem Fall zwischen den einzelnen Laserpulsen nicht vollständig zum
Erliegen, wenn diese in kürzester Zeit nacheinander auf die gleiche Stelle fokussiert werden.
Es findet eine Akkumulation der Temperaturveränderung und somit des Abtrags mit Zunah‐
me von Pulsen statt [128]. Dieser Ansatz wurde auch bei Titanaluminiden erprobt, wobei je‐
weils zehn Laserpulse auf die gleiche Position eingestrahlt und das LIBS‐Signal über diese
56 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
zehn Schüsse aufsummiert wurden. Im Vergleich zum Einzel‐Schuss ist eine signifikante Abla‐
tion bereits bei geringerer Pulsenergie von 100 nJ erreichbar, während das LIBS‐Signal sogar
auf das 16‐fache ansteigt. Die Auswirkung unterschiedlicher Energien auf die Signalstärke,
sowie die laterale Ausdehnung der Ablation bei Einzel‐ und 10‐fach‐Pulsen ist in Abb. 5‐3
graphisch dargestellt.
a) b)
Abb. 5‐3: a) Innerer und äußerer Durchmesser der Ablation, sowie b) das LIBS‐Signal bei
395 nm Wellenlänge in Abhängigkeit der Pulsenergie bei Einzel‐ und 10‐fach‐Pulsen in TiAl
[125]
Das LIBS‐Signal im Multi‐Schuss‐Modus der Pulsenergie von 100 nJ liegt auf dem Niveau der
Energie von 300 nJ im Einzel‐Schuss‐Modus (Abb. 5‐3 b)). Infolge der reduzierten Energie
konnte allerdings der äußere Durchmesser der Ablationsstruktur auf etwa = 3 µm redu‐
ziert werden, während der Ablationskrater mit etwa = 1,4 µm größer ausfällt. Die nun
deutlich näher zusammenliegenden Grenzbereiche manifestieren demnach eine Erhöhung
der Kantensteilheit des Abtrags und eine Reduzierung der wärmebeeinflussten Zone, wo‐
durch eine genauere Ablation im Multi‐Schuss‐Modus mit präziseren Grenzflächen ermög‐
licht wird.
In einem weiteren Schritt wurde die maximal tolerierbare Überlappung benachbarter Ablati‐
onsstrukturen untersucht, ohne dass dabei das LIBS‐Signal einbricht. Diese wurde für 10‐
fach‐Pulse der Energie von 100 nJ mit 2 µm bestimmt. Dieser Wert definiert gleichzeitig die
laterale Mindestschrittweite eines zweidimensionalen LIBS‐Scans. Der gefundene Abstand ist
mit Angaben zur lateralen Ausdehnung der Ablation konform und befindet sich zwischen
dem inneren und äußeren Durchmesser der Struktur. Die optimalen Einstellungen für einen
2D‐Scan an Titanaluminiden werden zusammenfassend wie folgt definiert: Laserpulsenergie
von 100 nJ (entsprechend die Fluenz von 6,5 J/cm² und Intensität von 1,9x1014 W/cm²), 10
Pulse pro Position und die laterale Schrittweite von 2 µm [125].
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 57
5.1.2 Spektrallinienzuordnung und Auswertungsmethodik
Das an TiAl‐Legierungen gemessene fs‐LIBS Spektrum zeigt deutliche Lumineszenz in dem zu‐
gänglichen Wellenlängenbereich (Abb. 5‐4). Bevor eine spektrochemische Phasenanalyse
vorgenommen werden kann, ist allerdings noch die Zuordnung vorliegender Emissionslinien
(Einzelpeaks) den Elementen erforderlich. Zur Differenzierung der Hauptlegierungselemente
wurden Referenzmessungen an nahezu reinem Ti und Al durchgeführt, die gleichzeitig einer
Kalibrierung des Rasterabbildungsverfahrens für den Einsatz an Titanaluminiden diente. Im
Einzelnen weist das Spektrum des Aluminiums einen Peak bei einer Wellenlänge von etwa
396 nm, während es bei Titan mehrere sind. Die signifikantesten mit hoher Intensität befin‐
den sich bei 399, 430, 446 und 454 nm.
Abb. 5‐4: fs‐LIBS Emissionsspektrum des Plasmalumineszenz von Titan (Grade 2) und rei‐
nem Aluminium (99,9%), sowie von TiAl
Bei der Analyse der Emissionen von ‐TiAl‐Basislegierungen werden signifikante Unterschie‐
de durch die Betrachtung beider Hauptlegierungselemente erwartet, da ihre Anteile inner‐
halb vorliegender Phasen relativ stark variieren (vgl. Kap. 3.2). In diesem Fall gilt für die in‐
nerhalb eines Messvolumens erfasste Intensität , einer bestimmten Wellenlänge , dass
sie durch eine Linearkombination von Einzelintensitäten reiner Elemente wie folgt beschrie‐
ben werden kann:
Dieser Zusammenhang der Linearkombination gilt folgerichtig für das gesamte Spektrum.
Das heißt, dass die Gesamtintensität eines Messvolumens , , die durch die Integration
über die Intensitätsverteilung innerhalb eines betrachteten Wellenlängenbereichs berechnet
wird, für den gleichen Wellenlängenbereich wiederum aus den jeweiligen Anteilen der Ge‐
samtintensität reiner Elemente besteht.
I G ,M = ∫ I λ ,M (λ ) dλ = α Ti ⋅ I G ,Ti + α Al ⋅ I G , Al (5‐2)
58 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
Angesichts der vorhandenen Proportionalitätsbeziehung zwischen der Intensität gemessener
Emissionslinien und der Konzentration zugehöriger Elemente können nun zur Ermittlung der
atomaren Zusammensetzung eines Messvolumens einerseits einzelne elementspezifische
Peaks betrachtet werden. In diesem Fall kann aus dem Verhältnis der Peaks direkt auf den
Elementkontrast einer Phase geschlossen werden. Andererseits ist die Betrachtung element‐
spezifischer Gesamtintensität innerhalb definierter Wellenlängenbereiche legitim. Dieser An‐
satz ist dem ersten hinsichtlich möglicher Messschwankungen vorzuziehen, da größere
Messbereiche in die Auswertung einfließen. Die gewählte Zuweisung charakteristischer
Spektralbereiche ist in Abb. 5‐4 mittels farblicher Schattierung hervorgehoben. Innerhalb des
ersten festgelegten Bereichs mit = 390‐410 nm liegt der einzige Aluminiumpeak, der sich
allerdings partiell mit einem der Titanpeaks überlagert. Die Emissionslinien innerhalb des
zweiten Wellenlängenbereichs mit = 410‐600 nm stammen ausschließlich vom Titan. Die
hier gewählte Ausdehnung der Wellenlängenbereiche ist nicht zwingend und kann durchaus
anders definiert werden, solange die elementspezifischen Einzelintensitäten darin enthalten
sind und die Zuordnung während der Auswertung konsequent beibehalten wird. Das für je‐
weiligen Laserpuls gemessene LIBS‐Signal wird über diese Bereiche integriert und weiterver‐
arbeitet.
I λ ,M (λ ) dλ
410
I GI ,M = ∫
390
390 ≤ λ ≤ 410 [nm] (5‐3)
I λ ,M (λ ) dλ [nm ]
600
I GII,M = ∫
410
410 ≤ λ ≤ 600 (5‐4)
I GII,M ⋅ I GI , Al
α Ti = , (5‐7)
I GII,Ti ⋅ I GI , Al − I GI ,Ti ⋅ I GII, Al
α Ti I GII,M ⋅ I GI , Al
= . (5‐9)
α Al I GI ,M ⋅ I GII,Ti − I GII,M ⋅ I GI ,Ti
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 59
5.1.3 Charakterisierung des räumlichen fs‐LIBS‐Abtrags
Zur Charakterisierung des räumlichen fs‐LIBS‐Abtrags wurde vorab eine definierte 5‐stufige
Treppenstruktur der Abmessung 100x20x1‐5 µm (LxBxT) in dem TAC‐2‐NL‐Material ablatiert
und post mortem mittels der Rasterkraftmikroskopie AFM (engl. Atomic Force Microscope)
hinsichtlich der Kantensteilheit untersucht. Der Abtrag erfolgte rasterartig, wobei die late‐
rale Schrittweite beim Verfahren der Probe, entsprechend der Voruntersuchungen zur Abla‐
tionsüberlappung bei 2D‐Scans aus Kap. 5.1.1, mit 2 µm festgesetzt wurde. Alle Stufen ha‐
ben untereinander eine Tiefendifferenz von 1 µm und konnten durch die Zustellung der Z‐
Achse (Höhenrichtung) als jeweilige Abtragsebene realisiert werden. Die laterale Ausdeh‐
nung jeder Stufe wurde mit 20x20 µm gewählt. Der resultierende Stufenabtrag ist mittels
einer REM‐Aufnahme in Abb. 5‐5 a) und als räumliche Abbildung aus der AFM‐Vermessung
im Kontakt‐Modus in b) dargestellt. Die eingeschränkte Betrachtung der ersten beiden Stu‐
fen der AFM‐Vermessung ist auf die Abtastnadel zurückzuführen. Diese hat prinzipiell die
Länge von 5 µm, jedoch konnten tieferliegende Stufen aufgrund der partiellen Wechselwir‐
kung des Cantilever mit der Probengrundfläche nicht mehr ordnungsgemäß erfasst werden.
Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf die Auswertung weiterer Stufen verzichtet.
a) b)
1. Stufe 20 µm
Profil 1
Profil 2
5. Stufe
c)
− Profil 1
− Profil 2
Abb. 5‐5: a) perspektivische REM‐Aufnahme des LIBS‐Stufenabtrags, b) AFM‐Vermessung
erster beiden Stufen im Kontakt‐Modus, c) Profilauswertung der Stufen
Die Profilauswertung beider Stufen (Abb. 5‐5 c)) offenbart die durch das Rastern entstande‐
nen wellenartigen Grundflächen, wobei jede Vertiefung einer einzelnen Ablationsstruktur
(vgl. Abb. 5‐2 a)) zugeordnet werden kann. Diese können innerhalb der ersten Stufe hinsicht‐
lich ihrer Tiefenausdehnung mit etwa 1 µm als nahezu konstant angesehen werden. Auch
nach der Zustellung des Verschiebetisches für den Abtrag der zweiten Stufe wird die erwar‐
60 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
tete Gesamttiefe von 2 µm innerhalb der Vertiefungen erreicht. Die Breite der ersten Stufe,
gemessen an dem Abstand zwischen den äußeren Ablationsvertiefungen, beträgt in etwa
20,5 µm und fällt damit geringfügig größer als die Sollvorgabe von 20 µm aus. Dagegen ent‐
spricht die zweite Stufe den Vorgaben. Die mittlere Kantensteilheit des Randes liegt für die
erste Stufe bei etwa 35° und für die zweite Stufe bei 47°, was zu der Annahme einer Verbes‐
serung mit zunehmender Ablationstiefe führt. Trotz der Verbesserung der Kantensteilheit
wird der Abtrag am Rand mit zunehmender Tiefe offensichtlich schwieriger, was bereits bei
der zweiten Stufe anhand der äußeren Ablationsstrukturen zu beobachten ist. Ihre Ausdeh‐
nung in die Tiefe erreicht im Vergleich zu den anderen Ablationsstrukturen nicht die gefor‐
derten 2 µm. Diese Annahme wird mittels der REM‐Aufnahmen von tieferliegenden Abtrags‐
ebenen bestätigt. Ab der 4. Stufe sind hier die ursprünglich äußeren Ablationspunkte fak‐
tisch nicht vorhanden, da sie in dem nun geringfügig breiteren Randbereich untergehen. Die‐
ser Effekt lässt sich auf die gestörte Fokussierung der Laserstrahlung durch die entstandene
Kante zurückführen, der bei größeren Tiefen von über 4‐6 µm [124] den Materialabtrag be‐
einträchtigt oder gar verhindert. Zudem zeichnet sich offensichtlich eine Wechselwirkung
des expandierenden Plasmas und Dampfes mit der entstandenen Strukturflanke ab. Wäh‐
rend der Expansion können das Plasma bzw. der Dampf selbst oder die wiedererstarrenden
Partikel sich an der angrenzenden Flanke partiell ablegen. War der Erstarrungsvorgang vor
dem Kontakt zum Festkörper noch nicht abgeschlossen, so findet vermutlich eine Material‐
ablagerung mit einer beständigen Haftung statt.
Abgesehen von der wellenförmigen Grundfläche der Abtragsfelder und der zunehmend klei‐
ner werdenden lateralen Ausdehnung tieferliegender Ebenen ist ein definierter räumlicher
Abtrag mit den gewählten Parametern möglich. Vorgefundene Randeffekte lassen sich bei
den 3D‐LIBS‐Analysen durch eine entsprechende Dimensionierung des Abtrags mit geringfü‐
gig größerer lateraler Ausdehnung berücksichtigen. Die Reduzierung der Wellenform und
demnach die Homogenisierung der Abtraggrundfläche kann durch die Verkleinerung der
Schrittweite erreicht werden, was allerdings ‐ wie bereits im Vorkapitel diskutiert wurde ‐
sich negativ auf die Intensität des LIBS‐Signals auswirkt. Da der gemittelte Abstand zwischen
den Stufen trotz der Welligkeit den Erwartungen entspricht und die REM‐Aufnahmen weite‐
rer Stufen vergleichsweise keine weitere Inhomogenität des Abtrags aufzeigen, ist der ge‐
wählte Kompromiss für die fs‐LIBS‐Analyse vertretbar.
5.1.4 Erprobung der fs‐LIBS‐Analyse an Phasen und Mikrorissen
Aus der Veranschaulichung in Vorkapiteln geht hervor, dass eine räumliche fs‐LIBS‐Analyse
an Titanaluminiden prinzipiell möglich ist. Die festgelegte Schrittweite zwischen den Abla‐
tionspositionen für die Abrasterung größerer Bereiche basiert auf einem Kompromiss zwi‐
schen der kleinstmöglichen Ablationsstruktur, ihrer größtmöglichen Überlappung sowie ei‐
nem noch sicher auswertbaren LIBS‐Signal und liegt bei 2 µm in lateraler und 1 µm in axialer
Richtung. Somit bestimmen die vorgestellten Laserparameter die zum Stand der Vorunter‐
suchungen erreichbare maximale Auflösung des Verfahrens, wenn die elementspezifische
Analyse vorliegender Phasen im Vordergrund steht. In diesem Fall ist für die quantitative
Aussage eine signifikante Signalstärke der auszuwertenden Intensitäten erforderlich, wes‐
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 61
halb das LIBS‐Signal zum entscheidenden Faktor wird. Einschränkend für das Vorhaben der
gleichzeitigen, systematischen Mikroriss‐ und Phasenabbildung ist jedoch die Feststellung,
dass sowohl die Lamellen‐ als auch die Mikrorissbreite in vielen Fällen der Ermüdungsexperi‐
mente kleiner als 2 µm sind. Diese Tatsache kann mittels einer Messung an einem während
des Bruchvorgangs entstandenen großen Sekundär‐Riss einer Laststeigerungsprobe der
TNM‐B1‐Legierung vorgeführt werden. Der gewählte Ausschnitt beinhaltet zusätzlich einen
abgezweigten Haarriss mit der maximalen Breite von ca. 0,6 µm, zwei lamellare Kolonien so‐
wie die ‐ und ‐Cluster, wie es die REM‐Aufnahme in Abb. 5‐6 a) verdeutlicht.
a) b)
0
0,6 µm
Abb. 5‐6: a) REM‐Aufnahme eines breiteren Sekundärrisses in TNM‐B1‐Legierung und b) fs‐
LIBS‐Analyse der Phasen und des Risses
Für die Auswertung des fs‐LIBS‐Signals hinsichtlich des Materialkontrastes ist die element‐
spezifische Unterteilung der Wellenlängenbereiche notwendig. Ferner ist aus EDX‐Analysen
bekannt (Kap. 3.2), dass die ‐Lamellen verglichen mit ‐Lamellen eine Anreicherung an Ti‐
tan aufweisen. Aus diesem Grund ist die Betrachtung des ‐Anteils sinnvoll, welcher nach
Gleichung 5‐7 aus Kap. 5.1.2 für jede Messposition berechnet wurde und in Abb. 5‐6 b) gra‐
phisch abgebildet ist. Innerhalb des analysierten Bereichs lassen sich, wie erwartet, einzelne
Lamellen aufgrund der unterhalb der Auflösungsgrenze liegenden Lamellenbreite nicht sinn‐
voll detektieren. Es kommt hierbei vielmehr infolge der Periodizität und in Analogie zu der
EDX‐Messung an feinen Lamellen (vgl. Kap. 3.2) zu einer Mittelung über mehrere Lamellen
innerhalb des Ablationsvolumens. Messdaten der ‐Cluster weisen dagegen einen flächen‐
deckenden Anstieg des Titan‐Signals auf. Die ‐Phase verfügt zwar grundsätzlich über ein
Ti:Al‐Verhältnis, das zwischen den beiden anderen Phasen liegt, ist aber offensichtlich der fs‐
LIBS aufgrund der größeren räumlichen Ausdehnung besser zugänglich. Zu beachten ist, dass
das dem Ti‐Anteil zugewiesene Farbspektrum in Abb. 5‐6 b) auf den Wert 1 normiert wurde
und keineswegs der wahren chemischen Zusammensetzung entsprechen kann. Diese Nor‐
mierung wurde bewusst so gewählt, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Quantitative
Aussagen erfordern umfassende Referenzmessungen, die nicht im Fokus dieser Arbeit lagen.
62 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
Durch die Betrachtung des ‐Anteils lässt sich gleichzeitig auch ein Riss darstellen. Auf‐
grund des fehlenden Materials an der Stelle des Risses ähnelt die gemessene Intensitätskur‐
ve von der Plasmalumineszenz dem Hintergrundsignal, d. h. die elementspezifischen Peaks
sind im Idealfall nicht vorhanden. Bezogen auf die in Vorexperimenten gemessenen Kali‐
brierintensitäten reiner Elemente Ti und Al nimmt die gemessene Gesamtintensität und so‐
mit der Ti‐Anteil sehr kleine Werte an. Folglich ist der breite Sekundärriss in Abb. 5‐6 b) ein‐
deutig zu erkennen. Für die Abbildung des abgezweigten Haarrisses mit 0,6 µm Breite reicht
dagegen die Auflösung nicht aus. Ein partieller Abfall des Ti‐Anteils ist zwar erkennbar, je fei‐
ner jedoch der Riss wird, desto größer wird auch das von der Ablationsstruktur erfasste Ma‐
terial eines oder beider Rissflanken, was wiederum einen Anstieg des ‐Anteils mit sich
bringt.
Unter Betrachtung der einzelnen Ablationsstruktur (vgl. Abb. 5‐2) und der Annahme, dass
der überwiegende Anteil des LIBS‐Signals aus dem Areal des Ablationskraters stammt, wel‐
ches mit dem inneren Durchmesser abgegrenzt wird, kann dennoch die Abbildungsfähig‐
keit feinerer Strukturen erwartet werden. In diesem Fall wäre das LIBS‐Signal für die quanti‐
tative Phasenanalyse zwar nicht hinreichend gut, qualitative Aussagen ließen sich dennoch
machen. Um die tatsächliche Abbildungsfähigkeit des Verfahrens zu bestimmen, wurden
mehrere zweidimensionale LIBS‐Scans an reellen Mikrorissen mit den aus Vorarbeiten gefun‐
denen Einstellparametern durchgeführt. Mikrorisse eignen sich hierfür besser als die Lamel‐
len, da sie nicht periodisch vorkommen und eine gemittelte Messwerterfassung über eine
größere Anzahl ausgeschlossen werden kann. Die Initiierung von Mikrorissen unterschied‐
lichster Breite wurde in einer Serie von Mikrohärteeindrücken mit einem Vickers‐Diamanten
und unter der Variation der Kraft vorgenommen. Die Kraft wurde hierfür so gewählt, dass
der verbleibende Härteeindruck unwesentlich größer war als die Koloniegröße. Infolge loka‐
ler Zugspannungen, die beim Verdrängen des Materials mit der Diamantpyramide resultie‐
ren, und des anisotrop‐spröden Verformungsverhaltens des Werkstoffs entstanden neben
plastischer Verformung in schädigungsanfälligen mikrostrukturellen Konstellationen Risse
mit einer Länge von weniger als 50 µm. In Abb. 5‐7 a) ist beispielhaft ein Ausschnitt des Här‐
teeindrucks in der Legierung TNM‐B1 mit zwei solcher Mikrorissen auflichtmikroskopisch ab‐
gebildet.
Für die eindeutige Detektion der Risse wurde bei der Auswertung des fs‐LIBS‐Signals inner‐
halb jeder Messposition die Gesamtintensität über den erfassten Wellenlängenbereich be‐
trachtet, d. h. ohne dabei die elementspezifische Unterteilung vorzunehmen. Durch die Inte‐
gration der Intensität über den gesamten Bereich werden die Abweichungen von dem Hin‐
tergrundsignal frühzeitig erfasst. Das Aufsummieren der Gesamtintensität über die 10 Einzel‐
pulse verbessert zudem das Rauschverhältnis und somit die Sensitivität der Messung. Das Er‐
gebnis dieser Berechnung, abzüglich des Hintergrundsignals, ist graphisch in Abb. 5‐7 b) dar‐
gestellt. Mit der vereinfachten Aussage "Material liegt, oder liegt nicht vor" können nach
dieser Auswertungsmethode auch Mikrorisse der Breite von etwa 1,2 µm trotz der Schritt‐
weite von 2µm noch sicher abgebildet werden.
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 63
a) b)
Abb. 5‐7: a) Lichtmikroskopische Aufnahme eines Mikrohärteeindrucks mit Mikrorissiniti‐
ierung in der TNM‐B1‐Legierung und b) fs‐LIBS‐Analyse zur Bestimmung der lateralen Ab‐
bildungsfähigkeit schmaler Risse
5.2 Erzeugung und Optimierung mikrostrukturell kleiner Kerben
Für die Systematisierung der in‐situ Ermüdungsexperimente werden Kerben benötigt, die
aufgrund örtlicher Spannungsüberhöhung unter Ermüdungsbelastung zur Rissinitiierung füh‐
ren sollen. Diese Starterkerben müssen relativ klein sein, damit die entstandenen Risse einen
Kurzrisscharakter einnehmen. Um der bisher wenig erforschten Fragestellung nach dem Mi‐
krorissverhalten innerhalb einer Kolonie sowie der Interaktion des Mikrorisses mit den ers‐
ten Barrieren nachzugehen, muss ihre Dimension folglich so gewählt werden, dass sie die
Größe der zu untersuchenden Kolonie nicht überschreitet. Zudem müssen die Kerben defi‐
niert platziert werden können und ihre Form so beschaffen sein, dass die Mikrorisse daraus
gerichtet initiieren, wodurch auch der Einfluss der Lamellenausrichtung erfasst werden kann.
Zur Herstellung mikrostrukturell kleiner Starterkerben wurden bisher üblicherweise Techno‐
logien wie FIB, Funkenerosion und Nanosekundenlaser herangezogen, die allerdings ent‐
scheidende Nachteile aufweisen. So verwendeten beispielsweise Kruzic et al. [8] das Senk‐
erodierverfahren und erzeugten an der Probenoberfläche Gruben mit einer lateralen Aus‐
dehnung von etwa 200 µm im Durchmesser. Diese Größe betrug das Mehrfache einer typi‐
schen Kolonie des untersuchten Materials. Für die Untersuchung feinkörniger Legierungen
werden die Anforderungen an die Form und Größe von dieser Art der Kerbe folglich nicht er‐
füllt. Sie eignet sich höchstens für Analysen mechanisch oder sogar physikalisch kleiner Risse.
Ferner bringt dieses Verfahren einen sehr hohen Wärmeeintrag mit sich, der Veränderung
der umliegenden Mikrostruktur durch Phasenumwandlungsprozesse sowie Eigenspannun‐
gen verursachen kann. Dieser Effekt wurde in [8] letztlich ausgenutzt, um in der näheren
Umgebung der thermisch stark belasteten Zone kleine Risse zu initiieren. Über die Höhe ver‐
bliebener Eigenspannungen in dieser Zone sowie deren Einfluss auf die Rissausbreitung bei
64 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
der anschließenden Experimentdurchführung ist allerdings nichts Näheres bekannt. In [8]
wurde ein Nanosekundenlaser zum Erzeugen von Rundkerben erprobt. Die erzeugte Vertie‐
fung hatte an der Oberfläche einen Durchmesser von 20‐40 µm und erwies sich als ungeeig‐
net, da die natürlichen mikrostrukturellen Spannungskonzentrationen offensichtlich höher
waren als die von den Kerben, weshalb die Rissinitiierung an anderen Stellen einsetzte. Zu‐
sätzlich kommt es wegen der langen Pulsdauer im Nanosekundenbereich zu einer relativ ho‐
hen thermischen Belastung mit unerwünschten Nebenerscheinungen, zu denen beispiels‐
weise signifikante Schmelzprozesse innerhalb der Randzone und spannungsinduzierte Riss‐
bildung zählen. Mutoh et al. [64] nutzten eine Drahterodiermaschine, um in dem mittleren
Bereich der Probe einen makroskopischen Einschnitt zu erstellen. Aufgrund thermischer
Spannungen, die während dieses Prozesses herrschten, entstanden schließlich in der nähe‐
ren Umgebung des Einschnitts undefiniert kurze Risse mit einer Länge von etwa 20 µm. Kur‐
ze Risse haben zwar in der Ausbreitungsrichtung eine geringe Dimension, sie dehnen sich je‐
doch über die gesamte Probebreite aus. Die Rissfront erfasst hierdurch eine Vielzahl unter‐
schiedlich orientierter Körner, so dass es äquivalent zu langen Rissen zu einer Mittelung des
mikrostrukturellen Einflusses bei der Rissausbreitung kommt [45]. Eine systematische Unter‐
suchung einzelner Körner oder Kolonien ist damit nicht durchführbar. Dagegen ist es mit der
FIB‐Technologie durchaus möglich, Mikrostrukturen (Starterkerben) an der Oberfläche in der
gewünschten Größenordnung zu erzeugen [131, 132]. Nachteilig wirken sich die hochener‐
getischen Ionen hinsichtlich unerwünschter Materialveränderungen aus, die einen Einfluss
auf die Rissausbreitung nach sich ziehen kann. Zudem muss die relativ hohe Bearbeitungszeit
während des Materialabtrags berücksichtigt werden. Diese Technologie eignet sich daher
eher zur Analyse des dreidimensionalen Risswachstums, wo durch einen Ionenstrahl das Ma‐
terial aus dem Werkstück nach und nach abgetragen und so ein seitlicher Einblick in die ent‐
standene Grube gewährt wird [54].
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die relativ neue und elegante Methode zur Erzeugung von
Starterkerben herangezogen, die zuvor vorgestellte fs‐Laser‐Technologie. Der prinzipielle
Einsatz des fs‐Lasers zur gezielten Rissinitiierung unter zyklischer Belastung wurde bereits
2006 von Motoyashiki et al. [133] an einem Stahl mittleren Kohlenstoffgehalts erfolgreich
demonstriert. Eingesetzte Kerben hatten die typische Form eines Halbellipsoids mit in Abb.
5‐8 gekennzeichneter Nomenklatur der Abmessungen. Ähnliche Versuche wurden von
Shyam et al. [134‐136] an einer fs‐lasergekerbten Aluminiumlegierung durchgeführt. In bei‐
den Fällen lag eine relativ feinkörnige Legierung vor, so dass die verwendeten Kerben mit
ihren Längen im Bereich von 2 = 85‐200 µm die Dimension der Körner eindeutig überstie‐
gen und nach der Rissinitiierung mechanisch kurze Risse vorlagen. Für den Einsatz der Ker‐
ben in den untersuchten TiAl‐Materialien TAC‐2‐NL und TNM‐B1 mit ihrer mittleren Kolonie‐
größe von 170 und 165 µm wäre die untere Kerbgröße für die Initiierung mikrostrukturell
kleiner Risse ausreichend klein. Erste Vorversuche an Titanaluminiden haben jedoch gezeigt,
dass die Spannungsüberhöhungen an natürlichen Defekten und ungünstigen mikrostruktu‐
rellen Konstellationen eine signifikantere Rolle bei der Rissinitiierung einnehmen, als diejeni‐
gen die an "zu" kleinen künstlichen Mikrokerben resultieren. Um diesen Schwellenwert zu
überschreiten und die Effektivität der Kerben zu optimieren, wurden unterschiedliche Grö‐
ßen und Formen experimentell untersucht und mittels FEM‐Berechnungen verglichen.
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 65
0,5 / 1
Abb. 5‐8: Klassische Halbellipsoid‐Kerbform zur Erzeugung gerichteter Ermüdungsrisse mit
Angaben zur Nomenklatur der Abmessungen
Die fs‐Laserablation erfolgte bevorzugt an Proben im leicht angeätzten oder elektrolytisch
polierten Zustand, wodurch die eindeutige Bewertung mikrostruktureller Gegebenheiten
und eine gezielte Platzierung der Kerben mittels der Mikroskopvorrichtung nach Abb. 5‐1 ge‐
währleistet werden konnte. Die Steuerung des Verschiebetisches wurde hierfür derart pro‐
grammiert, dass das Material Ebene für Ebene bei einer kontinuierlichen lateralen Bewegung
mit der Geschwindigkeit von 0,1 mm/s und einer diskreten Zustellung in Tiefenrichtung ab‐
getragen wurde. Im Gegensatz zu der diskreten fs‐LIBS‐Analyse, soll hierdurch zum einen die
Homogenisierung der Strukturkanten und zum anderen die Prozessoptimierung hinsichtlich
der Bearbeitungsgeschwindigkeit erreicht werden. Aus der lateralen Geschwindigkeit und
der Repititionsrate des Lasers von 1 kHz ergeben sich demnach 10 Laserpulse auf 1 µm Ver‐
fahrweg. In Analogie zu den Voruntersuchungen bezüglich der fs‐LIBS‐Analyse im Multi‐
Schuss‐Modus konnte somit die geringe Pulsenergie von 100 nJ eingesetzt werden, da in die‐
sem Fall ähnliche Ablationsbedingungen vorliegen. Dessen ungeachtet wurde im Verlauf der
Optimierungsarbeiten die Pulsenergie mittels Neutralabschwächer variiert, um optimale Pa‐
rameter zur Erzeugung der Kerben unter Berücksichtigung des Zeitfaktors zu finden.
5.2.1 Tiefenanalyse künstlicher mikrostruktureller Kerben
Liegt eine äußere mechanische Spannung vor, so gilt für eine Kerbe im Allgemeinen, dass mit
kleiner werdendem Kerbradius die resultierende Spannungsüberhöhung im Kerbgrund an‐
steigt. Diese Spannungsüberhöhung muss für einen effektiven Einsatz der Kerben mikro‐
strukturelle Spannungen übersteigen, die wiederum um eine Größenordnung höher sein
können als die makroskopische Nennspannung [2, 45]. Demzufolge wurde eine idealisierte
Annäherung an einen natürlichen Riss angestrebt, die durch eine feinst mögliche linienartige
Laserablation erstellt werden kann. In diesem Fall wird die Breite der Kerbe allein durch
die Dimension des Laserstrahls vorgegeben. Vor dem Einsatz solcher Kerben muss jedoch die
Fragestellung nach der Realisierbarkeit vorgegebener Geometrie geklärt werden. Aus Vorun‐
tersuchungen zu fs‐LIBS ist bekannt, dass der oberflächennahe Abtrag sehr hohe Genauigkeit
erreicht, diese muss auch in Tiefenrichtung gewährleistet sein. Zur Klärung der Fragestellung
wurde eine Parameterstudie unter der Variation der Energie im Bereich von = 100‐500 nJ
und der Schrittweite in Tiefenrichtung ∆ =0,7‐2,3 µm durchgeführt, wobei eine Gesamt‐
tiefe von = 35 µm angestrebt wurde.
66 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
Abb. 5‐9 zeigt beispielhaft eine solche Linienkerbe, die mit der Energie von = 100 nJ er‐
zeugt wurde. Die mittlere Breite der Kerbe entspricht mit = 1,4 µm erwartungsgemäß dem
inneren Durchmesser einer Ablationsstruktur im Multi‐Schuss‐Modus (vgl. Kap. 5.1.1). Die
Länge der Kerbe wurde in diesem Fall mit 2 = 80 µm festgelegt und erreicht. Das laterale Er‐
scheinungsbild erfüllt somit uneingeschränkt die gestellte Anforderung. Aus Abb. 5‐9 b) er‐
kennbare Riffelung der Kerbflanken ist als kohärente periodische Nanostrukturierung be‐
kannt, die deutlich kleinere Abstände als die verwendete Wellenlänge des Laserlichts auf‐
weist und immer senkrecht zur Polarisation der Laserstrahlung ausgerichtet ist [129, 137].
Ein Nachteil dieses Subwellenlängen‐Abtrags ist für die Rissinitiierung nicht zu erwarten.
a) b)
1,4 µm
Abb. 5‐9: REM‐Aufnahmen einer Linienkerbe im BSE‐Modus bei unterschiedlicher Vergrö‐
ßerung
Zur Ermittlung der tatsächlich erreichten Kerbtiefe wurden die Kerben unterschiedlicher Pa‐
rameter am Rand einer längsgeschliffenen Probe angeordnet und die Probe im Anschluss
seitlich mit 90°‐Ausrichtung quergeschliffen und poliert, bis die resultierende Schnittebene
in etwa bei der Hälfte der Kerblänge lag. Mit diesem "Schnitt" konnten alle Kerben gleichzei‐
tig in Tiefenrichtung analysiert werden. Das Ergebnis der Analyse offenbart, dass die maxi‐
male Tiefe unter Verwendung der Energie von = 500 nJ erreicht wurde, die allerdings etwa
= 7 µm und somit nur 20% der Sollvorgabe betrug. Die Breite der Kerben stellte sich in
diesem Fall mit ca. = 10 µm ein. Geringere Energien, insbesondere von 100 nJ, führten zu
einem nur oberflächlichen Abtrag, so dass folglich die Erzeugung einer tiefen und schmalen
Linienkerbe nach dieser Methode nicht möglich ist. Naheliegende Begründung hierfür liegt in
der erschwerten Entweichung des ablatierten Materials aus schmalen Kerben. Dadurch la‐
gert sich dieses innerhalb der Kerbe verbliebene ablatierte Material erneut ab und muss
beim nächsten Schritt wiederholt abgetragen werden. Im Bezug auf die einprogrammierte
Position für optimale Laserablation der nächsten Abtragsstufe verschiebt sich allerdings die
tatsächliche "Oberflächenposition". Ist der Versatz so groß, was mit zunehmender Tiefe der
Fall ist, so erfolgt keine Ablation mehr.
Um eine ausreichende Tiefe zu erreichen, dürfen die Kerben demnach nicht zu schmal aus‐
fallen. Eine Alternative stellen V‐förmige Kerben dar, deren Spitze durch die Verwendung ge‐
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 67
ringer Energie einen kleinen Radius einnimmt. Zur Erzeugung dieser Kerbform beinhaltet das
Steuerungsprogramm des Verschiebetisches einen Ablauf, wo innerhalb einer Abtragsebene
ein Hexagon von innen nach außen abgefahren wird. Die Abmessung des Hexagons wird in
Anlehnung an eine Ellipse mit den Parametern und definiert (Abb. 5‐10 a)). Mit zuneh‐
mender Abtragstiefe verjüngt sich das Hexagon und geht beim Erreichen der Gesamttiefe
gegen Null. Auch für diesen Kerbtyp wurde eine äquivalente Parameterstudie durchge‐
führt und die Realtiefe bestimmt. Die Parameter wurden dabei wie folgt variiert: 2 = 80‐
140 µm, = 10‐40 µm, = 10‐40 µm, = 50‐200 nJ, Schrittweite in Tiefenrichtung ∆ = 0,5‐
2 µm.
a) b)
FIB‐Schnitt
c) d)
Abb. 5‐10: a) schematische Skizze der Laserablation einer V‐Kerbe, b) perspektivische REM‐
Aufnahme einer mit = 100 nJ Laserpulsenergie erzeugten V‐Kerbe, c) seitliche REM‐Auf‐
nahme nach FIB‐Abtrag zur Bestimmung der Tiefe und d) Detailansicht der Kerbflanke mit
eindeutig erkennbaren Grenzverlauf zw. Grundmaterial und wiedererstarrter Schmelze
Aus dieser Parameterstudie geht hervor, dass die maximale Ausdehnung der Kerben in Tie‐
fenrichtung mit der Kombination der höheren Energie von = 200 nJ und der Breite von
über = 20 µm erreicht wird. In diesem Fall liegt die tatsächliche Tiefe bei etwa
25 µm, womit der vorgegebene Maximalwert von = 40 µm nicht erreicht wird.
Ungeachtet dieser Diskrepanz erfüllt die Kerbform und ‐abmessungen die allgemeingültige
Anforderung an das Tiefe‐zu‐Breite Verhältnis, wenn 2 100 µm gewählt wird. Dieses soll‐
te im Bereich von 0,5 / 1 liegen, da somit der halbelliptischen Form eines natürlichen
makroskopischen Risses entsprochen wird. Durchgeführte in‐situ Experimente unter Einsatz
68 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
dieses Kerbtyps in TiAl‐Legierungen bestätigen ihre Wirksamkeit. Allerdings initiierte daraus
nur in ca. 25% der Fälle ein Anriss unter monotoner und in 28% der Fälle unter zyklischer Be‐
lastung, wobei gleichzeitig bis zu 30 unterschiedlich gerichtete Kerben innerhalb einer Probe
platziert wurden. Bruchursächliche Hauptrisse entstanden daraus nicht. Für das endgültige
Versagen waren eher natürliche mikrostrukturelle "Schwachstellen" verantwortlich, die zum
Teil im Inneren der Proben lagen und somit nicht observiert werden konnten.
Die vergleichsweise niedrige Effizienz der V‐Kerbe ist auf die resultierende Spannungsüber‐
höhung zurückzuführen, die in der gleichen Größenordnung mit den mikrostrukturell beding‐
ten Spannungsüberhöhungen oder darunter liegt. Zur Charakterisierung dieser Kerbspan‐
nungen wurden FEM‐Analysen einer idealisiert angenäherten 3D‐Kerbform erstellt, wobei
die Abbildung der räumlichen Geometrie mittels des in Abb. 5‐10 b) skizzierten FIB‐Schnitts
einer mit = 100 nJ Laserpulsenergie ablatierten V‐Kerbe ermöglicht wurde. Die Vorteile der
FIB‐Technologie liegen in der sorgfältigen und präzisen Bearbeitung, wodurch in Kombina‐
tion mit einem Feldemissionsrasterelektronenmikroskop hochauflösende Bilder in Tiefen‐
richtung aufgenommen werden konnten (Abb. 5‐10 c) und d)). Die durchgeführte FEM‐Be‐
rechnung basiert auf einem Viertelmodell eines Volumens mit eingebetteter Probe (Abb.
5‐11 a)). Hierfür wurde ein isotrop‐elastisches Material vorausgesetzt und eine äußere Belas‐
tung von = 100 MPa aufgebracht. Die errechnete Formzahl der V‐Kerbe liegt bei
, = 6,2 und , = 6,1 (vgl. Abb. 5‐11 b)) für den Fall, dass die Abmessung
der Kerbe mit 2 = 80 µm, = 20 µm und = 25 µm festgelegt wird.
a) b)
,
Abb. 5‐11: a) FE‐Modell zur Bestimmung der Spannungskonzentration innerhalb der V‐Ker‐
be [138] und b) Nomenklatur der Formzahl.
Detailaufnahmen in Abb. 5‐10 bestätigen gleichzeitig die in Kap. 5.1.3 aufgestellte Hypothe‐
se der auf der Strukturkante anhaftenden Materialablagerung. Wiedererstarrende Partikel
lagern sich offensichtlich schichtweise auf dem Grundmaterial ab, so dass ein tröpfchenför‐
miger Aufbau entsteht. Die Grenze zu dem Grundmaterial ist dabei eindeutig erkennbar (vgl.
Abb. 5‐10 d)).
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 69
5.2.2 Formoptimierung zur Steigerung der Kerbwirkung
Die erfolgreiche Durchführung systematischer in‐situ Experimente hängt im Wesentlichen
von der Effizienz der Kerbe ab, weshalb diese weiter gesteigert werden muss. Nur so kann
die gezielte Rissinitiierung eingeleitet und das Mikrorisswachstum beobachtet werden. Ent‐
scheidende Faktoren werden hierbei in der Tiefenausdehnung und der Formzahl gesehen.
Um beides zu erhöhen wurde eine gestufte Kerbform unter dem Einsatz zweier unterschied‐
licher Energien verwirklicht, wie sie schematisch in Abb. 5‐12 a) dargestellt ist. Zur Erzeugung
der mittleren Sektion wird die Energie auf = 1200 nJ eingestellt, wodurch eine Gesamt‐
tiefe von bis zu = 55 µm erreicht wird. Der prinzipielle Verfahrensablauf während der Abla‐
tion entspricht dabei der hexagonalen V‐Kerbe. Im Anschluss werden mit der geringeren
Energie von = 200 nJ die oberflächennahen Stirnseiten ablatiert, so dass zum einen eine
Stufe entsteht und zum anderen ein kleiner Radius dieser Sektion gewährleistet werden
kann. Nach der Fertigstellung liegen die beiden anderen Hauptmaße bei etwa 2 = 130 µm
und = 35 µm.
a) b)
Abb. 5‐12: a) skizzierte Stufenkerbe, die mit zwei Energien erzeugt wurde und b) REM‐Auf‐
nahme der Bruchfläche mit angedeutetem Verlauf der Kerbe in Tiefenrichtung.
FEM‐Berechnungen mit gleichen Randbedingungen liefern für diese Stufenkerbe eine Form‐
zahl von , = 14,3, wobei der Wert im Bereich der Stufenkante erreicht wird (vgl.
Abb. 5‐13). Die anderen beiden Formzahlen, die zum erweiterten Vergleich mit der V‐Kerbe
angegeben seien, liegen bei , = 8,2 und , = 8,6. Die Grundlage zur Er‐
stellung des dreidimensionalen Modells bilden in diesem Fall REM‐Aufnahmen (vgl. Abb.
5‐12 b), unter anderem auch von Bruchflächen der Proben, die zuvor mit solchen Kerben
versehen und ermüdet wurden. Damit ist auch angedeutet, dass die Stufenkerbe eine deutli‐
che Verbesserung für die Versuchsdurchführung mit sich bringt. Im Einsatz initiierte daraus
in ca. 43% der Fälle unter monotoner und in 63% unter zyklischer Belastung ein Mikroriss. In
über 50% der Ermüdungsproben entwickelte sich aus einer der erzeugten Stufenkerben der
signifikante Hauptriss, so dass alle Stadien ‐ von der Rissinitiierung, der Überwindung erster
Barrieren bis hin zum Übergang zu einem mikrostrukturell weniger beeinflussten physika‐
lisch langen Riss ‐ untersucht werden konnten. Die Vergleichsrechnung einer üblicherweise
70 Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser
verwendeten Halbellipsoid‐Kerbe liefert bei gleichem / ‐Verhältnis eine weitaus geringere
Formzahl von = 4,5.
Abb. 5‐13: Von‐Misses‐Spannung mit Maximum im Bereich der Stufenkante [138]
Wird eine mit Stufenkerben behaftete Probe belastet, so kann angenommen werden, dass
infolge der hohen Formzahl im Bereich beider Stufenkanten frühzeitig die ersten Anrisse ent‐
stehen. Unter der Vernachlässigung des mikrostrukturellen Einflusses wachsen diese simul‐
tan und vereinigen sich angesichts der vorliegenden Spannungsüberhöhung über die gesam‐
te Kerbfront. Die dabei angestrebte halbelliptische Form kann schnell erreicht werden, da
die Kerbgeometrie diese bereits vordefiniert. Die weitere Ausbreitung des nun entstandenen
Mikrorisses, wie er in Abb. 5‐14 a) in gelber Schattierung angedeutet ist, hängt im Wesent‐
lichen von dem vorliegenden Spannungsintensitätsfaktor und der Mikrostruktur ab.
a) b)
Abb. 5‐14: a) Annahme der halbelliptischen Rissform nach der Rissinitiierung aus der Stu‐
fenkerbe, b) Bestimmung des Spannungsintensitätsfaktors für einen mittig liegenden
Oberflächenriss unter äußerer Zug‐ und Biegebelastung [51]
Materialbearbeitung und Phasenanalyse mit einem Ultrakurzpulslaser 71
Der Spannungsintensitätsfaktor in Abhängigkeit des Winkels (Abb. 5‐14 b)) kann für den
vorliegenden Fall in Analogie zur Gleichung (2‐6) nach der folgenden Beziehung bestimmt
werden [51]:
π ⋅a ⎛a a c ⎞
K I = (σ m + H ⋅ σ b ) F ⎜ , , , φ ⎟ . (5‐10)
Q ⎝t c W ⎠
Die Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors basiert demnach unter anderem auf den
Abmessungen des entstandenen Mikrorisses. Hier kann eine vereinfachte Annahme getrof‐
fen werden, dass dieser kurz nach der Entstehung mit 2 = 130 µm und = 55 µm ähnliche
Werte wie die Stufenkerbe selbst annimmt. Betrachtet man nun beispielsweise einen sol‐
chen Mikroriss innerhalb einer Flachprobe der Form C aus dem Untersuchungsmaterial
TNM‐B1 und einer äußeren Last von , 421 sowie 0 , so nimmt
der winkelabhängige Spannungsintensitätsfaktor in diesem Fall folgende Werte an:
0° 4,06 √ und 90° 4,01 √ . Der Vergleich mit Literatur‐
angaben zeigt, dass diese Werte im Bereich der kritischen Rissausbreitung liegen, wenn der
Mikroriss parallel zu den Lamellen und innerhalb einer im 90° zur Lastrichtung angeordneten
Kolonie entsteht (vgl. Abb. 2‐12 auf S. 27). Somit bleibt die in‐situ Beobachtung der Mikro‐
rissausbreitung bei dieser Konstellation erwartungsgemäß uneingeschränkt, da die Belastung
nach unten problemlos angepasst werden kann. Dagegen nimmt die kritische Rissausbrei‐
tung mit abnehmendem Winkel deutlich größere Werte an. In diesem Fall muss vermutlich
eine höhere Belastung gewählt werden, um die Mikrorissausbreitung innerhalb der ersten
ungünstig liegenden Kolonie verursachen zu können.
Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass dieser Stufenkerbtyp sich infolge der erwar‐
teten schnellen Rissinitiierung und der dann vorliegenden Rissgröße bestens für systemati‐
sche Analysen des Initiierungs‐ und Wachstumsverhaltens kleiner Oberflächenrisse eignet.
Aufgrund der geringen Kerbgröße ist auch die Untersuchung innerhalb einer Kolonie möglich,
bis auf das Untersuchungsmaterial TNB‐V5, das vergleichsweise feine Kolonien aufweist.
72 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
6 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Le‐
gierungen
Aus der Literatur ist bekannt, dass Mikrorisse unter der zyklischen Belastung früh initiieren
können. Desweiteren ist bekannt, dass die Ausrichtung der Kolonien bezüglich der Lastrich‐
tung einen signifikanten Einfluss auf die Rissinitiierung und ‐ausbreitung nimmt. Diese Er‐
kenntnisse basieren auf mikroskopischen Untersuchungen der Probenoberflächen sowie In‐
terpretationen der Bruchflächen, die vielfach erst nach der Versuchsdurchführung erfolgten.
In der vorliegenden Arbeit zur Klärung des Schädigungsverhaltens soll eine übergreifende
und systematische in‐situ Analyse ausgewählter ‐TiAl‐Basislegierungen hinsichtlich des Ini‐
tiierungs‐ und Wachstumsverhaltens kleiner Oberflächenrisse unter Berücksichtigung des
mikrostrukturellen Einflusses durchgeführt werden. Hierfür wurden zunächst quasistatische
in‐situ Laststeigerungsversuche auf der mikro‐ und mesoskopischen Ebene durchgeführt, die
insbesondere einen Aufschluss über die frühe Rissinitiierung geben sollten. Die Ergebnisse
dieser Untersuchungen werden im Kap. 6.1 vorgestellt. Erkenntnisse aus den im Anschluss
durchgeführten in‐situ Ermüdungsversuchen werden im Kap. 6.2 zusammengetragen. Hier
konnten, insbesondere durch den Einsatz des fs‐Lasers zur Erzeugung der Mikrokerben, alle
Stadien der Rissentwicklung erfasst und bruchmechanisch ausgewertet werden. Abschlie‐
ßend werden die Ergebnisse im Kap. 6.3 legierungsübergreifend diskutiert.
6.1 Quasistatische Belastung bei Raumtemperatur
Quasistatische in‐situ Experimente wurden in Form von lastgesteigerten Zug‐Druck‐Versu‐
chen an Flachproben der Form A und C unter Verwendung eines miniaturisierten Lastrah‐
mens und in Kombination mit einem Auflichtmikroskop durchgeführt. Diese Versuche dien‐
ten der Ermittlung kritischer Lastgrößen für anfängliche, dauerhafte mikrostrukturelle Ver‐
änderung, woraus die Spannungsamplitude für Ermüdungsexperimente abgeleitet werden
konnte. Einige Proben wurden während der Versuchsdurchführung vollständigen Hysteresen
mit stufenweise ansteigender Spannungsamplitude unterzogen. Das Spannungsverhältnis lag
in diesem Fall immer bei = ‐1. Andere Proben wurden nur der Zug‐Schwell‐Belastung aus‐
gesetzt, so dass das Spannungsverhältnis = 0 betrug. Lichtmikroskopische Bildaufnahmen
erfolgten nach der Entlastung aus der jeweiligen Lastrichtung und partiell auch während der
Belastung, so dass die ortsaufgelöste Dehnung mittels des Grauwertbildanalyseverfahrens
bestimmt werden konnte.
6.1.1 TAC‐2‐NL
Beobachtungen an dem Untersuchungsmaterial TAC‐2‐NL zeigen, dass Mikrorisse aufgrund
der geringen Plastizität der intermetallischen Phasen bereits infolge einer geringen monoto‐
nen Belastung initiieren können. Abb. 6‐1 a) Pos. B zeigt einen beispielhaften Riss, der erst‐
mals nach einer äußeren Belastung von 150 MPa detektiert werden konnte. Der direkte Ver‐
gleich mit dem Spannungs‐Dehnungs‐Diagramm in Abb. 6‐1 b) verdeutlicht, dass dieser Wert
weit unterhalb der makroskopischen Elastizitätsgrenze , liegt. Die laterale Kolonieaus‐
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 73
richtung relativ zur Last betrug in diesem Fall etwa = 90°, so dass auf eine Signifikanz der
lokalen Spannungskomponente (Orientierungsdefinition in Abb. 6‐1 a)) bei der Rissinitiie‐
rung geschlossen werden kann. Mit zunehmender Belastung breitete sich dieser Riss über‐
wiegend inter‐ oder intralamellar aus, wobei einige Anteile translamellarer Rissinitiierung
vor der Rissspitze des Mikrorisses hinzukamen. Die eindeutige Unterscheidung zwischen der
inter‐ und intralamellarer Rissausbreitung kann an dieser Stelle aufgrund der geringen opti‐
schen Auflösung der Lichtmikroskopie nicht erfolgen. Hierfür sind detailierte REM‐Analysen
erforderlich, auf die in folgenden Abschnitten noch eingegangen wird. Die Ausdehnung die‐
ser translamellaren Mikrorisse reichte nur über eine bzw. wenige Lamelle(n), wobei die beid‐
seitigen Rissenden an den Lamellengrenzflächen in Richtung der Lamellen abgelenkt wurden.
a) b)
Abb. 6‐1: a) Rissinitiierung innerhalb unterschiedlich angeordneter Lamellenkolonien von
TAC‐2‐NL in Abhängigkeit der Nennspannung (i: inter‐ oder intralamellare und t: transla‐
mellare Rissausbreitung), b) makroskopisches Spannungs‐Dehnungs‐Diagramm
Mit zunehmender Last initiierten ferner zusätzliche Mikrorisse, zum einen parallelliegend in‐
nerhalb der gleichen Kolonie und zum anderen in Kolonien mit lateral abnehmender Orien‐
tierungsdifferenz bezüglich der Lastachse (z. B. Pos. A in Abb. 6‐1 a)). Der überwiegende An‐
teil dieser Mikrorisse ist inter‐ oder intralamellar. Für den Fall der Kolonieausrichtung im
Winkelbereich von etwa = 30‐60° konnte partiell eine Abscherung kolonialer Teilbereiche
entlang einzelner Lamellengrenzflächen beobachtet werden, wofür die Schubspannung als
eine weitere wesentliche schädigungsrelevante Belastungskomponente ursächlich ist. Der
erste flächendeckende Verlust des mikrostrukturellen Einflusses auf die Rissinitiierung konn‐
te nach der Laststufe mit der Nennspannung von = 450 MPa beobachtet werden, d. h.
74 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
nach der deutlichen Überschreitung der , ‐Dehngrenze. In diesem Fall erfolgt die Initiie‐
rung weiterer Risse sowie deren Ausbreitung verstärkt Mode‐I gesteuert und translamellar.
Die Lamellenausrichtung hat insofern noch einen Einfluss, da diese hinzukommenden trans‐
lamellaren Mikrorisse durch die offensichtlich effiziente Barrierenwirkung der Lamellen‐
grenzflächen nur kurze Längen einnehmen. Die aufgebrachte Energie wird aus diesem Grund
über die hohe Anzahl parallelliegender Mikrorisse abgebaut, die eine wellenartige Formation
einnehmen (vgl. Abb. 6‐2 nach 500 MPa Zugbelastung).
0 MPa
nach +500 MPa
F
nach ‐500 MPa
Abb. 6‐2: Vergleich des Ursprungszustandes mit der Schädigungserscheinung im jeweils
entlasteten Zustand nach Lastaufbringung von = 500MPa Zug‐ bzw. Druckspannung
Bereits vorliegende inter‐/intralamellare Mikrorisse, die frühzeitig innerhalb der Kolonien ini‐
tiierten, breiteten sich mit kontinuierlich steigender Last bevorzugt entlang der Lamellenaus‐
richtung aus, solange bis benachbarte Koloniegrenzen erreicht wurden. Die Änderung der
Ausbreitungsrichtung sowie die Überwindung der ersten Koloniegrenzen konnte ebenfalls
erst mit höheren Laststufen, d. h. mit Überschreitung der Nennspannung von
= 450 MPa, beobachtet werden. Somit wird, äquivalent zur Rissinitiierung, eine Ten‐
denz zur Mode‐I Dominanz gesehen. Bis kurz vor dem Erreichen der Zugfestigkeit jeweiliger
Probe lagen alle bruchursächlichen Mikrorisse entweder innerhalb der Kolonie, oder hatten
die ersten Koloniegrenzen gerade überwunden. Das endgültige Versagen der Proben wurde
im Anschluss durch die kritische Rissausbreitung eingeleitet. Der nach Ansätzen aus Anhang
A‐2 ermittelte kritische Spannungsintensitätsfaktor liegt im Wertebereich von 9,7
14,2 √ .
Die Rissinitiierung entlang der Koloniegrenzen konnte ebenfalls erst oberhalb der , ‐
Dehngrenze beobachtet werden. Da allerdings die anschließende Rissausbreitung tendenziell
Mode‐I gesteuert und somit translamellar erfolgte, wurde diese durch abweichend orientier‐
ten Lamellen stark behindert. Dagegen findet die Rissinitiierung innerhalb der ‐Körner auch
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 75
Es bleibt noch anzumerken, dass die vorhandene Schädigung während und nach der Druck‐
last kaum mehr sichtbar ist (vgl. Abb. 6‐2). Vorliegende Mikrorisse werden durch den Druck
vollständig geschlossen und bleiben in diesem Zustand auch nach der Entlastung, so dass für
den Scanvorgang während der in‐situ Ermüdungsversuche schlussfolgernd die Beendigung
der Spannungshysterese aus dem Zugbereich vorteilhaft ist.
6.1.2 TAC‐2‐FL
Um die belastungsabhängige Rissinitiierung sowie ‐ausbreitung im Anfangsstadium flächen‐
deckend zu untersuchen, bietet sich der Einsatz des Grauwertbildanalyseverfahrens an, wel‐
ches unter dem Begriff DIC im Kap. 4.1 vorgestellt wurde. Das Untersuchungsmaterial TAC‐2‐
FL eignet sich diesbezüglich aufgrund großer Kolonien hervorragend, da bis zur Wechselwir‐
kung des kleinen inter‐ bzw. intralamellaren Mikrorisses mit angrenzenden Koloniegrenzen
größere Distanzen überwunden werden müssen. Zudem bietet die nahezu gleichverteilte Ko‐
lonieausrichtung eine sehr gute Möglichkeit, um den Einfluss der Ausrichtung benachbarter
Kolonien auf die Überwindung der ersten Koloniegrenzblockaden bei der Mikrorissausbrei‐
tung zu untersuchen. Vorbereitend für diese Analysen wurden ebenfalls in‐situ Laststeige‐
rungsversuche durchgeführt, wobei in diesem Fall für die Bildaufnahmen eine hohe optische
Vergrößerung von 500‐fach und die digitale Auflösung der Mikroskopkamera von 3200x2400
Pixel verwendet wurde. Mit diesen Parametern wurde eine Fläche der Größe 8,89x4,35 mm
(LxB) im Ursprungszustand sowie während der Last von = 175 MPa, = 200 MPa
und = 250 MPa in einer 16x11‐Matrix gescannt. Die Laststufen wurden so gewählt,
dass der Übergang vom makroskopisch linear‐elastischen zum plastischen Verhalten näher
untersucht werden konnte (vgl. Abb. 6‐3).
76 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Abb. 6‐3: Makroskopisches Spannungs‐Dehnungs‐Diagramm von TAC‐2‐FL mit Markierun‐
gen aufgebrachter Laststufen
Nach dem Zusammenfügen einzelner Bildaufnahmen der Scanmatrix zu einem Gesamtbild
weist der beobachtete Probenabschnitt (Abb. 6‐4 a)) eine Auflösung von 48.330x23.625 Pixel
auf und bietet somit, auch bei den vergleichsweise geringen Dehnungen, eine gute Möglich‐
keit zur ortsaufgelösten DIC‐Analyse. Um Berechnungsfehler, die aufgrund von Bildüberlap‐
pungen entstehen können, zu vermeiden, wurde die Grauwertkorrelationsanalyse selbst an
den einzelnen Matrixpositionen separat durchgeführt. Erst im Anschluss wurden die Einzel‐
ergebnisse der Dehnungsermittlung farbkodiert ausgegeben und zu einem Gesamtbild zu‐
sammengefügt. Abb. 6‐4 b) und c) veranschaulicht die ermittelte Dehnungsverteilung infolge
der ersten Laststufe von = 175 MPa in x‐ und y‐Richtung, wobei diese mit dem Ge‐
samtbild der Probe mit 40%‐iger Transparenz überlagert wurde. Die Zuordnung der Deh‐
nungswerte kann dem Farbbalken entnommen werden. Zu beachten ist, dass Dehnungen
außerhalb des Bereichs 0,3% farblich nicht weiter unterteilt wurden. Es handelt sich hier‐
bei um einen vernachlässigbaren Anteil von etwa 2% aller Werte, denen vereinfacht die
blaue bzw. rote Farbe zugeordnet wurde. Die Wahl dieser Farbunterteilung ist insofern legi‐
tim, da verstärkt auf die Visualisierung auch geringfügiger Dehnungskonzentrationen Wert
gelegt wurde und die Beurteilung in erster Linie qualitativ erfolgen soll. Die Farbkodierung
nachfolgender Laststufen blieb zwecks besserer Vergleichbarkeit und ungeachtet partiell hö‐
herer Dehnungen unverändert. Das Ergebnis der ermittelten Dehnungsverteilung bei
und ist in Abb. 6‐5 dargestellt.
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 77
a)
b) R7 R2
R1
R3
R4
R5 R6
c)
Abb. 6‐4: DIC‐Dehnungsanalyse mit Identifizierung lokaler Abscherprozesse: a) zusammen‐
gefügtes Gesamtbild im Ursprungszustand, b) und c) Farbkodierung der Dehnung in x‐ und
y‐Richtung bei einer Nennlast von = 175 MPa
78 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
a)
R8
b)
c)
K1
K2
d)
Abb. 6‐5: Farbkodierung der Dehnung in x‐ und y‐Richtung bei einer Nennspannung von:
a) und b) = 200 MPa sowie c) und d) = 250 MPa
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 79
Während der ersten Laststufe betrug die makroskopische Dehnung dieser Probe etwa
= 0,09%. Auf der mikroskopischen Ebene wurden in die gleiche Richtung vereinzelt Werte
von bis zu 1,17% gemessen, wie beispielsweise in dem umrahmten Bereich R4 in Abb. 6‐4 b).
Solche lokalisierte Dehnung tritt überwiegend in Kolonien mit einer lateralen Orientierung
von = 25‐65° zur Lastrichtung auf, was den vorhergehenden Beobachtungen an TAC‐2‐NL
entspricht und erneut auf einen signifikanten Einfluss der Schubspannung schließen lässt.
Das Erscheinungsbild der Dehnungsmaximas entspricht relativ schmalen Bändern, die in
Richtung der Lamellen angeordnet sind. In einigen Fällen umfasst ihre Länge, trotz der ver‐
gleichsweise geringen Belastung, die gesamte betroffene Koloniebreite (R1 und R3 in Abb.
6‐4 b)), d. h. es findet bereits eine beidseitige Interaktion mit den ersten Koloniegrenzen
statt. Vielfach liegt allerdings nur einseitige Interaktion vor (R4 und R5). Die Koloniegrenzen
werden äußerst selten überschritten, eine solche Ausnahme bildet die R2‐Kolonie. Hier ragt
das Dehnungsband einseitig über die erste Blockade in die benachbarte Kolonie hinein.
Detaillierte Betrachtungen der Bildaufnahmen zeigen, dass es sich bei den Dehnungsbändern
mit der Orientierung von = 25‐65° um Abschervorgänge innerhalb vereinzelter Lamellen
und entlang der Lamellengrenzflächen handelt. Somit handelt es sich hierbei nicht wie in der
Literatur beschrieben um atomare Abgleitprozesse (vgl. Kap. 2.1.3), sondern bereits um eine
dauerhafte Schädigung bzw. Rissinitiierung. Der Grund für das breite Erscheinungsbild eines
Bands geht auf die DIC‐Analyseverfahren zurück, da bei den gewählten und erforderlichen
Parametern vorgestellter Ergebnisse (10 Pixel Abstand zwischen den Messpositionen in bei‐
de Richtungen und Referenzfeldgröße von 100x100) eine gewisse Unschärfe bei der Berech‐
nung der Verschiebungsvektoren unvermeidbar ist (vgl. Kap. 4.1).
Abb. 6‐6 veranschaulicht am Beispiel der R2‐Kolonie die beiden zuvor genannten Ereignisse
im Detail: Abscherprozess in Richtung der Lamellen und die Interaktion der Abscherung mit
der Koloniegrenze. Der Dehnungsverteilung und den Bildaufnahmen an der Stelle der Deh‐
nungsmaximierung kann entnommen werden, dass der Abscherprozess während der ersten
Laststufe (Abb. 6‐6 b)) sich innerhalb der betroffenen Kolonie auf eine breitere ‐Lamelle
konzentriert. Hierbei verschiebt sich der untere rechte Koloniebereich gemäß der orange ge‐
färbten Pfeilrichtung und der obere linke Koloniebereich entsprechend der gelb gekenn‐
zeichneten Pfeilrichtung. Bildaufnahmen zeigen entlang dieser ‐Lamelle erste sequentielle
Mikrorissinitiierungen, die unter der Laststufe ausgeprägtes Erscheinungsbild anneh‐
men. Dennoch sind diese Mikrorisse nur in einem direkten Bildvergleich erkennbar, da ihre
Breite eine deutlich kleinere Dimension annimmt als die Lamellenbreite. Während der ersten
Laststufe wird der Abscherprozess auf der rechten Seite an einem innerhalb der Kolonie lie‐
gendem globularen ‐Korn unterbunden. Da allerdings die Korngröße, verglichen mit der an‐
zunehmenden räumlichen Ausdehnung der Kolonie, klein ist, wurde dieses Hindernis mit zu‐
nehmender Belastung leicht überwunden. Linksseitig kann die bereits erwähnte Interaktion
mit der benachbarten Kolonie auch bei geringer Belastung festgestellt werden. In diesem Fall
reichte offensichtlich die Spannungsüberhöhung vor der entstandenen Mikrorissspitze aus,
um in der deutlich anders orientierten Nachbarkolonie ebenfalls lokalisierte Dehnungsbän‐
der zu verursachen. Eine weitere denkbare Ursache für das Hineinreichen des Dehnungsban‐
des in die benachbarte Kolonie ist die weiträumigere Ausdehnung der mikrorissbehafteten
Kolonie in Tiefenrichtung. Von einer Mikrorissausbreitung und Überwindung erster Blocka‐
80 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
den kann in diesem Fall allerdings nicht gesprochen werden. Diese ist auch während der bei‐
den höheren Laststufen nicht eingetreten.
a) b)
c) d)
Abb. 6‐6: Detailansicht der Umrandung R2 aus Abb. 6‐4: a) Abscherung entlang einer brei‐
teren ‐Lamelle infolge der Last, b‐d) farbkodierte Dehnungen aus DIC‐Analysen bei ent‐
sprechender Reihenfolge , und
Ebenso erwähnenswert ist die Abscherung innerhalb der Kolonie R8 (Abb. 6‐5 a)), die entge‐
gen der ersten Vermutung nicht entlang der Koloniegrenze, sondern in unmittelbarer Nähe
während der Aufbringung der Laststufe stattgefunden hat. Die Begründung hierfür
liegt in den Spannungsüberhöhungen im Bereich der Koloniegrenzen, die auf die elastische
Anisotropie verschieden ausgerichteter Kolonien mit der daraus resultierenden Verschie‐
bungsinkompatibilität zurückzuführen ist. Dieser Effekt ist im Allgemeinen für metallische
Werkstoffe bekannt [2] und wurde in Kap. 2.2.2.1 beschrieben.
Unabhängig von der Orientierung offenbart die DIC‐Analyse mit zunehmender Belastung die
Aktivierung weiterer Kolonien sowie die Lokalisierung der Dehnung innerhalb bereits aktiver
Kolonien auf parallelliegenden Ebenen (Abb. 6‐5). Hierbei handelt es sich um hinzukommen‐
de Abscherung und Rissinitiierung. Bereits vorhandene Mikrorisse manifestieren sich fort‐
schreitend, was sich mit Zunahme ihrer Länge bis zum Erreichen der Koloniegrenzen und ih‐
rer Verbreiterung abzeichnet. Die Koloniegrenzen sind in allen beobachteten Fällen sehr effi‐
ziente Hindernisse gegenüber der Mikrorissausbreitung unter quasistatischer Belastung. Die‐
se Tatsache wird durch die Betrachtung der gesamten observierten Probenoberfläche ver‐
deutlicht. Innerhalb der Kolonien liegende gerichteten Dehnungsmaxima nehmen auch bei
der Laststufe in den meisten Fällen maximal die Ausdehnung der betroffenen Kolonie
an (vgl. Abb. 6‐5 c)).
a) b) c)
K1
d) e) f)
K2
Abb. 6‐7: Einfluss der fs‐Laser‐Kerben K1 und K2 auf die Rissinitiierung unter quasistati‐
scher Belastung von = 250 MPa (Kerbpositionen sind Abb. 6‐5 c) zu entnehmen)
Der Einfluss der fs‐Laser‐Kerben auf die Rissinitiierung unter quasistatischer Belastung kann
mittels der ermittelten ortsaufgelösten Dehnungsmaxima in Abb. 6‐7 vorgeführt werden.
Hier werden zwei parallel zu den Lamellen ablatierten Kerben verglichen, wobei die Kerbe K1
eine laterale Ausrichtung von etwa 90° aufweist, während die Kerbe K2 mit etwa 45° zur
Lastrichtung angeordnet ist. Neben dem Originalbild der Mikrostruktur ist die ortsaufgelöste
Dehnung in x‐ und y‐Richtung infolge der Laststufe dargestellt. K1 wurde innerhalb ei‐
ner Kolonie platziert, die trotz der senkrechten Ausrichtung zur Last auch bei höherer Last‐
82 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
stufe vernachlässigbare Dehnungsmaxima aufweist. Die resultierende Spannung, die in die‐
ser Kolonie herrscht, ist offensichtlich nicht ausreichend, um eine Rissinitiierung unter quasi‐
statischen Bedingungen auszulösen. Einzig die Kerbe ruft vor den beiden Spitzen Spannun‐
gen hervor, die höhere Dehnungsfelder nach sich ziehen. Eine Rissinitiierung an der Oberflä‐
che wurde unter diesen Bedingungen allerdings auch hier nicht beobachtet. Die Kolonie mit
der Kerbe K2 unterliegt dagegen einer lokalen Schubspannung, die während der Last
hoch genug ist, um gleichzeitig zwei Abscherebenen zu aktivieren. Dabei ist die Rissinitiie‐
rung aus der Kerbe deutlich ausgeprägter. Die Wirksamkeit der Kerbe kann somit bereits un‐
ter einmaliger monotoner Belastung untermauert werden, für den Fall, dass die Kerbe inner‐
halb einer Kolonie mit höherer resultierender Lokalspannung ablatiert wird.
6.1.3 TNM‐B1
Eine ähnlich frühe Rissinitiierung unter quasistatischer Belastung wurde auch bei der Legie‐
rung TNM‐B1 festgestellt. Ein Vorteil dieses Untersuchungsmaterials liegt in der nahezu
gleichverteilten Orientierung der Kolonien, weshalb die statistische Auswertung bezüglich
der Rissinitiierung sowie der allgemeinen Schädigungsakkumulation bei unterschiedlichen
Laststufen vorgenommen werden konnte. Diese beschränkt sich allerdings auf die Betrach‐
tung der Kolonien, da die inter‐ bzw. intralamellare Rissinitiierung und ‐ausbreitung zu dem
vorherrschenden Anteil der beobachteten Schädigung zählt. Um den Einfluss der Ermü‐
dungsbelastung auf die Schadensakkumulation grundlegend zu erfassen, wurde die Probe im
Bereich der , ‐Dehngrenze zusätzlich einer zyklischen Belastung von 400 MPa und
435 MPa ausgesetzt.
Der überwiegende Anteil erstmaliger Rissinitiierung erfolgte innerhalb der Kolonien mit der
lateralen Lamellenausrichtung im Winkelbereich von 50° ≤ < 70°. Dabei wurden die ersten
Aktivitäten bereits ab einer Nennlast von 150 MPa beobachtet. Ab der Belastung von
225 MPa stieg die akkumulierte Rissinitiierung nahezu mit jeder weiteren Laststufe, bis die
Probe den ersten zyklischen Lastspielzahlen bei 400 MPa ausgesetzt wurde. Diese zwischen‐
zeitliche, noch unterhalb der Elastizitätsgrenze liegende Belastungsart führte zu einer ra‐
schen Zunahme mikrorissbehafteter Kolonien. Prinzipiell ähnliches Verhalten fand auch im
weiteren Verlauf der Versuchsdurchführung unter quasistatischer Belastung im Bereich 400‐
435 MPa sowie unter kurzzeitiger zyklischer Belastung von 435 MPa statt. Nach dieser Vor‐
geschichte wiesen schließlich mehr als 11% der betrachteten Kolonien erste Mikrorisse auf.
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 83
a) b)
Abb. 6‐8: a) Auswertung der Rissinitiierung in der TNM‐B1‐Legierung unter quasistatischer
und teils dynamischer Belastung: Akkumulation erstmaliger Aktivität innerhalb jeweiliger
Kolonien, normiert auf die Anzahl beobachteter Kolonien und in Abhängigkeit der Nenn‐
spannung , b) Spannungs‐Dehnungs‐Diagramm aus dem Zugversuch
Eine weitere Auswertung stellt Abb. 6‐9 dar. Äquivalent zu der vorherigen Betrachtung der
Rissinitiierung wird hierbei die gesamte Schädigungsakkumulation ∑ innerhalb der Kolo‐
nien erfasst. Unter dem Begriff der Schädigungsakkumulation wird an dieser Stelle jegliche
fortführende Aktivität zusammengefasst. Dies können neben der erstmaligen Initiierung ei‐
nes Risses auch dessen Ausbreitung sowie die zusätzliche parallelliegende Rissinitiierung sein.
Dieses Verhalten ist bereits aus DIC‐Analysen an TAC‐2‐FL sowie den Beobachtungen an TAC‐
2‐NL bekannt und konnte an diesem Untersuchungsmaterial mit Zunahme der Last ebenso
beobachtet werden. Um eine relative Aussage zu ermöglichen, wurde die Schädigungsakku‐
mulation auf die am Ende des Experiments festgestellte Gesamtzahl aller Aktivitäten ,
normiert. Die Kurven dieses Diagramms verlaufen prinzipiell ähnlich zu denen der reinen
Rissinitiierung, weisen jedoch einen signifikanten Unterschied auf. Die Schädigungsaktivität
stieg im Zuge der zwischenzeitlichen zyklischen Belastung sowohl bei 400 MPa, als auch bei
435 MPa verglichen mit erstmaliger Rissinitiierung deutlich stärker an. Aus der Sicht der
Oberflächenbetrachtung blieben die wesentlichen Mechanismen jedoch unverändert. Die
geringe Anzahl der Lastwechsel führte in diesem Fall zu keiner Mikrorissausbreitung über die
Koloniegrenzen hinweg.
84 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Abb. 6‐9: Auswertung der Schädigungsakkumulation innerhalb der Kolonien der TNM‐B1‐
Legierung unter quasistatischer und teils dynamischer Belastung: Schädigungsakkumula‐
tion normiert auf die Gesamtzahl betrachteter Schädigungsaktivität und in Abhängigkeit
der der Nennspannung
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 85
F
0 MPa
6.2 Ermüdung bei Raumtemperatur
Basierend auf den Erkenntnissen über die frühe Rissinitiierung während quasistatischer Be‐
lastung (vgl. Kap. 6.1) wurden die Spannungsamplituden für die nachfolgenden in‐situ Ermü‐
dungsexperimente zunächst so festgelegt, dass die , ‐Dehngrenze nicht überschritten
wurde. Die Proben wurden ohne Verwendung von Kerben ermüdet, was der Ermittlung von
natürlichen Versagensursachen dienen sollte. Werkstoffübergreifend offenbart die in‐situ
Oberflächenbeobachtung in diesem Fall, dass im Anschluss an die anfängliche Rissinitiierung
die meisten Mikrorisse an den nächstliegenden Koloniegrenzen blockiert werden. Die Le‐
bensdauer wird nun primär von bestimmten mikrostrukturellen Konstellationen dominiert,
die die anschließende Rissausbreitung begünstigen. Hierzu zählen Mikroporen, die sich auf‐
grund ihrer Lage bzw. Abmessung über mehrere Kolonien ausdehnen, oder mehrere neben‐
einander liegende Kolonien mit einer für die Rissausbreitung ähnlich günstigen Ausrichtung
ihrer Lamellen. Da jedoch die Wahrscheinlichkeit für die Lage solcher versagensrelevanten
Konstellationen im Bereich der observierten Oberfläche im Vergleich zum Gesamtvolumen
gering ist, war die in‐situ Beobachtung der entscheidenden Rissausbreitung nicht immer
möglich. Demzufolge ist die Wahl einer zu geringen Belastung für die bruchmechanische
Auswertung und die Ermittlung von Risswachstumskurven nicht zielführend. Der Einsatz von
Starterkerben verbessert die Erfolgswahrscheinlichkeit, da eine gezielte Rissinitiierung mög‐
lich ist. Die anschließende Rissausbreitung über die Koloniegrenzen hängt jedoch auch in die‐
sem Fall von der angrenzenden mikrostrukturellen Konstellation ab, sofern die Kerbe inner‐
halb einer Kolonie erzeugt wird. Liegt dagegen eine höhere Spannungsamplitude vor, aus der
typischerweise eine Bruchlastspielzahl von < 104 Lastwechsel resultiert, so ist im Allgemei‐
nen bei metallischen Werkstoffen die eingebrachte Energie für die vielerorts gleichzeitig
86 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
stattfinde Versetzungsbewegung und die Rissausbreitung hoch genug [44]. Unter der Be‐
rücksichtigung dieses, für Metalle aus der Literatur bekannten Sachverhalts, wurde für die
Ermittlung der bruchmechanischen Risswachstumskurven die Belastung im Bereich zwischen
der beiden Dehngrenzen , und , vorgezogen. Damit ergab sich bei ungekerbten
Proben typischerweise eine Lebensdauer von 103 bis 105 LW, die dem Übergangsbereich zwi‐
schen LCF und HCF entspricht (vgl. Kap. 2.2.1.1). Die Beobachtungen des unterschiedlichen
Schädigungsverhaltens sowie die ermittelten Rissausbreitungsfunktionen werden in folgen‐
den Unterkapiteln vorgestellt.
Für die bruchmechanische Beschreibung der Rissausbreitung wurden die Spannungsintensi‐
tätsfaktoren nach dem Ansatz von Newman und Raju [51] berechnet, der im Anhang Kap. A‐
2.1 dargelegt ist. Um den Einfluss der Wechselwirkungseffekte mit dem Probenrand aus der
Berechnung auszuschließen, wurden die dem Probenrand naheliegende Mikrorisse bei der
Auswertung nicht berücksichtigt. Insofern konnte für alle betrachteten Risse die Annahme
eines halbelliptischen Rissprofils mit dem Verhältnis der Risstiefe zu halber Oberflächenriss‐
länge von ⁄ = 0,825 (Abb. A‐2‐1) getroffen werden. Dieses Verhältnis wird bei einer Riss‐
ausbreitung aus energetischen Gründen angestrebt, was durch den Vergleich der Span‐
nungsintensitätsfaktoren in den beiden Punkten der Rissfront bei = 0° und 90° verdeutlicht
werden kann. In beiden Fällen liefert Gl. A‐2‐1 nahezu gleiche Ergebnisse. Bei Rissen, die ent‐
weder unter einem Winkel zur Lastrichtung orientiert sind oder einen gezackten Verlauf
aufweisen, kann eine vereinfachende Annahme getroffen, dass für die Berechnung des Span‐
nungsintensitätsfaktors nur der auf die x‐Achse projizierte Anteil der Risslänge relevant ist
[53]. Mit der Beziehung · sin θ kann der oben genannte Ansatz von Newman und Raju
wie folgt modifiziert werden:
⎛a a c ⎞
K I* = K I ⋅ sin(θ ) ⎜ , , , φ ⎟ . (6‐1)
⎝t c W ⎠
Zudem zeigen die Experimente, wie später noch verdeutlicht wird, dass Rissschließeffekte
für den gesamten Rissfortschritt vernachlässigt werden können. Der effektive zyklische Span‐
nungsintensitätsfaktor ∆ aus Gleichung 2‐9 ist in diesem Fall gleichzusetzen mit ,
da die Annahme 0 √ getroffen werden kann. Diese Annahme bedeutet wieder‐
um, dass die vollständig positive Amplitude des Spannungsintensitätsfaktors als die maßgeb‐
liche Triebkraft für die Ausbreitung eines Ermüdungsrisses erachtet wird. Unter Berücksichti‐
gung dieser Rahmenbedingungen werden im Folgenden zyklische Spannungsintensitätsfak‐
toren angegeben, die nach der Gleichung
⎛a a c ⎞
ΔK I* = K I*,max ⎜ , , , φ , θ ⎟ φ = 0° (6‐2)
⎝t c W ⎠
errechnet wurden und an den probenoberflächlich liegenden Rissspitzen ihre Gültigkeit be‐
sitzen.
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 87
6.2.1 TNM‐B1
6.2.1.1 Statistische Betrachtung der Rissinitiierung und der anfänglichen Riss‐
ausbreitung unter zykl. Belastung
In Anlehnung an die statistische Auswertung in Kap. 6.1.3 wurde das Ermüdungsverhalten
der Legierung TNM‐B1 hinsichtlich der erstmaligen Rissinitiierung und der anschließenden
Schädigungsakkumulation untersucht. Diese Untersuchung wurde an einer Probe durchge‐
führt, die während des Ermüdungsexperiments einer Spannungsamplitude von
= 428 MPa ausgesetzt war. Die gewählte Lastgröße liegt im Bereich der , ‐Dehngren‐
ze, so dass ein Vergleich zu quasistatischen Experimenten mit zwischenzeitlich zyklischer Be‐
lastung ermöglicht wird (vgl. Abb. 6‐8 und Abb. 6‐9). Bis zum Versagen erfuhr die Probe
18.038 Lastwechsel, wobei eine der ablatierten fs‐Laser‐Kerben bruchauslösend wirkte. Von
den insgesamt 1.263 beobachteten Kolonien wiesen 144 Kolonien Schädigungsaktivitäten in
Form von Rissinitiierung und ‐ausbreitung auf. Abgesehen von dem bruchursächlichen
Hauptriss aus der Kerbe wurden alle entstandenen Mikrorisse an den nächstliegenden Kolo‐
niegrenzen blockiert. Die Rissinitiierung innerhalb globularer Cluster wurde bei dieser Belas‐
tung und Anzahl der Lastwechsel nicht beobachtet.
Abb. 6‐11 veranschaulicht die erste statistische Auswertung. Hierbei ist auf der Ordinate ‐
äquivalent zu Abb. 6‐8 in Kap. 6.1.3 ‐ die Summe der Kolonien aufgetragen, die bis zum be‐
trachteten Zeitpunkt bereits erstmalige Rissinitiierung ∑ aufwiesen. Um eine relative Aus‐
sage zu ermöglichen, wurde auch hier die ermittelte Summe auf die Gesamtzahl betrachte‐
ter Kolonien = 1.263 normiert. Dagegen ist auf der Abszisse die Anzahl der Zyklen darge‐
stellt, die die Probe bis zum Moment der Bildaufnahmen erfahren hatte. Neben der winkel‐
übergreifenden Gesamtbetrachtung des Rissinitiierungsverhaltens über den Bereich
0° ≤ ≤ 90° stellt das Diagramm eine winkelabhängige Unterteilung entsprechend der Le‐
gende dar.
Der aus der winkelübergreifenden Gesamtbetrachtung resultierenden Funktion in Abb. 6‐11
kann eine anfänglich steile Steigung entnommen werden, d. h. die Anzahl der mikrorissbe‐
hafteten Kolonien stieg innerhalb von wenigen Lastwechseln schnell an. So waren beispiels‐
weise ca. 9,5% der betrachteten Kolonien nach nur 151 LW bereits "aktiv". Nach weiteren
1.350 LW war eine deutliche Sättigung auf dem Niveau von 11,2% erreicht. Mit der Realisie‐
rung der Gesamtzahl von 10.001 LW erhöhte sich der Anteil der Kolonien mit Mikrorissen ge‐
ringfügig auf nun 11,4%. Hinzukommende Aktivierung neuer Kolonien wurde bis zum Versa‐
gen der Probe nicht beobachtet. Der prinzipielle Verlauf dieser Funktion spiegelt sich in dem
Verlauf der Funktionen einzelner Winkelbereiche wieder. Ein signifikanter Unterschied be‐
steht jedoch in der Lage der Kurven. So fand die erstmalige Rissinitiierung bevorzugt inner‐
halb der Kolonien statt, deren laterale Lamellenausrichtung relativ zur Lastrichtung im Win‐
kelbereich von 50° ≤ < 80° lag. Deutlich seltener wurde die Rissinitiierung innerhalb der Ko‐
lonien mit einer Ausrichtung im Bereich 30° ≤ < 50° sowie 80° ≤ ≤ 90° beobachtet. Kolo‐
nien mit < 30° wiesen dagegen bei dieser Experimentdurchführung überhaupt keine Schä‐
digungsaktivität auf. Dieses Verhalten deckt sich weitgehend mit den Beobachtungen aus
quasistatischen Experimenten, wobei die Erweiterung der Aktivität auf den Winkelbereich
70° ≤ < 80° unter dynamischer Belastung eine Ausnahme bildet.
88 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
= 428 MPa
Abb. 6‐11: Auswertung der Rissinitiierung in der TNM‐B1‐Legierung unter dynamischer Be‐
lastung von = 428 MPa: Akkumulation erstmaliger Aktivität innerhalb der Kolonien,
normiert auf die Anzahl beobachteter Kolonien und in Abhängigkeit der Lastzyklenzahl
Die zweite statistische Auswertung ist in dem Diagramm in Abb. 6‐12 dargestellt. Darin ist
auf der Ordinate ‐ äquivalent zur Abb. 6‐9 in Kap. 6.1.3 ‐ die normiert Schädigungsakkumula‐
tion ∑ aufgetragen. Normiert wurde auch in diesem Fall auf die am Ende des Experiments
festgestellte Gesamtzahl aller Aktivitäten , .
= 428 MPa
Abb. 6‐12: Auswertung der Schädigungsakkumulation innerhalb der Kolonien der TNM‐B1‐
Legierung unter dynamischer Belastung von = 428 MPa: Schädigungsakkumulation nor‐
miert auf die Gesamtzahl betrachteter Schädigungsaktivität und in Abhängigkeit der Last‐
zyklenzahl
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 89
Im Unterschied zu den Kurven der Rissinitiierung (vgl. Abb. 6‐11) kann hier mit zunehmender
Anzahl der Lastwechsel eine fortschreitende Schädigungsakkumulation festgestellt werden.
Darunter fallen die Mikrorissausbreitung sowie die zusätzliche Rissinitiierung innerhalb der
bereits aktiven Kolonien. Dieses beobachtete Verhalten lässt sich durch eine angenäherte lo‐
garithmische Ausgleichsfunktion beschreiben, wie sie in Abb. 6‐12 beispielsweise für den
winkelübergreifenden Graph (0° ≤ ≤ 90°) der Schädigungsakkumulation aufgetragen ist. Zu
berücksichtigen ist, dass das Versagen der Probe aus einer künstlichen Kerbe und somit frü‐
her als natürlich erfolgte. Aus diesem Grund kann über den weiteren möglichen Verlauf der
Schädigungsakkumulation nur gemutmaßt werden. Unter der Berücksichtigung der Tatsache,
dass eine koloniegrenzübergreifende Mikrorissausbreitung (mit Ausnahme des bruchursäch‐
lichen Hauptrisses aus der Kerbe) nicht beobachtet wurde und somit die Koloniegrenzen ei‐
ne effiziente Barriere darstellen, kann auch hier ein Sättigungsverhalten bei geringerer Span‐
nungsamplitude erwartet werden.
6.2.1.2 Koloniegrenzen als Hindernisse gegen die Mikrorissausbreitung
Die Effizienz der Koloniegrenzen als Hindernisse gegen die Mikrorissausbreitung kann an ei‐
ner mikrostrukturellen Konfiguration in Abb. 6‐13 beispielhaft demonstriert werden. Hierbei
sind innerhalb der Bildaufnahme im Anfangszustand die entscheidenden Kolonien hervorge‐
hoben. Die Kolonien 1, 2 und 4 weisen eine Orientierung auf, die in den Winkelbereich hoher
Aktivität fällt (Winkelangabe in Abb. 6‐13). Insofern konnten bereits nach nur 5 LW zahlrei‐
che Mikrorissinitiierungen festgestellt werden. Einige von den markantesten Mikrorissen
sind in der mittleren Abbildung durch Pfeile gekennzeichnet. Bis zum Ende des Experiments
( = 18.038 LW) manifestierten sich diese Mikrorisse durch ihre Ausbreitung bis zu den
nächstliegenden Koloniegrenzen. Einige, die in der rechten Abbildung beispielsweise gekenn‐
zeichnet sind, initiierten erst im weiteren Verlauf der Ermüdung. Trotz der starken Aktivität
und der nahezu gleichen lateralen Ausrichtung der Lamellen hatte eine vollständige Rissver‐
einigung über die Koloniegrenzen nicht stattgefunden. Die weitere Rissausbreitung wurde in
diesem Fall von zwei entscheidenden mikrostrukturellen Größen verhindert. Zum einen wur‐
de die Rissvereinigung zwischen der Kolonie 2 und 4 durch die nichtaktive Kolonie 3 mit ihrer
Ausrichtung zur Last von = 19° unterbunden. In diesem Fall stellen die grundlegend andere
Orientierung der Lamellen sowie die Breite der Kolonie erwartungsgemäß eine hohe Hinder‐
niswirkung dar. Aufschlussreich ist zum anderen die Effizienz der globularen Cluster. Solche
Cluster liegen auch zwischen Kolonie 1 und 2 vor, wurden jedoch aufgrund ihrer geringen
Ausmaße in der Abbildung nicht separat hervorgehoben. Von den zahlreichen Mikrorissen
innerhalb der Kolonie 1 und 2, die teilweise sogar kolonieübergreifend auf der nahezu glei‐
chen Ausbreitungsebene liegen, stehen am Ende des Experiments nur zwei kurz vor der Ver‐
einigung (gelbe Markierung).
90 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
0 5 18.038
Kol. 1 Kol. 3
Kol. 4
Kol. 2
Kolonie‐Nr. 1 2 3 4
428 MPa
Winkel 67° 68° 19° 66°
Abb. 6‐13: Beispielhafte Darstellung der erstmaligen Rissinitiierung sowie weiteren Schädi‐
gungsaktivität unter zyklischer Belastung in TNM‐B1
6.2.1.3 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen innerhalb der Legierung TNM‐B1
wurde auf Basis von Bildaufnahmen aus in‐situ Ermüdungsexperimenten ermittelt. Dabei va‐
riierte die Spannungsamplitude im Bereich von 375‐502 MPa. Um eine möglichst ge‐
naue Bestimmung der tatsächlichen Risslänge an der Oberfläche gewährleisten zu können,
wurde während des jeweiligen Scanvorgangs eine geringe quasistatische Last aufgebracht.
Anderenfalls waren die Risse nahezu vollständig geschlossen. In der Regel betrug die quasi‐
statische Last 200 MPa, wurde jedoch mit Zunahme der Risslänge kontinuierlich reduziert, so
dass eine Rissausbreitung in dieser Phase vermieden werden konnte.
Zur Veranschaulichung dieses Sachverhalts sind in Abb. 6‐14 post mortem REM‐Aufnahmen
des Risspfades eines physikalisch kleinen Risses im entlasteten Zustand der Probe dargestellt.
Dieser ist bei einer Spannungsamplitude von = 410 MPa aus einer fs‐Laser‐Kerbe entstan‐
den und weist nach = 5.500 LW eine Oberflächenlänge von 2 = 626 µm auf. Im entlaste‐
ten Zustand ist der Rissverlauf und insbesondere das Ende des Risses aufgrund der vollstän‐
digen Schließung ‐ selbst bei höherer Vergrößerung ‐ streckenweise nicht eindeutig zu erken‐
nen. Zur Verdeutlichung des Risspfades ist dieser in der Abbildung mittels weißer Pfeile an
den äußerst schmalen Stellen gekennzeichnet. Die beidseitigen Enden des Risses sind hierbei
durch farbige Pfeile innerhalb der Detailaufnahmen hervorgehoben. Ferner sind die beiden
Schnittebenen A‐A und B‐B in der Abbildung verdeutlicht, die mittels FIB zur räumlichen Ana‐
lyse des Rissverlaufs erstellt wurden (vgl. Kap. 6.2.1.4).
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 91
links von fs‐Laser‐Kerbe A‐A
FIB‐Schnitt
F
Rissende
Rissende
B‐B
FIB‐Schnitt
rechts von fs‐Laser‐Kerbe
Abb. 6‐14: Post mortem REM‐Aufnahmen des links‐ und rechtsseitigen Verlaufs eines Ris‐
ses, der aus einer fs‐Laser‐Kerbe entstanden ist und eine Oberflächenlänge von
= 626 µm aufweist. Detailansichten veranschaulichen die Rissenden.
Der nahezu vollständige Kontakt der beiden Rissufer wurde im entlasteten Zustand der Pro‐
be auch für die Rissspitzen von mikrostrukturell nicht mehr beeinflussten physikalisch langen
Rissen festgestellt. Die ermittelten Risswachstumsraten ⁄ sind in Abb. 6‐15 in Abhän‐
gigkeit von dem zyklischen Spannungsintensitätsfaktor ∆ zusammengefasst. Darin sind die
Datenpunkte, die an natürlich entstandenen Rissen bestimmt wurden, ohne Umrandung
dargestellt. Während die umrandeten Punkte auf die aus künstlichen Kerben initiierten Risse
zurückzuführen sind.
92 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Abb. 6‐15: Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von dem zyklischen Spannungs‐
intensitätsfaktor. Schwarz umrandete Datenpunkte wurden an Rissen gemessen, die aus
künstlichen fs‐Laser‐Kerben entstanden sind.
Insgesamt betrachtet, können die tendenziellen Verläufe der ermittelten Risswachstumsge‐
schwindigkeit innerhalb der Legierung TNM‐B1 vergleichsweise gut mit dem für metallische
Werkstoffe allgemeingültigen schematischen Diagramm in Abb. 2‐8 auf S. 14 verglichen wer‐
den. Bei dem Diagramm in Abb. 6‐15 wurde jedoch eine zusätzliche Unterteilung innerhalb
der mikrostrukturellbeeinflussten Kleinrissausbreitung vorgenommen (Phase 1 und 2), so
dass die Rissausbreitung entsprechend der Legende in vier Phasen aufgeteilt werden kann:
Phase 1 ‐ Rissausbreitung bis zu den ersten Barrieren in Form von Koloniegrenzen
Die erste Phase beschreibt die Rissausbreitung innerhalb der Kolonien direkt nach der Riss‐
initiierung, d. h. bis zum Erreichen der ersten Barrieren in Form von Koloniegrenzen. Ent‐
sprechend dem bereits beschriebenen maßgeblichen Einfluss der Lamellenorientierung und
der lokalwirkenden Spannung (vgl. Kap. 6.2.1.1) variiert die Ausbreitungsgeschwindigkeit in
dieser Phase erheblich. Das Wachstum ist geprägt durch seine Unstetigkeit, d. h. starke Ver‐
änderung der Wachstumsgeschwindigkeit bis hin zu zahlreichen temporären Stops. In der
überwiegenden Anzahl der Fälle wurde das Wachstum vor oder mit dem Erreichen der ers‐
ten Koloniegrenzen vollständig unterbunden. Innerhalb dieses Diagrammbereichs können
auch einige Datenpunkte vorgefunden werden, die aus Beobachtungen von Mikrorissen aus
Kerben stammen. Ihre Risswachstumsrate liegt tendenziell im unteren Bereich, was auf die
Platzierung der Kerben innerhalb von für die Rissinitiierung und ‐ausbreitung eher ungünstig
orientierten Kolonien zurückzuführen ist. Ohne eines Kerbeinsatzes wären einige dieser Ko‐
lonien vermutlich erst gar nicht aktiv geworden. Der Übergangsbereich zu der nächsten Pha‐
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 93
Phase 2 ‐ nach Überschreitung erster Barrieren in Form von Koloniegrenzen
Ist die mikrostrukturelle Konstellation für die Überschreitung der ersten Barrieren in Form
von Koloniegrenzen vorteilhaft, so wird die anschließende Rissausbreitungsrichtung weiter‐
hin sehr stark von der Ausrichtung der Kolonien dominiert, d. h. der Risspfad verläuft bevor‐
zugt in Richtung der Lamellen. Bei der Ausbreitung durch globulare Cluster ist dagegen der
mikrostrukturelle Einfluss auf die Ausbreitungsrichtung, bis auf wenige Abschnitte des Riss‐
pfades entlang von Phasengrenzen, nicht offensichtlich. Der Unterschied besteht eher darin,
dass der Rissverlauf innerhalb der ‐Cluster stärker gezackt ist als innerhalb der ‐Cluster.
Dagegen ist die Hinderniswirkung der globularen Cluster, der Koloniegrenzen und der für die
Ausbreitung ungünstig orientierten Kolonien im Vergleich zu der ersten Rissausbreitungs‐
phase nur noch in reduzierter Form vorhanden. Damit ist gemeint, dass die Mikrorisse mit
dem Übergang in die Ausbreitungsphase 2 entscheidend seltener von den genannten mikro‐
strukturellen Gegebenheiten zum völligen oder längerfristigen Stillstand gebracht wurden.
Dennoch ist auch hier die Rissausbreitung unstetig. Das Wachstum wird stets vorübergehend
unterbrochen, was vielfach beim Auftreffen der Rissspitze auf Phasengrenzen beobachtet
wurde.
Desweiteren ist das Diagramm innerhalb dieser Phase durch Datenpunkte geprägt, die so‐
wohl an natürlich entstandenen Mikrorissen, als auch an Mikrorissen aus fs‐Laser‐Kerben ge‐
messen wurden. Beim Einsatz der Kerben wurden derart koloniegrenzüberschreitende Mi‐
krorisse zum Teil dadurch herbeigeführt, dass die Kerben zentral auf eine Koloniegrenze po‐
sitioniert wurden. Die Kerbspitzen ragten in diesem Fall in die beiden benachbarten Kolonien.
Ein signifikanter Unterschied in den Risswachstumsraten ist nicht festzustellen. Die Grenze
zu der nächsten Phase kann bei etwa ∆ 6,7 √ festgelegt werden.
Phase 3 ‐ physikalisch kleine Risse
Innerhalb der dritten Rissausbreitungsphase können die Risse als physikalisch klein aufge‐
fasst werden. Der mikrostrukturelle Einfluss ist als gering einzustufen und die Rissausbrei‐
tung wird zunehmend stetig. Die Risswachstumsgeschwindigkeit kann bereits gut mittels des
∆ ‐Konzepts beschrieben werden. Aus Sicht der Bildauswertung liegt der Übergang zur
Mode‐I Rissausbreitung bei ∆ 10 √ .
94 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Phase 4 ‐ Langrissausbreitung im Mode‐I
Risse, die während der Beobachtung die vierte Phase erreicht haben, wurden von der Mikro‐
struktur kaum mehr beeinflusst. D. h. innerhalb der Kolonien wurde zunehmend translamel‐
lare und innerhalb der globularen Cluster transkristalline Ausbreitung vorgefunden. Da ihre
Rissausbreitung nun überwiegend Mode‐I gesteuert war, können sie als physikalisch lange
Risse angesehen werden. Diese Phase ist jedoch vergleichsweise kurz, da infolge einer gerin‐
gen Steigerung des ∆ ‐Wertes die instabile Rissausbreitung einsetzt. Aus diesem Grund ist
die Datenmenge in diesem Bereich gering. Eine Abschätzung für die Langrissausbreitung
wurde auf Basis des aus der Literatur bekannten Langrissverhaltens (Kap. 2.3.3) vorgenom‐
men. Diese ist innerhalb des Diagramms in Abb. 6‐15 als gestrichelte rote Linie dargestellt.
Unterstützt wurde die Abschätzung durch die Rekonstruktion der Risspfade, die auf Basis der
Bildaufnahmen beider Bruchhälften nach dem Versagen der Proben durchgeführt wurde. Die
Rekonstruktion ergab, dass die kritische Rissausbreitung bei einem zyklischen Spannungsin‐
tensitätsfaktor im Bereich von ∆ 11 14 √ einsetzte. Das äußert sich durch das
Eintreten von massiven Rissverzweigungen sowie von zahlreichen dem Hauptriss naheliegen‐
den Sekundärrissen, wie es Abb. 6‐16 veranschaulicht.
Rissursprung
F
Beginn instabiler
Rissausbreitung
Abb. 6‐16: Auflichtmikroskopische Aufnahme des Übergangbereichs zur instabilen Rissaus‐
breitung
Während der gesamten Rissausbreitung kommt es ‐ wie zuvor beschrieben ‐ vielfach in der
ersten Phase, in zahlreichen Fällen in der zweiten Phase sowie selten auch in der dritten Pha‐
se zu mikrostrukturellbedingten Zwischenstopps. Die Risswachstumsrate nimmt in diesen
Fällen den Wert 0 an, der aufgrund der logarithmischen Skalierung nicht dargestellt werden
kann. Desweiteren stammen die Datenpunkte in Abb. 6‐15 aus zahlreichen Mikrorissen, eine
zusammenhängende Interpolation der teilweise wenigen Datenpunkte einzelner Risse würde
zu einer nicht übersichtlichen Darstellung führen. Um dennoch einen Einblick zu dem tat‐
sächlichen Verhalten der Rissausbreitung zu geben, wurde in Abb. 6‐17 die Interpolation an
Datenpunkten einiger ausgewählter Risse vorgenommen, die innerhalb mehrerer Proben
beobachtet wurden. Der Abbildung kann entnommen werden, dass die Ausbreitung des Ris‐
ses 1 und 2 nach einigen Zwischenstopps vollständig zum Erliegen gekommen ist. Dagegen
überschritt der Riss 3 die ersten Koloniegrenzen und breitete sich nahezu gleichmäßig weiter
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 95
aus, bis dieser ebenfalls gestoppt wurde. Riss 4 entstand aus einer künstlichen Mikrokerbe
und führte im Verlauf des Experiments zum endgültigen Versagen der Probe. Seine kontinu‐
ierliche Ausbreitung wurde innerhalb der dritten Phase zwischenzeitlich verhindert, was auf
einen weiterhin signifikanten Einfluss der Mikrostruktur auf physikalisch kleine Risse hindeu‐
tet.
Abb. 6‐17: Interpolierte Risswachstumsgeschwindigkeit ausgewählter Risse in Abhängig‐
keit von dem zyklischen Spannungsintensitätsfaktor
6.2.1.4 Ergänzende Betrachtung des räumlichen Einflusses von der Mikrostruk‐
tur während der Rissausbreitung
Die Erkenntnisse des mikrostrukturellen Einflusses auf die Rissausbreitung, die in Kap.
6.2.1.3 vorgestellt wurden, basieren auf Bildaufnahmen der Probenoberfläche und sind so‐
mit zweidimensionaler Natur. Um die Wechselwirkung des Risses mit der Mikrostruktur auch
in die Tiefenrichtung zu erfassen, wurde die Untersuchung im Folgenden um den räumlichen
Aspekt erweitert. Für derartig räumliche Abbildung des Phasen‐ und Rissverlaufs wäre die fs‐
LIBS‐Technologie prädestiniert, die sich durch eine schnelle Prozessgeschwindigkeit und eine
direkte elementspezifische Materialanalyse auszeichnet (vgl. Kap. 5.1). Zum Zeitpunkt der
Forschungsarbeit war jedoch die Auflösung des Verfahrens beim Einsatz an Titanaluminiden
nicht hinreichend, um auch die äußerst schmalen Mikrorisse und Lamellen detailliert abbil‐
den zu können. Aus diesem Grund wurde die FIB‐Technologie ersatzweise herangezogen,
womit an einigen ausgewählten Stellen des Risspfades das oberflächennahe Material abge‐
tragen und so der räumliche Verlauf des Risses an der Schnittebene begutachtet werden
konnte.
96 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Phase 1 ‐ Rissausbreitung bis zu den ersten Barrieren in Form von Koloniegrenzen
Abb. 6‐18 veranschaulicht REM‐Aufnahmen eines Mikrorisses, der bereits während des er‐
sten Lastwechsels infolge einer Spannungsamplitude von = 502 MPa in einer Kolonie initi‐
ierte und bis zum Versuchsende innerhalb der anschließenden 7.324 LW auf eine Oberflä‐
chenlänge von ca. 2 = 46 µm angewachsen ist. Die Aufnahme der Oberfläche (s. Abb. 6‐18
a)) offenbart eine überwiegend intralamellare Rissausbreitung innerhalb der ‐Lamelle und
zwar nahe der / ‐Phasengrenze. Diese bevorzugte Ausbreitungslage (nahe der / ‐Pha‐
sengrenze) wird jedoch stellenweise verlassen, so dass ein gezackter Risspfad entstand.
Translamellare Anteile kamen erst zum Ende der Rissausbreitung, und zwar nur auf der rech‐
ten Seite, hinzu.
Die laterale Orientierung der Lamellen und somit auch des Risses beträgt = 84°. Dagegen
liegt die räumliche Ausrichtung der Kolonie bei = 45°, wie es die Vermessung nach dem
FIB‐Materialabtrag ergab (vgl. Abb. 6‐18 b)). Anzumerken ist, dass die Schnittebene senk‐
recht zur Probenoberfläche und entsprechend der Markierung in Abb. 6‐18 a) liegt. Einzelne
Lamellen sind bereits nach dem letzten Abtragschritt (feines Polieren) infolge eines redu‐
zierten Ionenstroms und des entstandenen Grauwertkontrastes gut sichtbar. Dennoch sind
die Lamellengrenzen durch blaue Linien zwecks eindeutiger Zuordnung der Phasen hervorge‐
hoben.
Der Materialabtrag mit FIB offenbart, dass die Ausbreitungsrichtung unmittelbar nach der
Initiierung des Risses auch räumlich maßgeblich durch die Lamellen beeinflusst wurde. An
der betrachteten Stelle breitete sich der Mikroriss in das Probeninnere zunächst senkrecht
zur Last aus, wurde jedoch mit dem Erreichen der nächstliegenden Lamellengrenzfläche (in
diesem Fall zu der ‐Lamelle) in Richtung der Lamellenebene abgelenkt. Hier verzweigt sich
der Risspfad, bestehend aus einem Sekundärriss entlang der Phasengrenze und einem intra‐
lamellaren Hauptriss. Letzterer verläuft innerhalb der ‐Lamelle, jedoch erneut parallel und
in unmittelbarer Nähe zu einer / ‐Phasengrenze.
a) b) C‐C ‐ FIB‐Schnitt
F
t
C‐C
Rissende
FIB‐Schnitt
F Abtragsspur
Abb. 6‐18: Zwei Perspektiven eines Mikrorisses innerhalb einer Kolonie als a) REM‐Aufnah‐
me der Probenoberfläche und b) REM‐Aufnahme nach dem Ionenmaterialabtrag ins Pro‐
beninnere
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 97
Phase 2 bis 3 ‐ nach Überschreitung erster Koloniegrenzen und bis zum Übergang zur Lang‐
rissausbreitung
Zur Ermittlung der räumlichen Mikrorissausbreitung in der Phase 2 und 3 wurde der in Abb.
6‐14 veranschaulichte Riss ausgewählt. Der FIB‐Materialabrag erfolgte an zwei Stellen, die in
Abb. 6‐14 als FIB‐Schnitt A‐A und B‐B skizziert sind. Die Schnittebene A‐A befindet sich inner‐
halb einer Kolonie, die eine laterale Orientierung von = 88° aufweist. Zum Zeitpunkt der
Durchquerung dieser Kolonie gehörte der Mikroriss der Phase 2 an, d. h. er wurde maßgeb‐
lich durch die Mikrostruktur beeinflusst (vgl. Kap. 6.2.1.3). Der zyklische Spannungsintensi‐
tätsfaktor lag bei ∆ 5,2 √ . An der Probenoberfläche offenbart der Risspfad einen
großen Anteil der intralamellaren Rissausbreitung innerhalb der ‐Lamelle sowie einen wei‐
teren signifikanten Anteil der interlamellaren Ausbreitung entlang der / ‐Phasengrenze.
Ferner liegt partiell eine translamellare Ausbreitung vor, die jedoch vernachlässigbare Antei‐
le aufweist. Dieses Verhalten setzt sich auch in das Probeninnere fort, wie es Abb. 6‐19 a)
veranschaulicht. An der Stelle des Schnitts breitete sich der Mikroriss zunächst interlamellar
weiter aus, so dass die anfängliche Ausbreitungsebene mit = 49° der räumlichen Kolonie‐
ausrichtung entsprach. Der anschließende Wechsel zur intralamellaren Ausbreitung inner‐
halb der ‐Lamelle entspricht ebenfalls der Favorisierung, die bereits an der Oberfläche beo‐
bachtet wurde. Die zunehmende Richtungsänderung und der Übergang zur translamellaren
Ausbreitung lassen sich auf die abweichende mikrostrukturelle Konstellation zurückführen,
der sich die Rissspitze annäherte. Das der Kolonie angrenzende globulare Cluster, welches
mit grüner Linie in der Darstellung hervorgehoben ist, führte aufgrund der erwartungsgemäß
abweichenden Verformung offensichtlich zur veränderten Spannungszuständen vor der Riss‐
spitze, so dass der Mikroriss bereits vor dem Erreichen der Koloniegrenze von der ursprüngli‐
chen Ausbreitungsrichtung abgelenkt wurde.
a) A‐A ‐ FIB‐Schnitt aus Abb. 6‐14 b) B‐B ‐ FIB‐Schnitt aus Abb. 6‐14
Abb. 6‐19: REM‐Aufnahmen nach dem Ionenmaterialabtrag ins Probeninnere. Schnittebe‐
nen sind in Abb. 6‐14 definiert.
Der Einfluss der Lamellenausrichtung auf die Ausbreitung von physikalisch kleinen Rissen ist
hingegen deutlich geringer. Dies kann sowohl den Beobachtungen der Probenoberfläche, als
98 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
auch der Schnittebene B‐B in Abb. 6‐19 b) entnommen werden. Diese Schnittebene liegt in
einer Kolonie mit der lateralen Ausrichtung von = 87°, während die räumliche = 46° be‐
trägt. Der zyklische Spannungsintensitätsfaktor betrug ∆ 8,0 √ . Hinsichtlich ihrer
Ausrichtung ist die Kolonie mit den beiden zuvor betrachteten vergleichbar. Dennoch beste‐
hen Unterschiede bei der Charakterisierung des Risspfades. Dieser verläuft gemäß Abb. 6‐19
b) partiell entlang der Lamellengrenzflächen, die Gesamttendenz zu einem Mode‐I gesteuer‐
ten translamellaren Rissverlauf ist jedoch unverkennbar.
6.2.1.5 Fraktographische Analysen von natürlichen Bruchursachen
Trotz des Einsatzes von künstlichen Kerben versagten einige in‐situ untersuchten Ermü‐
dungsproben unerwartet, d. h. nicht von der beobachteten Probenseite ausgehend. Diese
Proben wurden zusammen mit den ungekerbten Proben hinsichtlich der Bruchursache frak‐
tographisch untersucht. Abb. 6‐20 veranschaulicht hierzu beispielhaft die Bruchflächenauf‐
nahmen einer Probe im REM. Belastet mit einer Spannungsamplitude von = 385 MPa, ver‐
sagte diese Probe nach = 102.534 LW, was dem HCF‐Bereich entspricht.
a) b)
c)
Abb. 6‐20: REM‐Aufnahmen der Bruchfläche mit Detailansichten des Bruchursprungbe‐
reichs
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 99
Probenübergreifend lassen sich die Bruchflächen grob in zwei Abschnitte unterteilen: stabile
und instabile Rissausbreitung. Bei den gewählten Spannungsamplituden nimmt die instabile
Rissausbreitung deutlich größere Ausmaße an. Charakteristisch für die instabile Rissausbrei‐
tung sind aus makroskopischer Sicht die strahlenförmigen Bruchlinien, die auf den Ursprung
des Bruchs hindeuten. In Abb. 6‐20 b) sind sie mittels roter Strichlinien verdeutlicht. Im Be‐
reich der stabilen Rissausbreitung, der in Abb. 6‐20 b) durch rote Volllinie abgegrenzt ist,
lässt sich bei dieser Probe eine größere Ansammlung von Kolonien mit dem überwiegend
intra‐ und interlamellaren Versagen feststellen. In den beiden Detailansichten sind sie durch
gelbe Strichlinien hervorgehoben. Diese Kolonien liegen näherungsweise senkrecht zu der
Last und zeichnen sich durch facettenförmige Spaltbruchflächen aus. Dabei können inner‐
halb derselben Kolonien durchaus mehrere Facetten vorliegen, wie es die Detailansicht c)
verdeutlicht. Einzelne Facetten repräsentieren hier die Rissausbreitung entweder innerhalb
einer Lamelle oder entlang einer Lamellengrenzfläche, woraus ein Zusammenhang zwischen
der Facettenanzahl und dem Anteil der translamellaren Rissausbreitung abgeleitet werden
kann. Desweiteren liegt im Bereich der stabilen Rissausbreitung eine größere Kolonie vor,
die einen Mischbruch aus translamellaren und intra‐ bzw. interlamellaren Anteilen der Riss‐
ausbreitung aufweist (in Abb. 6‐20 b), gelbe Volllinie).
Die mikrostrukturelle Konstellation im Bereich des Bruchursprungs dieser Probe begünstigt
aufgrund der lokalisierten Ansammlung von Kolonien (in Abb. 6‐20 a), hervorgehoben durch
gelbe Linien), deren Ausrichtung eine vergleichsweise geringe Bruchzähigkeit nach sich zieht
(vgl. Abb. 2‐12), das Wachstum von den Mikrorissen. Hierbei ist insbesondere der Übergang
von der Phase 1 bis hin zu der Phase 3 der Rissausbreitung entscheidend (vgl. Kap. 6.2.1.3),
der in diesem Fall offensichtlich möglich und lebensdauerbestimmend war. Ähnliche Kon‐
stellationen (teilweise in Kombination mit Mikroporen) wurden auch bei anderen untersuch‐
ten Proben vorgefunden, so dass diese Schlussfolgerung untermauert wird.
6.2.2 TAC‐2‐NL
Das Schädigungsverhalten des Untersuchungsmaterials TAC‐2‐NL zeichnet sich unter zykli‐
scher Belastung mit einer Spannungsamplitude im Wertebereich von = 255‐430 MPa
durch die frühe Rissinitiierung innerhalb der entsprechend günstig orientierten Kolonien so‐
wie der ‐Körner aus. Sofern die Höhe der lokalen Schub‐ oder Normalspannung ausreichte,
breiteten sich diese Mikrorisse im weiteren Verlauf der Experimente schnell aus, wurden je‐
doch spätestens an den nächstliegenden Kolonie‐/Korngrenzen in den meisten Fällen effi‐
zient blockiert. Die Effektivität der Blockaden ist bei diesem Werkstoff auf die Ausrichtung
der Kolonien zurückzuführen, die überwiegend parallel zu der Lastrichtung liegt. Insbesonde‐
re bei niedrig gewählter Spannungsamplitude stellte sich ein Sättigungszustand ein, so dass
kaum Risswachstumsdaten mehr generiert werden konnten. In diesen Fällen wurde die
Spannungsamplitude stufenweise angehoben, wobei die Anzahl der Lastwechsel innerhalb
jeweiliger Belastungsstufe mit 50.000 bis 200.000 begrenzt wurde. Der Versuchsablauf einer
der Proben, die der stufenweise ansteigenden Spannungsamplitude ausgesetzt wurde, ist in
Tabelle 11 exemplarisch veranschaulicht.
100 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Tabelle 11: Versuchsablauf der Ermüdungsprobe CISRI TAC‐2‐NL E6 mit Parameterangaben
zu der stufenweisen Laststeigerung
Probe: CISRI TAC‐2‐NL E6
Laststufe 1 2 3 4 5 6 7 8
[MPa] 255 280 305 330 360 390 410 430
LW [‐] 200.000 100.000 100.000 100.000 100.000 100.000 100.000 2.318
Mit jeder Erhöhung der Spannungsamplitude wurden neue Kolonien und Körner aktiviert so‐
wie weitere Rissinitiierung und ‐ausbreitung innerhalb bereits aktiver Bereiche ermöglicht.
Dennoch nahm die Aktivitätsrate innerhalb jeder Laststufe ‐ vergleichbar mit den quasistati‐
schen Untersuchungen an der Legierung TNM‐B1 (vgl. Kap. 6.2.1.1) ‐ schnell ab. Das endgül‐
tige Versagen der Ermüdungsprobe CISRI TAC‐2‐NL E6 erfolgte mit dem Erreichen der 8.
Laststufe nach 2.318 LW bei = 430 MPa, wobei an der beobachteten Oberfläche bis da‐
hin keine größeren Mikrorisse festgestellt wurden. Ähnliches Schädigungsverhalten wurde
auch an Proben festgestellt, die von Beginn an einer höheren Spannungsamplitude des ge‐
nannten Bereichs ausgesetzt wurden. Infolge der offensichtlich guten Hinderniswirkung des
Werkstoffs gegen die Mikrorissausbreitung über die erste Ausbreitungsphase konnte unter
diesen Bedingungen kein Übergang zur mikrostrukturell unabhängigen Rissausbreitung beo‐
bachtet werden. Hierzu verhalf auch der Einsatz von Mikrokerben nicht. Durchgeführte
Bruchflächenanalysen der Proben offenbaren auch bei diesem Werkstoff eine Ansammlung
von Kolonien in den Bruchursprüngen, die näherungsweise eine senkrechte Ausrichtung zu
der Last und somit eine geringe Bruchzähigkeit aufweisen. Der überwiegende Teil der Bruch‐
flächen ist geprägt durch die instabile Rissausbreitung.
6.2.2.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen
Folgerichtig weist das Diagramm in Abb. 6‐21 überwiegend Datenpunkte der ermittelten
Risswachstumsraten innerhalb der ersten Rissausbreitungsphase auf. Hierbei wurde eine Un‐
terteilung zwischen der Ausbreitung innerhalb der Kolonien und der Ausbreitung innerhalb
der ‐Körnern vorgenommen. Ein Unterschied besteht in den tendenziell höheren Riss‐
wachstumsraten innerhalb der Kolonien, was sich insbesondere bei höheren zyklischen
Spannungsintensitätsfaktoren abzeichnet. Die Abgrenzung der Rissausbreitungsphase 1 liegt
annähernd bei ∆ 3,5 √ .
Um dennoch wachstumsfähige Risse zu erhalten, aus denen Risswachstumsraten über die
erste Phase hinaus generiert werden können, wurde eine weitere Probe bei der Spannungs‐
amplitude von = 440 MPa in‐situ ermüdet. Die höhere Belastung wurde so gewählt, dass
sie die , ‐Dehngrenze überschreitet jedoch noch unterhalb von = 450 MPa liegt.
Die letztere Spannung wurde aus quasistatischen Versuchen als ein Schwellenwert ermittelt,
nach dessen Überschreitung die Mikrostruktur nur noch einen untergeordneten Einfluss auf
die Rissinitiierung ausübt (vgl. Kap. 6.1.1). Trotz der kurzen Lebensdauer dieser Ermüdungs‐
probe von nur 196 LW konnte vielfach das Risswachstum auch über die ersten wirkungsvol‐
len Barrieren beobachtet werden. Die Überwindung der Hindernisse ist auf die höhere Ener‐
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 101
gie zurückzuführen, die für vielerorts gleichzeitig einsetzende Rissinitiierung und ‐ausbrei‐
tung ausreichend war. Die ermittelten Risswachstumsraten sind in Abb. 6‐22 dargestellt.
Verglichen mit den Ergebnissen in Abb. 6‐21 lässt sich ein Einfluss der höheren Spannungs‐
amplitude auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit innerhalb der ersten Risswachstumsphase
eindeutig feststellen. Diese ist nun tendenziell im oberen Bereich angesiedelt. Dennoch
bleibt der mikrostrukturelle Einfluss auf die Rissinitiierung und ‐ausbreitung vergleichbar mit
den bisherigen Beobachtungen bei niedrigeren Spannungsamplituden. Der zuvor ermittelte
Schwellenwert, der die Phase 1 von der Phase 2 abgrenzt, liegt nun bereits innerhalb der
Phase 2. Es handelt sich hierbei offensichtlich um einen Überlappungsbereich, der in ähnli‐
cher Form aus dem Diagramm in Abb. 6‐15 für TNM‐B1 bekannt ist. Der mikrostrukturelle
Einfluss auf die weitere Rissausbreitung nach der Überschreitung der ersten effizienten Bar‐
rieren bleibt weiterhin dominant. Der ermittelte Schwellenwert für den Übergang zu physi‐
kalisch kleinen Rissen liegt bei etwa ∆ 5,9 √ . Die Ausbreitungsgeschwindigkeit in
der Phase 2 und 3 liegt, verglichen mit den Ergebnissen des Werkstoffs TNM‐B1, tendenziell
höher. Das ist zunächst ein Widerspruch, da die überwiegende Ausrichtung der Kolonien in
Richtung der Last einen größeren Wiederstand gegen die Rissausbreitung hervorrufen müss‐
te. In diesem Fall ist anzunehmen, dass die höhere Belastung zu Schädigungen von benach‐
barten Kolonien führt, die den Rissfortschritt erleichtern.
Abb. 6‐21: Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von dem zyklischen Spannungs‐
intensitätsfaktor bei = 255‐430 MPa. Schwarz umrandete Datenpunkte wurden an Ris‐
sen gemessen, die aus künstlichen fs‐Laser‐Kerben entstanden sind.
102 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Abb. 6‐22: Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von dem zyklischen Spannungs‐
intensitätsfaktor bei = 440 MPa. Schwarz umrandete Datenpunkte wurden an Rissen
gemessen, die aus künstlichen fs‐Laser‐Kerben entstanden sind.
6.2.2.2 Ergänzende Betrachtung des lateralen und räumlichen Einflusses von der
Mikrostruktur während der Rissausbreitung
Mikrorisse, die innerhalb der ‐Körner entstehen und wachsen, weisen bevorzugt eine late‐
rale Orientierung von 30° ≤ ≤ 60° auf. Sie können daher auf Abschervorgänge unter der
Wirkung von lokalen Schubspannungen zurückgeführt werden. Dabei wird die Ausrichtung
des Mikrorisses offensichtlich von der kristallographischen Orientierung des Korns bestimmt,
wie es Abb. 6‐23 veranschaulicht. Dargestellt sind auflichtmikroskopische Aufnahmen eines
‐Korns, welches an der in Tabelle 11 vorgestellten Probe beobachtet wurde. Bereits zu Be‐
ginn der Ermüdungsbelastung weist das Korn eine Zwillingslamelle auf. Dieser umgeklappte
Kristallteil reagiert infolge seiner abweichenden Orientierung des Gitters anders auf das ver‐
wendete Ätzmittel und kann daher eindeutig abgegrenzt werden. Infolge der Rissinitiierung
und ‐ausbreitung wird die kristallographische Beziehung zwischen dem Grundgitter und dem
Gitter in der Zwillingslamelle erkennbar. Der Orientierungsunterschied liegt bei einem Win‐
kel von 120°. Der Mikroriss initiierte auf der rechten Seite innerhalb der ersten 3 LW der 5.
Laststufe mit = 360 MPa und breitete sich entsprechend der Angabe in der Tabelle so‐
wie der Veranschaulichung in Abb. 6‐23 in mehreren Schritten aus. Hierbei sei angemerkt,
dass die Tabelle nur Angaben zu Scanintervallen beinhalten, die jeweils einen weiteren Riss‐
ausbreitungssprung offenbaren und nicht die vollständige Versuchshistorie wiederspiegelt.
Während der Ausbreitung folgt der Mikroriss zum einen partiell der Koloniegrenze und wird
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 103
zum anderen sowohl in der Ausbreitungsrichtung als auch in der Geschwindigkeit maßgeb‐
lich von der vorliegenden Zwillingslamelle beeinflusst. Dabei bewirkt die Richtungsänderung
einen vorübergehenden Stillstand bzw. eine deutlich verlangsamte Ausbreitung durch die
Zwillingslamelle.
5
6 6
1 2
5
3
4
4 1
3 2
Rissinitiierung
Abb. 6‐23: Auflichtmikroskopische Aufnahmen der Rissausbreitung innerhalb eines ‐
Korns mit dem Einfluss einer Zwillingslamelle
Eine weitere Veranschaulichung des mikrostrukturellen Einflusses liefert Abb. 6‐24. Darin ist
oben die auflichtmikroskopische Übersichtsaufnahme eines Risses dargestellt, der aus einer
fs‐Laser‐Kerbe entstand. Im unteren Bereich sind REM‐Detailaufnahmen der linksseitigen
Rissspitze sowie des FIB‐Schnitts A‐A abgebildet. Für die Ablation der fs‐Laser‐Kerbe wurde
vor der Experimentdurchführung die auffallend große Kolonie ausgewählt, die in Kombina‐
tion mit der lateralen Orientierung von = 75° günstig für die Rissinitiierung zu sein schien.
Dennoch entstand der Riss erst bei der höheren Spannungsamplitude von = 430 MPa
und zwar zwischen dem vorletzten Scan nach 500 LW der 8. Laststufe und dem letzten Scan
nach dem Probenbruch. Da die Aufnahme folglich erst nach dem Versagen der Probe ent‐
standen ist, konnte die Initiierungs‐ und Wachstumsphase dieses Risses nicht beobachtet
werden. Dennoch lassen sich hieraus einige entscheidende Erkenntnisse ableiten bzw. de‐
monstrieren:
2. Die post mortem FIB‐Analyse an der in Abb. 6‐24 a) gekennzeichneten Stelle der Riss‐
ursprungskolonie offenbart, dass der Mikroriss sowohl an der Oberfläche als zu‐
nächst auch in die Tiefenrichtung intralamellar innerhalb der ‐Lamelle sich ausge‐
breitet hatte. Die räumliche Rissausbreitungsebene änderte sich nach etwa 4 µm in
die interlamellare Rissausbreitung entlang der / ‐Phasengrenze. Die Ausrichtung
der Lamellen in die Tiefenrichtung lag hierbei etwa senkrecht zu der Lastrichtung. So‐
mit können auch bei dieser Kolonieausrichtung die beiden Ausbreitungsmodis, intra‐
lamellar in der ‐Lamelle und interlamellar entlang der / ‐Phasengrenze als bevor‐
zugt erachtet werden.
3. Der mikrostrukturelle Einfluss auf die lokale Rissausbreitungsrichtung bleibt auch im
vorgeschrittenen Rissstadium partiell erhalten. Das äußert sich zum einen an dem
rechtsliegenden Abschnitt des Risspfades, wo der Riss ein Gebiet mit mehreren ‐
Körnern durchlaufen hatte. Hier deuten zwei geradlinig verlaufende Spaltbrüche auf
eine transkristalline Rissausbreitung entlang der energetisch günstigen Ebene hin.
Ferner kann aufgrund des vorliegenden interkristallinen Ausbreitungsabschnitts ein
signifikanter Korngrenzeinfluss identifiziert werden. In beiden Fällen weicht der Riss
von der bevorzugten Mode‐I Ausbreitung ab. Zusätzlich veranschaulicht die REM‐Auf‐
nahme des linksseitigen Rissspitzenbereichs, dass auch bei der translamellaren Aus‐
breitung die energetisch günstigen Ebenen einzelner Lamellen bevorzugt wurden und
so ein stark gezackter Risspfad entstand.
4. Mit dem Erreichen des letzten Stadiums lag der Spannungsintensitätsfaktor an der
Spitze des Risses bei etwa ∆ 12 √ . Dieser Wert befindet sich bereits in
dem für die instabile Rissausbreitung kritischen Bereich von 9,7
14,2 √ , der aus quasistatischen Versuchen für diesen Werkstoff bestimmt
wurde (vgl. Kap. 6.1.1). Dennoch führte der Riss nicht zum Versagen der Probe. Dies
kann damit begründet werden, dass die beidseitigen Rissspitzen in Koloniegebiete
vorgedrungen sind, die infolge ihrer nahezu parallelen Ausrichtung zu der Last einen
deutlich höheren Widerstand gegen die Rissausbreitung aufweisen. In der Literatur
wird für die translamellare instabile Rissausbreitung der Wertebereich von
15 25 √ angegeben (s. Abb. 2‐12 auf S. 27).
5. Der entstandene Ermüdungsriss ist bereits im entlasteten Zustand der Probe sehr gut
erkennbar, was auf die rauheitsbedingte Inkompatibilität der Rissflanken zurückzu‐
führen ist. Dieser, aus der Literatur bekannte Effekt des Rissschließens kommt offen‐
sichtlich erst mit dem Übergang zum Langriss zum Tragen. Es ist jedoch auch be‐
kannt, dass der Rissschließeffekt gerade bei langen Rissen auf einem stabilen Niveau
liegt und daher vernachlässigt werden kann (vgl. Kap. 2.2.2.3).
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 105
a)
F
Spaltbruch Rissende
Rissende A‐A
FIB‐Schnitt
Korngrenzeinfluss
F
b) c)
Abb. 6‐24: a) Auflichtmikroskopische Aufnahme eines Ermüdungsrisses, b) REM‐Detailan‐
sicht der Rissspitze und c) REM‐Aufnahme des FIB‐Schnitts zur räumlichen Risspfadanalyse
6.2.3 TAC‐2‐FL
6.2.3.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ermüdungsrissen
Zur Ermittlung des zyklischen Schädigungsverhaltens des Untersuchungsmaterials TAC‐2‐FL
wurde der Wertebereich der Spannungsamplitude mit = 200‐300 MPa festgelegt. Inner‐
halb des Prüfprogramms wurde auch die aus den quasistatischen Versuchen bekannte Probe
herangezogen, an der zuvor mittels der DIC‐Analyse lokale Dehnungsmaximas bei der max.
Belastung von = 250 MPa bestimmt wurden (vgl. Kap. 6.1.2). Die Auswertung der in‐
situ Ermüdungsversuchen an zuvor unbelasteten Proben offenbart wie erwartet ein Rissini‐
tiierungsverhalten, dass dem unter quasistatischer Belastung entspricht. D. h. die Rissinitiie‐
rung erfolgte in zahlreichen Kolonien, deren Ausrichtung eine vereinfachte Abscherung infol‐
ge der Schubspannung ermöglicht. Ferner konnte die Rissbildung in einigen Kolonien mit an‐
nähernd = 90° beobachtet werden. Ausgehend von der Tatsache, dass die räumliche Orien‐
tierung dieser Kolonien unbekannt ist, kommt in diesen Fällen der Rissinitiierung sowohl die
Schubspannung als auch die Normalspannung als Triebkraft in Frage (vgl. FIB‐Schnitte in Abb.
6‐18 und Abb. 6‐24).
106 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
In einigen Fällen erreichten die Risse mit der Entstehung oder nach nur wenigen Lastwech‐
seln eine Länge, die der Kolonieausdehnung entsprach. Demzufolge wurden innerhalb der
ersten Rissausbreitungsphase hohe Wachstumsraten über einen großen Bereich des zykli‐
schen Spannungsintensitätsfaktors gemessen, was im Wesentlichen auf außerordentlich
große Kolonien des Werkstoffs und die geringe Hinderniswirkung zurückzuführen ist. Unge‐
achtet der festgestellten Risslängen von bis zu 2 = 761 µm und der resultierenden Span‐
nungsintensitätsfaktoren von bis zu ∆ 6,4 √ wurde das Risswachstum mit dem
Erreichen der Koloniegrenzen in den meisten Fällen effizient gehemmt. Liegt dagegen eine
für die Rissausbreitung vorteilhaft orientierte Nachbarkolonie vor, so verbleibt die Ausbrei‐
tungsgeschwindigkeit weiterhin auf einem hohen Niveau (s. grün umrahmten Hinweis in Abb.
6‐25). Die Rissausbreitung über die Koloniegrenze erfolgt in diesem Fall trotz der vergleichs‐
weise hohen Spannungsintensitätsfaktoren in Richtung der Lamellenebene.
Abb. 6‐25: Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von dem zyklischen Spannungs‐
intensitätsfaktor. Schwarz umrandete Datenpunkte wurden an Rissen gemessen, die aus
künstlichen fs‐Laser‐Kerben entstanden sind.
Eine klare Abgrenzung zwischen der 1. und der 2. Rissausbreitungsphase liegt auch bei die‐
sem Werkstoff nicht vor, was auf die Koloniegrößenvariation und damit auch auf die maxi‐
mal erreichbare Risslänge innerhalb der 1. Phase zurückzuführen ist. Eine genauere Erklä‐
rung liefert die folgende Überlegung:
Erste Übergänge in die 2. Phase wurden ab etwa ∆ 4,4 √ festgestellt, d. h.
die Aktivierung benachbarter Kolonien ist offensichtlich ab diesem Wert möglich. Zum
Erreichen dieses Schwellenwerts ist eine Oberflächenrisslänge von 2 = 464 µm erfor‐
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 107
6.2.3.2 Ergänzende Betrachtung des lateralen und räumlichen Einflusses von der
Mikrostruktur während der Rissausbreitung
Zur Veranschaulichung des mikrostrukturellen Einflusses auf die Rissausbreitung wird im Fol‐
genden die aus quasistatischen Experimenten bekannte Probe (vgl. Kap. 6.1.2) näher analy‐
siert. Diese Probe wurde während der anschließenden Ermüdung einer Spannungsamplitude
von = 275 MPa ausgesetzt. Hinzukommende Schädigungsaktivität äußerte sich überwie‐
gend in Form von zusätzlicher Mikrorissinitiierung innerhalb der Kolonien, deren Aktivität
bereits in quasistatischen Versuchen mittels des DIC‐Verfahrens identifiziert wurde. Die Akti‐
vierung neuer Kolonien wurde nur vereinzelt beobachtet.
len Ausbreitung vorzubeugen, wurde ab der Markierung C die Spannungsamplitude auf zu‐
nächst = 250 MPa und im weiteren Schritt auf = 225 MPa gesenkt. Diese Maßnahme
bewirkte folglich eine Reduktion des Spannungsintensitätsfaktors, aber auch gleichzeitig eine
signifikante Änderung des Rissausbreitungsverhaltens. Der mikrostrukturelle Einfluss stieg
mit abnehmender Belastung zunehmen an (vgl. Markierung D und E sowie den Risspfad auf
der rechten Seite). In Abb. 6‐26 d) verzeichnete grüne Datenpunkte kommen ausschließlich
infolge der Lastreduktion zustande. Dieser Effekt wurde auch an einer weiteren Probe beob‐
achtet, die in ähnlicher Weise einer abfallenden Lastamplitude ausgesetzt wurde [139].
a) b)
F
c) C A A B C D
E
E D B
d)
C
E B
A D
F
Abb. 6‐26: a) und b) Ergebnisse der Dehnungsanalyse in x‐Richtung aus quasistatischen
Versuchen bei = 250 MPa (vgl. Kap. 6.1.2), c) Mikroskopische Aufnahme des Ermü‐
dungsrisses aus einer fs‐Laser‐Kerbe und d) Ermittelte Rissausbreitungsgeschwindigkeit
Der direkte Vergleich des Risspfades mit den Ergebnissen der Dehnungsanalyse aus quasista‐
tischen Experimenten in Kap. 6.1.2 offenbart, dass der Ermüdungsriss partiell in Richtung der
zuvor ermittelten Abscherbändern abgelenkt wurde (s. Abb. 6‐26 b) und c)). REM‐Detailauf‐
nahmen der Probenoberfläche in diesem Bereich verdeutlichen, dass der abgelenkte Riss‐
pfad intralamellar innerhalb von breiteren ‐Lamellen verläuft (s. Abb. 6‐27 a)). Aus der
räumlichen Perspektive verlagert sich der Ausbreitungspfad nach nur wenigen µm in Rich‐
tung der / ‐Phasengrenze, wobei der Risspfad stellenweise noch innerhalb der ‐Lamelle
verbleibt (s. Abb. 6‐27 b)).
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 109
a) b) A‐A ‐ FIB‐Schnitt
F
A‐A
FIB‐Schnitt
F
Abb. 6‐27: Zwei Perspektiven des rechten Endbereichs des Ermüdungsrisses aus Abb. 6‐26
a) REM‐Aufnahme der Probenoberfläche und b) REM‐Aufnahme nach dem Ionenmaterial‐
abtrag ins Probeninnere
6.2.4 TNB‐V5
Wie in Kap. 3.1.3 erläutert, lag der Werkstoff TNM‐V5 nicht im Fokus dieser Forschungsar‐
beit. Er wurde lediglich zu Vergleichszwecken im Rahmen einer Kooperationsarbeit herange‐
zogen, um die Auswirkung seiner signifikant feineren Mikrostruktur beim Einsatz der fs‐La‐
ser‐Kerben zu erfassen. Untersucht wurde das Ermüdungsverhalten an einer Probe, die mit 8
Stufenkerben versehen war. Die gewählte Spannungsamplitude von = 775 MPa lag auch
in diesem Fall zwischen den beiden Dehngrenzen , und , , so dass eine vergleichba‐
re Randbedingung zu den anderen Untersuchungsmaterialien gewährleistet werden konnte.
Alle 8 Kerben führten zu Anrissen, und zwar innerhalb der ersten 35 LW. Die außerordentlich
hohe Initiierungsquote (vgl. Kap. 5.2.2) kann mit der hohen Belastung und damit auch der
Spannungsüberhöhung an der Kerbspitze sowie der feineren Mikrostruktur begründet wer‐
den. Entlang der Kerbfront liegen in diesem Fall zahlreiche Kolonien und Körner mit unter‐
schiedlicher Orientierung vor, so dass die Wahrscheinlichkeit für die Existenz solcher mit
günstig orientierten Ebenen hoch ist. Der mikrostrukturelle Einfluss bei der Rissinitiierung
aus einer Kerbe wäre demnach vergleichbar mit dem Wachstum kleiner Risse (s. Kap.
2.2.2.2). Abb. 6‐28 veranschaulicht die Proportionen der Kerbe in Relation zu der Mikrostruk‐
tur. Dargestellt ist die Scanaufnahme der versagensauslösenden Kerbe nach 234 LW der ge‐
wählten Spannungsamplitude. Innerhalb des nächsten Zyklus versagte die Probe mit dem Er‐
reichen einer maximalen Spannung von = 733 MPa. Aus der Rekonstruktion des Riss‐
pfades ergibt sich die Erkenntnis, dass die kritische Rissausbreitung bei einem zyklischen
Spannungsintensitätsfaktor von ∆ 16,5 √ einsetzte.
In unmittelbarer Umgebung der beidseitigen Spitzen dieser Kerbe befinden sich Agglomera‐
tionen von globularen Körnern (Markierung in Abb. 6‐28), die die Rissinitiierung und die an‐
fängliche Ausbreitung ‐ verglichen mit anderen Kerben ‐ begünstigten. Die Rissausbreitung
wurde mit dem Erreichen der Koloniegebiete kurzzeitig unterbrochen, wobei das anschlie‐
ßende Wachstum mit vergleichbar hoher Geschwindigkeit kontinuierlich fortgesetzt wurde.
110 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
Zu diesem Zeitpunkt erlangte der Riss mit ∆ 10,5 √ bereits den Status eines
Langrisses und durchquerte translamellar die Kolonien. Neben der maßgeblichen Schädi‐
gungsaktivität aus allen Kerben konnte partiell die Rissinitiierung innerhalb von Kolonien be‐
obachtet werden. Eine Ausbreitung dieser auf natürliche Weise initiierten Mikrorisse wurde
über die Koloniegrenzen hinweg nicht festgestellt.
Rissende
Rissende
Abb. 6‐28: Auflichtmikroskopische Aufnahme eines Ermüdungsrisses aus einer fs‐Laser‐
Kerbe
Abb. 6‐29: Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von dem zyklischen Spannungs‐
intensitätsfaktor. Schwarz umrandete Datenpunkte wurden an Rissen gemessen, die aus
künstlichen fs‐Laser‐Kerben entstanden sind.
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 111
Das ermittelte Diagramm der Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom zyklischen
Spannungsintensitätsfaktor ist in Abb. 6‐29 dargestellt. Aufgrund der feineren Mikrostruktur
verhielten sich die aus fs‐Laser‐Kerben entstandenen Mikrorisse unmittelbar nach der Initiie‐
rung wie physikalisch kleine Risse. Der Übergang von der Phase 3 zu der Phase 4 der Rissaus‐
breitung kann bei diesem Werkstoff mit etwa ∆ 10 √ definiert werden.
6.3 Zusammenfassende Diskussion zum Schädigungsverhalten von γ‐TiAl‐Basis‐
legierungen
In den vorhergehenden Kapiteln wurde das Schädigungsverhalten der untersuchten ‐TiAl‐
Basislegierungen ausführlich beschrieben. Innerhalb dieses Kapitels sollen die wesentlichen
Aspekte der Rissinitiierung und ‐ausbreitung legierungsübergreifend und zusammenfassend
diskutiert werden.
Schwellenwerte des Schädigungsprozesses
Werden Titanaluminid‐Legierungen mit einer lamellaren Mikrostruktur durch eine mechani‐
sche Belastung bei Raumtemperatur beaufschlagt, so weist der resultierende Schädigungs‐
prozess mehrere ausgeprägte Schwellenwerte auf. Der Schwellenwert I definiert die Mikro‐
rissinitiierung, die bevorzugt innerhalb der Lamellenkolonien auftritt. Aus makroskopischer
Sicht beginnt der Rissinitiierungsprozess bereits deutlich unterhalb der Elastizitätsgrenze
, , d. h. zahlreiche Mikrorisse entstehen noch im linear‐elastischen Bereich der Span‐
nungs‐Dehnungs‐Kurve. Aufgrund der regen Mikrorissbildung ist davon auszugehen, dass die
Steifigkeit der Probe reduziert wird und im Spannungs‐Dehnungs‐Diagramm mikroplastische
Deformationen auftreten, die allerdings unterhalb der Messgrenze liegen. Zudem wird die
anschließende makroskopische Plastizität zu einem Großteil von der Rissinitiierung
und ‐ausbreitung getragen. Die Orientierung der initiierten Mikrorisse wird durch die Aus‐
richtung der Lamellen vorgegeben, sie liegen parallel zu der räumlichen Lamellenebene. Aus
messoskopischer Sicht ist die resultierende lokale Schubspannung in Richtung der Lamellen
dominierend. Ferner nimmt die resultierende lokale Normalspannung senkrecht zu den La‐
mellen einen ebenso nicht zu vernachlässigbaren Einfluss ein. Als Rissinitiierungsorte konn‐
ten sowohl die ‐Lamellen als auch die / ‐Lamellengrenzflächen identifiziert werden,
während Zheng et al. und Evangelista et al. nur eine der beiden Möglichkeiten als bevorzugt
erachtet haben (vgl. Kap. 2.3.1). Bei ungünstig orientierten Kolonien ist dagegen die Resis‐
tenz so hoch, dass wie erwartet (vgl. Kap. 5.2.2) auch der Einsatz der optimierten Mikroker‐
ben nicht immer zu einer erkennbaren Rissinitiierung geführt hat.
Liegen größere globulare ‐Körner vor, wie beispielsweise bei TAC‐2‐NL, so können sie eben‐
falls dem Rissinitiierungsprozess unterliegen. Hierbei verlaufen die intrakristallinen Mikroris‐
se entlang der energetisch günstigen kristallographischen Ebenen. Die Verteilung der feinen
‐/ ‐Cluster entlang der Koloniegrenzen wirkt sich dagegen günstig gegen die Rissinitiie‐
rung aus. Das geht aus dem direkten Vergleich der Untersuchungswerkstoffe TAC‐2‐NL und
TNM‐B1 hervor, die annähernd die gleiche Koloniegrößenverteilung aufweisen. Mit zuneh‐
mender Nennspannung und insbesondere nach der Überschreitung der , ‐Dehngrenze
ist der Schädigungsprozess in TAC‐2‐NL deutlich ausgeprägter, was nicht zuletzt in der höhe‐
112 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
ren Bruchdehnung resultiert. Die feinverteilten Cluster der TNM‐B1 Legierung tragen offen‐
sichtlich infolge der verbesserten Verformungsfähigkeit zum Abbau der resultierenden Lokal‐
spannungen bei. Die positive Auswirkung der feinen Körner gegen die Rissinitiierung kann
auch aus Beobachtungen an TNB‐V5 bestätigt werden. Eine Auswirkung der nadelförmigen
Titanboride konnte dagegen nicht festgestellt werden.
Umfasst die Rissausdehnung nach der Initiierung nicht bereits die gesamte Koloniebreite, so
erfolgt unter zyklischer Belastung das anschließende Wachstum bis zu den nächstliegenden
Koloniegrenzen in den meisten Fällen innerhalb von nur wenigen Lastwechseln. Der Ausbrei‐
tungspfad dieser Mikrorisse besteht überwiegend aus inter‐ und intralamellaren Anteilen.
Liegen in der näheren Umgebung zu der bereits aktiven Kolonie deutlich abweichend orien‐
tierte Kolonien vor bzw. sind die benachbarten Kolonien aufgrund ihrer Ausrichtung nicht ak‐
tivierungsfähig, so wirken die Koloniegrenzen als äußerst effiziente Hindernisse. D. h. nach
der anfänglich starken Aktivität setzt ein Sättigungszustand ein, wodurch gleichzeitig der
Schwellenwert II markiert wird. Sowohl unter quasistatischer als auch unter dynamischer
Belastung kann der weitere Abbau der Lokalspannung durch Entstehung von parallelliegen‐
den Rissen in den bereits aktiven Kolonien erfolgen. Die Überwindung der ersten Barrieren
und der Übergang in die nächste Kolonie hängen in erster Linie von dem resultierenden
Spannungsintensitätsfaktor und der relativen Ausrichtung der Kolonien ab. Liegen feinkör‐
nige globulare Phasenanteile entlang der Koloniegrenzen vor, wie es bei TNM‐B1 der Fall ist,
so wird dadurch die weitere Rissausbreitung zusätzlich gehemmt. Dieser Einfluss wurde von
Arata et al. in [27] mittels einer idealisierten linear‐elastischen Berechnung untersucht. Es
wurde der normalisierte Spannungsintensitätsfaktor ⁄ bestimmt, der für die Rissaus‐
breitung bzw. für die Initiierung eines Mikrorisses in einer Nachbarkolonie erforderlich ist,
für den Fall, dass der Hauptriss auf eine Koloniegrenze zuläuft. Das FEM‐Modell besteht aus
einer CT‐Probe mit zwei Kolonien und optional einer bruchresistenten Zone zwischen der
beiden Kolonien. Die Lamellenorientierung der Kolonie I lag immer parallel zu der Rissaus‐
breitung. Aufgrund dieser kritischsten Konstellation ist für die Rissausbreitung zunächst ein
geringer Spannungsintensitätsfaktor erforderlich. Die Lamellenorientierung in der
Kolonie II und die Breite der bruchresistenten Zone wurden variiert. Ausgewählte Ergebnisse
der Berechnung sind in Abb. 6‐30 b) dargestellt, wobei mit die Winkeldifferenz zwischen
den beiden Kolonien definiert wird. Im einfachsten Fall der Rissausbreitung, wenn also beide
Kolonien gleich ausgerichtet sind, gilt = 0°. Berechnungsergebnisse ohne der bruchresis‐
tenten Zone sind zum Vergleich in Abb. 6‐30 a) veranschaulicht. Den Diagrammen kann ent‐
nommen werden, dass der für die Rissausbreitung erforderliche Spannungsintensitätsfaktor
innerhalb der Kolonie I, unabhängig von der Breite der bruchresistenten Zone, bereits vor
dem Erreichen der Grenzfläche infolge der Interaktion der Rissspitze mit der Koloniegrenze
ansteigt.
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 113
a) b)
Abb. 6‐30: Normalisierter Spannungsintensitätsfaktor ⁄ für das Risswachstum in
Abhängigkeit der Risslängenzunahme ∆ für eine CT‐Probe mit zwei Kolonien. Die Abwei‐
chung der Lamellenanordnung in der Kolonie II wird mit angegeben. Bruchresistente Zo‐
ne in der Mitte mit a) = 0 µm und b) = 40 µm [27]
Liegt die bruchresistente Zone nicht vor, so ist für die Mikrorissinitiierung in der Nachbarko‐
lonie die Winkeldifferenz maßgeblich. Anderenfalls, wenn die bruchresistente Zone vor‐
liegt, ist primär die Breite entscheidend [27]. Bei dieser grundlegenden FEM‐Berechnung
wurde die in Kap 2.1.3 diskutierte plastische Verformung nicht berücksichtigt, weshalb die
errechneten Spannungsintensitätsfaktoren nicht quantitativ verwertbar sind. Dennoch gibt
das Modell eine Begründung für die experimentelle Beobachtung über die gute Hindernis‐
wirkung der ‐/ ‐Clusterkombination in TNM‐B1.
Können die ersten Hindernisse überwunden werden, so wird die Richtung der nachfolgen‐
den Mikrorissausbreitung zunächst weiterhin von der Orientierung der Lamellen bestimmt.
Die Hinderniswirkung der ‐/ ‐Cluster ist für derart kolonieübergreifenden Mikroriss nicht
mehr ausschlaggebend, was zu mindestens bei dem vorliegenden Material aufgrund der Ko‐
loniegrößen und damit der resultierenden Spannungsintensitätsfaktoren der Fall ist. Ab etwa
∆ 4,4 √ nehmen translamellare Anteile der Rissausbreitung zu. Dabei gelten für
die translamellare Ausbreitung im Grunde dieselben Mechanismen wie für einen kleinen Riss.
Die Rissspitze wird beim auftreffen auf die jeweilige Lamelle durch die abweichende kristal‐
lographische Orientierung fortwährend in Richtung der bevorzugten Kristallebene abgelenkt.
Eine Verrundung der Rissspitze findet auch mit steigender Spannungsintensität vor der Riss‐
spitze nicht statt, d. h. die plastische Zone vor der Rissspitze nimmt vernachlässigbare Aus‐
maße an. In diesem Fall leistet also nicht die Plastizität, sondern die permanente Richtungs‐
änderung der Rissspitze einen Beitrag zu der Energiedissipation bei. Die aus der Literatur be‐
kannte Mikrorissbildung vor der Rissspitze des Hauptrisses auf der parallel liegenden Ebene
(vgl. Kap. 2.3.2) wurde unter zyklischer Belastung selten beobachtet.
Mit dem Erreichen des Schwellenwerts III wird der Mikroriss nur noch partiell in Richtung
der Kolonieausrichtung abgelenkt. Das Rissausbreitungsverhalten entspricht dem eines phy‐
sikalisch kleinen Risses. Dabei tangiert die Rissfront bereits genügend viele Kolonien und Kör‐
ner, so dass lokal eine vereinfachte Rissausbreitung innerhalb der günstig orientierten Kolo‐
114 Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen
nien und Körner ermöglicht wird. Durch das lokale Vordringen der Rissfront steigt die Span‐
nungsintensität entlang der zurückliegenden Abschnitte an, so dass auch die Bereiche mit
hoher Hinderniswirkung überwunden werden können. Auf diese Weise wird der physikalisch
kleine Riss im Mittel stärker abgebremst, dennoch wird seine Ausbreitung zunehmend stetig.
In dem Werkstoff TAC‐2‐FL wird der Status der physikalisch kleine Risse nur kurz eingenom‐
men, da aufgrund der vorliegenden Koloniegrößen die Risslängen mit dem Erreichen der ers‐
ten Koloniegrenzen bereits hohe Spannungsintensitätsfaktoren verursachen und somit der
direkte Übergang zu einer Langrissausbreitung ermöglicht wird.
Der Übergang zu einem Langriss, dessen Ausbreitung unter zyklischer Belastung mit dem
∆ ‐Konzept beschrieben werden kann, erfolgt bei allen untersuchten Werkstoffen fließend.
Dennoch lässt sich aus mikroskopischer Sicht ein Schwellenwert IV definieren, nach dessen
Überschreitung durchweg translamellare und zunehmend Mode‐I gesteuerte Ausbreitung
stattfindet. Die Phase der Langrissausbreitung ist äußerst kurz. Bei den durchgeführten Expe‐
rimenten lag sie bei etwa 1% der Bruchlastspielzahl. Dies äußert sich auch an dem steilen An‐
stieg der Risswachstumskurve und dem schnellen Übergang zu der instabilen Rissausbrei‐
tung. Letzteres kann als Schwellenwert V der Schädigung erfasst werden. Diesen Schwellen‐
wert gelang es während der in‐situ Ermüdung nicht direkt zu ermitteln. Er kann jedoch, wie
in Kap. 6.2.1.3 gezeigt, nach dem Versagen der Probe mittels der bildbasierten Rekonstruk‐
tion des Risspfades abgeleitet bzw. direkt durch die Standardversuche zur Ermittlung der
Risszähigkeit bestimmt werden.
Auswirkung auf das Versagensverhalten
Aufgrund der vereinfachten Rissinitiierung innerhalb der ‐TiAl‐Legierungen mit der über‐
wiegend lamellaren Mikrostruktur muss bei der Bauteilauslegung von einer mikrorissbehaf‐
teten Struktur ausgegangen werden. Die Angabe einer kritischen Risslänge, wie es Kruzic et
al. für den Einsatz des Werkstoffs in Turbinen mit etwa 500 µm in [8] geschätzt hat, ist je‐
doch nicht allgemeingültig. Vielmehr geht aus den durchgeführten Untersuchungen hervor,
dass unter zyklischer Belastung die Lebensdauer primär durch den Schwellenwert II und den
Übergang zu dem physikalisch kleinen Riss bestimmt wird. Obwohl im Rahmen dieser Arbeit
keine Lebensdauerkurve bestimmt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass dieser
Mechanismus vor allem im LCF‐, aber auch im HCF‐Bereich relevant ist, da sich erste Risse in
Kolonien bereits bei sehr kleinen Lastamplituden zeigten. Derart kleine Risse können jedoch
aufgrund ihrer geringen Ausdehnung nicht mittels der technischen Standardverfahren sicher
detektiert werden. Auch führt die in der Bruchmechanik übliche Methode der Messung von
Schwellenwerten für stabile Rissausbreitung (abfallendes ∆ ) bei diesem Werkstoff nicht zu
sinnvollen Werten, sondern zu einer Änderung des Ausbreitungsverhaltens. Hieraus resul‐
tiert eine unumgängliche Bauteilauslegung nach dem ∆ ‐Konzept, wobei der Schwellen‐
wert II als ∆ definiert werden muss. Bei der sicheren Bauteilauslegung muss also gewähr‐
leistet werden, dass der Schwellenwert II nicht überschritten wird, d. h. dass die Mikrorisse
an den ersten Kolonien stehen bleiben. Für die Anwendung des ∆ ‐Konzepts ist, neben
der Ermittlung des Schwellenwerts II unter zyklischer Belastung, die Kenntnis über die Kolo‐
niegrößen‐ und Kolonieausrichtungsverteilung sowie über die Materialfehlergröße erforder‐
Mikrostruktureller Einfluss auf das Schädigungsverhalten untersuchter Legierungen 115
lich. Auf Basis dieser Daten lässt sich die maximal zulässige Spannungsamplitude ableiten.
Problematisch sind allerdings herstellungsbedingte Defekte wie z. B. Poren, die trotzt der
HIP‐Nachverdichtung gegossener Rohlinge nicht immer vollständig vermieden werden kön‐
nen. Je nach ihrer Lage und Größe können sie zu Anrissen führen, die bereits den Schwellen‐
wert II überschreiten.
Im Allgemeinen zeigen die Untersuchungen, dass für den Einsatz der lamellaren Titanalumi‐
nide die Koloniegröße verringert und homogenisiert sowie die Kolonieausrichtung stark ran‐
domisiert werden sollte. Bei der zyklischen Belastung mit geringer Spannungsamplitude
(HCF‐ bzw. VHCF‐Bereich der Lebensdauer) lokalisiert sich der Schädigungsprozess auf die
zum Überwinden des Schwellenwerts II ungünstige mikrostrukturelle Konstellation. Dabei
sind größere Kolonien mit der annähernden Orientierung senkrecht zu der Lastrichtung bzw.
eine lokale Anhäufung kleinerer Kolonien der genannten Orientierung versagensrelevant,
wie es die Oberflächenobservation und die Bruchflächenanalysen offenbaren. Aus diesem
Grund wäre die Ausrichtung aller Kolonien in Richtung der Belastung äußerst effizient. Ist die
vollständige Ausrichtung nicht möglich, so sind die Größe und Orientierung der abweichend
orientierten Kolonien für die Anwendung des ∆ ‐Konzepts maßgeblich. Mit abnehmender
Kolonie‐/Korngröße und gleichbleibender Größe der Materialdefekte (z. B. Poren) verlagert
sich der Rissinitiierungsort hin zu den Materialdefekten, deren Größe in diesem Fall stärker
berücksichtigt werden muss. Diese Erkenntnis zeigt der Einsatz der fs‐Laser‐Kerben an TNB‐
V5, wo mit feiner werdender Korngröße das Widerstandsvermögen gegen die Ausbreitung
von Mikrorissen signifikant minimiert wird.
116 Mesoskopisches FE‐Modell basierend auf der Abbildung realer Mikrostruktur
7 Mesoskopisches FE‐Modell basierend auf der Abbildung realer Mikro‐
struktur
Aus Kap. 6 geht hervor, dass bei lamellaren ‐TiAl‐Legierungen der Schwellenwert II des
Schädigungsprozesses als maßgeblich für die Lebensdauer erachtet wird. Für dessen grund‐
legende und umfassende Untersuchung ist jedoch zunächst die Kenntnis über mikrostruktu‐
relle Konstellationen erforderlich, die die Rissinitiierung innerhalb Kolonien bzw. Körnern be‐
günstigen. Folgerichtig ist die Ermittlung der Lokalspannungen bzw. ‐dehnungen im Gefüge
unabdingbar, die aufgrund der komplexen mesoskopischen Wechselwirkungseffekte besten‐
falls mittels eines FE‐Modells erfolgen kann. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Verfahren
entwickelt, welches die Erstellung eines mikrostrukturell basierten 2D‐Modells erlaubt [141].
Im Unterschied zu dem bekannten VORONOI‐Ansatz [142] dienen dem Modellaufbau mikro‐
skopische Bildaufnahmen, die vor der eigentlichen Versuchsdurchführung im entlasteten Zu‐
stand der Probe erzeugt werden (Abb. 7‐1 a)). Dies erlaubt eine realitätsnahe Modellierung.
a) b)
c) d)
Abb. 7‐1: Verfahren zur Erzeugung von mikrostrukturell basiertem FE‐Modell [144]
Hinsichtlich des Materialverhaltens ist das Modell zunächst auf den anisotrop linear‐elasti‐
schen Ansatz beschränkt, was angesichts der vernachlässigbaren Plastizität dieser Legie‐
rungsklasse legitim ist. Die Korn‐ und Koloniegrenzen werden herausgearbeitet (Abb. 7‐1 b))
und durch ein vereinfachtes Binärbild (Abb. 7‐1 c)) dargestellt. Aus diesem Binärbild werden
einzelne Pixelkoordinaten der Korn‐ und Koloniengrenzen mittels der Bildanalysesoftware
DigiTrace erfasst und im Anschluss mittels eines Abaqus‐Python‐Skripts zu einem Gesamt‐
modell verarbeitet. Innerhalb des Gesamtmodells sind die jeweiligen Körner und Kolonien
Mesoskopisches FE‐Modell basierend auf der Abbildung realer Mikrostruktur 117
als separate Parts abgebildet, die ihrerseits lokale Materialparameter sowie kristallographi‐
sche bzw. koloniale Orientierungsangaben beinhalten. Die Kolonien werden als homogene
Strukturen betrachtet, d. h. ohne die weitere Unterteilung in einzelne Lamellen vorzuneh‐
men. Die erforderlichen Materialdaten für die Kolonien und Körner sind der Literatur [143]
entnommen. Die kristallographische Ausrichtung der Körner wird randomisiert vorgegeben,
während die laterale Ausrichtung der Kolonien direkt aus den Bildaufnahmen hervorgeht.
Die Zuweisung dieser Parameter den jeweiligen Parts erfolgt automatisch innerhalb des Aba‐
qus‐Python‐Skripts. Nach dem Vernetzen (Abb. 7‐1 d)) können mikrostrukturell beeinflusste
Spannungs‐ bzw. Dehnungsüberhöhungen bestimmt und im globalen oder lokalen Koordina‐
tensystem ausgegeben werden.
Die Abbildungsfähigkeit der Realität mittels der FEM‐Berechnung wurde an dem in Abb. 7‐2
a) skizzierten Ausschnitt der in Kap. 6.1.2 vorgestellten Probe überprüft. Als Randbedingung
für das FE‐Modell diente die Verschiebung entlang des betrachteten Ausschnittrands, die
mittels der DIC‐Analyse bei der Nennspannung von = 250 MPa ermittelt wurde. Die fs‐
Laser‐Kerben wurden zwecks besserer Vergleichbarkeit ebenfalls in das Modell übernom‐
men. Das Ergebnis der FEM‐Berechnung ist in Abb. 7‐2 b) dargestellt. Dabei handelt es sich
um die globale Dehnungsverteilung in x‐Richtung, die äquivalent der DIC‐Analyse dem Pro‐
benbild mit 40%‐iger Transparenz überlagert wurde. Zusätzlich sind die Kolonie‐ und Korn‐
grenzen in dem Bild hervorgehoben.
Im Allgemeinen deckt sich die Dehnungsverteilung aus der FEM‐Berechnung gut mit der DIC‐
Analyse und somit der Realität. Kolonien, innerhalb derer Abschervorgänge stattfanden, wei‐
sen in der FEM‐Berechnung hohe Dehnwerte auf und können auf diese Weise als potentielle
Rissinitiierungsorte identifiziert werden. Dabei muss berücksichtig werden, dass die Absche‐
rung selbst, die eine dauerhafte Schädigung darstellt, nicht mittels des linear‐elastisch ba‐
sierten Modells abgebildet wird. Ferner zeigt die Berechnung eine realitätsnahe Dehnungs‐
überhöhung vor den Kerbspitzen. Einzig die sprunghaften Verläufe entlang des Ausschnitt‐
rands stellen Artefakte der Berechnung dar, die auf die vorgegebene Randverschiebung zu‐
rückzuführen sind. Ursächlich hierfür sind zum einen die vorliegende starke Verformungsan‐
isotropie und zum anderen die mögliche lokale Fehlauswertung der DIC‐Translationsberech‐
nung. Beides führt vereinzelt zu Sprüngen zwischen benachbarten Verschiebungsvektoren
jeweiliger Messpositionen (vgl. Kap. 4.1), die ungefiltert in die FEM‐Berechnung übertragen
wurden. Der Einfluss der sprunghaften Verschiebungsvektoren ist in der FEM‐Berechnung je‐
doch nur bedingt in der unmittelbaren Nähe des Randbereichs vorhanden.
Das entwickelte Verfahren zur Generierung von mikrostrukturell basierten FE‐Modellen bie‐
tet somit als ein Begleitinstrument für weitere Forschungsarbeiten eine Möglichkeit zur um‐
fassenden aber dennoch fokussierten Untersuchung des Rissinitiierungs‐ und ‐ausbreitungs‐
verhaltens. Es ermöglicht die Platzierung von Mikrokerben an den Orten, an denen tatsäch‐
lich hochbeanspruchte Gefügeelemente vorliegen, so dass die Schädigung zusätzlich lokali‐
siert wird. Andererseits kann durch die Wahl der Lage und Orientierung von Kerben die loka‐
le Spannungsüberhöhung gezielt an Orten hervorgerufen werden, die sonst keine Rissinitiie‐
rung aufweisen würden. Auf diese Weise können die beiden Schwellenwerte I und II noch
gezielter erfasst werden.
118 Mesoskopisches FE‐Modell basierend auf der Abbildung realer Mikrostruktur
a)
b)
Abb. 7‐2: a) Mittels der DIC‐Analyse ermittelte Dehnung in x‐Richtung bei der Nennspan‐
nung von = 250 MPa (vgl. Kap. 6.1.2) und b) FEM‐Vergleichsberechnung der Deh‐
nung eines Ausschnitts
Zusammenfassung 119
8 Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den mikrostrukturellen Schädigungsvorgängen in in‐
termetallischen ‐TiAl‐Basislegierungen unter mechanisch monotoner sowie zyklischer Be‐
lastung. Obgleich der Werkstoff für Hochtemperaturanwendungen entwickelt wird, kann bei
wechselnden Temperaturen sein sprödes Niedrigtemperaturverhalten versagensrelevant
sein. Beispiele sind die kritischen Anlaufphasen einer Flugzeugturbine sowie die zahlreichen
Kaltlaufphasen eines Kfz‐Verbrennungsmotors, die im Laufe der Betriebsgesamtdauer zu ei‐
ner hohen Lastwechselzahl führen können. Unabhängig von dem Einsatzort muss ein siche‐
rer Betrieb ohne das katastrophale Sprödbruchversagen gewährleistet werden. Aus diesem
Grund wurde der Fokus der Arbeit auf das Schädigungsverhalten bei Raumtemperatur gelegt.
Es wurde eine übergreifende und systematische in‐situ Analyse ausgewählter ‐TiAl‐Basisle‐
gierungen hinsichtlich des Initiierungs‐ und Wachstumsverhaltens kleiner Oberflächenrisse
durchgeführt. Ein wesentliches Merkmal der Untersuchungswerkstoffe sind die unterschied‐
lich orientierten Kolonien, die aus ‐ und ‐Lamellen bestehen. Daneben existiert, je nach
Wärmebehandlung und chemischer Zusammensetzung, ein nicht zu vernachlässigender An‐
teil an globularen Körnern der ‐Phase. Eine neuartige Gusslegierung beinhaltet zusätzlich
die ‐Phase. Legierungsübergreifend liegen die globularen Körner bevorzugt entlang der
Koloniegrenzen vor. Sowohl die Kolonie‐ als auch die Korngröße können stark variieren, was
in Kombination mit der Kolonieorientierungsvariation einen signifikanten Einfluss auf die
mechanischen Eigenschaften und insbesondere auf die Rissinitiierung und ‐ausbreitung hat.
Zur Erfassung der mikrostrukturellen Schädigungsvorgänge wurden mehrere Verfahren und
Ansätze angewandt und optimiert. Vor der Durchführung der quasistatischen und zyklischen
Experimente wurde die Geometrie der verwendeten Proben mittels FEM‐Berechnungen op‐
timiert. Auf diese Weise konnte zum einen die Kerbwirkung minimiert werden und zum an‐
deren auch bei kleinen Proben ein ausreichend großer Bereich homogener Spannungsvertei‐
lung realisiert werden, in dem in‐situ Beobachtung durchgeführt werden konnte. Dazu
wurde die Probenkerbform an das Neuber‐Profil mit konstanter Randspannung angenähert
und die Formzahl auf bis zu = 1,03 reduziert. Experimente mit quasistatischer Belastung
wurden durch den Einsatz eines kompakten Zug‐Druck‐Moduls mit einem digitalen Mikro‐
skop durchgeführt. Die erstellten Bildaufnahmen konnten post mortem analysiert werden,
woraus zum einen die Grenzbelastung für die Rissinitiierung ermittelt und zum anderen die
Spannungsamplitude für dynamische Versuche abgeleitet wurde. Der ergänzende Einsatz
der digitalen Kreuzkorrelationsanalyse an Grauwertbildern verhalf der genauen, aber den‐
noch flächendeckenden Identifizierung der Rissinitiierungsorte sowie der Ermittlung des Ko‐
loniegrenzeinflusses bei der anschließenden Rissausbreitung. Auch während der Ermüdungs‐
experimente wurde die Probenoberfläche durch den Einsatz digitaler Auflichtmikroskopie in‐
situ observiert. Ein dreidimensionaler automatischer Verfahrmechanismus ermöglichte da‐
bei die Erfassung größerer Probenbereiche mit unterschiedlichster mikrostruktureller Kon‐
stellation. In dem nachgeschalteten post mortem Prozess wurde das Ausbreitungsverhalten
der Risse von der Initiierungsphase bis zum Versagen der Probe qualitativ und quantitativ
bruchmechanisch ausgewertet. Die Einbringung von mikrostrukturell kleinen Kerben mittels
120 Zusammenfassung
dessen Orientierung von der oben genannten abweicht. Größere globulare ‐Körner können
ebenfalls dem Rissinitiierungsprozess unterliegen, wobei die intrakristallinen Mikrorisse ent‐
lang der energetisch günstigen kristallographischen Ebenen verlaufen. Feinverteilte globula‐
re ‐/ ‐Körner, die entlang der Koloniegrenzen vorliegen, tragen dagegen infolge der ver‐
besserten Verformungsfähigkeit zum Abbau der resultierenden Lokalspannungen bei. Da‐
durch wird die Rissinitiierung auch in den Kolonien gehemmt.
Unter der zyklischen Belastung wird nach der schnellen Rissinitiierung ein Sättigungszustand
der Schädigungsaktivität erreicht, wodurch gleichzeitig der Schwellenwert II des Gesamt‐
schädigungsprozesses definiert wird. Dieser Schwellenwert ist maßgeblich, da die Mikrorisse
einen Großteil der Gesamtlebensdauer mit dessen Überwindung verbringen. Die Überwin‐
dung der ersten Barrieren und der Übergang in die nächste Kolonie hängen in erster Linie
von dem resultierenden Spannungsintensitätsfaktor und der relativen Ausrichtung der Kolo‐
nien ab. Feine globulare Körner entlang der Koloniegrenzen wirken aufgrund derselben Me‐
chanismen wie bei der Rissinitiierung zusätzlich ausbreitungshemmend. Der weitere Schädi‐
gungsprozess lokalisiert sich auf die wenigen, für die Überwindung der ersten Barrieren gün‐
stigen mikrostrukturellen Konstellationen. Liegt eine starke Variation der Kolonieorientie‐
rung vor, so stellen die Koloniegrenzen effiziente Barrieren dar. Die Effektivität der ersten
Koloniegrenzen kann darauf zurückgeführt werden, dass die Mikrorissausbreitung nach der
Überschreitung dieses Hindernisses weiterhin in Richtung der Lamellenorientierung erfolgt.
Im Gegensatz zu duktilen Metallen, deren kfz‐ oder krz‐Kristallgitter für den Übergang eines
Mikrorisses in das Nachbarkorn eine Vielzahl an energetisch günstigen Ebenen aufweisen,
besitzt der lamellare Kolonieaufbau nur eine günstige Ebene. Auf Basis dieser Erkenntnisse
wurden Schlussfolgerungen für die Auslegung der Bauteile aus lamellaren ‐TiAl‐Basislegie‐
rungen hergeleitet, die auf dem ∆ ‐Konzept beruhen. Dabei muss ∆ als der Schwellen‐
wert II definiert werden. Schädigungsmodelle, die auf dem Verhalten von langen Rissen ba‐
sieren, sind dagegen bei diesen Werkstoffen nicht zweckmäßig.
Ist der Schwellenwert II überwunden, so wird der Mikroriss zunächst weiterhin sehr stark
von der Ausrichtung der Kolonien dominiert, d. h. der Risspfad verläuft bevorzugt in Rich‐
tung der Lamellen. Globulare Körner verlieren dagegen zunehmend an Einfluss, wobei ein
partieller Verlauf des Risspfades entlang der Korngrenzen sowie der kristallographischen
Ebenen beobachtet wurde. Die mikrostrukturelle Hinderniswirkung ist insgesamt nur noch in
reduzierter Form vorhanden, d. h. dass die Mikrorisse entscheidend seltener von den ge‐
nannten mikrostrukturellen Gegebenheiten zum völligen oder längerfristigen Stillstand ge‐
bracht wurden. Weitere Schwellenwerte wurden mit dem Erreichen des Status als physika‐
lisch kleiner Riss sowie mit dem Übergang zur der Langrissausbreitung definiert. Dabei zeich‐
net den physikalisch kleinen Riss bereits die nahezu stetige Rissausbreitung und zunehmend
translamellare Rissausbreitung beim überqueren der Kolonien aus. Die Ausbreitung eines
Langrisses erfolgt dagegen überwiegend Mode‐I gesteuert, wobei die Mikrostruktur kaum
Einfluss nimmt. Die beiden Phasen der Rissausbreitung sind vergleichsweise kurz, da infolge
einer geringen Steigerung des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors die instabile Rissaus‐
breitung einsetzt.
122 Zusammenfassung
Unabhängig von der bevorzugten schubspannungsgesteuerten Mikrorissinitiierung innerhalb
der Kolonien zeigen die durchgeführten Experimente, dass die versagensursächlichen Haupt‐
risse aus größeren Kolonien mit der annähernd senkrechten Ausrichtung der Lamellen im Be‐
zug auf die Last entstanden. Anderenfalls kann auch eine lokale Anhäufung kleinerer Koloni‐
en der genannten Orientierung zum Versagen führen. Mit abnehmender Kolonie‐ und/oder
Korngröße verlagert sich die Rissinitiierung bei gleichbleibender Größe der Materialdefekte
(z. B. Poren) hin zu den Materialdefekten, wie es der Einsatz der Kerben zeigt. Dieser Effekt
kann damit begründet werden, dass der Materialdefekt eine größere Anzahl der Kolonien
und Körner tangiert und die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen solcher mit einer für die
Rissinitiierung günstigen kristallographischen Ausrichtung hoch ist. Anderenfalls führen klei‐
nere Defekte innerhalb einer Kolonie nicht zwangsläufig zu einer Rissinitiierung.
Mit den durchgeführten Untersuchungen liegt nun eine umfangreiche Datenbasis zum Schä‐
digungsverhalten von intermetallischen ‐TiAl bei Raumtemperatur vor. Diese kann zur wei‐
teren Werkstoffoptimierung herangezogen werden. Weiterführende Untersuchungen sind
allerdings notwendig, um eine vergleichbare Datenqualität für das Hochtemperaturverhalten
dieser Werkstoffgruppe zu erhalten.
Literaturverzeichnis 123
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der Untersuchung von Rissinitiierung und ‐wachstum in einer TiAl‐Legierung.
Präsentation, Herbstsitzung DVM/DGM AK Materialermüdung. Kaiserslautern : s.n.,
2009.
Anhang 133
Anhang
Anhang 135
A‐1 Technische Zeichnungen
A‐1.1 Form A
Anhang 137
A‐1.2 Form B
Anhang 139
A‐1.3 Form C
Anhang 141
A‐1.4 Form D
Anhang 143
A‐2 Ansatz zur Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors für ausgesuchte Kon‐
figurationen aus [51]
A‐2.1 Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors eines halbelliptischen Oberflä‐
chenrisses für
Abb. A‐2‐1: Mittig liegender halbelliptischer Oberflächenriss unter äußerer Zug‐ und Biege‐
belastung [51]
π ⋅a ⎛a a c ⎞
K I = (σ m + H ⋅ σ b ) F ⎜ , , , φ ⎟ . (A‐2‐1)
Q ⎝t c W ⎠
mit
1, 65
⎛a⎞
Q = 1 + 1,464⎜ ⎟ (A‐2‐2)
⎝c⎠
⎡ ⎛a⎞
2
⎛a⎞ ⎤
4
F = ⎢ M 1 + M 2 ⎜ ⎟ + M 3 ⎜ ⎟ ⎥ fφ ⋅ f w ⋅ g (A‐2‐3)
⎢⎣ ⎝t⎠ ⎝ t ⎠ ⎥⎦
⎛a⎞
M 1 = 1,13 − 0,09 ⎜ ⎟ (A‐2‐4)
⎝c⎠
0,89
M 2 = −0,54 + (A‐2‐5)
a
0,2 +
c
24
1 ⎛ a⎞
M 3 = 0,5 − + 14⎜1 − ⎟ (A‐2‐6)
a ⎝ c⎠
0,65 +
c
144 Zusammenfassung
14
⎡⎛ a ⎞ 2 ⎤
fφ = ⎢⎜ ⎟ cos2 φ + sin 2 φ ⎥ (A‐2‐7)
⎣⎢⎝ c ⎠ ⎦⎥
12
⎡ ⎛ π ⋅c a ⎞⎤
f w = ⎢sec⎜⎜ ⎟⎥ (A‐2‐8)
⎢⎣ ⎝ 2 ⋅W t ⎟⎠⎥⎦
⎡ ⎛a⎞ ⎤
2
H = H1 + (H 2 − H1 ) ⋅ (sin φ )
p
(A‐2‐10)
a ⎛a⎞
p = 0,2 + + 0,6⎜ ⎟ (A‐2‐11)
c ⎝t⎠
a a⎛a⎞
H 1 = 1 − 0,34 − 0,11 ⎜ ⎟ (A‐2‐12)
t c⎝t ⎠
2
⎛a⎞ ⎛a⎞
H 2 = 1 + G1 ⎜ ⎟ + G2 ⎜ ⎟ (A‐2‐13)
⎝t⎠ ⎝t⎠
⎛a⎞
G1 = −1,22 − 0,12⎜ ⎟ (A‐2‐14)
⎝c⎠
0 , 75 1, 5
⎛a⎞ ⎛a⎞
G2 = 0,55 − 1,05⎜ ⎟ + 0,47⎜ ⎟ (A‐2‐15)
⎝c⎠ ⎝c⎠
Anhang 145
A‐2.2 Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors eines viertelelliptischen Eckrisses
für
Abb. A‐2‐2: Am Rand liegender viertelelliptischer Oberflächenriss unter äußerer Zug‐ und
Biegebelastung [51]
π ⋅a ⎛a a c ⎞
K I = (σ m + H ⋅ σ b ) F ⎜ , , , φ ⎟ . (A‐2‐16)
Q ⎝t c W ⎠
mit
1, 65
⎛a⎞
Q = 1 + 1,464⎜ ⎟ (A‐2‐17)
⎝c⎠
⎡ ⎛a⎞
2
⎛a⎞ ⎤
4
F = ⎢ M 1 + M 2 ⎜ ⎟ + M 3 ⎜ ⎟ ⎥ fφ ⋅ f w ⋅ g1 ⋅ g 2 (A‐2‐18)
⎢⎣ ⎝t⎠ ⎝ t ⎠ ⎥⎦
⎛a⎞
M 1 = 1,08 − 0,03⎜ ⎟ (A‐2‐19)
⎝c⎠
1,06
M 2 = −0,44 + (A‐2‐20)
a
0,3 +
c
15
⎛a⎞ ⎛ a⎞
M 3 = −0,5 − 0,25⎜ ⎟ + 14,8⎜1 − ⎟ (A‐2‐21)
⎝c⎠ ⎝ c⎠
14
⎡⎛ a ⎞ 2 ⎤
fφ = ⎢⎜ ⎟ cos2 φ + sin 2 φ ⎥ (A‐2‐22)
⎣⎢⎝ c ⎠ ⎦⎥
146 Zusammenfassung
12
⎡ ⎛ π ⋅c a ⎞⎤
f w = ⎢sec⎜⎜ ⎟⎥ (A‐2‐23)
⎢⎣ ⎝ 2 ⋅W t ⎟⎠⎥⎦
⎡ ⎛a⎞ ⎤
2
⎡ ⎛a⎞ ⎤
2
H = H1 + (H 2 − H1 ) ⋅ (sin φ )
p
(A‐2‐26)
a ⎛a⎞
p = 0,2 + + 0,6⎜ ⎟ (A‐2‐27)
c ⎝t⎠
a a⎛a⎞
H 1 = 1 − 0,34 − 0,11 ⎜ ⎟ (A‐2‐28)
t c⎝t ⎠
2
⎛a⎞ ⎛a⎞
H 2 = 1 + G1 ⎜ ⎟ + G2 ⎜ ⎟ (A‐2‐29)
⎝t⎠ ⎝t⎠
⎛a⎞
G1 = −1,22 − 0,12⎜ ⎟ (A‐2‐30)
⎝c⎠
0 , 75 1, 5
⎛a⎞ ⎛a⎞
G2 = 0,64 − 1,05⎜ ⎟ + 0,47⎜ ⎟ (A‐2‐31)
⎝c⎠ ⎝c⎠
Mikrostrukturelle Untersuchungen der Rissinitiierung und -ausbreitung in intermetallischen TiAl-Legierungen
Waldemar Wessel
Waldemar Wessel
ISBN 978-3-86219-360-8