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Im Geschäft mit dem letzten Kolonialherrn


Solange Arabiens Diktatoren noch nicht gestürzt sind, treibt Österreich mit ihnen Handel. Etwa in der besetzten Westsahara
BERICHT : ger. EU· Kenner vermuten nun, dass
IOSEPH GEPP sich Österreich für seine Stimme eine
Gegenleistung erhofft, wenn einmal
frikas letzte K.0lonie ist dreimal wichtigere Themen anstehen. Die
A so groß wie Osterreich und hat
so viele Einwohner wie Vorarlberg.
Sprecherin von Berlakovich hinge·
gen weist darauf hin, dass Österreichs
1976 besetzte Marokko sei nen südli· Partner Öster- Stimme noch gar nicht über das Ab·
ehen Nachbarn Westsahara. Hundert· reichs: Ende 2010 kommen entscheide. Sie erlaube ledig·
tausende Vertriebene vegetieren seit· schlägt die lieh der EU· Kommission, einen Ver·
her in Flüchtlingslagern in der Wüste; marokkanische trag mit Marokko auszuverhandeln.
seitjahrzehnten verlangt die Uno die . Polilei einen Über das Ergebnis stimmen Europas
Unabhängigkeit. Bis vorwenigen Wo· Aufstand von Minister später erneut ab .• Die Men·
ehen galt dies als einer von vielen ge· 20.000 Sahrauis schenrechtssituation in der Westsaha·
frorenen Konflikten des 20. Jahrhun· nieder ra ist uns bewusst", sagt die Spreche·
derts. Jetzt ist auch hier die Zeit der rin .• Unser weiteres Stimmverhalten
Neubewertung angebrochen. herrscht, jährlich rund 36 Millionen sprecherin der Westsahara. .Sogar hängt vom Verhandlungsausgangab."
Euro. der eigene europäische Verfassungs·
Schon im November 2010, zwei Monate Angesichts des bisher sanften Um· dienst stellt fest, dass der Vertrag völ· Diesersoll in einigen Wochen vorliegen
vor Tunesien, forderten 20.000 Sah· gangs Europas mit Nordafrikas Dikta· kerrechtswidrig ist." Österreich legi· - wenn sich die Sache bis dahin nicht
rauis vor den Toren der Hauptstadt EI· toren ist diese Entscheidung umstrit· timiere einen von der UN konstatier· erledigt hat. Denn für den kommen·
Aaiun Grundrechte und bessere Le· ten. Vor fUnf Jahren noch hatten die ten Völkerrechtsbruch, meint auch den Monat kUndigen marokkanische
bensbedingungen. Fünf starben, als zuständigen EU·Landwirtschaftsml· Ulrike Lunacek, GrUne im EU·Parla· und sahrauische Oppositionelle wie·
die Polizei den Protest mit Gewalt nister anstandslos fUr das Vorgänger· ment .• Und zwar ausgerechnet in ei· der Proteste an. Dass König Muham·
auflöste. Vor vier Wochen folgten De- abkommen gestimmt. Nun votierten ner so kritischen Phase wie jetzt." med Reformen versprochen hat, beru·
monstrationen im marokkanischen Dänemark, Schweden und Großbrl· Warum hat ÖVP·Landwirtschafts· higtdie Unzuftiedenen nicht mehr.
Mutterland, ebenfalls mit fünfToten. tannien, obwohl Fischereinationen, minister Nikolaus Berlakovich dann Immerhin in einem Punkt berück·
Just an diesem Tag beschloss die dagegen. Finnland und Deutschland dafür gestimmt? Darüber rätseln Be· sichtigt das Handelsabkommen mit
EU ein Handelsabkommen mit Ma· enthielten sich. Eine weitere Gegen· obachter in Brüssel und Wien. Weder Marokko die explosive Situation im
rokko. Es ist die Verlängerung eines stimme oder Enthaltung hätte den hat sich Österreich Im Fischfang bis· Land. Während der Vorgängerver·
~ bestehenden Vertrags. Europas Fang· Plan zu Fall gebracht. Aber Österreich her sonderlich hervorgetan noch hegt trag auf fünf Jahre geschlossen wur·
~ flotten dürfen vor Marokko und vor al· stimmte dafür. es anderweitig Interessen in Marok· de, gilt der aktuelle nur noch für ein
!.Iem vor der besetzten Westsahara fi· .Entsetzt" zeigt sich darüber Nie· ko oder der Westsahara. Im Gegen· Jahr. Schließlich scheint das Regime
; sehen. Dafür zahlt die Union dem ma· derösterreichs SPÖ·Soziallandesrä· teil, die Republik unterstützte bis· zu wackeln. Und im Nachhinein soll
~ rokkanischen König Muhammed VI., tin Karin Scheele, Ex·EU·Parlaments· lang die unterdrückten Sahrauis, etwa es nicht heißen, man habe mit Dikta·
~ dessen Familie das Land seit 1664 be· abgeordnete und internationale Für· mit der Versorgung für Flüchtlingsla· toren Geschäfte gemacht. 1!

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